Neue Privatdozentin an der Universität Speyer
Antrittsvorlesung zur Kontrollierbarkeit staatlicher
Machtausübung
Speyer- Am Abend des 20. Juli 2017 hielt Dr.
Nadja Braun Binder an der Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften ihre Antrittsvorlesung und schloss damit
erfolgreich ihr Habilitationsverfahren ab.
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität
Bern hatte die gebürtige Bernerin 2005 dort mit einer Dissertation
zum Thema „Stimmgeheimnis. Eine rechtsvergleichende und
rechtshistorische Untersuchung unter Einbezug des geltenden Rechts“
promoviert. Im Anschluss daran erwarb sie an der Universität
Salzburg einen International Executive MBA in Public Management und
war bis 2011 als Juristin, zuletzt als Leiterin der Sektion Recht
in der Schweizer Bundeskanzlei tätig. 2012 wechselte sie zunächst
als Forschungsreferentin und dann als Programmbereichskoordinatorin
an das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung und
an die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer.
Das Thema ihrer unter der Betreuung des Rektors der Universität,
Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland, entstandenen Habilitationsschrift
lautet "Rechtsangleichung in der EU im Bereich der direkten
Steuern. Analyse der Handlungsformen unter besonderer
Berücksichtigung des Soft Law".
Univ.-Prof. Dr. Wieland hob in seiner der Antrittsvorlesung
vorangehenden Würdigung die breite Aufstellung der universitären
Lehre von Braun Binder hervor. Ihre Schwerpunkte liegen hier in den
Bereichen Allgemeines Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrecht,
Polizei- und Ordnungsrecht, deutsches, europäisches und
internationales Steuerrecht, Kommunalrecht und Rechtsetzungslehre.
Es freue ihn – so Wieland mit sichtlichem Stolz – dass eine
frischgebackene Privatdozentin so schnell nach dem Abschluss ihres
Habilitationsverfahrens eine Professorenstelle gefunden habe: Der
Rat der Universität Zürich hat Nadja Braun Binder mit Wirkung zum
1. September 2017 zur Assistenzprofessorin für Öffentliches Recht
unter besonderer Berücksichtigung europäischer Demokratiefragen an
der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ernannt. Dort wird sie zum
Forschungsschwerpunkt „Direkte Demokratie und Populismus“
forschen.
In Ihrem Vortrag beleuchtete Braun Binder die
ideengeschichtliche Entwicklung des Postulats der Kontrolle
staatlicher Machtausübung und dessen verfassungsrechtliche
Verankerung, insbesondere im Grundsatz der Gewaltenteilung. Einer
Analyse der Kontrollbeziehungen zwischen den Verfassungsorganen und
der externen Kontrollmöglichkeiten schloss sie die Frage nach dem
Verhältnis zwischen Populismus und Kontrollierbarkeit staatlicher
Machtausübung an. Dabei zeigte sie auf, dass populistische
Strategien sowohl die Nutzung der Kontrollbeziehungen als auch
deren (mittelbare oder unmittelbare) Infragestellung umfassen
können. DUV Speyer, Presse
21.07.2017
5. Speyerer Energieforum: Die Energiewende zwischen Regulierungsstaat und Zivilgesellschaft
Speyer- Die
rechtlichen Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft haben sich seit
der Liberalisierung der Energieversorgung in 1998 mehrfach
grundlegend geändert. Eine Folge dieser kon-tinuierlichen
Veränderung ist, dass Dichte und Umfang staatlicher
Regulierungseingriffe deutlich zugenommen haben. Diese Entwicklung
gleicht einer Regulierungsspirale wurde als „Regulierungswahn“ und
als „Paragraphenexplosion“ bezeichnet. Die Monopolkommission hat in
ihrem Sondergutachten von 2013 eine Ex-post-Evaluation der
Regulierungsdichte durch Ministerien, Regulierer, Verbände und
Unternehmen gefordert, um Deregulierungspotential zu
identifizieren. Ferner bestehen erhebliche Konflikte zwischen Staat
und Bürgern über den Ausbau der Stromversorgungsnetze sowie über
Art und Umfang der staatlichen Förderung Erneuerbarer Energien.
Hier müssen kooperative Lösungen zwischen Staat und
Zivilgesellschaft entwickelt werden. Das Forum möchte hierzu einen
Beitrag leisten und konnte namhafte Referentinnen und Referenten
aus Bundes- und Landesministerien, der Bundesnetzagentur und der
Wissen-schaft gewinnen. Vorträge und Diskussionen widmen sich
unterschiedlichen Regulierungsbereichen, die von der
Anreizregulierung, über den Netzausbau und Emissionshandel, bis zum
Erneuerbare-Energien-Gesetz und Strommarktdesign reichen.
Schließlich scheint die Regulierungsspirale zur
Wiederver-staatlichung von Energieversorgungsunternehmen zu führen,
wie der derzeitige Trend der Rekommunalisierung zeigt. Mit einer
Diskussion hierzu schließt das Forum ab.
Methodik, Didaktik
Leitung
Prof. Dr. Eberhard Bohne Dr. Christian Bauer
Veranstaltungstyp Forum
Veranstaltungs Nr. 1.7.16
Termin
14.04.2016 - 15.04.2016
Tagungsort Universität
Speyer
Teilnehmerzahl
40
Teilnehmerkreis
Adressaten sind alle mit der Energiewende und Energiewirtschaft
befassten Personen aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung,
privater Wirtschaft, Verbänden, Gerichtsbarkeit,
Rechtsanwaltschaft, Wissenschaft und Studierende
Teilnahmebeitrag
Link für mehr Informationen
http://www.uni-speyer.de/de/weiterbildung/weiterbildungsprogramm.php?seminarId=36
Text: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften
Speyer, Presse
17.12.2015
Erfahrungen von direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung mit den „Erfindern der Volksabstimmung“ geteilt
Wissenschaftler und Politiker aus dem Schweizer Kanton
Aargau und aus Rheinland-Pfalz kamen in Speyer
zusammen
spk. Speyer- Sie gelten seit langem als
das Volk mit den ältesten und umfassendsten Erfahrungen auf dem
Feld von direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung im Herzen
Europas – die Schweizer mit ihren zahlreichen Volksabstimmungen zu
den unterschiedlichsten Fragestellungen. Kein Wunder, dass da auch
ihre „Nachbarn“ von diesen Erfahrungen profitieren möchten:
Gemeinsam mit der Republik Österreich, mit dem Fürstentum
Liechtenstein sowie mit dem Land Baden-Württemberg wurden deshalb
schon in der Vergangenheit insgesamt drei Demokratietagungen
durchgeführt - im letzten Jahr trafen sich dann auch
Wissenschaftler und Politiker aus dem grenznahen schweizérischen
Kanton Aargau mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus
Rheinland-Pfalz am „Zentrum für Demokratie Aarau“ ZDA in der
schweizerischen Kantonshauptstadt.
Jetzt kamen die Schweizer zum Gegenbesuch in die Pfalz,
wo sie in der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“
in Speyer in mehreren Diskussionsrunden unter der Gesprächsleitung
des ZDF-Journalisten und Moderators Ralph
Szepanski gemeinsam mit ihren deutschen Kolleginnen und
Kollegen Fragen der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung
erörterten. Bei dieser Folgetagung der im Jahre 2014 erstmals
durchgeführten Demokratiekonferenz erörterten dabei renommierte
Politiker und Wissenschaftler grenzüberschreitende Perspektiven und
die prospektiven Auswirkungen aktueller Reformdiskussionen.
Namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik,
Wissenschaft und Verwaltung beider Regionen hatten sich deshalb zu
dieser Konferenz in Speyer eingefunden,, so unter anderem die
rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu
Dreyer, der Landammann
(Ministerpräsident) des Kantons Aargau, Dr. Urs
Hofmann, die Vizepräsidentin des
rheinland-pfälzischen Landtags, Barbara
Schleicher-Rothmund, der
Grossratspräsident (entspricht in Deutschland dem
Landtagspräsidenten) des Kantons Aargau, Dr. Markus
Dieth sowie hochrangige Delegationen des
rheinland-pfälzischen und des Aargauer Parlamentes. Unter den
Teilnehmern der Konferenz sah man auch den seit zwei Jahren in
Frankfurt(Main amtierenden Schweizer Generalkonsul Markus
Meli sowie den Oberbürgermeister der
gastgebenden Stadt Speyer, Hansjörg Eger
Wissenschaftlich begleitet wurde diese Tagung - wie schon ihre
Vorläuferin aus dem Jahr 2014 - vom Forschungsinstitut der
„Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ Speyer und
dem „Zentrum für Demokratie Aarau“ ZDA .
In einem ersten Teil der Tagung erörterte diese zweite
deutsch-schweizerische Demokratiekonferenz die Frage, ob Politik
grundsätzlich zu komplex für Volksabstimmungen sei - in einem
zweiten Teil standen dann die Herausforderungen hinsichtlich der
Kommunikation und der Information im Vorfeld eines Volksentscheids
im Vordergrund.
In seiner Eröffnungsrede wies Landammann Dr. Urs
Hofmann darauf hin, dass die zunehmende Komplexität von
politischen Themen ein wesentlicher Grund dafür sei, die Menschen
möglichst frühzeitig in die Erörterung der Sachfragen mit
einzubeziehen, um so zugleich die von der Politik erarbeiteten
Lösungen zu legitimieren. „Eine erfolgreiche Politik entfaltet ihre
Wirkung nur dann, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern
verstanden, akzeptiert und mitgetragen wird.“ Das betonte dann auch
Ministerpräsidentin Malu Dreyer in ihrer
Ansprache, in der sie die Bedeutung der Bürgerbeteiligung in einer
funktionierenden Demokratie hervorhob. „Ich würde mir noch weitaus
mehr direkte Demokratie in unserem politischen System wünschen“,
unterstrich Dreyer mit Blick auf erste Volksentscheide und setzt
darauf, dass sich in der Zukunft noch weitaus mehr Möglichkeiten
zur direkten Bürgerbeteiligung eröffnen mögen.
In seinem Statement hob Grossratspräsident
Dieth hervor, dass es für ihn als Parlamentarier „ein
Privileg“ sei, dass in der Schweiz die Vorlagen der Politiker
direkt vom Volk beurteilt werden könnten. „Ein positives Ergebnis
einer Abstimmung ist dann für uns als Parlamentsmitglieder immer
wieder eine Bestätigung und Legitimierung unserer Arbeit“, stellte
er fest.
Ministerpräsidentin Malu Dreyer und
Landammann Dr. Urs Hofmann zogen zum Schluss
dieser zweiten Konferenz eine positive Bilanz und sagten zu, die
bisherige Zusammenarbeit in der bewährten Form weiterführen.
Auf Einladung von Ministerpräsidentin Dreyer fand dann am Abend
der Tagung ein offizieller Empfang der Konferenzteilnehmer auf dem
„Hambacher Schloss“ statt - ein Ort, vom dem aus man an diesem
sonnigen Tag nicht nur einen weiten Blick über die Rheinebene
genießen konnte, sondern wo die Gäste auch einiges über den Ort
erfuhren, der seit dem „Hambacher Fest“, der großen
Freiheitskundgebung des Jahres 1832 als „Wiege der deutschen
Demokratie“ gilt.
Foto: gc
16.05.2015
„Farbe – Linien – Körper“
Beeindruckende Ausstellung mit Arbeiten der Mainzer
Künstlerin Anne Schmitt in der Speyerer „Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften“ eröffnet
cr. Speyer. Eine höchst bemerkenswerte
Ausstellung mit Malereien und Keramikskulpturen der Mainzer
Künstlerin Anne Schmitt ist jetzt und noch bis zum
29. Mai 2015 im Foyer sowie im Atrium der „Deutschen Universität
für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer zu sehen. „Farben – Linien
– Körper“ hat Anne Schmitt diese Schau überschrieben, mit der die
selbstbewußte und außergewöhnlich begabte Autodidaktin nach
zahlreichen Präsentationen in ihrer näheren rheinhessischen Heimat
nun auch den Schritt in die weiteren Umgebung getan hat.
Anne Schmitt hat erst vergleichsweise spät zur Bildenden
Kunst gefunden und Malerei und Kunstgeschichte an der
„Kunstwerkstatt Mainz“ bei Jörg Baltes, Prof. Guido Ludes und
Alfonson Mannella - Plastisches Gestalten bei Christine Hach und
Prof. Eberhard Linke studiert. Figürliche Darstellungen - einander
zugeneigte Paare zumeist – bestimmen mit ihrer bruchlos-fließenden
Formensprache die einst von dem Stararchitekten Sepp Ruf
gestalteten, vielfach preisgekrönt, begrünten Innenhöfe des
inzwischen gut 50jährigen Universitätsgebäudes und verleihen ihm
insbesondere bei Nacht durch gelungen-dezente Beleuchtung ein
geradezu märchenhaftes Flair, insbesondere wenn sich dann auch
noch, wie in den letzten Tagen, immer wieder Schnee zart über die
Figuren schmiegt.
Auf beiden Seiten des Foyers der Universität hat Schmitt,
dramaturgisch geschickt, in dichter Abfolge gut fünfzig
schwarz-weiße sowie farbige Bilder auf Papier und Leinwand gehängt,
Ausfluss mehrerer Malreisen, die sie nach Spanien und immer wieder
in die Toscana und an ihren erkennbaren „Sehnsuchtsort“, nach
Venedig, führten. Ohne Vorzeichnungen hat sie dort die gewonnenen
Eindrücke in sich aufgesogen und sie vor Ort oder später im
heimischen Atelier vollendet.
Anne Schmitts Lehrer und Inspirator, Jörg
Baltes, der es übernommen hatte, in die Schau einzuführen,
kennzeichnete die Künstlerin als außergewöhnlich willensstark, was
sich auch unmittelbar in ihren Arbeiten ausdrücke. „Anne zählt zu
den Schülerinnen, von denen auch ein Lehrer noch etwas lernen und
profitieren kann“, bescheinigte Baltes seiner Kollegin.
Und deren ganz besonderen künstlerischen Qualitäten hob dann
auch die Gleichstellungsbeauftragte der Speyerer
Universität, Dipl.-Ing.Wera Veith-Joncic, hervor, die
schon vor längerer Zeit auf das Schaffen der Künstlerin aus dem
Mainzer Ortsteil Zornheim aufmerksam geworden war und die sie
letztlich auch nach Speyer eingeladen hatte.
Ihr konnte deshalb zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung
auch der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim
Wieland, für ihre Initiative danken und zugleich auch die
zahlreich erschienenen Gäste begrüßen – Mitglieder des Lehrkörpers
und Hörer der Hochschule sowie kunstbegeisterte Speyerer und
Freunde der Künstlerin aus Mainz. Prof. Dr. Wieland gab seiner
Freude darüber Ausdruck, dass es so inzwischen schon mit einer
ganzen Reihe von Ausstellungen gelungen sei, Künstlerinnen und
Künstler aus der Region in die Universität einzuladen, deren
künstlerischer Rang damit durch die immer internationaler werdenden
Hörerinnen und Hörer hinaus in alle Welt getragen werden könne.
Kongenial umrahmte die Geigerin Ceren Yazar die Veranstaltung
mit berührenden Klängen. Foto: gc
02.02.2015
Unbeugsamer Vorkämpfer für 'saubere' Demokratie und gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität
Prof. Dr. Hans See mit Umweltpreis „Goldener Baum“ der
„Stiftung für Ökologie und Demokratie“ ausgezeichnet
Von Gerhard Cantzler
Speyer- Er gilt als unbeugsamer Vorkämpfer
für eine 'saubere' Demokratie und gegen
Bestechung, Korruption und Wirtschaftskriminalität auf allen Ebenen
unserer Gesellschaft – der Frankfurter
Politikwissenschaftler und Schüler des über viele
Jahrzehnte in Marburg lehrenden bedeutenden Politolgen und
Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Wolfgang Abendroth, der wie kaum
ein zweiter eine ganze Generation progressiver
Sozialwissenschaftler in Deutschland geprägt hat: Prof. Dr.
Hans See (80), der jetzt in der Aula der „Deutschen
Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer aus der Hand
des Vorsitzenden der „Stiftung Ökologie und Demokratie
e.V.“, Hans-Joachim Ritter, den Umweltpreis
„Goldenen Baum“ 2015, die höchste Auszeichnung der
Stiftung, entgegennehmen konnte.
In seiner Begrüßung dankte Ritter gleich vorweg dem
Rektor der Speyerer Universität, Prof. Dr.
Joachim Wiegand dafür, dass die Stiftung nun schon zum
wiederholten Male die Räume der Hochschule für ihre Veranstaltungen
nutzen könne. Zugleich konnte er neben dem Rektor unter den Gästen
dieses Abends auch das Mitglied des Kuratoriums der Stiftung und
Träger des „Goldenen Baumes“ 2011, Prof. Dr. Hans Hermann
von Arnim, den Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg
Eger und die Kreisbeigeordnete des
Landkreises Germersheim, Jutta Wegman, willkommen
heißen.
In einem Grußwort kennzeichnete Universitätsrektor Prof.
Dr. Wieland die selbstgestellten Aufgaben der „Stiftung
Ökologie und Demokratie“ als in hohem Maße als in Übereinstimmung
mit Forschungsansätzen an der Speyerer Hochschule befindlich. Dabei
verwies er beispielhaft auf die alljährlich stattfindenden
„Speyerer Demokratie-Tagungen“ unter der wissenschaftlichen Leitung
des profilierten Parteienkritikers Prof. Dr. von Arnim, die immer
wieder weit über die Hochschule hinaus Anstoß zu öffentlichen
Diskussionen gäben. Die Stiftung könne deshalb auch für die Zukunft
mit der Unterstützung durch die Hochschule rechnen.
Theresia Riedmaier, Landrätin des Landkreises
Südliche Weinstraße und noch bis zu ihrem Ausscheiden aus diesem
Ehrenamt am 23. Januar als „Ökologia“ zugleich Symbolfigur der
„Stiftung Ökologie und Demokratie“, lobte Prof. Dr. See für sein
unermüdlich geführtes offenes Wort, wenn es darum gehe, sich gegen
Korruption und Vetternwirtschaft einzusetzen. Mit Blick auf die
schrecklichen Ereignisse von Paris in den letzten Tagen gab sie
ihrer Hoffnung Ausdruck, „dass die Macht des freien Wortes auch in
der Zukunft stärker sein möge als Fanatismus und Terrorismus“.
In seiner Laudatio verwies Hans-Joachim Ritter
auf die von Prof. Dr. See bereits im Jahr 1991
gegründete Bürger- und Menschenrechts- Organisation
„Business Crime Control“ (BCC),
mit der er bis heute die zunehmenden sozialen und ökologischen
Fehlentwicklungen in den Gesellschaften der Welt kritisiere. Dabei
sei inzwischen der Kampf des Wissenschaftlers gegen
Wirtschaftskriminalität in den Fokus seiner Bemühungen gerückt.
Unter Bezug auf die in der Katholischen Sozialethik aufgeführten
„sieben Todsünden“ betonte Ritter, dass diese Todsünden –
vielleicht mit Ausnahme der „Trägheit“ - von der kapitalistischen
Wirtschaftsordnung längst zu den Tugenden umgedeutet worden seien,
die als Triebfeder die Akkumulation von Kapital für die
Finanzierung der industrialisierung erst möglich machen würden.
Dabei würden Begriffe wie „Schnäppchenjäger“ oder Parolen wie „Geiz
ist geil“ zeigen, dass eine derartige Gesinnung inzwischen nicht
allein die politischen und wirtschaftlichen Eliten, sondern die
gesamte Gesellschaft durchdrungen habe.
„Jeder Gesetzesbruch der Konzernwirtschaft untergräbt
zugleich auch unsere innere und äußere Sicherheit und verhindert
damit eine längst notwendige und auch mögliche sozialökologisch
ausgerichtete Wirtschaftsdemokratie“, betonte Ritter und führte
beispielhaft die rücksichtslose Durchsetzung des Baus neuer
Fußballstadien im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2014 in dem
Schwellenland Brasilien und das Staudammprojekt „Belo-Monte“ im
brasilianischen Amazonasgebiet an.
Auch nach seiner Emeritierung sei Prof. Dr. See „ein
authentischer und mutiger Kämpfer gegen Korruption und
Wirtschaftskriminalität“ geblieben, der sich dieses Thema zur
Lebensaufgabe gemacht habe, so der Stiftungs-Vorsitzende. Da sein
Kampf aber zugleich auch eine wichtige präventive und pädagogische
Wirkung im Sinne der Ziele der „Stiftung Ökologie und Demokratie“
entfalte, sei er in herausragender Weise als Träger des
Umweltpreises „Goldener Baum“ geeignet.
Lesen Sie die Laudatio für Prof. Dr. See im
Wortlaut im SPEYER-KURIER.
Nach der Entgegennahme der mit dem Umweltpreis verbundenen
Insignien von Hans-Joachim Ritter und der scheidenden „Ökologia“
Theresia Riedmaier ging der Laureat, Prof. Dr. See, auch selbst
kursorisch auf Entwicklungen in der Wirtschaft ein, die er als in
hohem Maße bedenklich bezeichnete. Dabei verzichtete er darauf,
seinen für diesen Abend vorbereiteten Vortrag zu halten und griff
statt dessen auf die reichen historischen und aktuellen Erfahrungen
seines langen Lebens zurück.
Dazu zählte er an diesem Abend z.B. die Übernahme der
Verfügungsgewalt großer internationaler Konzerne über
Nahrungsmittel, Wasser und inzwischen sogar über saubere Luft, aus
der insbesondere für Bewohner ärmerer Regionen der Welt
unverantwortliche Abhängigkeiten erwachsen würden. „Dabei erleben
wir auch immer wieder, wie versucht wird, an der Gesellschaft
vorbei, die geltende Wirtschaftsordnung auszuhebeln“, beklagte
Prof. Dr. See. „So geht der Mittelstand langsam aber sicher vor die
Hunde“. Die Politik konzentriere sich derweil darauf, die
Infrastruktur für Großunternehmen zu optimieren.
Dies zeige sich u.a. auch in der Forschung, die nach Aussage von
Prof. Dr. See nur noch dort mit öffentlichen Mitteln unterstützt
werde, wo sie den Interessen der großen Konzerne diene. „Eine
unabhängige, interessensfreie Forschung ist deshalb kaum noch
möglich“, kritisierte er. Da die Interationalisierung der
Wirtschaft zudem zu einer völlig neuen Betrachtung der Märkte
geführt habe, würden heute die großen
Wirtschaftsprüfungsunternehmen der Welt weitaus mehr
Forschungsarbeit in Sachen „Wirtschaftskriminalität und Korruption“
leisten als die Hochschulen – nicht jedoch, weil sie damit einen
Beitrag zum Gemeinwohl leisten, sondern weil sie sich dadurch bei
den Konzernen ein besseres „standing“ verschaffen wollten.
„Man sieht es Geld halt nicht an, dass es auf kriminellem
Wege erworben worden ist“, stellte Prof. Dr. See schließlich
sarkastisch fest und beklagte, es gebe nichts, was sich Konzerne
nicht einfallen lassen würden, um ihre Interessen durchzusetzen und
ihre Geschäfte zu machen. Als „unrühmliches Beispiel“ dafür führte
er die Deutsche Bank an, die inzwischen immer betroffen sei, wenn
irgendwo in der Welt Kartellstrafen verhängt werden müssten -
zuletzt 700 Millionen Euro wegen Verstoßes gegen geltende Gesetze
in den USA und letztlich bezahlt aus Geldern ihrer Kunden und ihrer
Aktionäre.
„Wirtschaftskriminalität findet auch im Umweltbereich statt“,
unterstrich Prof. Dr. See zum Abschluss seines mit viel Beifall
bedachten Referates.und verwies dazu auf Skandale wie die „Affäre
Blaumann“, die oft noch über Jahrzehnte im Bewußtsein der
Öffentlichkeit verankert gewesen sei oder die „Politkrimis“ um
„Nukem“ und „Alkem“ in Hessen, an deren Aufdeckung er in seiner
Zeit als Mitarbeiter der zuständigen Kreisverwaltung in Hanau er
noch selbst beteiligt gewesen war. „Die Schöpfung stirbt langsam“,
zitierte er abschließend den kürzlich verstorbenen Schriftsteller
Siegfried Lenz, „sie braucht deshalb nicht im atomaren Blitz
unterzugehen – sie stirbt auch an ihrer Verachtung durch den
Menschen“. Foto: gc
Lesen Sie deshalb „den nicht gehaltenen Festvortrag“ von
Prof. Dr. Hans See im Wortlaut im
SPEYER-KURIER.
01.02.2015
Laudatio des Vorsitzenden der Stiftung für Ökologie und Demokratie e.V., Hans-Joachim Ritter
Verleihung des „Goldenen Baumes“ an Prof. Dr. Hans See am 20.
Januar 2015 an der Uni Speyer
Die Habsucht gehört zu den 7 Todsünden den Menschheit und hat
viele Gesichter: Ausprägungen solch krankhafter Verhaltensweisen
sind Bestechung, Korruption und insbesondere die
Wirtschaftskriminalität.
Unser heutiger Preisträger, Herr Prof. Dr. Hans See, hat sich in
seiner wissenschaft-lichen Arbeit, aber auch als Buchautor und
Gründer der Bürger- und Menschen-rechtsorganisation Business
Crime Control (BCC) diesen Themen mit besonderem Engagement
gewidmet, da er darin eine wesentliche Ursache für soziale und
ökolo-gische Fehlentwicklungen sieht. Der Kampf insbesondere gegen
Wirtschaftskrimi-nalität ist zu seinem Lebensinhalt geworden, für
den wir ihn heute mit unserem Um-weltpreis “Goldener Baum“ ehren
werden.
Diesen Preis vergeben wir seit dem Jahre 1999 an
Persönlichkeiten, die sich in ganz besonderer Weise für die Themen
Ökologie und Demokratie engagiert haben. Die Korruptionsbekämpfung,
also die Bemühungen um eine saubere Demokratie, fällt unzweifelhaft
unter den Themenbereich Demokratie.
Wir erregen uns auf über raffgierige Politiker und die
„Abzocker“ in der Wirtschaft. Aber Habgier und Geiz sind kein
Privileg der Mächtigen. Wir scheinen geradezu ein Volk von
Schnäppchenjäger geworden zu sein, die eine seltsame Mischung von
Geiz und Habgier praktizieren – möglichst viel haben wollen und
möglichst wenig dafür bezahlen: Das Wort vom
„Preis-Leistungs-Verhältnis“ taucht in fast allen Unterhal-tungen
über Restaurant- oder Veranstaltungsbesuche bzw. Urlaubsreisen
spätestens im zweiten Satz auf.
Die Neubewertung der Laster zu nützlichen Eigenschaften oder gar
Tugenden finden wir zuerst in der Renaissance, sie schritt in der
Moderne weiter fort und ist bis heute nicht abgeschlossen. Der
Staatsphilosoph Niccolo Macchiavelli (1469 - 1527) schrieb: „Wenn
man alles genau betrachtet, wird man finden, daß manches, was als
Laster gilt, Sicherheit und Wohlstand bringt.“ Und der
Kulturhistoriker Lewis Mumford (1895 – 1990) konstatierte im
Rückblick auf das 19. und 20. Jahrhundert, daß bis auf Trägheit
alle Todsünden spätestens in der industriellen Revolution zu
Tugenden umgeformt waren. Mehr noch: Sie seien inzwischen die
treibenden Kräfte der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. So wurde
die Habgier als die Triebfeder der Akkumulation von Kapital, das
eine Industrialisierung erst finanzieren kann. Und der Neid ist ein
starkes Motiv zunächst der Arbeitergesellschaft, später auch des
Kon-sumkapitalismus. Dies zeigt auf, wie sich durch die
industrielle Revolution, durch marktwirtschaftliches Denken und
durch geringer werdendem religiösem Einfluß auch die Werte
und Einstellungen verändert haben. Dennoch: auch wenn wir
alle ein Stück weit zu Schnäppchenjägern geworden sind, gibt
es verschiedene Stufen der Habgier, anfangs auch bei Seilschaften
und Filz evtl. noch ohne strafrechtliche Relevanz. Auch
Firmensponsoring oder Parteienspenden sind noch legale
Mög-lichkeiten abhängig machender Formen zur Einflußgewinnung bis
zur Marktbe-herrschung bestimmter Unternehmen. Dies ist bereits
problematisch. Aber mit Be-stechung, Vorteilsannahme, Korruption
und schließlich Wirtschaftskriminalität wird die Schwelle der
gesetzlichen Verbotslinie überschritten.
Heute wollen wir das Lebenswerk von Hans See als Kämpfer für
saubere Demokratie und gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption
würdigen.
Wer ist Hans See?
Geboren am 26.Juli 1934 in Frankfurt am Main, also inzwischen
bereits 80 Jahre alt, erlernte nach Besuch der Volksschule in
den Jahren 1949 – 1953 den Beruf des Werkzeugmachers und war bis
1961 in diesem tätig. Während dieser Zeit erwarb er den
Realschulabschluß an einer Abendschule. Von 1961 – 1963 besuchte er
das Hessenkolleg als Stipendiat der Walter-Kolb-Stiftung und
erlangte dort 1963 die allgemeine Hochschulreife.
Er begann danach ein Studium der Germanistik,
Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie an der Uni
Frankfurt a.M. mit dem ursprünglichen Lehrziel Lehramt. 1967
wechselte er als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen
Volkes zur Universität Marburg. Dies war mit Setzung neuer
Studienschwerpunkten verbunden. Als Hauptfach studierte er
Politikwissenschaften bei Wolfgang Abendroth und promovierte über
das Thema „Die Integrationsparteien der antagonistischen
Gesellschaft“.
Von 1971 – 1976 war er Sozialplaner und Politikberater beim
Landkreis Hanau, dem späteren Main-Kinzig-Kreis beschäftigt.
Danach hatte er zwei Vertretungsprofessuren an der
Philipps-Universität Marburg.
Seit 2000 hat er Lehraufträge beim Bundeskriminalamt, der
Führungsakademie der Polizei in Münster/Westfalen, der
Polizeifachschule Wiesbaden, der IBZ Gimborn, in der
Erwachsenenbildung bei der verschiedenen Bildungsträgern.
Von 1979 bis 1999 war er Professor für Politikwissenschaft,
Sozialpolitik und Wirt-schaftskriminologie an der Fachhochschule
Frankfurt a.M. im Fachbereich Sozial-arbeit mit den 3 Schwerpunkten
Demokratie und Faschismus, Migration und Frem-denfeindlichkeit
sowie Wirtschaftsverbrechen und Sozialordnung. Seit 2000 ist er
dort Lehrbeauftragter zum Thema Sozialschädlichkeit von
Wirtschaftsverbrechen.
Auf seine Initiative wurde im Jahre 1991 die internationale
Menschenrechts- und Aufklärungsorganisation Business Crime Control
(BCC) zur Bekämpfung von Wirt-schaftskriminalität, organisierter
Kriminalität und Korruption gegründet. Er war von Anfang an
mit kurzer Unterbrechung bis 2011 Vorsitzender. Seit November 1998
gehört er auch dem Kuratorium unserer Stiftung an.
See schrieb Bücher (wie „Kapital-Verbrechen. Die
Verwirtschaftung der Moral“, 1990, „Kapital-Verbrechen“ als
Taschenbuch, 1992, „Wirtschaftsverbrechen – der innere Feind der
freien Marktwirtschaft“, 1992, „Wirtschaftskriminalität –
kriminelle Wirt-schaft“, zusammen mit Eckart Spoo im Jahre 1997 und
im vergangenen Jahr: „Wirtschaft zwischen Demokratie
und Verbrechen“ sowie Aufsätze über sozial-schädliche und
demokratiefeindliche Wirtschaftsverbrechen, aber auch über
parteienstaatliche und innerparteiliche Demokratie,
Gesundheitswesen, Kranken-hausreform, Selbstverwaltung und
Kommunalpolitik.
Bei einer Tagung, die wir im Jahre 1998 in der Frankenakademie
Schloß Schney in über das Thema „Korruption – Filz- Seilschaften“
veranstaltet haben, beklagte Prof. Dr. See, daß zwar viel über
Korruption geredet werde, jedoch die ökonomischen, politischen und
ökologischen Schäden von Wirtschaftskriminalität unterschätzt
würden und viel zu wenig darüber beispielsweise in
Bildungseinrichtungen aufgeklärt werde. Unberechenbar seien
die Schäden der Umweltkriminalität, die als Unterfall
der Wirtschaftskriminalität gelten, aber von der Schadensgröße
her eher der Haupt-fall sein dürfte. Wie lasse sich der Schaden
berechnen, der durch die ständig wachsenden Ozonlöcher entsteht?
U.a. führte Prof. See aus, dass es auch schon im 19. Jahrhundert
Gewerbeaufsichtsämter und die Möglichkeit gegeben habe,
Unter-nehmer zu bestrafen, die sich krimineller Praktiken
bedienten. Doch die meisten sozialschädlichen Praktiken, auch sehr
extreme Formen, waren nicht kriminalisiert. Dazu mußte erst einmal
die Einsicht vieler Politiker, Unternehmer und Juristen kommen, daß
Wirtschaftsverbrechen auch eine enorme Gefahr für die von ihnen oft
völlig unkritisch verteidigte freie Wirtschaft bedeuten. Diese
Einsicht entwickelte sich in den USA schon Anfang der 40er Jahre
des letzten Jahrhunderts als Edwin Sutherland mit seinen ersten
Untersuchungen zur Weiße-Kragen-Kriminalität an die Öffentlichkeit
trat.
Hans See ist einer, der unermüdlich vor Wirtschaftskriminalität
durch Vorträge, Veröffentlichungen und durch seine Organisation BCC
gewarnt hat. Seine erste Forderung gipfelt nicht in der
Verschärfung von Strafgesetzen, sondern in der Demokratisierung der
Wirtschaft, aber auch in der personellen Verstärkung der
Staatsanwaltschaften, insbes. Wirtschaftsstrafabteilungen.
In seinem letzten Buch „Wirtschaft zwischen Demokratie und
Verbrechen“ scheut er vor nichts zurück, wenn er u.a. schreibt:
„Wie Verantwortliche der Wirtschaft, auch wenn sie sich – und wir
sie – als Demokraten und ehrliche Unternehmer bzw. Manager sehen,
bedenkenlos demokratische Institutionen und Rechte in Frage
stellen, wenn diese die unternehmerische Betätigungsfreiheit im
Interesse des Gemeinwohls und der sozialen Gerechtigkeit
einzuschränken versuchen. Sie mißbrauchen ihre Macht und
veranlassen schwere und schwerste Wirtschafts-verbrechen, bestechen
und erpressen demokratisch gewählte Regierungen und Abgeordnete,
kaufen Wissenschaftler, Parteien, Publizisten, Sportler und
Künstler, um ihre Verbrechen zu kaschieren, zu legitimieren.
Und wo dies nicht gelingt, schrecken sie vor keiner
Gesetzesumgehung, keinem Gesetzesbruch, keiner Bürger- und
Menschenrechtsverletzung zurück.“ Sicherlich gibt es davon auch
positive Ausnahmen.
Doch jeder Gesetzesbruch der Konzernwirtschaft untergräbt die
innere und äußere Sicherheit und verhindert die Entwicklung einer
längst notwendigen und möglichen sozialökologisch ausgerichteten
Wirtschaftsdemokratie.
Seit seiner Gründung hat sich BCC in seinen jährlichen Tagungen
immer wieder besonderen Schwerpunktthemen gewidmet. Aus aktuellem
Anlaß war dies im vergangenen Jahr die Fußballweltmeisterschaft in
Brasilien mit Stadionbauten, forciert durch eine korrupte Baumafia
und das Staudamm-Projekt Belo-Monte am Fluß Xingu im
brasilianischen Amazonasgebiet, für das 40.000 Menschen umgesiedelt
werden. Der Filmemacher Martin Keßler hat darüber auch mit unserer
Unterstützung den Film „Count-Down am Xingu“ gedreht.
Auch wenn unser Preisträger den BCC-Vorsitz seit 4 Jahren nicht
mehr inne hat, ist er nach wie vor dort bei allen Aktivitäten
beteiligt und engagiert.
Den „Goldenen Baum“ verleihen wir an Herrn Professor Dr. See aus
folgenden 3 Gründen:
- Er ist ein authentischer und mutiger Kämpfer gegen Korruption
und Wirtschaftskriminalität
- Dieses Thema ist zu seiner Lebensaufgabe geworden.
- Der Kampf von Prof. See gegen Korruption und
Wirtschaftskriminalität, der ganz eng mit seiner Person
verbunden ist, hat eine präventive und pädagogische Wirkung
im Sinne der Ziele unserer Stiftung.
Deshalb zeichnen wir Sie nun in Würdigung Ihrer Verdienste aus
mit dem Umweltpreis „Goldener Baum“.
Es gilt das gesprochene Wort!
01.02.2015
„Nicht gehaltener Festvortrag“ von Prof. Dr. Hans See
Statt freier Wettbewerb Gesetzesbruch und
Korruption?
Sind Sozialstaat und ökologisches Gleichgewicht noch zu
retten?
Meine Damen und Herrn,
ich bedanke mich sehr herzlich für die Ehrung. Besonders danke
ich Hans-Joachim Ritter, dem Gründer und Vorsitzenden der „Stiftung
Ökologie und Demokratie“, dessen christliche Weltsicht und dessen
konservativer politischer Standort ihn nicht davon abhielten, mir,
der ich bekennender demokratischer Sozialist bin, also einem
anderen politischen Lager angehöre, diesen Preis zu verleihen. Was
ich an Herrn Ritter sehr schätze, ist, dass für ihn – wenn es um
die Sache der Ökologie und Demokratie geht – die weltanschauliche
Differenz offensichtlich keine Rolle spielt. Ich glaube, ich bin
mit ihm darin einig: Wenn Umwelt und Demokratie bedroht sind, ist
Nichts mehr gefragt als Solidarität und Synergie. Mein Dank gilt
daher auch allen, die dem Vorschlag von Herrn Ritter zugestimmt
haben, mir den Preis der Stiftung „Ökonomie und Demokratie“, den
„Goldenen Baum“, zu verleihen.
Sehr dankbar bin ich auch dem Rektor dieser Universität, Prof.
Dr. Wieland. Er ermöglichte es, dass mir der Preis in der Aula
dieser angesehenen Hochschule im Rahmen dieser Veranstaltung
verliehen wird. Damit wird mir die seltene Chance geboten, unter
dem Dach einer angesehenen deutschen Universität über jenen aus
meiner Sicht gesellschaftspolitisch höchst problematischen und
deshalb wichtigen Themenkomplex zu sprechen, der in Forschung und
Lehre fast aller Universitäten und Fachhochschulen noch immer als
„Stiefkind“ behandelt wird. Oder, um es mit Laureen Sniders Worten,
einer Soziologieprofessorin, die in Kingston (Kanada) lehrte, zu
sagen: Das Forschungsfeld Unternehmenskriminalität ist eine Art
„akademisches Sibirien”.[1]
Auch Ihnen, Frau Landrätin Riedmaier, danke ich für Ihre
freundlichen Grußworte, besonders für die einfühlsame Herstellung
eines hoch aktuellen Bezugs zu meinen Schwerpunktthemen. Denn
Sozialpolitik, Migration, Demokratie und Wirtschaftsverbrechen
bilden einen – wenn auch schwer zu analysierenden und noch schwerer
allgemeinverständlich darzustellenden – Wirkungszusammenhang. Wer
diesen erkennt und anerkennt, weiß, dass nicht nur der
Nationalsozialismus, der bekanntlich kein Sozialismus war, sondern
ein mörderischer Antisozialismus, durch den Machtmissbrauch von
Konzernen die Staatsgewalt erobern und erst die noch junge deutsche
Demokratie und dann fast ganz Europa zerstören konnte.
Nach 1945 schienen sich alle Parteien in einem Punkt völlig
einig zu sein. Sie wollten eine Ordnung schaffen, in der Krieg und
Faschismus nie wieder eine Chance bekommen sollten. Um dieses Ziel
zu erreichen, sollten vor allem die Konzerne zerschlagen und die
Macht der Konzernchef durch paritätische Mitbestimmung, die die
britische Besatzungsmacht in der Montanindustrie einführte, unter
demokratische Kontrolle gebracht werden. In ihrem Ahlener Programm
vom Februar 1947 hat die CDU dieser politischen Denkweise Rechnung
getragen und sie in die Worte gefasst: „Das kapitalistische
Wirtschaftssystem ist den staatlichen und den sozialen
Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.“
Und sie folgerte zog den Schluß: „Nach dem furchtbaren
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge
einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von
Grund aus erfolgen.“ Aber der zu diesem Zeitpunkt schon
ausbrechende Kalte Krieg verhinderte, dass „eine Neuordnung von
Grund aus“ geschaffen werden konnte. Der Ost-West-Konflikt,
bekanntlich ein Konflikt zwischen Kapitalismus und Kommunismus, der
Konkurrenzkampf zweier Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme,
machte es im Westen nahezu unmöglich, den Kapitalismus zu
kritisieren, im Osten unmöglich, den Kapitalismus gut zu
finden.
Es ging damals nicht um Religionsfreiheit und Religionskritik,
es ging um Wirtschaftsfreiheit bzw. Eigentumsfreiheit und
Wirtschaftskritik. Wer die Wirtschaftsmacht unter demokratische
Kontrolle bringen wollte, sei es durch Mitbestimmungsrechte oder
Sozialisierung, geriet, obgleich die meisten
Länderverfassungen Sozialisierungsartikel enthielten, sofort unter
Kommunismusverdacht. Kapitalismus wurde zum Synonym für Freiheit.
Selbst die Passage im Grundgesetz, die den Staat als sozialen und
demokratischen Rechtsstaat definiert, wurde angefochten, weil die
Sozialstaatsklausel angeblich nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip
vereinbar war. Wer also vom Sozialstaat sprach, war schon
verdächtig. Deshalb – und weil die sozialliberale
Wirtschaftspolitik der 50er Jahre so erfolgreich war, man denke nur
an das „Wirtschaftswunder“, hat sich die weniger verdächtige Formel
von der „sozialen Marktwirtschaft“ durchgesetzt.
Die Frage ist, ob die soziale Marktwirtschaft, ich verwende
lieber den Begriff „Sozialstaat“, angesichts der realen
Entwicklungen noch zu retten ist sind, wenn wesentliche Mechanismen
dieses Modells, wie die Regulative der Marktkonkurrenz und die
Möglichkeiten der Durchsetzung von Recht und Gesetz gegenüber den
Konzernen, wenn der Primat der demokratischen Politik gegenüber der
Konzernmacht außer Kraft gesetzt sind, und dies weltweit mit Hilfe
der Regierungsparteien der Nachkriegszeit. Der Kalte Krieg ist
nicht Ursache der Konzentration von Wirtschaftsmacht, hat diese
aber verstärkt und enorm beschleunigt. Das große Kapital wurde
monopolitisch und monopolisierte zugleich den Freiheitsbegriff.
Auch Demokratie wurde kurzerhand gleichgesetzt mit Kapitalismus.
Wer gegen den Kapitalismus war, war gegen die Demokratie.
Dass es verschiedene historische Formen von Demokratie gab,
interessierte die Kalten Krieger des freien Westens nicht. Es gab
für sie keine antike Sklavenhalterdemokratie und keine
sozialistische Demokratie, sondern nur die kapitalistische. Die
freilich nicht so genannt wurde. Nach wie vor wird sie als
westliche bezeichnet, auch wenn sie längst im fernen Osten Fuß
gefasst hat. Oder als bürgerliche, repräsentative, freiheitliche,
parlamentarische. Das Kennzeichen kapitalistischer Demokratien war
von ihrer Geburt an, dass sie dazu gedacht war, die Bürger (später
auch die Bürgerinnen) und ihr Eigentum vor staatlichen Übergriffen
sowie äußeren und inneren Feinden zu schützen. Demokratie als
Kontrollsystem staatlicher Willkür. Dazu hätte das liberale Prinzip
der Rechtsstaatlichkeit genügt, aber ihr fehlte die soziale
Komponente, weshalb es zu extremen sozialen Verwerfungen und einer
starken, sich weltweit verbreitenden antikapitalistischen Arbeiter-
und Gewerkschaftsbewegung kam.
Diese großen sozialen Bewegungen waren es, die den Liberalen und
Konservativen im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts die
Demokratisierung des Wahlrechts und die staatliche Anerkennung
ihrer Parteilichkeit, ihrer formalen Gleichberechtigung,
abnötigten, aber in vielen Ländern – bis heute –, wenn es denn sein
muss, auch mit polizeilicher und militärischer Gewalt, mit
Diktaturen zum Schutz des Kapitals, auf den Kurs der
kapitalistischen Demokratie gebracht und gehalten werden. Das hieß
und heißt, dass von den etablierten westlichen Demokratien immer
wieder faschistische und militaristische Diktaturen unterstützt und
gerechtfertigt wurden, auch heute noch werden, und dies als legitim
erscheint, weil diese rechten Diktaturen die demokratischen
Freiheiten ja nur unterdrücken, um zu verhindern, dass Kommunisten
oder Sozialisten freie Wahlen gewinnen und Gesetze machen, die die
Freiheit zumindest jenes Konzerneigentums beschränken, dass
offensichtlich nicht – wie es die deutsche Verfassung fordert – dem
Gemeinwohl dient, sondern es gefährdet. Die Frage ist, ob eine
kapitalistische Demokratie die Macht des Kapitals auf das
Gemeinwohl verpflichten kann. Denn das Kapital anerkennt nur
Demokratien, die notfalls Diktaturen errichten, wenn es anders
nicht möglich erscheint, die Chefetagen der Konzerne vor
demokratischen Übergriffen - zum Beispiel vor einer wirksamen
Mitbestimmung - zu schützen.
Als in der Bundesrepublik des noch geteilten Deutschland die
Sozialdemokratie unter Willy Brandt auf die ersten stärkeren
Krisenerscheinungen und den wieder aufkommenden organisierten
Faschismus ab Mitte der 1960er Jahre mit der Forderung nach
Ausweitung der paritätischen Mitbestimmung auf die Konzerne
insgesamt begegnete, war im Industriekurier (vom 7.10.1965) zu
lesen: „Die Demokratisierung der Wirtschaft ist so unsinnig wie
eine Demokratisierung der Schulen, der Kasernen und der
Zuchthäuser.“ Das war eine klare Kampfansage an diejenigen, die
noch immer glaubten, die Konzerne unter demokratische Kontrolle
bringen zu können. Aber die Demokratie- und Friedensbewegung der
zweiten Hälfte der 60er Jahre ermöglichte es, nicht nur eine neue
Ostpolitik, sondern auch innere Reformen durchzusetzen, die dem
ersten größeren Marktversagen nach Gründung der Bundesrepublik und
den sozialen Unruhen (vor allem der linken Studentenbewegung, aber
auch dem wieder erstarkenden Neofaschismus) mit einer Reform des
Mitbestimmungsrechts (wenn auch nur mit einer Scheinparität)
entgegenzuwirken.
Da es absehbar war, dass diese Form der Mitbestimmung (die auf
ein Co-Management hinauslief) in der Praxis nicht geeignet sein
würde, die zunehmende Zahl von Wirtschaftsdelikten schon im
Vorfeld, in den Aufsichtsräten, zu verhindern, wurde gleichzeitig
auch das Wirtschaftsstrafrecht verbessert. Es wurde – im
Einvernehmen mit der FDP als Koalitionspartner des SPD - der
Tatsache Rechnung getragen, dass sich die Konzernbildung
unaufhaltsam fortsetzen und ihre Marktmacht das Korrektiv des
wirtschaftlichen Wettbewerbs jederzeit außer Kraft setzen konnte.
Es lag im Interesse der Regierenden westlicher Demokratien, die
Konzernmacht nach außen zu stärken, was die Vorwürfe von links
stützte, das sei Imperialismus. Da dieser Imperialismus aber auch
nach innen wirkte, die Regierungen gegenüber den Konzernen
schwächte, wurde 1976 nicht nur die Mitbestimmung erweitert,
sondern auch ein über die bis dahin geltenden Regeln hinausgehendes
Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität geschaffen.
Dies war auch kein großen Problem, weil ja die Nationalstaaten
mit dem Ausbau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu dem, was
sie inzwischen ist, einer Wirtschafts-Union, zunehmend an Einfluss
auf die Weltkonzerne und damit an politischer Bedeutung verloren.
Mit der Erweiterung der Mitbestimmung und dem Gesetz zur Bekämpfung
der Wirtschaftskriminalität durch die Sozialliberale Koalition
unter Helmut Schmidt als Kanzler wurden zwei richtige
Weichenstellungen vorgenommen, aber - wie sich sehr bald zeigen
sollte – ohne nennenswerte Konsequenzen. Die Mitbestimmung diente
nicht der Kontrolle der Konzernmacht, sondern der als
„Sozialpartnerschaft“ beschönigten Einbindung der Gewerkschaften in
die Konzernpolitik. Die Skandale bei VW und Siemens, auch die bei
den Gewerkschaften selbst, konnten in den Aufsichtsgremien nicht
verhindert werden. Und auch die Wirtschaftsstrafgesetze erwiesen
sich als unzulänglich, hatten allenfalls die Funktion,
Rechtsstaatlichkeit vorzutäuschen. Von einer demokratischen
Kontrolle der Konzernmacht kann heute konnte keine Rede mehr sein,
eher von einer Kontrolle des Staates durch die Konzerne.
Das Nachkriegs-Ideal der sozialen Marktwirtschaft mit wachsendem
Wohlstand für alle und verantwortungsbewusstem Umgang mit
Wirtschaftsmacht, geriet vollständig in die Defensive, nachdem der
Kalte Krieg beendet war. Die Wiedervereinigungskriminalität, die
seitdem mit dem Namen „Treuhand“ verbunden ist, die damit
angestoßene Privatisierungspolitik, die auch auf die westliche
Wirtschaft ausgedehnt wurde und sich als erfolgreicher Schleichweg
aus der Mitbestimmung und aus staatlichen und sozialpolitischen
Einflüssen erwies, ermöglichten es, den systematischen
Gesetzesbruch, Steuerbetrug, Subventionsschwindel,
Ausschreibungsbetrug, Umweltverbrechen, Zinsmanipulationen,
betrügerischem Emissionshandel zum heimlichen Geschäftsmodell zu
machen. Preisabsprachen und Marktmanipulationen sicherten
gigantische Extragewinne, die auch mit den in den vergangenen zwei
Jahren enorm angewachsenen Kartellstrafen (von denen die „seriöse“
Deutsche Bank mit am stärksten betroffen ist) nicht abgeschöpft
werden konnten, weil es sich um symbolische Strafen handelt, die
diese Konzerne aus der Portokasse zahlen.
Wer verfolgt, welche sozialen und ökologischen Auswirkungen
allein der legalisierte Teil dieser Wirtschaftspraktiken auf die
Weltlage, die Weltprobleme hat, versteht oft gar nicht, weshalb ich
sage, dass es wichtig ist, die Wirtschaftskriminalität erfolgreich,
und zwar nicht in erster Linie mit dem Strafgesetz, sondern mit
neuen, mit kriminalpräventiven, Formen demokratischer
Konzernmachtkontrolle, den demokratie- und lebensfeindlichen
Bereicherungspraktiken gegenzusteuern, denn immer wieder wird mir
entgegengehalten, der Kapitalismus sei doch auch ohne
Wirtschaftskriminalität eine tödliche Gefahr für Mensch und Natur.
Das ist wahr. Aber es ist eine Wahrheit, der heute keine praktische
Bedeutung mehr zukommt. Sie ist abstrakt antikapitalistisch und
ignoriert, was wir inzwischen auch durch die Erfahrungen mit dem
Realsozialismus wissen, dass alle ökonomischen Systeme, die größere
Gerechtigkeit unter Wahrung der Menschenrechte, der
Rechtstaatlichkeit und der Demokratie wollen, von denen, die in
Macht- und Schlüsselpositionen sitzen, missbraucht werden können
und missbraucht werden.
Dies bedeutet, dass die Verkürzung von gesellschaftlichen
Probleme wie soziale Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung auf die
Systemfrage nicht berücksichtigt, dass es in allen Systemen
Menschen gibt, die Möglichkeiten suchen und finden, um sie zu ihrem
Vorteil zu missbrauchen. Das Problem ist also nicht allein die
fehlende demokratische Kontrolle, es ist die nicht abschließend
beantwortbare, deshalb permanent zu diskutierende Frage, wer denn
die Kontrolleure kontrolliert. Wer den totalitären Überwachungs-,
den Abhör- Schnüffel- und Folterstaat nicht will, muss
demokratische Verfahren entwickeln, die Wirtschaftsverbrechen
frühzeitig verhindern, statt sie – nachdem sie geschehen sind – zu
bestrafen. Die Strafe muss immer ultima ratio, der Weisheit letzter
Schluß, bleiben.
Zumindest in einem demokratischen Staat ist die demokratische
Kontrolle das legitime Machtmittel gegen Machtmissbrauch, auch den
der Konzerne. Allerdings muss unterschieden werden zwischen einer
kapitalistischen Demokratie, deren zentrale Aufgabe es ist, die
Bürger vor Machtmissbrauch des Staates zu schützen und dafür zu
sorgen, dass die Chefetagen der Konzerne demokratiefreie Räume
bleiben, in denen die Kapitalstrategen ungestört ihre Imperien
ausbauen können, und einer sozialistischen Demokratie, die neben
der des Staates auch die demokratische Kontrolle der Konzernmacht
realisiert. Hier nun zeigt sich, dass die Demokratisierung vieler
Nationalstaaten schon relativ weit fortgeschritten ist, die
Wirtschaftsräume, in die die Konzerne ausweichen, aber weitgehend
unter Kontrolle der Konzerne stehen. Wirtschaftsdemokratische
Fortschritte sind also auf nationalstaatlicher Ebene kaum noch
vorstellbar, während sich, – mit Unterstützung der meisten
nationalen Regierungen, die Konzerne in den suprastaatlichen
Rechtsräumen an nationalen Gesetzen vorbei weitgehend ungehindert
und ungestraft ihre Willkürherrschaft auf Kosten von Mensch und
Natur, Demokratie und Kultur ausüben können.
Sie monopolisieren nicht nur die Rohstoff-, Waren- und
Geldmärkte, sie monopolisieren auch die Meinungsmärkte,
kontrollieren die Informationssysteme, beherrschen die
Abhörtechnologie, hören nicht nur ihre Beschäftigten ab, sondern
auch die Staatsbürokratie, die ihrerseits einem strengen
Datenschutz unterliegt und deshalb ihren Datenbedarf über die enge
Kooperation mit den IT-Konzernen sicherstellt. Die Rolle der
Geheimdienste müsste an dieser Stelle als Verbindungsscharnier
zwischen Staatsdemokratie und Wirtschaftsdiktatur analysiert
werden, wozu hier nicht der Ort ist. Aber es ist das Thema der
diesjährigen BCC-Tagung am 18. April in Frankfurt am Main in der
Fachhochschule, zu der Sie herzlich eingeladen sind. (siehe:
www.businescrime.de)
Da unsere Geheim- und Sicherheitsdienste, auch der
Verfassungsschutz, aufgrund des Kalten Krieges anfangs überwiegend
von teils schwer belasteten Nazis beherrscht wurden, haben
sich auch nach biologischer Ablösung dieser Generation, über die
Wiedervereinigung hinaus, in den Sicherheitsapparaten Strukturen
verfestigt, die offenkundig fremdenfeindlichen, antisemitischen und
rassistischen, also rechtsextremen Gruppen und Bewegungen näher
stehen als demokratischen Sozialisten, also Linken, die die
geltende Verfassung und auch die Europäische Union nachweislich
gegen Nationalisten und Rassisten verteidigen. Was sich in der
Gesellschaft als Rassismus und Fremdenhass äußert und organisiert,
ist Teil der für diese Ideologie übliche Ethnisierung sozialer
Konflikte. Ich bringe dieses Phänomen auf die Formel: Damit die
durch das andauernde Verteilungsunrecht unvermeidbaren Kassenkämpfe
nicht zu Klassenkämpfen werden, die den Missbrauch von Konzernmacht
als Ursache der großen Gesellschaftsprobleme erkennen, sorgt eben
diese Konzernmacht mit Hilfe von Ideologen wie Thilo Sarazin dafür,
dass es zu Rassenkämpfen kommt, die Gruppen des rechten Rands
radikalisieren, bis diese nationalistisch-rassistische
Problemlösungen anstreben, die spekulative Kapital- und Finanzmacht
mit reichen Juden gleichsetzt, die ausländischen Arbeitskräften
ihre Arbeitslosigkeit anlastet, die Staatsschulden auf den
Sozialstaat, nicht auf Steuerhinterziehung, Subventionsbetrug,
Kartell-Preisbildung etc, zurückführt, sondern auf
Entwicklungshilfe, Sozialleistungen für ausländische Arbeitskräfte
und Flüchtlinge.
Die kapitalistische Demokratie – das ist
gesellschaftspolitisches Dogma – soll nach dem Selbstverständnis
der freien Wirtschaft von der bislang noch immer demokratiefreien
Wirtschaftsmacht der Konzerne – und um diese geht es, denn sie
bedroht auch den Mittelstand, der sie ideologisch verteidigt - fern
gehalten werden. Die unabhängige Justiz ist auf das frühbürgerliche
Demokratieverständnis – nämlich maximale Eigentums-, das heißt
maximale Wirtschaftsfreiheit - vereidigt. Deshalb sind die meisten
Gesetze den Konzernen wie Maßanzüge auf den Leib geschneidert.
Allenfalls ein Richter oder anerkannter Rechtswissenschaftler darf
einmal laut sagen, was ein kleiner Sozialwissenschaftler vielleicht
nur heimlich, wenn überhaupt zu denken wagt. Ich zitiere als sehr
frühes Beispiel den US-Richter Cicero J. Lindley, der 1899, also in
der Zeit, als in den USA der Kampf um die Durchsetzung des ersten,
1890 verabschiedeten, Anti-Trust-Gesetzes, des Sherman act, tobte,
mit dem das moderne Wettbewerbsrecht begründet wurde, folgende
provokante Feststellung traf, die so oder ähnlich seit über 100
Jahren ständig wiederholt wird:
„Es kann nicht bestritten werden, das die schnelle Entwicklung
der Vereinigten Staaten, die die Welt in Erstaunen versetzte, zum
großen Teil die Folge der Zusammenführung individuellen Reichtums
(durch Aktiengesellschaften – HS) war, mit dem große Unternehmen
aufgebaut wurden, um damit Profite zu erwirtschaften. Als neues
Land verdanken wir ihnen viel, aber es ist auch wahr, dass sich ein
Land besser entwickelt, fester etabliert und die Individuen mehr
Wohlstand akkumulieren, wenn die Unternehmen ihre eigenen Grenzen
und die Gesetze des Landes zu übertreten wagen und Verbrechen
begehen.“ Damit wurde der Bruch geltenden Rechts, auch des
Strafrechts, also das Verbrechen, als Erfolgsrezept
wirtschaftlicher Unternehmen prinzipiell anerkannt. Das ist eine
Philosophie, die man mit Blick auf die reale Geschichte nur als
kolonialistisch, imperialistisch, auch als sozialdarwinistisch und
räuberisch bezeichnen kann. Sie führt alle christlichen und
bürgerlichen Philosophien des Fair Play, des sozialen Rechtsstaats,
der sozialstaatlichen Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit ad
absurdum.
Ich dachte, solche Meinungen seien nach zwei Weltkriegen und
vielen Bürgerkriegen, Befreiungskriegen in ehemaligen Kolonien und
vielen Fortschritten der Demokratiebewegungen überholt. Doch als
ich 1991 Business Crime Control gründete und aus diesem Anlaß eine
studentische Zeitung ein Interview mit einer von mir hoch
geschätzten Strafrechtswissenschaftlerin machte und es
veröffentlichte, wurde ich eines Besseren belehrt.
Die Frage an Monika Frommelt lautete: „Hans See, Begründer des
internationale arbeitenden Business Crime Control, behauptet, dass
der volkwirtschaftliche Schaden, den die Wirtschaftskriminalität
verursacht, weitaus höher ist, als der Schaden, den die allgemeine
Kriminalität verursacht. Teilen Sie diese Einschätzung?“
Strafrechtlerin Frommelt: „Es ist nicht nur zu fragen, wie er den
Schaden berechnet bzw. wie der Schaden berechnet werden soll. Es
geht auch um die Frage, ob es ökonomisch effektiver wäre, wenn
alles völlig legal ablaufen würde. Der Schaden, der durch
Wirtschaftskriminalität entsteht, ist volkswirtschaftlich nicht
berechenbar. Wenn z. B. zehn Zahnärzte Steuern hinterziehen und
diese wiederum beim Kauf von Ferienhäusern in Spanien zuviel Geld
bezahlt haben, dann neutralisiert sich der Schaden. Als Schaden
bliebe die Zersiedelung der Landschaft übrig.“
Darauf die Interviewerin: „Hans See fordert, dass
Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit dem Sozialstaats- und
Demokratieprinzip diskutiert werden müsste. Das heißt: Wer zum
Beispiel Steuern hinterzieht oder Subventionen erschleicht, mehrt
zwar sein privates Vermögen, verkürzt aber sogleich die
sozialstaatlichen Ansprüche seiner Mitbürger. Finden Sie diesen
Denkansatz richtig“? Monika Frommelt kurz und bündig: „Nein. Dieser
Denkansatz ist unsinnig. Es gibt keine eindeutigen Grenzen, was
Steuerhinterziehung ist. Steuerhinterziehung ist ein Regelverstoß,
der zum Bestandteil unseres Systems gehört. Und dieses System
funktioniert nur mit einer gewissen Toleranz gegen
Regelverstöße.“
Ich erspare mir einen Kommentar, sage auch nichts über den Satz
der zahnärtzlichen Investitionen ihrer Schwarzgelder in Spanien,
der da lautet: „Als Schaden bliebe die Zersiedelung der Landschaft
übrig.“ Hat „die Zersiedlung der Landschaft“ nichts mit sozialen
Problemen zu tun? Bis Ende der 1990er Jahre waren die Schmiergelder
der Wirtschaft steuerlich abzugsfähig. Der Beweis, dass man das,
was heute offiziell als Wirtschaftskriminalität betrachtet, damals
noch zur allgemeinpolitischen Wirtschaftsförderung gehörte. Und bis
heute höre ich das Argument, dass Korruption doch Arbeitsplätze
schaffe oder sichere. Eine dümmere Argumentation gibt es nicht.
Tatsache ist, die ich auch empirisch belegen kann, dass, wenn
Bestechung Arbeitsplätze schaffen oder sichern könnte, fast überall
in den als besonders korrupt geltenden Staaten Vollbeschäftigung zu
verzeichnen sein müsste. Aber gerade dort ist die Arbeitslosigkeit,
ist die Armut am größten.
Dass allzu viele – auch sehr gebildete Menschen – so falsch
denken, hat sehr viel mit der Monopolisierung nicht nur der
Rohstoff-, Waren- und Geldmärkte, sondern auch der Arbeitsmärkte zu
tun. So sind die anerkannten und preisgekrönten
Sozialwissenschaftler heute fast ausnahmslos Anhänger des
Neoliberalismus, einer Marktideologie, die noch immer unterstellt,
der Markt sei ein Regulativ gegen Fehlsteuerung. Die
oligopolistischen und monopolistischen Märkte sind inzwischen in
den Händen notorischer Gesetzesbrecher. Sie verursachen weit
größere soziale und ökologische Schäden als die noch von Klein- und
Mittelbetrieben beherrschten Märkte der nationalen
Wettbewerbswirtschaft. Die Hegemonie der Konzerne muss gebrochen
werden, weil Konzerne nötig sind, aber daran gehindert werden
müssen, Kapitaldiktaturen zu errichten. Es sind schleichende
Prozesse, die unsere demokratisierten Staaten bedrohen. Und die
Epizentren der Gefahren sind die demokratiefreien Chefetagen.
Lassen sie mich zum Schluß, weil das immer wichtiger werdende
Thema Ökologie etwas zu kurz gekommen ist, Siegfried Lenz zitieren,
der vor Jahren in der Frankfurter Paulskirche, in der 1848 erstmals
Mitbestimmung auch in der Wirtschaft gefordert wurde, zum Ausdruck
bringt, was ich über den demokratischen Sozialstaat gesagt habe,
Lenz es aber logisch und eindrucksvoll auf die Globalökologie
übertragen hat. Er sagte: „Die Schöpfung stirbt langsam. Sie muss
nicht im atomaren Blitz untergehen, der Ozeane zum Kochen und
Gebirge zum Schmelzen bringt. Sie kann an unserer Verachtung der
Schöpfung und an unserem Egoismus zugrunde gehen.“
Und er fordert von der Politik, den Wirkungsraum zurückzuholen,
den Wirtschaft und Industrie ihr abgenommen haben. Ich fürchte,
dass die kritischen Köpfe unserer westlichen Demokratien in dieser
Hinsicht noch intensive und alternative Aufklärung leisten müssen.
Was ich dazu beitragen kann, trage ich dazu bei. Aber jede
Demokratie kann sich nur die Mehrheit erkämpfen, und mit dieser
Mehrheit muss sie rationale Lösungen für ihre Probleme finden. Wenn
überhaupt, sind Sozialstaat, Demokratie und ökologisches
Gleichgewicht nur noch auf diesem Weg zu retten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit und die Würdigung meiner
bisherigen Arbeit.
[1] Zitiert nach: Russel Mokhiber / Robert
Weissman, Corporate Predadors – The Hunt for Mega-Profits and the
Attack on Democracy, Introduction by Ralph Nader, Monroe Main,
Common Courage Press, 1999 p.25.
01.02.2015
„Chancen und Risiken des Internet in Politik und Verwaltung“
Bundesinnenminister Dr.Thomas de Maizière zu Gast in der
Speyerer „Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften“
cr. Speyer- 'Sicherheitsstufe I' herrschte
heute mittag in und rund um die „Deutsche Universität für
Verwaltungswissenschaften“ in der Speyerer
Freiherr-vom-Stein-Straße. Sprengstoffsuchhunde hatten bereits am
Vormittag die große Aula der Universität penibel abgesucht, Beamte
der Bundespolizei sicherten das Gelände großräumig ab und Beamte
der „Sicherungsgruppe Bonn“, unterstützt von ihren Kollegen von der
Kriminalinspektion Speyer des Polizeipräsidiums Rheinpfalz haben an
und in der Universität Position bezogen, als
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, von
einer Tagung des Bundeskriminalamtes in Mainz kommend, mit seinem
Troß aus drei gepanzerter AUDI W 12-Limousinen vor der Speyerer
Universität vorfährt und vom Rektor, Universitätsprofessor
Dr. Joachim Wieland begrüßt wird. Personenschützer
umringen den Minister, der nicht erst seit heute zu den meist
gefährdeten Persönlichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland und
in Europa zählt.
Drinnen ist die Aula bereits längst bis auf den letzten
Platz besetzt und auf beiden Seiten der eng bestuhlten Blöcke
müssen noch zahlreiche Besucher mit einem Stehplatz vorlieb nehmen,
als Rektor Prof. Dr. Wieland den Innen- und
Verfassungsminister in Speyer zu seinem Vortrag zur
Semestereröffnung unter dem Titel „Bewährung der
repräsentativen Demokratie in der
Informationsgesellschaft“ begrüßt - ein Thema, das
angesichts der überbordenden Bedeutung des Internets auch für
Politik und Verwaltung eine zunehmende Bedeutung erlangt hat.
Zu diesem Anlass galt Prof. Dr. Wielands erster Gruß allen
Angehörigen der Universität, an ihrer Spitze den mehr als 400
Studierenden, vertreten durch die Hörersprecherin
Anne-Marie Borgosz und ihrem Stellvertreter Ian
Mysegados. Als Repräsentant ihrer zeitweise gastgebenden
Universitätsstadt Speyer waren deren Oberbürgermeister
Hansjörg Eger und Bürgermeisterin Monika
Kabs gekommen, die Gerichtsbarkeit des Landes
Rheinland-Pfalz war durch Präsidentinnen und Präsidenten der verschiedenen Obergerichte vertreten.
Mit besonderer Herzlichkeit konnte der Rektor schließlich
Vertreter befreundeter Hochschulen - der TU Berlin, der Universität
Heidelberg, der TU Kaiserslautern sowie Professorin Irina
Pluzhnik vom „Institute of State and Law“ der russischen
Universität Tyumen in Rußland begrüßen.
In seinem mit großer Aufmerksamkeit verfolgten Vortrag ging der
Bundesinnenminister dann mit klaren Aussagen auf die „Chancen und
Gefahren des Internet für Politik und Verwaltung“ ein.
Über die Rede des Ministers wird der
SPEYER-KURIER noch ausführlich berichten. Foto:
gc
20.11.2014
„Wir müssen neue Wege wagen“
Moderator Rudolf X. Ruter sowie die wissenschaftlichen Leiter Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Prof. Dr. Ulf Papenfuß (v.l.n.r.) freuen sich über eine erfolgreiche Tagung
100 Beteiligungsexperten diskutieren
Zukunft des Beteiligungsmanagements an der Deutschen Universität
für Verwaltungswissenschaften
Speyer- Am 28. und 29. April
2014 trafen sich Vertreter von Kommunen, Ländern und Bund an der
Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer zur 2.
Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance. Über 100 Teilnehmer
folgten der Einladung von Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Prof.
Dr. Ulf Papenfuß, um sich über aktuelle Herausforderungen eines
zukunftsfähigen Beteiligungsmanagements auszutauschen und
Anregungen für die eigene Praxis einzuholen.
Kommunale Unternehmen stehen im Wettbewerb mit der
Privatwirtschaft, sollen zugleich aber auch gemeinwohlorientiert
handeln. Die Schwierigkeit beides miteinander zu verbinden, wird
angesichts steigender Verschuldung der Kommunen noch verschärft. Im
Rahmen der Tagung diskutierten die Teilnehmer insbesondere über
eine nachhaltige Zielformulierung und -kontrolle, eine effektive
Haushaltskonsolidierung sowie die Besetzung und Vergütung von
Aufsichtsräten und Geschäftsführungen bzw. Vorständen. Bereichert
wurden die Diskussionen durch den Austausch von Wissenschaftlern
und Vertretern der öffentlichen Hand. Als Moderator konnte zum
zweiten Mal Rudolf X. Ruter, Experte für Nachhaltigkeit und
Corporate Governance, gewonnen werden. „Wir müssen weiter neue Wege
im öffentlichen Beteiligungsmanagement gehen und vernetztes Denken
und Handeln zwischen Praxis und Wissenschaft zusätzlich stärken, um
im für die Gesellschaft wichtigen Spannungsfeld zwischen
nachhaltiger Daseinsvorsorge und notwendigen
Haushaltskonsolidierungen zukunftsfähige Gestaltungslösungen zu
entwickeln “, fordern Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und
Univ.-Prof. Dr. Ulf Papenfuß, die wissenschaftlichen Leiter der
Tagung. „ Aus Good Practice Beispielen einzelner
Gebietskörperschaften und der wissenschaftlichen Diskussion lassen
sich immer wieder innovative und alltagsunterstützende Konzepte,
Methoden und Instrumentarien identifizieren und reflektieren.
Sowohl öffentliche Unternehmen, als auch ihre Gesellschafter wie
Länder, Städte und Kommunen können von diesen Maßnahmen umfangreich
profitieren, um die öffentliche Aufgabenerfüllung mit knappen
Finanzmittel möglichst wirksam und wirtschaftlich zu gewährleisten
und so auch einen Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte
zu leisten.“ Zu diesen Instrumenten zählen unter anderem die
Weiterentwicklung der Eigentümerziele und der Zielvereinbarungen
für die Unternehmen und Geschäftsführung, die Erarbeitung einer
Strategie für das Beteiligungsmanagement, die Verwendung einer
Balanced Scorecard für die Überwachung und Kontrolle von
Unternehmen. Weiter muss verantwortliches Verhalten der beteiligten
Akteure gewährleistet werden und Grundsätze verantwortungsvoller
Unternehmen, wie sie Public Corporate Governance Kodizes vorsehen,
müssen im Alltag gelebt werden.
„Ich bin
begeistert über den großen Zuspruch, den unsere Tagung gefunden
hat“, freute sich Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner. „Es ist eine
schöne Bestätigung, dass wir die Teilnehmerzahl im Vergleich zum
letzten Jahr verdoppeln konnten und zeigt zugleich, dass das Thema
Public Corporate Governance hochrelevant für Praxis und
Wissenschaft ist“.
Die 3. Speyerer Tagung zu Public Corporate
Governance findet am 13. und 14. April 2015 statt.
Kurzvita:
Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner ist Inhaberin des
Lehrstuhls für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen
Sektor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften
Speyer sowie wissenschaftliche Leiterin des Reinhard-Mohn-Instituts
für Unternehmensführung und Corporate Governance an der Universität
Witten/Herdecke. Jun.-Prof. Ulf Papenfuß ist Juniorprofessor für
Public Management an der Universität Leipzig. Rudolf X. Ruter
verfügt über 30-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung und
Beratung sowohl von internationalen, nationalen Unternehmen als
auch von Familienunternehmen und Unternehmen der öffentlichen Hand
sowie von Non-Profit-Organisationen.
Text und Foto: Deutsche Universität für
Verwaltungswissenschaften Speyer
05.05.2014
Staatssekretär Dr. Horst Risse ermöglicht detaillierten Blick hinter die Kulissen des Parlamentes
Direktor beim Deutschen Bundestag zu Gast an der Deutschen
Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer
Von Gerhard Cantzler
Speyer- Einen detaillierten Blick in/unter die
imposante Glaskug(pp)el über Lord Norman Fosters Berliner
Reichstagsgebäude gewährte jetzt der Direktor beim Deutschen
Bundestag, Staatssekretär Dr. Horst Risse, den
zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern bei seinem Abendvortrag in
der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer,
den er unter den beziehungsreichen Titel „Bericht aus dem
Maschienenraum des Parlaments“ gestellt hatte.
Zu Beginn des Abends konnte der Rektor der Universität,
Prof. Dr. Joachim Wieland, neben Lehrenden und
Studierenden der Universität selbst eine Reihe hochrangiger Gäste
begrüßen, an ihrer Spitze den Speyerer Oberbürgermeister
Hansjörg Eger sowie gleich drei
Landes-Rechnungshof-Präsidenten – Dr. Brigitte
Mandt, Nordrein-Westfalen, Max Munding,
Baden-Württemberg und Klaus Behnke,
Rheinland-Pfalz. „Damit könnten Sie in Speyer eigentlich schon eine
kleine Sitzung der Rechnungshof-Präsidenten abhalten“, scherzte
Gastgeber Prof. Dr. Wieland schmunzelnd, ehe er sich dem Referenten
des Abends zuwandte, der, so der Rektor, „die Ruhe vor dem Sturm“
genutzt habe, um nach Speyer zu kommen, „ehe uns die kommenden
Wochen Klarheit bringen sollen über die Struktur des neuen
Bundestages – hoffentlich“. Der Jurist Dr. Horst Risse, der 1986 in
das Sekretariat des Bundesrates eingetreten und deshalb schon
damals kraft Amtes ebenso eng mit der Speyerer Hochschule verbunden
gewesen sei wie dies auch heute für ihn als oberstem
Verwaltungsbeamten des Bundestages gelte, habe sich in den letzten
Jahren durch seine federführende Begleitung der beiden
Föderalismus-Kommissionen einen Namen gemacht. Im Jahr 2008 vom
Bundesrat zum Deutschen Bundestag gewechselt, sei er erst 2013 zu
dessen Direktor bestimmt worden.
Mit spürbarem Stolz und erkennbarer Sympathie für sein
Amt stellte Dr. Risse sodann – bekräftigt mit vielen
eindrucksvollen Details und unterstrichen durch eindrucksvolle
Zahlen - dem Auditorium „seine“ Verwaltung des Deutschen
Bundestages vor. Gegliedert in vier Abteilungen beschäftige diese
Einrichtung derzeit ca.. 2.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
berichtete ihr Direktor - 51,54% davon Frauen. Auffallend dabei:
1.171 von ihnen gehörten dem mittleren, 606 dem einfachen Dienst an
– ganz andere Strukturen also als sonst in den obersten
Bundsbehörden und, so Dr. Risse, insbesondere der großen Zahl an
Mitarbeitern in Funktionen wie Botenmeistereien, Saaldiener u.ä.
geschuldet.
Mit diesem Apparat habe die Verwaltung des Bundestages in der
letzten Wahlperiode rund 900 Gesetzentwürfe und 1.800 Anträge
begleitet, die in circa 2.200 Sitzungen beraten und verabschiedet
wurden. Dazu seien gut 4.000 Drucksachen und etwa 30.000 Kleine und
Große Anfragen formuliert, gedruckt und anschließend den
Abgeordneten zugeleitet worden. Technisch stünden dem Apparat des
Deutschen Bundestage dazu 550 Kopierer zur Verfügung, auf denen
zuletzt rund 82 Millionen Blatt (Recycling-)Papier bedruckt wurden.
„Derzeit sind wir aber dabei, die 'flächendeckende' Herstellung von
Drucksachen durch einen elektronischen Versand abzulösen“, teilte
Dr. Risse mit.
Informationstechnologisch stünden für die 6.600
PC-Arbeitsplätze im Deutschen Bundestag derzeit 550 redundant
vernetzte Server mit einer Gesamtkapazität von 1,5 Millionen
Gigabyte (!) zur Verfügung, über die täglich allein eine Million
e-mails verarbeitet werden.
Für die Dokumentation und dauerhafte Bewahrung eines jeden in
Plenum und Ausschüssen des Parlamentes gesprochenen Wortes sorge
der Stenografische Dienst des Bundestages, dem gegenwärtig 50
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angehörten - 32 davon Stenografen
- ein Berufsstand, so der Referent bedauernd, der allerdings leider
„vom Austerben bedroht“ sei .
Sie sorgten dafür, dass das Protokoll einer jeden Sitzung
bereits ca. fünf Stunden nach ihrem Ende im Intranet nachgelesen
werden könne. Das gesamte Protokoll einer Plenarsitzung liege
bereits am folgenden Tag bis 09.00 Uhr vor - bis 12.00 Uhr am
gleichen Tag sogar in gedruckter und gebundener Form – Respekt!
Den Abgeordneten selbst stünden für ihre Arbeit rund 4.500
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Seite, die in Berlin am Sitz
des Parlamentes oder in den Wahlkreisen der Abgeordneten ihren
Arbeitsplatz haben. Sie alle seien jedoch keine Öffentlich
Bediensteten, stellte Dr. Risse heraus, sondern hätten
privatrechtliche Arbeitsverträge mit „ihrem“ jeweiligen
Abgeordneten, deren Laufzeit an das Mandat des Abgeordneten bzw. an
die Dauer der Legislaturperiode gebunden sei. Allerdings erledige
die Bundestagsverwaltung - quasi als „Dienstleister“ - alle
administrativen Aufgaben der Personalverwaltung dieser Mitarbeiter,
genau wie sie auch die Personalangelegenheiten der ansonsten
souveränen Abgeordneten selbst in Händen hielten.
Zur Bearbeitung komplexer inhaltlicher Sachzusammenhänge
stünden den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern neben der derzeit
1,4 Millionen Einzelbände umfassenden größten Parlaments-Bibliothek
der Welt – sie verzeichnet daneben jährliche Neuzugänge von
weiteren 13.000 Bänden und ca. 9.000 Aufsätzen – auch ein
hochspezialisierter Wissenschaftlicher Dienst zur Verfügung, in dem
in zehn Fachbereichen derzeit 60 wissenschaftliche Gutachter
jährlich rund 2.100 wissenschaftliche Ausarbeitungen erstellten;
dazu kämen noch weitere 4.000 Einzelanfragen, die kurzfristig von
der „Hotline W“ des Hauses beantwortet würden. 80 weitere
Beschäftigte befassten sich zudem mit der Bearbeitung der jährlich
60.000 Eingaben von Bürgern, die sich in 18.000 Petitionen
niederschlagen würden.
Durchweg imponierende Zahlen also, denen auch die Zahl der
Besucher des Parlamentes in nichts nachsteht: Weltrekordträchtige
drei Millionen Gäste registriere der Besucherdienst des Deutschen
Bundestages alljährlich, berichetete Dr. Risse – allein zwei
Millionen von ihnen würden zudem in die imposante Reichtagskuppel
über dem Plenarsaal hinaufsteigen.
Nicht zuletzt für diese Besucher sei auch die eigenständige
„Polizei des Deutschen Bundestages“ - die kleinste Polizeibehörde
in Deutschland – zuständig, die derzeit 210 Beamtinnen und Beamten
umfasse. Sie versehe zwar derzeit noch ihren Dienst nach den
Bestimmungen des Berliner Polizeigesetzes, sei aber ansonsten zur
Wahrung der Souveränität und der besonderen Rolle des Parlamentes
im Rahmen der Gewaltenteilung vollkommen eigenständig. Deenoch
sprach sich Dr. Risse dafür aus, für diese Polizei durch ein
eigenes Gesetz eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen.
Zur Erledigung der genannten und vieler weiterer Aufgaben,
auf die der Referent aus Zeitgründen nicht mehr weiter im einzelen
eingehen konnte und die am Ende auch den Rahmen dieses Berichtes
sprengen würden, stehen dem Deutschen Bundestages jährlich 700
Millionen Euro an Haushaltsmitteln zur Verfügung. Ein ansehnlicher
Betrag sicher - doch als Verwaltung des obersten Souveräns des
Volkes kommen dieser Einrichtung auch zahlreiche, für das
Funktionieren des Staates zentrale Aufgaben zu. Zu diesen zählt
unter anderem auch die Kontrolle über die Parteienfinanzierung –
ein besonders „heikles Geschäft“, wie wir alltäglich aus den
Zeitungen erfahren können. Als Beispiel dafür ging Dr. Risse auf
den eingereichten Verbotsantrag gegen die NPD ein. „Wenn wir uns
mit unseren Rückforderungen gegen diese Partei bei den anhängigen
Gerichtsverfahren mit unserer Rechtsauffassung durchsetzen, dann
erledigt sich dieser Verbotsantrag wohl von selbst“, stellte Dr.
Risse fest, „denn dann ist die NPD nämlich zahlungsunfähig“.
Noch manch weitere Frage, von denen wohl die wenigsten der
Zuhörer auf den ersten Blick eine Verbindung mit dem Deutschen
Bundestag assoziieren würden, konnte der Referent kurz streifen –
von der Tatsache, dass auch das Parlament als Eigentümer einer
Kunstsammlung von der gegenwärtigen Provinienz-Debatte betroffen
sei – über die öffentliche Diskussion über die „Reisefreudigkeit“
der Abgeordneten – Dr. Risse: „Sie müssen das Recht haben, zu
reisen, müssen sehen, wie Parlamente in anderen Ländern
funktionieren“ - bis hin zur allgemeinen, öffentlichen Beobachtung
der Arbeit des Parlamentes – hinter jeder Fragen verbergen sich
neben einer Antwort auch immer wieder viele weitere, neue
Fragen....
Beantwortet finden dies Interessierte im Netz unter www.bundestag.de und den zahlreichen
damit verbundenen Links. Foto: gc
14.12.2013
Noch viel Arbeit auf dem Weg zum europäischen Energie-Binnenmarkt
Speyerer
Europaabgeordneter Jürgen Creutzmann referiert bei der Deutschen
Universität für Verwaltungswissenschaften
spk. Speyer. Mit einem Vortrag zu „Energie,
Umwelt und Wirtschaft im Mehrebenensystem der Europäischen Union“
war jetzt der Speyerer FDP-Europaabgeordnete Jürgen
Creutzmann MdEP an der Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften seiner Heimatstadt Speyer zu Gast. Dabei
betonte Creutzman, dass die Fortschreibung der Rahmenbedingungen
und die Verbesserung, beziehungsweise vielerorts erst einmal die
Schaffung einer paneuropäischen Infrastruktur Aufgabe der Brüsseler
Akteure sei. Die Entwicklung eines europäischen
Energie-Binnenmarktes sei aber noch mit enorm viel Arbeit
verbunden.
In seinem Vortrag wies der Referent ferner darauf hin, dass auch
im Bereich der Förderung der regenerativen Energien noch eine
bessere, EU-weite, Koordinierung notwendig sei. Für ihn stehe
deshalb außer Frage, dass sich die neue Bundesregierung jetzt rasch
und zügig an die Überarbeitung des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes
EEG“ machen müsse.
Darüber hinaus müssten aber auch den Unternehmen die richtigen
Anreize und durch enstprechende Regulierungen Rahmen dafür geboten
werden, um die nötige Infrastruktur zu schaffen, forderte der
EU-Parlamentarierr – „für unsere eigene Energie-Sicherheit und
damit Steuerzahler und Energiekonsumenten nicht weiterhin über
Gebühr belastet werden. Foto: spk-Archiv
Lesen Sie den Votrag von Jürgen Creutzmann MdEP im
Wortlaut im SPEYER-KURIER
Jürgen Creutzmann Rede "Energie, Umwelt
und Wirtschaft im Mehrebenensystem der Europäischen
Union"
9. Oktober 2013, 15 Uhr Universität für
Verwaltungswissenschaften Speyer
Sehr geehrter Professor Wieland, sehr geehrter Professor
Magiera, sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Schafhausen, meine
sehr verehrten Damen und Herren,
zunächst einmal möchte ich mich sehr herzlich bedanken für die
Einladung hier in meine Heimatstadt Speyer an die Universität für
Verwaltungswissenschaften, die ja bekanntlich eine der
renommiertesten ihrer Art hierzulande ist. Ich darf Ihnen
gratulieren zu einem außerordentlich gelungenen Programm; wie ich
sehe, umfasst dieses eine Fahrt nach Straßburg sowie
Gesprächsrunden mit hochkarätigen Vertretern aus Akademie und den
anderen europäischen Institutionen wie der EUKommission.
Mich haben Sie nun gebeten, zum Thema "Energie, Umwelt und
Wirtschaft im Mehrebenensystem der EU" zu referieren. Aus meiner
langjährigen Erfahrung als Gemeinderat, Landtagsabgeordneter und
Europaparlamentarier kann ich bestätigen, dass sich dieser
Themenkomplex gut eignet ist, das Gefüge der EU nicht nur
vertikal, sondern auch horizontal
zu betrachten. Denn auch die EU-Ebene per se hat bekanntermaßen
eine Vielzahl an Akteuren, die zur Komplexität der Prozesse über
alle Ebenen hinweg beitragen.
Wir haben auf europäischer Ebene zunächst einmal die Kommission,
die dem Parlament eine Verordnung oder Richtlinie vorschlägt. Im
Parlament der federführende Ausschuss bestimmt, z.B. der
Umweltausschuss, und der Industrieausschuss und/oder der
Binnenmarktausschuss geben Stellungnahmen zu der Verordnung ab.
Bevor dann in einem Trilogverfahren zwischen Kommission,
Parlament und Rat die endgültige Verordnung verhandelt wird, die
das Parlament dann nur noch annehmen 2 oder ablehnen kann, kann es
zuvor zu einer Abstimmung im Parlament kommen, die dann die
Verhandlungsgrundlage bildet oder die Abstimmung im federführenden
Ausschuss dient als Verhandlungsgrundlage für das Trilogverfahren.
Wer nun glaubt, die "Mehrebene" EU habe das Problem gelöst, der
irrt. Nehmen wir das Beispiel Klimaschutz.
Europa hat sich seine Klimaschutzziele bis 2020 in dem im Jahr
2008 beschlossenen, sogenannten Energie- und Klimapaket gesetzt.
Sie werden Ihnen bekannt sein: Der Treibhausgas-Ausstoß soll um 20
% gesenkt, die Energieeffizienz um 20 % verbessert und der Anteil
erneuerbarer Energien am Energiemix auf ein Fünftel angehoben
werden.
Die EU-Kommission hat im Dezember 2011 und dann erneut im März
dieses Jahres zudem bereits zwei Fahrpläne vorgelegt, wie die
Energie- und Klimapolitik in den kommenden Jahrzehnten fortgesetzt
werden könnte1.
Auch diese nächsten Schritte werden in engen Verhandlungen von
Vertretern der Mitgliedstaaten, des Europaparlaments und der
Kommission bestimmt werden; und dies im Rahmen der
Weltklimaverhandlungen. Stichwort: Fortschreibung des Kyoto-
Protokolls. Im Europaparlament, das ich ja hier vertrete, laufen
bereits in mehreren Ausschüssen die Verhandlungen zu einer
Stellungnahme zum Grünbuch "Ein Rahmen für die Energie- und
Klimapolitik bis 2030". Federführend ist hier der Umweltausschuss,
aber auch die Industrie- und Beschäftigungsausschüsse, denen ich
angehöre, werden Stellungnahmen abgeben.
Das erklärte Ziel, das haben auch die EU-Staats- und
Regierungschefs bereits beschlossen: Bis zum Jahr 2050 soll Europa
im Vergleich zu 1990 mehr als 85 Prozent seiner
Treibhausgasemissionen einsparen. Zuständig für die Umsetzung des
Energie- und Klimapolitik sind jedoch die einzelnen
Mitgliedsstaaten.
Deutschland hat die Energiewende eingeleitet, was bereits in
Europa zu einem geflügelten Wort wurde: Dieses beispiellose
Vorhaben eines Landes mit einer derart starken industriellen Basis,
sich von der Atomkraft zu verabschieden und auf Erneuerbare
Energien umzusteigen. Hierzu wird sicherlich Herr Schafhausen
gleich im Anschluss noch mehr Details geben.
Frankreich setzt nach wie vor auf Atomstrom, denn etwa 60% der
Stromerzeugung stammt aus Kernkraftwerken. Frankreich wäre
wirtschaftlich überhaupt nicht in der Lage auf Atomstrom zu
verzichten. Polen mit seinem zahlreichen Kohlevorkommen, möchte auf
diesen kostengünstigen Energieträger nicht verzichten, um seine
Wirtschaft wettbewerbsfähig zu erhalten.
Wenn wir uns anschauen, wie Europas "20-20-20"-Ziele, die
Entwicklung des Energiebinnenmarktes und Deutschlands Energiewende
ineinandergreifen, können wir sehr gut erkennen, welche Ebene
welche Befugnisse hat, und vor allem, wo wir Verbesserungsbedarf
haben.
Zwar hat Europas neuer Grundlagenvertrag, der Vertrag von
Lissabon2, die energiepolitischen Kompetenzen der EU erstmals
gebündelt und damit der größeren Bedeutung der europäischen Ebene
in der Energiepolitik Rechnung getragen. Was aber weiterhin
berechtigter- und auch notwendigerweise ausschließlich Sache der
Mitgliedstaaten ist, ist die Entscheidung über die Energieträger.
Atomenergie beispielsweise ist in Frankreich weiterhin dominierend,
in Österreich ist sie seit jeher tabu und in Deutschland ist ja nun
der Ausstieg seit dem Unglück von Fukushima beschlossene Sache.
Polen zum Beispiel ist auf einen hohen Anteil an Kohleverstromung
angewiesen, Dänemark ist Vorreiter bei den Erneuerbaren
Energien.
Oder sehen Sie sich die aktuell hitzigen Debatten um die
Förderung von Schiefergas an: Das sogenannte Fracking ist derzeit
in einigen EU-Ländern wie Frankreich oder Bulgarien verboten, in
anderen finden Probe-Bohrungen statt. In Deutschland gibt es
eigentlich Interesse seitens der Industrie an solchen
Versuchs-Bohrungen, aber der Widerstand auf kommunaler Ebene ist
groß.
Die Prognosen, wie umfangreich überhaupt die erschließbaren
Schiefergas- Vorkommen in Deutschland sind, fallen zwar durchaus
unterschiedlich aus. Aber ich warne in jedem Fall davor, aus
Idealismus diese neuen Möglichkeiten von vorneherein abzulehnen.
Schiefergas hat in den USA innerhalb kurzer Zeit die Energiepreise
deutlich gesenkt und die Unabhängigkeit von Lieferungen aus den
Ölstaaten erhöht; mancher spricht gar von einer
Schiefergas-Revolution und von der Gefahr einer
Re-Industrialisierung der USA und einer weiteren
De-Industrialisierung Europas. Ob diese Warnungen nun überzogen
sein mögen oder nicht: Wir dürfen in jedem Fall nicht riskieren,
dass energieintensive Unternehmen in die USA abwandern, weil sich
die Energiepreise dort im Sinkflug befinden, während sie in Europa
stetig steigen. Das würde uns in Europa Arbeitsplätze kosten, und
auch dem Klimaschutz wäre in keiner Weise geholfen.
Die neue Bundesregierung wird vermutlich einen erneuten Anlauf
nehmen müssen, Fracking gesetzlich zu regeln, nachdem dies in der
vergangenen Legislaturperiode nicht gelungen ist. Gleichzeitig
plant jedoch auch die EU-Kommission, nach einer umfangreichen
Stakeholder-Konsultation, die Vorlage eines Regulierungsrahmens für
Fracking auf EU-Ebene, wobei es generell um
Mindest-Sicherheitsstandards und die Notwendigkeit von
Umweltverträglichkeits-Prüfungen geht. Ich finde, genau hier gehört
dieses Thema auch hin.
Lassen Sie mich ganz generell betonen: Die Fortschreibung der
Rahmenbedingungen und die Verbesserung, beziehungsweise vielerorts
erst einmal Schaffung, einer paneuropäischen Infrastruktur: Genau
das ist Aufgabe der Brüsseler Akteure - was wir im EU-Jargon die
Entwicklung des europäischen Energie-Binnenmarktes nennen. Und hier
gibt es noch enorm viel Arbeit.
Im Herzen dieser wichtigen Arbeit steht die EU-Kommission. Seit
2010 besetzt den Posten des EU-Energiekommissars ein Deutscher,
nämlich Günther Oettinger. Ebenfalls seit 2010 hat Oettinger auch
eine eigene Generaldirektion für Energie innerhalb der Kommission
hinter sich, die ihm zuarbeitet - was auch wiederum die gestiegene
Bedeutung der Energiepolitik auf EU-Ebene zeigt3. Man mag seine
unverblümte Art nun mögen oder nicht - ich persönlich schätze ihn
sehr -, aber Günther Oettinger hat sich in Brüssel den Ruf des
hochkompetenten und einflussreichen Fachmanns erarbeitet.
Herr Oettinger nennt die Dinge beim Namen. Und was getan werden
muss, ist bekannt: Der Binnenmarkt für Gas und Strom muss endlich
funktionieren. Nicht nur innerhalb Deutschlands müssen die
Nord-Süd-Verbindungen und der Anschluss der großen Industriezentren
im Südwesten an die Windparks im Norden verbessert werden. Es sind
die transeuropäischen Netze und Interkonnektoren, auf Deutsch
"Grenzkuppelstellen" beziehungsweise "Netzverknüpfungspunkte", die
den heutigen und künftigen Anforderungen in keiner Weise gerecht
werden. So hat Spanien beispielsweise völlig unzureichende
Interkonnektoren nach Frankreich. In den baltischen Staaten gibt es
nach wie vor Regionen, die entkoppelt sind vom europäischen
Energienetz - dabei ist längst beschlossene Sache, dass es solche
sogenannte "Energie-Inseln" bereits bis 2015 nicht mehr geben
soll.4 Aber auch die bestehende transeuropäische
Energie-Infrastruktur wird nicht optimal genutzt. Auch in den
Beziehungen mit Dritt-Staaten, Nachbarländern, Lieferanten und
Transitländern muss die Verbesserung der Energie-Infrastruktur eine
stärkere Rolle spielen.
Hier brauchen wir mehr Europa, nicht weniger - anders als beim
nationalen Energiemix, wo, wie gesagt, zu Recht das
Subsidiaritätsprinzip gilt. Machen wir uns nichts vor: Deutschland
ohne eigene Meiler am Netz, und ohne das Risiko von Blackouts: Das
wird nur dann funktionieren, wenn wir problemlos Nuklearstrom aus
Frankreich oder Belgien beziehen können, falls unsere Windräder und
Solarpanels an kalten, windstillen und wolken-verhangenen Tagen
nicht genug Strom produzieren. Derzeit haben wir an
transeuropäischen Stromverbindungen noch nicht einmal das
Äquivalent von 10 % der in den Mitgliedstaaten installierten
Produktionskapazitäten erreicht - was eigentlich schon 2002 als
Zielmarke ausgegeben worden war.
Im Prinzip arbeitet die EU bereits seit Mitte der Neunziger
Jahre an der Entwicklung des Energie-Binnenmarktes. 2009 wurde das
dritte Binnenmarktpaket für Strom und Gas verabschiedet, bestehend
aus fünf Richtlinien und Verordnungen. Im Focus stehen die
Verbesserung des Wettbewerbes durch eine Entflechtung von Erzeugung
und Transport sowie natürlich der Ausbau der Grenzkuppelstellen.
Dennoch geht der Ausbau immer noch viel zu langsam voran. Viele
Mitgliedstaaten kommen ihren Verpflichtungen zu wenig oder gar
nicht nach, so dass die EU-Kommission immer wieder
Vertragsverletzungsverfahren einleiten muss. Außerdem sind die
Planungsund Genehmigungsverfahren in vielen Ländern noch zu
komplex, ein Problem, das mit einer neuen EU-Verordnung angegangen
werden soll, die im April dieses Jahres verabschiedet wurde. Ziel
ist eine maximale Verfahrensdauer von dreieinhalb Jahren sowie
Investitionsanreize für Projekte mit größeren Risiken. Gleichzeitig
werden besonders wichtige Energieinfrastrukturprojekte benannt, die
vorrangig behandelt werden sollen wie "intelligente Netze" oder
"Stromautobahnen".
Eine Finanzierung solcher Infrastrukturmaßnahmen durch die
öffentliche Hand lehne ich jedoch ab. Das ist und bleibt Aufgabe
der Unternehmen.
Und dies führt mich nun zu einem weiteren Punkt: Wir brauchen
nämlich auch im Bereich der Förderung von Regenerativen Energien
eine bessere EU-weite Koordinierung.
In diesem Zusammenhang steht für mich außer Frage, dass die neue
Bundesregierung zügig das Erneuerbare-Energien-Gesetz überarbeiten
muss, aus drei Gründen: Zum Einen: Es kann einfach nicht sein, dass
wir in Deutschland mit die geringsten Großhandelspreise zahlen,
aber deutsche Verbraucher zu denjenigen zählen, denen mit
verschiedensten Steuern, Abgaben und Gebühren bei den Endpreisen im
EUweiten Vergleich mit am tiefsten in die Tasche gegriffen wird. In
den vergangenen 15 Jahren haben sich die Strompreise für den
Durchschnittshaushalt nahezu verdoppelt, wobei die Kosten für
Stromproduktion, Transport und Verkauf aber so gut wie gleich
geblieben sind. Die Erhöhung ist somit fast ausschließlich auf
Steuern, Gebühren und das EEG zurückzuführen.5 Von knapp 30 Cent je
Kilowattstunde hierzulande machen gut die Hälfte Abgaben und das
EEG aus. Der EU-weite Durchschnitt liegt bei um die 20 Cent pro
Kilowattstunde6. Übrigens: In Großbritannien sprechen wir von etwa
17 Cent, und schon dort bringt sich Labour-Chef Ed Miliband derzeit
mit Ideen für eine "Energiepreis-Bremse" für den anstehenden
Wahlkampf in Stellung. Es dürfte also klar sein, dass wir in
Deutschland Handlungsbedarf haben.
Bekannt ist zum Zweiten, dass die EU-Kommission die Ausnahmen
für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb
stehen, unter die Lupe nimmt. Diese Sonderregeln drohen als
wettbewerbswidrig verboten zu werden, was die globale
Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie massiv gefährden würde
- und damit auch Arbeitsplätze.
Aber es gibt noch einen dritten, umfassenderen Grund. Was wir im
Moment sehen, ist die EU-weite völlige Fragmentierung im Bereich
der massiven Subventionierung von Erneuerbaren Energien.
Gleichzeitig zeichnet sich eine Zunahme bei der Schaffung von
Anreizen ab, Betreiber von konventionellen, immer weniger
wirtschaftlichen Kraftwerken zu fördern, um die
Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Was wir aber brauchen, ist
mehr Harmonisierung, Kohärenz und Zielgerichtetheit - Logik, wenn
Sie so wollen.
Schätzungen zufolge werden bis 2020 Investitionen in Höhe von
gut 1 Billiarde Euro in Produktionsstätten, Netze, Speicherung,
Energieeffizienz und Forschung nötig sein, um Europas
Energieversorgung zu sichern und zu dekarbonisieren. Diese
Investitionen finden derzeit schlicht nicht in ausreichendem Rahmen
statt. Die Politik muss der Wirtschaft dazu die richtigen Anreize
geben und Signale senden, und zwar entschieden, vorausschauend,
kohärent und verlässlich. Die Milliarden-Subventionen für die
Regenerativen Energien sind nicht nur unzureichend, um unsere Ziele
in der Energie- und Klimapolitik zu erreichen - sie sind eben auch
kontraproduktiv. Hier hat dankenswerterweise teilweise schon ein
Umdenken stattgefunden, vor allem Bereich des Biosprits - "Teller
statt Tank!" lautet das Motto. Auch die Produzenten Regenerativer
Energien werden sich in den freien Markt einordnen müssen. Es war
zum Beispiel richtig, in Deutschland die Subventionierung für
Photovoltaik zurückzuschrauben.
Aber wir müssen noch weiter gehen und auch weiter über den
Tellerrand schauen - nach Europa. Was macht es denn für einen Sinn,
Deutschland großflächig mit Solarpanels zu pflastern, und nicht
etwa sonnige Südländer wie Griechenland oder Spanien? Und dann
hierzulande trotzdem für eine Mindest-Kapazität an Notfall-
Produktion aus fossilen Trägern zu zahlen, für Zeiten, in denen
Flaute oder Bewölkung vorherrschen.
Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir müssen den Unternehmen die
richtigen Anreize und Regulierungsrahmen bieten, die nötige
Infrastruktur zu schaffen. Wir müssen Vertrauen in unsere
EU-Partnerländer haben für unsere eigene Energie- Sicherheit - und
wir die Steuerzahler und Energiekonsumenten nicht weiterhin
übergebührlich belasten. Nicht nur geografisch steht Deutschland in
all diesen Bereichen im Zentrum der Anstrengungen.
1 Energiefahrplan 2050 und Grünbuch "Ein Rahmen für die
Energie- und Klimapolitik bis 2030"
2 In Kraft seit Dezember 2009
3 Bis 2010 waren Transport und Energie in einer
Generaldirektion zusammengelegt
4 Beschluss des EU-Gipfels 4. Februar 2011
5 Erhöhung von 17,1 Cent je Kilowattstunde in 1998 auf 28,73
Cent je kWh in 2013. Davon sind 14,41 Cent/kWh Abgaben, EEG, KWKG
etc.
6 Quelle: Eurostat 7
05.11.2013
Überragender Wissenschaftler, verdienstvoller Speyerer Mitbürger und guter Freund
Prof. Dr. Carl
Böhret zum 80. Geburtstag mit eindrucksvoller Festveranstaltung
geehrt
von Gerhard Cantzler
Speyer- Trotz der gerade ihrem Höhepunkt
entgegen gehenden Urlaubs- und Ferienzeit war die Schar der
Gratulanten, die am Dienstag am helllichten Vormittag in den
Historischen Ratssaal der Stadt Speyer strömten, um in
Prof. Dr. Carl Böhret den überragenden
Wissenschaftler, den verdienstvollen Speyerer Mitbürger und guten
Freund an seinem 80. Geburtstag zu ehren, schier endlos: Vertreter
des öffentlichen Lebens, an ihrer Spitze der frühere
Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thürigen, Prof.
Dr. Bernhard Vogel – zugleich Nachbar des Jubilars am
Speyerer Egelsee - der Präsident des Struktur- und
Genehmigungsdirektion SGD Süd, Prof. Dr. Hans-Jürgen
Seimetz, der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg
Eger – dazu Vertreter aus Forschung und Wissenschaft von
dem aus dem fernen Japan angereisten Gelehrten Prof. Dr.
Koichiro Agata bis hin zu den in großer Zahl gekommenen,
früher an der renommierten Speyerer „Hochschule für
Verwaltungswissenschaften“ lehrenden Professoren und ihren
inzwischen selbst in führende Positionen in Wissenschaft und
Öffentlicher Verwaltung eingerückten akademischen Schülern bis hin
zu den aktuellen Mitgliedern des Lehrkörpers der neuerdings
„Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer“. Und
natürlich hatten es sich auch die Adepten des „Lieblingskindes“ des
Jubilars, des großen, in Speyer geborenen Universalgelehrten Johann
Joachim Becher, nicht nehmen lassen, am Ehrentag des Mitbegründers
und langjährigen Vorsitzenden ihrer sich ganz der Pflege des
Lebenswerks Bechers widmenden, gleichnamigen „Johann Joachim Becher
Gesellschaft“ JJBG im Historischen Rathaus einen dem Rang des
80jährigen Geburtstags-.“Kindes“ angemessenen Empfang
auszurichten.
Nicht weniger als
acht veritable Laudatoren hatten die „Becherianer“ gebeten, an
diesem Tag ein möglichst umfassendes Bild „ihres Professors“ zu
zeichnen – jeder auf seine Weise und jeder aus dem Blickwinkel
heraus, unter dem er mit Prof. Dr. Böhret ein Stück weit seines
Lebensweges gemeinsam gegangen war. Eine wundervolle, liebenswerte
Idee, die noch durch den charmanten Moderator, den
Stellvertretenden Vorsitzenden der JJBG und Geschäftsführer der
Stadtwerke Speyer, Wolfgang Bühring - „Sie wissen
schon, lieber Herr Bühring, was Sie tun könnten, wenn Sie einmal
keine Lust mehr auf 'Energiewende' haben sollten?“ - . und durch
die Verpflichtung des großartigen Salonquartetts
„salonissiomo“ - durchweg Musiker des renommierten
Mannheimer Nationaltheater-Orchesters - noch einen besonderen
„Touch“ erhielt.
Und so war es auch
kein Wunder, dass es sich selbst der große Johann Joachim
Becher persönlich nicht nehmen liess, aus dem Jenseits
einen kurzen Abstecher in das Speyerer Rathaus zu unternehmen und –
in Person des prächtig kostümierten JJBG-Vorsitzenden
Hans-Joachim Spengler in einer humorvollen Laudatio auf
Prof. Dr. Böhret unter anderem auch die Glückwünsche „seines“
Kaisers Leopold zu überbringen.
Lesen Sie die Laudatio Johann Joachim Bechers – alias
Hans-Joachim Spengler – im Wortlaut im SPEYER-KURIER
Dann war es am
„Hausherrn“, Oberbürgermeister Hansjörg Eger,
seine Sicht auf den Jubilar vorzutragen: Er bezeichnete dabei Prof.
Dr. Böhret als eine „idelae Verbindung aus Theorie und Praxis“ und
zog eine zu der Lebensleistung des Jubilars beziehungsreiche
Parallele, indem er daran erinnerte, dass auf den Tag genau zehn
Jahre vor Böhrets Achtzigsten im mexikanischen Puebla der letzte
VW-Käfer vom Band gelaufen sei. Mit ihm habe der Jubilar als
gelernter Kfz-Mechaniker und Ex-NSU-Audianer stets ein besonderes
Verhältnis gehabt. „Er läuft und läuft und läuft...“ - so könne man
auch den vielfältigen und unermüdlichen Einsatz Böhrets für „seine“
Stadt und ihre Hochschule/Universität beschreiben, lobte Eger.
In gleich
zweifacher Funktion trat sodann SGD-Präsident Prof. Dr.
Seimetz an das Laudatoren-Pult - zum einen selbst als
Absolvent der Speyerer Hochschule für Verwaltungswissenschaften und
Student bei Prof. Dr. Carl Böhret, der hier seinen Magister in
Verwaltungswissenschaften erworben hat. Dann aber hatte er es
übernommen, die Glückwünsche des früheren rheinland-pfälzischen
Ministerpräsidenten Kurt Beck und dessen
Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Böhret
vorzutragen. Beck selbst, so war zu hören, wäre an diesem Tag aus
herzlicher Verbundenheit mit dem Jubilar sehr gerne selbst nach
Speyer gekommen, musste aber zu der zeitgleich stattfindenden
Beisetzung seines Vaters, der jetzt im gesegneten Alter von 91
Jahren verstorben ist – aufrichtiges Beileid deshalb, lieber Kurt
Beck, Ihnen und Ihrer ganzen Familie.
Was Kurt Beck und Carl Böhret bis heute verbinde, so Prof. Dr.
Seimetz, sei ihre durchaus vergleichbare Karriere aus einer
handwerklichen Lehre heraus. Beck habe zunächst eine Lehre als
Elektriker, Prof. Dr. Böhret eine als Kfz-Mechaniker absolviert,
ehe sie auf unterschiedlichen Wegen ihre berufliche Laufbahn
entwickelt hätten. Seit seiner Berufung an die Speyerer Hochschule
im Jahr 1975 habe Prof. Dr. Böhret wesentliche Beiträge zu einer
wirkungsvolleren Landesverwaltung geleistet. Als Mitbegründer und
langjähriger Leiter des „Führungskollegs Speyer“ habe er viel zur
Fortbildung von Führungskräften in den Verwaltungen des Bundes und
der Länder beigetragen – als wissenschaftlicher Leiter der
Expertenkommission zur Neuorganisation der Landesverwaltungen auch
viele direkte Entscheidungshilfen für die Regierungen
eingebracht.
Und schließlich habe Prof. Dr. Böhret mit der von ihm
begründeten „Gesetzesfolgenabschätzung“ einen völlig neuen Blick
auf die Auswirkungen neuer Gesetze eröffnet. „Carl Böhret gehörte
zu den 'verborgenen' Ratgebern von Kurt Beck“, offenbarte Prof. Dr.
Seimetz. Dazu habe er als Moderator viele drohende
Unternehmenszusammenbrüche im Lande abwenden können - „So sind Sie
bis heute ein Vorbild für viele, dessen vielfältiges Schaffen
eigentlich den Rahmen einer jeden Würdigung sprengt“, attestierte
der Präsident dem Professor.
Eine andere
Facette dieses reichen Schaffens stellte sodann der Vorsitzende der
„Johann Joachim Becher-Stiftung“, Prof. Dr. Karl-Peter
Sommermann, ins Zentrum seiner Betrachtungen. Carl Böhret
sei bis heute in der Lage, die von Johann Joachim Becher
vorausgedachten „technischen Wunderwerke“ eindrucksvoll „zum Laufen
zu bringen“ wie zuletzt bei dem heute im „J.J. Becher-Haus“ zu
erlebenden „Energiekreislaufmodell“ des großen Visionärs aus dem
17. Jahrhundert.
Der Jubilar sei aber in gleicher Weise auch immer wieder im
Stande gewesen, in seinem Fachgebiet, den Politischen
Wissenschaften, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren:
„Politikberatung“ und „Gesetzesfolgenabschätzung“, heute fast schon
alltägliche Instrumente im politischen Alltag, seien von Prof. Dr.
Carl Böhret entwickelt und in die Politik implementiert worden.
Dafür sei der Wissenschaftler und langjährige Geschäftsführende
Direktor des Forschungsinstituts der Speyerer Hochschule zurecht
mit zahlreichen bedeutenden Wissenschaftspreisen ausgezeichnet
worden. Und schließlich vergass Prof. Dr. Sommermann auch nicht,
auf das „wohl seiner gewerkschaftlichen Vergangenheit geschuldete“,
stets um die Integration aller Gruppen an der Hochschule besorgte
Wesen Prof. Dr. Böhrets hinzuweisen.
Diesen besonderen
Wesenszug des Jubilars hob auch der nächste Redner, Prof.
Dr. Werner Jann, heute Politikwissenschaftler an der
Universität Potsdam, in seiner sehr persönlich gehaltende
Glückwunschadresse hervor. Er sei Prof. Dr. Böhret in den unruhigen
Jahren der „Studentenrevolte“ am OSI – dem berühmten
Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin – begegnet, wo
gerade um die Neubesetzung des vakanten Lehrstuhls für Politische
Wissenschaften gerungen worden sei. Radikalisierte Studenten hätten
damals mit Spruchbändern und roten Fahnen die Berufung des
belgischen Marxisten Ernest Mandel gefordert - „Carl Böhret ist es
es, zum Glück für die FU, geworden“, erinnerte sich Prof Dr. Jann
verschmitzt.
Carl Böhret - weithin bekannter 'Technik-Freak' - sei damals
insbesondere auch dadurch aufgefallen, dass er in seinen
Lehrveranstaltungen den ersten Overheadprojektor eingesetzt habe.
Doch auch durch andere akademische „Großtaten“ habe sich der
Jubilar hervorgetan: So habe er auch ihn, den jungen Studenten, in
die Vorbereitung und Durchführung der von ihm entwickelten
Planspiele einbezogen - „und das schönste: Man bekam dafür auch
noch Geld“, erinnerte sich Prof. Dr. Jann. „Carl Böhret hatte schon
damals wenig übrig für die damals weit verbreitete
'Selbstausbeutung' der Studenten“. Böhret habe sich – im Gegensatz
zu den sonstigen akademischen Gepflogenheiten – auch nicht in alles
eingemischt, sondern seine Studenten und Mitabeiter „am langen
Zügel laufen“ lassen.
Als Prof. Dr. Böhret dann im Jahr 1975 nach Speyer berufen
wurde, habe er ihn, den Studenten in der Endphase seiner Ausbildung
immer wieder ermahnt „endlich zum Abschlusss zu kommen“, damit er
ihn an den Rhein nachholen könnte. Dies sei dann 1976 – zeitgleich
mit der Einwerbung des ersten großen, von der Deutschen
Forschungsgemeinschaft finanzierten Projektes, das Bestandteil der
Berufungsvereinbarung Prof. Böhrets mit dem Land Rheinland-Pfalz
gewesen sei. „Es waren zehn glückliche und unbezahlbare Jahre, die
ich hier in Speyer für Prof. Dr. Böhret arbeiten durfte“ bekannte
ein strahlender Prof. Dr. Jann, „wir waren ein tolles Team mit
einem ganz tollen Chef“.
Prof. Dr. Carl Böhret habe immer wieder Zukunftsthemen
antizipiert und z.B.schon früh über „Zeit und Zeitmanagement“
abgehandelt – heute eines der großen Themen im wissenschaftlichen
Diskurs. Dabei habe er stets auf die Ausgewogenheit von
Praxisrelevanz und Forschungsorientierung geachtet. Von daher habe
es nicht umsonst in Speyer einen der letzten Fackelzüge in der
deutschen Universitätsgeschichte für Prof. Dr. Böhret gegeben, mit
dem ihn - einer alten akademischen Sitte folgend - seine Studenten
ermuntern wollten, einen an ihn ergangenen Ruf an die Technische
Universität Berlin abzulehnen. „Und wir hatten Erfolg“, freut sich
Prof. Dr. Jann noch heute und schloss mit dem Bekenntnis: „Ich bin
stolz darauf, ein Schüler von Carl Böhret zu sein“.
Eigens aus dem
Urlaub in Österreich nach Speyer gekommen: Dr. Helmut
Albert, Direktor des Landesamtes für Verfassungsschutz des
Saarlandes und passionierter Fallschirmspriger, der gerade den
legendären Weltrekord des „Weltraumspringers“ Felix Baumgartner
übertroffen habe, wie Prof. Böhret später zum Amusement seiner
Zuhörer kundtat – allerdings nicht in einem, sondern in der
Addition der zahlreichen Sprünge in einem langen Springerleben.
„Die Liebe zu Speyer“ und die Freundschaft mit den Mitstudenten
und den Dozenten, an ihrer Spitze mit Prof. Dr. Carl Böhret“, das
seien für ihn die wichtigsten Erfahrungen aus, und die schönsten
Erinnerungen an seine Zeit am „Führungskolleg Speyer“ geblieben.
Aufgrund der Konzeption des Lehrgangs sei der Besuch dieses
Führungskollegs eine lebenslang prägende Zeit für alle Teilnehmer
geblieben. Prof. Dr. Böhret habe damit die bereits von Sokrates
erhobene Forderung realsiert, dass „zu einem guten Lehrer vor allem
auch die Kunst gehört, das eigene Wissen auch an seine Schüler zu
vermitteln“.
Willi
Philippe, Gründungsmitglied und Vorsitzender des Beirates
von Prof. Dr. Böhrets „Lieblingskind“, der „Johann Joachim Becher
Gesellschaft“ erinnerte in seinem Beitrag an die Idee des Jubilars
für den Aufbau einer Gedenkstätte für den großen
Universalgelehrten. Mit unendlicher Hingabe und der ihm eigenen
Durchsetzungskraft habe sich „der Professor“ um Ausgestaltung und
Dekoration des „J.J. Becher-Hauses“ gekümmert und immer wieder ihre
Erneuerung betrieben. Durch die Präsentation zahlreicher
Funktionsmodelle nach Überlegungen Bechers habe sich Prof. Dr.
Böhret immer wieder mit seinem großen Vorbild Johann Joachim Becher
in der Überzeugung getroffen, „dass Theorie ohne Praxis stets
ungewiss bleibt“.
Letzter Redner in
der Reihe der Laudatoren schließlich Dr. Christian
Roßkopf, früherer Speyerer Oberbürgermeister, gemeinsam
mit Prof. Dr. Böhret Mitbegründer der „Johann Joachim
Becher-Gesellschaft und langjährige persönliche Freund des
Jubilars. In einer sehr persönlichen Rede
erinnerte er an den Beginn ihrer langen Freundschaft „über den
Trollinger“, erwähnte die sie verbindenden gemeinsamen politischen
Überzeugungen und ihre Bereitschaft zum bürgerschaftlichen
Engagement und berichtete mit begeisternder Erinnerung an die
legendären Runden im „Götz-Keller“, die stets „ohne Zielsetzung
zusammen kamen, aber immer wieder mit großem Ertrag endeten“.
In zahllosen Vorträgen habe Prof. Böhret immer wieder wertvolle
Impulse in die Stadt hineingetragen - als damaliger Rektor der
Verwaltungshochschule die 2000-Jahr-Feier Speyers massgeblich mit
gestaltet. „Ich bin nicht sicher, ob die Speyerer Hochschule –
heute Universität – ohne Carl Böhret überhaupt noch bestehen
würde“, so der frühere Oberbürgermeister.
Ihre
Freundschaft, so Dr. Roßkopf, gründe sich auf die vielen
Übereinstimmungen in sachlichen Fragen – dennoch würde er sich noch
ein öffentliches Streitgespräch mit dem Jubilar über all die Fragen
wünschen, in denen sie unterschiedlicher Auffassung seien. Dazu
zähle er - so Dr. Roßkopf halb ernst-, halb scherzhaft - das Talent
Prof. Dr. Böhrets als „Schnellfahrer“. Jedenfalls erinnere er sich
bis heute an eine gemeinsame Fahrt mit dem Professor, der, wie man
bei dieser Gelegenheit erfuhr, wohl früher eine gewisse Zeit sogar
als Testfahrer für AUDI unterwegs gewesen sei, die Dr. Roßkopf mit
einem inbrünstigen Dankgebet dafür beendet habe, dass alles gut
gegangen sei.
„Freundschaft lebt in einem gewissen Spannungsfeld – und aus
dieser Spannung erwächst immer wieder neue Ernergie“, schloss Dr.
Roßkopf seine berührende Ansprache. Und in diesem Sinne wünsche er
sich und dem guten Freund Carl Böhret noch viele gemeinsame Momente
voller neue Energie spendender Spannung.
Den so umfänglich skizzierten Jubilar würdigte schließlich
Moderator Wolfgang Bühring als einen Menschen,
„der ansteckt, weiterzudenken“. Dies habe sich in allen
Ausführungen dieses Vormittages eindrucksvoll bestätigt
In gewohnt
lebhafter, blitzschnell argumentierender Weise bedankte sich
Prof. Dr. Böhret dann in humorigen Worten für die
vielen Überlegungen die sich so viele Menschen aus Anlass seines
Geburtstages über ihn gemacht hätten: „Ich habe heute ganz neue
Seiten an mir kennengelernt“, attestierte er den Rednern und
bedankte sich bei den Initiatoren dieser Feier, vor allem bei
JJBG-Vorsitzendem Hans-Joachim Spengler und seinem „Vize“ Wolfgang
Bühring. Dann aber dankte er auch noch einmal den Gründern der
Gesellschaft – neben ihm selbst Dr. Christian Roßkopf und der
frühere Unternehmer Hermann Wagner.
Dank sagte er aber auch seinem Schwager, dem
KünstlerGerhard Maier-Ridaud, der ihn zu diesem
Tag mit einem Porträt überrascht hatte, das während der Dauer der
Festversammlung hinter dem Rednerpult den Laudatoren beziehungsvoll
über die Schultern blickte. „Wo hängen wir das denn hin?“ fragte
Prof. Dr. Böhret in die Runde und gab sich dann auch gleich selbst
die Antwort: „Das kommt natürlich ins 'Becher-Haus'“, bestimmte er,
wie immer kurz entschlossen – wo sonst?.
Mit einem
Zeitsprung in das Jahr 1953 ließ der Professsor dann den
Mechanikerlehrling Carl Böhret vor dem geistigen Auge der Gäste
aufscheinen, der dabei war, als bei NSU in Neckarsulm der erste
„Lebenstakt“ einer „NSU-Quickly“ erklang, der zugleich der Auftakt
gewesen sei für eine breit angelegte Mobilität der Menschen in der
Bundesrepublik Deutschland. Auch erhabe damals so ein Gefährt
besessen und damit seine Freundin und heutige Ehefreu
beeindruckt.
Und deshalb verband der Jubilar mit einem weiteren Bezug zur
Technologie, zur Physik - mit einem Bezug zum „Doppel-Helix“ - eine
Liebeserklärung an seine Frau Christel – das einzige mal, dass dem
sympathischen, überaus agilen Achtziger dann doch einmal sein
wichtigstes Instrument, die Stimme, kurz den Dienst zu versagen
drohte. Doch ein Gedicht von Walter von der Vogelweide brachte
seine an diesem Tag ohnedies „Achterbahn“ fahrende“ Gefühlswelt
dann wieder ins Gleichgewicht und ließ ihn überleiten zum zweiten,
zum geselligen Teil dieser großartigen Würdigung, die – typisch für
den Jubilar – so viele Menschen wieder einmal zusammen brachte, die
sich lange nicht getroffen hatten. Er ist halt auch ein begnadeter
Kommunikator, der beliebte Prof. Dr. Carl Böhhret, dem auch der
SPEYER-KURIER noch viele Jahre bei bester
Gesundheit und ungebrochener Schaffenskraft.wünscht. Foto:
gc
01.08.2013
Rede von Hans-Joachim Spengler zum 80sten Geburtstag von Herrn Prof. Carl Böhret
Hohe Festversammlung!
Es ist ganz schön beschwerlich für einen
378jährigen, wieder in seine Geburtsstadt zu reisen.
Aber allein durch die Ansicht des Salierdomes und
der großartig und schön wieder aufgebauten Stadt, die sich
heutzutage so lebendig und aufgeschlossen zeigt, bin ich für
all meine Mühsal und Strapazen schon belohnt.
Dank meiner Fan-Gemeinde hier wurde es mir auch
leicht gemacht, mich in meiner Heimatstadt nach so langer Zeit
wieder zurechtzufinden; überall bin ich an meine Jugend – die
schönste Zeit in meinem Leben - erinnert worden.
Ich kam durch die Becher-Straße, blickte auf das
Becher-Haus im Judenhof und meine Büste von dem Künstler
Spitzer, besuchte die Bildungsstätte Johann Joachim
Becher-Schule und konnte sogar eine Erinnerungstafel an meine
Lebens-Leistungen am Haus neben der Dreifaltigkeitskirche
bewundern.
Einen Dank und Gruß an die Bürger, besonders den
Dominus Major Herrn Hansjörg Eger, den ich hier in der ersten Reihe
unter den Festgästen erblicke.
Nun stehe ich vor einem illustren Kreis an
Geburtstagsgästen, die teilweise bis von Tokio angereist sind, um
mit mir meinen Kollegen der Wissenschaft zu seinem Geburtstag zu
beglückwünschen.
Lieber Herr Professor Böhret,
ich möchte Ihnen zu Ihrem heutigen Jubeltag recht
herzlich gratulieren und alles Glück der Welt wünschen.
Auch von meinem Dienstherrn Kaiser Leopold soll ich
Ihnen zurufen: „Fortuna dies natalis - Happy birthday to you,
lieber Herr Professor“.
Um die überaus große Wertschätzung Ihrer Person,
lieber Herr Prof. Böhret, zum Ausdruck zu bringen, hat das
Kommerzkollegium der kaiserlichen Erblande - es tagte über
uns - beschlossen, Sie zu Ihrem Geburtstag in die
Ruhmeshalle der Politik- und Wirtschafts-Wissenschaftler
aufzunehmen. Ihr Platz ist dort ab sofort an meiner Seite.
Sie haben mit Ihrer Arbeit meine Spuren in der
Wissenschaft vertieft und sichtbar verlängert.
Mit Ihren Forschungsschwerpunkten von der
politischen Theoriebildung über die Regierungslehre, die
Staatsformen und Verwaltungsmodernisierung bis zur Policy Analyse
und Folgenforschung haben Sie meine Arbeiten als erster deutscher
Volkswirt mit Erfolg weiter geführt. Besonders erwähnenswert finde
ich Ihr Handbuch der Gesetzesfolgeabschätzung, mit dem man den
Beweis antreten kann, dass meine Theorien, die ich in meinem Buch
„Politischer Diskurs“ veröffentlich habe, für die damalige Zeit
richtig und erfolgreich waren.
Die Politik- und Wirtschaftswissenschaft ist auch
Ihre große Leidenschaft. Sie hat Sie auch an den Hof von Mainz
geführt, dem Ausgangspunkt auch meiner Geschäftigkeit.
Ich durfte den Kurfürst Johann Philipp von
Schönborn beraten, Sie lieber Herr Böhret den Ministerpräsidenten
des Landes Rheinland Pfalz, Herrn Kurt Beck. Er hat mir berichtet,
dass er Ihnen gerne persönlich gratuliert hätte, musste leider
seine Teilnahme an der Feier wegen eines Trauerfalls in der Familie
absagen. Sein Hofstaat wird heute von Prof. Seimetz präsentiert,
dem ich ebenfalls meinen besonderen Gruß entbiete.
In Ihrer frühen Jugend hat Sie die Technik bei NSU
in Anspruch genommen, und ich hoffte, dass Sie den in meinem Buch
„Närrische Weißheit und weise Narrheit“ angedachten Erfindungen zur
Umsetzung verhelfen würden. Daraus wurde leider nichts, so erging
es auch der Chemie und Medizin. Ein Trost für mich ist die
Gewissheit, dass Sie Gott sei Dank mein Medizin-Buch „Kluger
Hausvater“ in Ihrem Bücherschrank haben und so für alle Wehen und
Schmerzen auf meine Rezepte zurückgreifen können. Diese
werden Sie in die Lage versetzen, gesund zu bleiben und in den noch
vor Ihnen liegenden Jahren die genannten Versäumnisse
aufzuholen.
Mich nannte man den Vielwisser Becher, und ich
nenne Sie den Vielwisser Böhret und das ist unsere
Seelenverwandtschaft. Wie ich haben Sie die brennenden Themen der
Zeit erkannt und dazu praktikable Lösungsvorschläge gemacht. Ihr
Vorteil war, dass Sie aus meinen Fehlern lernen und auf meinem
Wissen aufbauen konnten.
Meine Zeit-Kollegen, wie u. a. Thomas Hobbes, John
Locke, Samuel Pufendorf oder Gottfried Wilhelm Leibniz sind in der
Literatur etwas besser weggekommen als meine Person.
Ich hätte mich, wie Sie, mit der Chaosforschung
beschäftigen sollen, dann hätte ich bestimmt viele Katastrophen,
durch die Folgeabschätzung, vermeiden können und Kaiser und
Kurfürsten hätten bestimmt für mein Alter eine Apanage
bewilligt.
Aber das ist der Schnee vom 17. Jahrhundert, heute
haben wir in Speyer die Johann Joachim Becher-Gesellschaft, die
meine Lebensleistungen publiziert und meine Gedanken beim Austausch
zwischen Politik, Verwaltung, Gesellschaft, Wissenschaft und
Wirtschaft einbringt, so dass ich wieder präsent bin. Präsent – der
US-Geheimdienst NSA hat selbstverständlich auch die JJBG-Homepage
gefilzt und festgestellt, dass meine Person über 60.000-mal
angeklickt worden ist, kein Wunder, in all meinen Schriften ist das
Wort „30jähriger Krieg“ erwähnt.
Mit Stolz habe ich vernommen, dass man 1991 zu
Speyer eine Gesellschaft mit meinem Namen gegründet hat.
Selbstverständlich hatte mein „Seelenfreund“ dazu die Idee und 17
Gründungsmitglieder haben sie umgesetzt. Im Jahre 1997 wurde zur
Ergänzung die JJB-Stiftung ins Leben gerufen.
In meiner Zeit hat man Bücher verfasst oder
Eingaben und Depeschen geschrieben,
heute bei den Becheranern, sehe ich, gibt es zu den
aktuellen Themen der Zeit eine Schriftenreihe, zurzeit 30 Bände,
periodisch erscheinende Informationsschriften, Seminare,
Fachvorträge und Gruppenarbeiten und monatliche
Themenstammtische.
Ich stelle fest, Böhrets Ideen und Visionen haben
die Becher-Gesellschaft entscheidend geprägt und haben dafür
gesorgt, dass mein Name in Speyer, in Deutschland, in Europa und
der Welt wieder aktuell ist.
Dafür meinen großen Dank.
Nun, verehrte Anwesenden, ist es an der Zeit, mich
wieder in die Vergangenheit zurück zu ziehen. Ihnen allen wünsche
ich eine schöne Geburtstagsfeier. Ich bedanke mich, dass ich dabei
sein konnte und Sie dürfen gespannt sein, was Sie über Begegnungen
des Jubilars mit Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Lehre,
Wirtschaft und Freundschaft noch alles erfahren werden.
Danke, dass Sie mir Ihr Ohr so lange geschenkt
haben.
01.08.2013
Dr. Rahel Schomaker hält Antrittsvorlesung als neue Privatdozentin an der Deutschen Universität
Speyer-
Am Abend des 10. Juli 2013 hielt Dr. Rahel Schomaker ihre
Antrittsvorlesung als neue Privatdozentin der Deutschen Universität
für Verwaltungswissenschaften Speyer und schloss damit offiziell
ihr Habilitationsvefahren ab. Zuvor war zunächst ihre
Habilitationsschrift zum Thema „Characteristics and Institutional
Determinants of Economic Performance in the Middle East and North
Africa“ von den Professoren Knorr und Mühlenkamp positiv
begutachtet worden, bevor sich Schomaker vor dem Senat der
Universität einer Probevorlesung zum Thema „Artikel 33 Abs. 5
Grundgesetz, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die
Probleme des Streikrechts im Öffentlichen Dienst“ und einem sich
anschließenden wissenschaftlichen Probekolloquium stellte.
Schomaker hatte bereits 2008 nach Abschluss ihres Studiums der
Wirtschaftspolitik, Politikwissenschaft und
Islamwissenschaft/Arabistik sowie der Betriebswirtschaftslehre an
der Universität Münster mit einer Dissertation zum Thema „Public
Private Partnerships in der Siedlungswirtschaft - Potentiale und
Bestimmungsfaktoren für den Nahen Osten und Nordafrika" promoviert
und im gleichen Jahr ihre wissenschaftliche Laufbahn an der
Universität Speyer und am Deutschen Forschungsinstitut für
öffentliche Verwaltung begonnen. Ihre Forschungen widmete die
ausgewiesene Nahost-Expertin bislang den Komplexen
Privatsektorbeteiligung, Regulierung und Wettbewerb, Internationale
Wirtschaftsbeziehungen, Europäische Integration und Europäische
Wirtschaftsbeziehungen, Islam, Islamismus und Terrorismus sowie
Politik und Wasser im Nahen Osten/Nordafrika. Umfangreiche
Lehrerfahrungen sammelte sie außerhalb Speyers auch an der
Universität Münster, an der Hochschule Pforzheim, der
Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Stuttgart
und an der staatlichen Universität Rjazan, Russland.
Forschungsaufenthalte führten sie an die PennState University und
zur Weltbank. Im März 2013 war sie mitverantwortlich für die
Organisation einer vielbeachteten internationalen Konferenz zu den
Chancen und Herausforderungen des „Arabischen Frühlings" am
Speyerer Forschungsinstitut, auf der neben allgemeinen
wirtschaftlichen Problemen der Volkswirtschaften des Nahen Ostens
und Nordafrikas auch Fragen der Qualität der politischen
Institutionen, Sicherheits- und Handelsfragen sowie Umweltaspekte
erörtert wurden. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, welche
Auswirkungen durch die Umbrüche im Nahen Osten für die Staaten der
EU und die künftigen Beziehungen im Rahmen der Euro-Mediterranen
Zusammenarbeit zu erwarten sind.
Ihre
Antrittsvorlesung widmete Schomaker der Fragestellung „Der Islam in
Staat und Wirtschaft“. Anhand zahlreicher ökonomischer Faktoren
beleuchtete sie zunächst die wirtschaftliche Situation der
islamischen Welt, deren Staaten wirtschaftlich gesehen dem
Mittelfeld der Staatengemeinschaft zugerechnet werden können und
die auch in der aktuellen Krise zumeist über ein recht stabiles
Wirtschaftswachstum verfügen. Schomaker zeigte auf, dass sich die
sich aus dem islamischen Zinsverbot ergebenden risikoarmen
Anlageformen in der gegenwärtigen Finanzkrise als deutlich
wertstabiler erwiesen hätten als die meisten westlichen
Investitionsformen. Überraschend legte sie dar, dass selbst in
Ländern wie den USA oder Großbritannien „Islamic Banking“, d. h.
den islamischen Vorschriften entsprechenden Investitionsformen
einen nicht unerheblichen Marktanteil erreicht haben.
Diesen übersehbaren Vorteilen islamischen Wirtschaftens stellte
Schomaker dann die negativen Folgen entgegen, die sich
gesamtwirtschaftlich aus der Ungleichbehandlung von Mann und Frau
ergeben. Die frappierend niedrige Erwerbstätigenquote von Frauen
schade der wirtschaftlichen Entwicklung islamischer Staaten
deutlich, so die Referentin. An dieser Stelle wagte sie einen
vergleichenden Blick auf entsprechende Passagen von Koran, Bibel
und Thora und zeigte auf, dass diesbezüglich Ähnlichkeiten bei
allen drei monotheistischen Religionen bestehen. Im Anschluss an
den Vortrag konnte der Rektor der Universität Dr. Schomaker ihre
Ernennungsurkunde zur Privatdozentin mit der Lehrbefugnis für
„Volkswirtschaftslehre sowie Verwaltungswissenschaft“ verleihen.
Text und Foto: DUV
12.07.2013
Für mehr Transparenz, faireren Wettbewerb und einen offeneren Dialog
BASF
Spitzenmanager Dr. Martin Brudermüller mit spannendem Vortrag zur
Semester-Eröffnung an der Deutschen Universität für
Verwaltunbgswissenschaften in Speyer
Von Gerhard Cantzler
Speyer- Mit einem überaus engagierten Plädoyer
für noch mehr Offenheit von Wirtschaft und Gesellschaft in
Deutschland gegenüber dem Riesenreich China und seinen
Befindlichkeiten hat jetzt der Stellvertretende
Vorstandsvorsitzende der BASF SE und China-Sprecher der Deutschen
Wirtschaft, Dr. Martin Brudermüller, das Sommersemester
2013 an der Deutschen Unversität für Verwaltungswissenschaften in
Speyer eröffnet. Kenntnisreich und mit vielen Details zeigte er
dabei Wege auf, wie die westlichen Zivilisationen die
„Herausforderung China“ positiv annehmen und den „historischen
Ambitionen“ des in langen Zeiträumen denkenden chinesischen
Gesellschaftssystems gerecht werden können.
Dazu unternahm Brudermüller zunächst einen kurzen historischen
Exkurs, erinnerte daran, dass China zu Beginn des 19. Jahrhunderts
die mit weitem Abstand führende Volkswirtschaft weltweit gewesen
sei - führend in Wissenschaft und Technologie. Dann aber habe
England das Kaiserreich China unterworfen und durch die Verbreitung
von Opium zu Boden gezwungen. In dieser Phase seiner Geschichte
habe das Land schwerste Demütigungen ertragen müssen, Erfahrungen,
die sich unter der japanischen Okkupation, wenn auch mit anderen
kulturellen Vorzeichen, fortsetzten. „Dies alles hat die Saat für
die Große Revolution Map Tsedongs gelegt“, betonte Dr.
Brudermüller, der mit wenigen weiteren Zahlen den wirtschaftlichen
Wiederaufstieg Chinas nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlichte:
Habe das Land im Jahr 1950 noch lediglich 5 % der Weltwirtschaft
repräsentiert, so werde dieser Anteil bis 2015 auf 20% und bis 2020
voraussichtlich schon auf 25% der Weltwirtschaftsleistung
ansteigen. „China will zurück auf seinen früheren, angestammten
Platz in der Weltwirtschaft“, betonte der Referent. Das Land fühle
sich bis heute um sein großes Erbe bestohlen. Dieses Gefühl habe
auch den spürbaren Nationalismus in dem Land nach sich gezogen
Die
Machtübernahme durch Deng Xiaoping im Jahr 1978 habe einen
Wendepunkt in der Entwicklung Chinas markiert, indem er einen
„Sozialismus mit chinesischem Antlitz“ prägte. Jetzt beobachte man
gespannt den erneuten Wechsel an der Spitze des Riesenlandes. „Der
Machtkampf hinter den Kulissen war jedenfalls weitaus heftiger, als
nach außen hin sichtbar wurde“,so Dr. Brudermüller, der seinen
Dienstsitz in Hongkong hat. In einer Kultur, in der vieles durch
Symbolik ausgedrückt werde, so betonte er, sei es bezeichnend
gewesen, dass sich der neue „erste Mann“, im Staate, Xi Jinping –
anders als sein Vorgänger, der sich an Mao Tsedong orientierte -
nach seiner Ernennung auf die Spuren von Deng Xiaoping gemacht
habe. „Das war eine klare Botschaft - ich bin ein Reformer“,
stellte der China-Experte fest.
Das neu aufgestellte Machtgremium der Kommunistischen Partei sei
außerordentlich gut ausbalanciert, hob er hervor - der von diesem
Gremium aufgestellte 12. Fünf-Jahresplan, der mit der dem Begriff
„Transformation“ überschrieben sei, solle das Land sozial gerechter
machen und den Umweltschutz deutlich verbessern.
Als die größten Herausforderungen der Zukunft nannte Dr.
Brudermüller die Urbanisierung des Landes – 50% der Chinesen leben
bereits heute in Städten, bis zum Jahr 2030 würden weitere 300
Millionen Menschen dazu kommen. Diese Veränderung sei nur mit
gewaltigen innovationen zu lösen.
Eine andere Herausforderung sei das gegenwärtige Abflauen des
Wirtschaftswchstums in dem Land, das im 1. Quartal 2013 nur noch 7
% betragen habe. Diese Phase müsse dazu genutzt werden, so Dr.
Brudermüller, die mit dem überbordenden Wachstum der jüngsten Zeit
einher gehenden Kollateralschäden an Umwelt und Gesellschaft zu
stoppen und die allgegenwärtige Korruption zu bekämpfen.
Hinzu komme
die rasch zunehmende Überalterung der Bevölkerung, die insbesondere
der „Ein-Kind-Politik“ der Vergangenheit geschuldet sei. Bis zum
Jahr 2050 würden 450 Millionen Chinesen älter als 65 Jahre sein –
zwei arbeitende Chinesen müssten dann einen Rentner ernähren. Dafür
müssten die Sozialsysteme dringend umgebaut und zukunftsfähig
gemacht werden.
Die größte Herausforderung liege aber in den Umweltschäden, die
das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nach sich gezogen
habe. Die Chinesen, die weltweit den niedrigsten Pro-Kopf-Verbrauch
beim Trinkwasser hätten, begönnen jetzt, diese Entwicklung zu
begreifen und artikulierten mehr und mehr ihre diesbezüglichen
Ängste. Als eindrucksvolles Beispiel nannte Dr. Brudermüller die
Luftmessungen vom 12. Januar 2013, als in Peking das 23fache des
für den Menschen als schädlich detektierten Schadstoffgrenzwertes
ermittelt worden sei. Die Folge davon sei ein dramatischer Anstieg
der Protestdemonstartionen von 9.000 im Jahr 2011 auf 180.000 im
Jahr 2012 gewesen. Es sei deshalb derzeit die wohl größte Sorge der
Politik, dass sie die Kontrolle über ihre Bevölkerung verlieren
könnte.
In dieser Situation raten Experten wie Dr. Brudermüller der
chinesischen Regierung ebenso wie den in China tätigen Unternehmen,
in einen offenen Dialog miteinander einzutreten. „Die chinesische
Regierung muss insbesondere im Umgang mit der Presse relaxter
werden“, empfahl er. „Wir müssen mehr miteinander und weniger
übereinander reden, wenn wir das negative Chinabild überwinden
wollen“, so sein Monitum nach beiden Seiten.
Die Ängste,
die im Westen gegenüber China herrschten, seien weitgehend
unbegründet, stellte Dr. Brudermüller fest. Ein Blick auf die
Entwicklung in Japan der 1970/80er Jahre lasse erkennen, wohin
jetzt auch die Entwicklung in China ziele. „Damals fürchtete der
Westen, die Japaner würden durch ihre Methoden technologischer
Plagiate und Kopien unsere Wirtschaft 'plattmachen'“, erinnerte er.
Inzwischen habe sich dieses Land längst zu einem gleichrangigen
Partner in Entwicklung und Innovation „gemausert“. „Und so wird es
in China auch kommen“, zeigt sich Dr. Brudermüller zuversichtlich.
„Dazu müssen wir aber auch unsere eigenen Chancen nützen und vor
allem respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen“. Natürlich
werde China auch zukünftig das „Wachstumsmonster“ in Asien bleiben,
betonte er, denn in allen Wirtschaftszweigen werde China auch
weiterhin die Hälfte der asiatischen Potentiale darstellen - in
manchen gar zwei Drittel. „Asien wird, wie seit Jahrtausenden, auch
zukünftig von China dominiert bleiben“.
Wenn man bereit sei, diese Rahmenbedingungen zu akzepieren,
könnten gerade Deutschland und China sehr gut komplementär
miteinander umgehen. Beide Kulturen – die deutsche wie die
chinesische – seien außerordentlich Technologie-affin und in der
Problemdiskussion sehr direkt. Für China habe Deutschland in der
Zusammenarbeit mit Europa absoluten Vorrang, auch wenn sich das
Handelsverhältnis in der letzten Zeit kontinuerlich zu Gunsten voin
Deutschland verschoben habe.
Eine weitere Parallele: Heute hänge jeder vierte Arbeitsplatz in
Deutschland direkt vom Export ab – in China sei diese Quote
inzwischen auch schon beinahe erreicht – und: das Lohnniveau im
„Reich der Mitte“ steige jährlich um etwa 11% an. Damit wachse aber
auch die Innovationskraft Chinas, die Dr. Brudermüller an den
Aufwendungen für Forschung festmachte: Denn gebe Deutschland
derzeit ca. 2,4% seines Bruttoinlandsproduktes BIP für Forschung
aus, so seien das in China inzwischen ebenfalls schon 1,7%. Nur
Israel, derzeit forschungsintensivste Nation der Welt, sei hier mit
4,2% seines BIP noch aktiver.
Die BASF habe
vor 18 Monaten die 180 forschungsintensivsten Unternehmen weltweit
näher untersucht, so berichtete Dr. Brudermüller und dabei
festgestellt, dass immer mehr von ihnen „von Westen nach Osten
wandern“. Vieles von dem, was sich China an Hochtechnologie aus dem
Westen ins Land holte, habe man inzwischen dank eigener Forschung
und Entwicklung optimiert und den eigenen Bedürfnissen angepasst.
Als Beispiel dafür nannte er die Hochschwindigkeitzüge, die nach
einem kürzlich erfolgten Lückenschluss in China eine 2.200
Kilometer lange, durchgehende Strecke befahren könnten. „Hier hat
China die westliche Technologie weiterentwickelt“, erläuterte der
Referent. Heute seien 70% der dafür eingesetzten Technologien in
China entwickelt worden – China halte heute alle Weltrekorde im
Zusammenhang mit dieser Form der schienengebundener
Hochgeschwindigkeitstechnologie.
Als einen weiteren Aspekt sprach Dr. Brudermüller dann auch die
zunehmende Globalsisierung chinesischer Firmen an, die gerade auch
in Deutschland noch immer mit großer Skepsis verfolgt werde. „Käufe
sind aber auch in Deutschland nur dann möglich, wenn jemand bereit
ist, sein Unternehmen und sein Know-how zu verkaufen“, betonte der
Redner, der als Beispiel die Übernahme des schwäbischen
Betonpumpenbauers Putzmeister durch den chinesischen Sany-Konzern
erwähnte.Hier habe sich zum Vorteil beider Firmenteile eine
Zusammenarbeit entwickelt: Putzmeister baue die hochwertigen,
teuren Maschinen, Sany die niedrigpreisigen – so habe man jetzt für
jeden Anspruch etwas im Portfolio.
Deutschland müsse deshalb seine Märkte offener machen, weil die
Chinesen ständig überlegten, wo sie investieren könnten: In
Deutschland oder in anderen Teilen der Welt wie in den USA oder in
Brasilien. „Gefühlsmäßig würden sie allerdings lieber nach
Deutschland gehen, denn deutsche Techologien haben immer noch den
besten Ruf in der Welt. Doch wenn sie sich bei uns eine Abfuhr
holen, denn gehen sie halt in andere Länder“, fürchtet Dr.
Brudermüller.
Der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft kämpfe
deshalb für mehr Transparenz, einen faireren Wettbewerb und einen
offenen Dialog. „Denn die Chinesen brauchen uns nicht, aber wir
brauchen China“, so der BASf-Spitzenmanager. Als einen kleinen,
aber wesentlichen Schritt zum besseren gegenseitigen Verstehen
empfahl er zum Abschluss seines Referates, an deutschen Schulen
Chinesisch zumindest als Wahlfach anzubieten.
In der sich anschließenden, lebhaften Diskussion betonte Dr.
Brudermüller, dass es inzwischen auch in der Kommunistischen Partei
Chinas Pluralität der Meinungen und sogar zwischen den Provinzen
gebe. Zur Frage der Menschenrechte stellte der Referent dar, dass
die Wirtschaftsunternehmen diese Frage auch regelmäßig zum
Gegenstand ihrer Gespräche mit den politisch und wirtschaftlich
Handelnden machten. „Dieser Dialog findet ständig statt – auch wenn
er außerhalb der Öffentlichkeit geführt wird“, betonte er, denn
nichts sei für einen Chinesen schlimmer, als ihn in aller
Öffentlichkeit und vor Dritten auf seine Fehler anzusprechen und
ihn so bloßzustellen.
Ungewohnt lang anhaltender Beifall zeigte dem Rektor der
Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, der zu Beginn
dieses überaus spannenden und anregenden Abends den Referenten
eingeführt hatte, dass er mit der Wahl des Redners „ins Schwarze“
getroffen hatte. Und auch die große Zahl der Besucher dieses
Semester-Eröffnungsabends – unter ihnen auch die
Landtagsabegordneten Friederike Ebli (SPD), Speyer und Dr.
Rosa Grünstein (SPD), Altlußheim – zeigten, dass dieses
Thema die Menschen auch in Speyer bewegt.
Jedenfalls gab der Vortrag den Zuhörern anschließend noch
reichlich Gelegenheit, bei Wein und Brezeln dieses für die Zukunft
von Wirtschaft und Gesellschaft auch in Deutschland so bedeutenden
Thema noch ausführlich zu besprechen. Foto: gc
Lesen Sie hierzu auch einen EINWURF von Gerhard
Cantzler
18.05.2013
Einwurf
„Open your mind“ - ein Plädoyer für mehr Offenheit
gegenüber China und den Chinesen
Von Gerhard Cantzler
In Speyer und in der Region gibt es sie längst – die Verfechter
einer größeren Offenheit gegenüber China, das vielen von uns aus
Zeiten des „Kalten Krieges“ noch immer als das „Reich des Bösen“ im
Nacken seitzt. Mit seinem ebenso engagierten wie schlüssigen
Vortrag hat Dr. Martin Brudermüller jetzt hoffentlich auch dem
letzten Gegner einer stärkeren Annäherung an China und an seine
seit Jahrtausenden kulturell höchst entwickelten Menschen die Augen
geöffnet – hat ihm gezeigt, dass die Chinesen die Freundschaft und
Zusammenarbeit mit uns Deutschen über alles stellen.
Natürlich – und das war an diesem Abend auch wichtig zu erwähnen
– es waren Europäer, die einst dieses hochzivilisierte Volk der
Chinesen in den kulturellen Abgrund stürzten, indem sie es zu einer
bis dahin beispiellose Abhängigkeit von Rauschgift, von Opium
verführten und damit die Saat legten für die so blutige Revolution
eines Mao Tsedong nach dem Zweiten Weltkrieg.
Wir Europäer, und speziell wir Deutsche, neigen immer wieder
dazu, das Handeln der Menschen in anderen Gesellschaften an unseren
Grundsätzen messen zu wollen. Vielleicht wäre es aber besser, sich
auch einmal konstruktiv mit dem auseinaderzusetzen, was die Werte
anderer ausmacht. Denn wenn sich eine Kultur mit ihrem Wertegerüst
über mehr als 6.000 Jahre behaupten konnte, dann kann sie nicht
wirklich schlecht sein, auch wenn sie in der jüngeren Vergangenheit
nach unserem Verständnis in Sachen Menschenrechte auch eimal „über
die Stränge geschlagen“ hat. Hier haben gerade wir Deutschen vor
der Geschichte wenig Grund, anderen Völkern den Spiegel vorzuhalten
– auch unsere Geschichte war nicht durchgängig und uneingeschränkt
„edel“.
Deshalb folgen wir dem Rat des China-Kenner Martin Brudermüller:
„Open your mind“, sagt man auf Englisch und meint damit, dem
anderen, dem Fremden gegenüber seinen Geist und sein Herz zu
öffnen: Dann dürfen wir uns auf viele schöne und gute Begegnungen
und Überraschungen freuen – nicht nur auf der wirtschaftlichen
Ebene.
Transparenz – Kooperation – Partizipation: Handlungsprinzipien der Zukunft für Bürger und Verwaltung
Ministerpräsidentin
Malu Dreyer kündigt neues Transparenzgesetz und "Landesrat für
digitale Entwicklung und Kultur" an
spk./rlp.
Speyer. Eine breit angelegte öffentliche Diskussion
darüber, wie die digitale Welt die Gesellschaft verändert und
welche ethischen und moralischen Fragen und Aufgaben sich daraus
ergeben, will jetzt die rheinland-pfälzische Landesregierung auf
den Weg bringen.Das kündigte heute Ministerpräsidentin Malu
Dreyer beim 2. Speyerer Forum zur Digitalen
Lebenswelt an. Dazu wolle die Landesregierung einen
„ständigen Landesrat für digitale Entwicklung und Kultur“ ins Leben
rufen und unmittelbar an die Staatskanzlei anbinden. Ihm sollen
nach Aussagen der Ministerpräsidentin Vertreterinnen und Vertreter
der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft
angehören.
In ihrer Rede vor dem Forum in der Deutschen
Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer betonte sie ihr
politisches Ziel einer „wirklichen Bürgergesellschaft“ und sprach
sich für mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den
politischen Entscheidungsprozessen aus. „Bürgergesellschaft
bedeutet für mich ein Mehr an Beteiligung und Mitsprache -
Bürgerbeteiligung belebt das Demokratische Gemeinwesen und stärkt
den sozialen Zusammenhalt. Dadurch ist sie zugleich auch eine
grundlegende Voraussetzung für mehr soziale Gerechtigkeit“, so die
Ministerpräsidentin.
Grundlegende
Bestandteile von Partizipation seien Transparenz und Kommunikation.
Das bedeute, dass staatliches Handeln transparenter werden müsse.
„Unsere Demokratie braucht mündige und gut informierte Bürgerinnen
und Bürger. Wir brauchen einen Kulturwandel im Denken und Handeln
der Verwaltung. Politik muss sich stärker öffnen, sich erklären,
ihre Vorhaben und Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbarer und
verständlicher machen“, sagte die Ministerpräsidentin, die auf das
geplante Transparenzgesetz verwies.
Nur offen dargelegte Vorhaben und
Entscheidungsgrundlagen könnten eine gesellschaftliche Akzeptanz
gewinnen. Dreyer: „Ein weiterer, besonders wichtiger und
erforderlicher Schritt zur Verwirklichung dieses Ziels ist es, den
Bürgerinnen und Bürgern einen leichteren Zugriff zu mehr
Informationen aus den Verwaltungsprozessen zu geben. Schon mit dem
2009 in Kraft getretenen Landesinformationsfreiheitsgesetz hat das
Land Rheinland-Pfalz einen allgemeinen und umfassenden Anspruch auf
Zugang zu Informationen der Landes- und Kommunalverwaltungen
geschaffen“. Als einen anderen Schritt dazu verwies Dreyer in
diesem Zusammenhang aber auch auf das seit kurzem bestehende
„Open-Government-Portal Rheinalnd-Pfalz“ im
Internet, auf dem Bürgerinnen und Bürger eingehende Informationen
zu aktuellen Fragen der Landespolitik abrufen könnten.
Während das
Informationsfreiheitsgesetz vorsehe, dass Bürgerinnen und Bürger
auf Nachfrage Informationen erhalten, solle das neue
Transparenzgesetz Regelungen treffen, dass die Verwaltung ihre
Informationen in definierten Grenzen proaktiv zur Verfügung
stellten, so dass der Bürger jederzeit Zugriff darauf habe. „Die
vorgesehenen Änderungen sind weit mehr als nur technischer Natur.
Sie sollen einen Kulturwandel im Staat, speziell in der Verwaltung,
bewirken“, betonte die Ministerpräsidentin. Malu Dreyer weiter:
„Nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Verwaltung
beantragen müssen, welche Informationen sie aus den
Verwaltungsprozessen erhalten möchten, sondern die Verwaltungen
stellen Informationen, deren Veröffentlichung keine rechtlichen
Bedenken oder sonstige zwingende Gründe entgegenstehen, von sich
aus zur Verfügung und setzen dazu vorrangig auf IT-gestützte
Verfahren und Zugänge über das Internet“. Dreyer warnte allerdings
gleichzeitg davor, ein solches Gesetz als Angriff auf die
Verwaltung mißzuverstehen.
Mit Blick auf die sogenannten „Off-Liner“ erinnerte
die Ministerpräsidentin schließlich aber auch daran, dass auch
diese „Internet-fernen“ Bürgerinnen und Bürger über die
Intensivierung der Internet-Nutzung nicht vergessen werden
dürften.
Zuvor schon
hatte der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die
Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz, Edgar
Wagner, darauf verwiesen, dass heute bereits drei von vier
Deutschen das Internet aktiv nutzten. Dabei sei die Gruppe der 14 –
39 jährigen bereits zu nahezu 100% im Netz aktiv – für die
„Netz-Fernen“ konnte er eine unmittelbare Korrelation zu
Bildungsstand und wirtschaftlichen Verhältnissen ausmachen: „Bei
den höheren Bildungs- und Einkommensschichten zeigen entsprechende
Untersuchungen eine höchst signifikante Beteiligungsbereitsschaft
für Aktivitäten im Internet auf“, so berichtete Wagner.
Um so wichtiger sei es deshalb, Schülerinnen und
Schüler möglichst frühzeitig auf einen verantantwortungsvollen
Umgang mit diesem neuen Medium vorzubereiten. „Bereits die
herkömmliche Demokratie ist schon kompliziert und anspruchsvoll
genug“, stellte Wagner fest, „um wieviel komplexer ist da erst die
'digitale' Demokratie?“, so seine durchaus zum Nachdenken anregende
Frage.
Der Datenschutzbeauftragte warnte in diesem
Zusammenhang auch vor einer zunehmend zu beobachtenden „Digitalen
Convenience“ - einer Form der „digitalen Bequemlichkeit“, die
Nutzer dazu verleite, nur noch „auf ausgetretenen Pfaden“ durch die
digitale Welt zu gehen. „Experten befürchten hier eine sich
zunehmend fragmentierende Öffentlichkeit, deren Teile dann die
Fähigkeit verlieren könnten, miteinander zu kommunizieren.
In einer
abschließenden Fragerunde wollte u. a. Univ.-Prof. Dr.
Hermann Hill - gemeinsam mit Edgar Wagner und
Univ.-Prof. Dr. Mario Martini Wissenschaftlicher Leiter
des Forums - von Malu Dreyer wissen, welche Vision sie vom 'Bürger
der Zukunft' habe. „Diesen Menschen stelle ich mir als einen
engagierten Bürger vor - als einen, der sich einbringt und sich das
Interesse am Gemeinwesen bewahrt“, so die Ministerprädidentin. „Die
Menschen müssen erkennen, dass es dabei nie um den Staat geht,
sondern um jeden einzelnen von uns geht“.Dazu sollte Transparenz
ein durchgängiges Prinzip sein, das für alle Bürgerinnen und Bürger
– für jedes Handeln in Verwaltung wie in Öffentlichkeit gilt.
Foto: gc
12.04.2013
MEFA-Tagung in Speyer: Teilnehmer zu Gast im Historischen Ratssaal der Stadt
Wirtschafts-
und Sozialwissenschaftler aus aller Welt diskutieren Auswirkungen
des „Arabischen Frühlings“
Von Gerhard Cantzler
Vom Bürgerkrieg in Syrien bis zur vorsichtigen wirtschaftlichen
Erholung in Tunesien - der "Arabische Frühling" und seine
Auswirkungen stehen auch im Jahr 2013 noch immer ganz weit oben auf
der weltpoilitischen Agenda. Das wurde jetzt auch bei der
Zusammenkunft von mehr als 80 Experten - Wirtschafts-, Staats- und
Sozialwissenschaftler aus den Staaten des Nahen und Mittleren
Ostens, aus Nordafrika, den USA und Europa – deutlich, die sich in
den letzten Tagen in der Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften in Speyer trafen, um in einer gemeinsamen
Tagung des Deutschen Forschungsinstituts für Öffentliche Verwaltung
(FÖV) und der "Middle East Economic Association" (MEEA) - der
weltweit größten wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten
Vereinigung zur Forschung über die Volkswirtschaften des Nahen
Ostens und Nordafrikas – über Chancen und Herausforderungen der
Entwicklungen in dieser Region in den letzten beiden Jahren zu
beraten.
Ziel der
Veranstaltung, so erklärte der Vorsitzende der MEFA, der an der
Unvisersität von Columbus/Ohio; USA, lehrende ägyptische Professor
für Ökonomie, Hassan Y. Aly, gegenüber dem
SPEYER-KURIER, sei es dabei gewesen, zu einem besseren
Verständnis der ökonomischen, politischen und sozialen Aspekte der
aktuellenTransformationsprozesse in den verschiedenen Staaten des
Nahen Ostens und Nordafrikas zu gelangen, welche unter dem
Schlagwort des "Arab Spring" in der internationalen Politik- und
Forschungslandschaft diskutiert würden. Diskutiert worden seien
dabei allgemeine wirtschaftliche Probleme, aber auch Fragen der
Qualität der politischen Institutionen, Sicherheits- und
Handelsfragen sowie Umweltaspekte. Wie zuvor schon angekündigt,
habe im Mittelpunkt der Beratungen neben den regionalen
Auswirkungen dieser Entwicklungen insbesondere die Frage gestanden,
welche Auswirkungen für die Staaten der EU und die künftigen
Beziehungen im Rahmen der Euro-Mediterranen Zusammenarbeit zu
erwarten seien, bzw. welche Herausforderungen, aber auch Chancen
sich daraus für die zukünftige wirtschaftliche und politische
Kooperation ergeben könnten.
Nachdem gerade die deutsche Politik in den vergangenen zwei
Jahren eine eher randständige Position in den politischen und
wirtschaftlichen Transformationsprozessen im Nahen Osten und in
Nordafrika eingenommen habe, erhofften sich die Beteiligten von der
Veranstaltung weiterführende Impulse nicht nur für die aktuelle
Nahostforschung, sondern auch für die gesellschaftlich-politische
Diskussion innerhalb der internationalen Politik- und
Forschungslandschaft.
Bei einem
Empfang im Historischen Ratssaal der Stadt begrüßte der Speyerer
Oberbürgermeister Hansjörg Eger die internationalen Gäste
einmal mehr in perfektem Englisch. In einer fakten- und
anekdotenreichen Rede gab er dabei einen umfassenden Einblick in
die Geschichte der Stadt, die, so Eger, für mitteleuropäische
Verhältnisse zu den alten, aus arabischer oder gar aus der Sicht
asiatischer Kulturen aber eher zu den jungen Städten zu zählen sei.
„Wenn Sie aus den Fenstern der Universität, die ja wie die Stadt
selbst zu den kleinen im Lande zählt, nach Westen schauen, dann
blicken Sie ins 'Ausland'“, umriß Eger ironisch die Größe und Lage
der Stadt im politischen Umfeld des Rhein-Pfalz-Kreises. Dennoch
habe sich die Stadt eine bedeutende zentralörtliche Position
errungen, die mit ihrer Universität und einer Vielzahl von Schulen
weit über die Grenzen hinaus ausstrahle. Der besondere Rang Speyers
ergebe sich aber aus ihrer großartigen Geschichte und der Tatsache,
dass sie im interreligiösen Austausch bis heute Treffpunkt aller
abrahamitischen Religionen sei.
Den
weitgereisten Gästen scheint es im Rathaus, in der Universität
ebenso wie in der ganzen Stadt gefallen zu haben: In ihren
Erwiderungen dankten Prof. Hassan Y. Aly und sein
Co-Präsident in der MEFA, der Speyerer Professor für
Volkswirtschaftslehre, Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Knorr, der
Stadt für ihre Gastfreundschaft. Die MEFA, die mit dieser Tagung
zum ersten Mal zu einer ihrer Tagungen in Deutschland
zusammengekommen sei, habe nie zuvor soviel Kultur an einem
Konferenzort erlebt, betonten die beiden Wissenschaftler
übereinstimmend. Den Teilnehmern, so Prof. Aly, werde Speyer sicher
in bester Erinnerung bleiben und so mancher habe bereits den Wunsch
geäußert, auch einmal privat in die Stadt zurückzukommen.
Dass alles – Tagung und Rahmenprogramm – so überaus harmonisch
und angenehm verlaufen sei, dafür dankten die beiden
Wissenschaftler ihrer Speyerer Kollegin, Privat-Dozentin Dr.
Rahel Schomaker, die für die Organisation der Veranstaltung
verantwortlich zeichnete.
Der Dank der MEFA-Präsiden galt abschließend aber auch der
Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, der Robert-Bosch-Stiftung
sowie der Deutsch-Französischen Hochschule dfh, in der zahlreiche
deutsche und französische universitäre Einrichtungen
zusammengeschlossen sind. Sie hätten mit ihrer Förderung im Rahmen
der "deutsch-französischen Forschungsateliers -Staatspolitiken im
Vergleich", die Teilnahme von Nachwuchswissenschaftlern an dem
konferenzbegleitenden Workshop ermöglicht. Wie Prof. Dr. Knorr
schließlich ankündigte, wird eine Auswahl der Konferenzbeiträge in
englischer Sprache in Buchform erscheinen sowie in internationalen
Fachpublikationen veröffentlicht. Foto: gc
21.03.2013
Mit Vorträgen, Übungen und Rollenspielen „Mediation“ als Mittel der außergerichtlichen Konfliktbewältigung eingeübt
OB Eger
empfängt Teilnehmer der „Speyerer Führungswerkstatt“ im
Historischen Ratssaal
Von Gerhard Cantzler
Spätestens seit der unter breiter öffentlicher Beachtung
durchgeführten Erörterung des Bahnhofsprojektes „Stuttgart 21“ ist
der Begriff „Mediation“ zum Allgemeingut in unserer Gesellschaft
geworden. An- und Abflugrouten zu den Flughäfen in Berlin und
Frankfurt, Ausbau der A 8/ B 10 zwischen Pirmasens und Landau –
überall dort, wo früher „per ordere mufti“ entschieden wurde,
versucht man heute, unter Einsatz komplexer Verfahren
Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren und so zu einem
konsensualen Ergebnis zu kommen. Und selbst die seit
Menschengedenken üblichen Schulhofraufereien sollen heute durch
„Streitschlichter“ - eigens dafür ausbildete Schülerinnen und
Schüler – auf „friedlichem Wege“ aus der Welt geschafft werden.
In den
vergangenen drei Tagen waren jetzt bereits zum achten Male
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bundes-, Landes- und
Kommunalverwaltungen an der Speyerer „Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften“ zusammengekommen, um sich in
Vorträgen, Übungen, aber auch in Rollenspielen und anderen
Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung unter der
Leitung des emeritierten Speyerer Ordentlichen
Universitätsprofessors für Verwaltungswissenschaften,
Entwicklungspolitik und öffentliches Recht, Prof. Dr. iur. habil.,
Dr. h.c. Rainer Pitschas in der „Speyerer
Zukunftswerkstatt“ mit den auch im Verwaltungsalltag immer
wichtiger werdenden Techniken der Konfliktbewältigungsmethode
„Mediation“ vertraut zu machen.
Mit diesen Seminaren, so Prof. Dr. Pitschas gegenüber dem
SPEYER-KURIER, wolle die "Speyerer Führungswerkstatt" einen
weiteren Beitrag zur Führungskräfteentwicklung in der öffentlichen
Verwaltung leisten. In den Seminaren, die in den vergangenen Jahren
schon mehr als 230 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen
haben, gehe es aber zugleich auch um die Auslotung der Reichweite
des neuen Mediationsgesetzes vom 21.07.2012 in der
Verwaltungspraxis - namentlich in Verwaltungsverfahren.
Am gestrigen
Abend aber waren die Teilnehmer der „Speyerer Führungswerkstatt“
erst einmal zu Gast im Historischen Ratssal der Stadt, wo sie von
Oberbürgermeister Hansjörg Eger empfangen wurden. Der
begrüßte sie dabei in einer von nicht weniger als sechs kreisfreien
Städten im Umkreis von nur 30 Kilometern, die allesamt gesprägt
seien von erheblichen eigenen finanziellen Problemen und einem sie
umgebenden, wohlhabenden „Speckgürtel“. „Wir sind ein Mittelzentrum
mit vielen Funktionen eines Oberzentrums“, erläuterte Eger und
verwies besipielhaft darauf, dass die Stadt nicht nur die Kosten
für die zahlreichen Schulen tragen müsse, sondern darüber hinaus
auch für die Beförderung der Schüler, die weiter als vier Kilometer
von ihrer Schule entfernt wohnten. „In Speyer betrifft diese
Regelung keinen einzigen Schüler – aber fast alle aus dem Umland“,
so Eger. Dies kennzeichne auf eindringliche Weise die
Lastenverteilung zwischen den Kreisfreien Städten in
Rheinland-Pfalz und ihrem jeweiligen Umland.
Als weitere Einrichtungen mit weit über die Grenzen der Stadt
ausstrahlender Bedeutung nannte der Oberbürgermeister neben der
Universität mit zur Zeit gut 400 Studierenden auch den
Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz, der den Namen „Speyer“ nicht
immer im besten Licht erscheinen lasse, obwohl dann eigentlich das
Kontrollorgan des Landes damit gemeint sei. Dabenen verwies er auch
auf die beiden Krankenhäuser in der Stadt, von denen das
Diakonissenkrankenhaus als zweitgrößte Geburtsklinik im Lande dem
Standesamt der Stadt auch über die Ausfertigung der Geburtsurkunden
hinaus lebenslange Beurkundungspflichten auferlege.
Speyer habe aber auch eine breit aufgestellte Gewerbestruktur,
fuhr Eger fort. Mit derzeit 461 Gewerbebetrieben biete die Stadt
derzeit rund 6.000 Arbeitsplätze mehr an, als Speyerer Bürgerinnen
und Bürger auspendelten.
Das Bild der
Stadt Speyer, so berichtete der Oberbürgermeister, sei heute
geprägt von Entscheidungen, die der Rat der Stadt in den achtziger
Jahrfen im Vorfeld der 2.000-Jahr-Feier getroffen habe. Mit der in
den neunziger Jahren umgesetzten Innenstadtberuhigung habe sich
Speyer dann für den Tourismus geöffnet, der heute rund ein Drittel
der Wirtschaftskraft der Stadt ausmache. Während die Hotels
landesweit zu 35 % ausgelastet seien und viele in den Wintermonaten
gar gänzlich schließen würden, erreichten sie in Speyer eine Quote
von durchschnittlich 60 %, wobei die Besucher im Mittel 1,8 Nächte
in der Stadt blieben.
2,4 Mio. Touristen hätten im letzten Jahr die Stadt besucht, so
die Bilanz des Oberbürgermeisters - 1,4 Mio. allein den Speyerer
Kaiserdom. Diese Zahl mache die überragende Anziehungskraft des
„Weltkulturerbes Dom zu Speyer“ deutlich..
Gemeinsam mit Worms und Mainz strebe Speyer jetzt auch die
gemeinsame Aufnahme der „SchUM“-Städte in die Liste der
UNESCO-Weltkulturerbestätten“ an, ergänzte Eger, der schließlich
auch darauf verwies, dass Speyer neben dem Bischofssitz auch die
Leitung der Evangelischen Landeskirche der Pfalz in ihren Mauern
habe. Mit der neuen Synagoge „Beith Schalom“ und einer kurz vor
ihrer Einweihung stehenden Moschee der rührigen
islamisch-türkischen Gemeinde verfüge die Stadt inzwschen über
Gotteshäuser aller monotheistischen Religionen – dazu auch noch
sieben bis acht Freikirchen. „Wenn Sie etwas Geistliches suchen –
in Speyer finden Sie es bestimmt“, rief Eger den Gästen zu.
Für ihn und
für viele Speyerer sei aber die Dreifaligkeitskriche das vielleicht
bedeutsamste kirchliche Bauwerk in der Stadt, so der
Oberbürgermeister, sei sie doch nach der Rückkehr der Speyerer aus
ihrem Zufluchtsort Frankfurt nach dem Großen Brand von 1689, die
erste Kirche gewesen, die in einer gemeinsamen Kraftanstrengung
über Konfessionsgrenzen hinweg von allen Speyerern gemeinsam
errichtet worden sei. Damit stehe die Dreifaltigkeitskirche
zugleich auch für das bürgerschaftliche Bewußtsein, das Speyer seit
der Verlehung der Freiheitsrechte im Jahr 1111 geprägt habe und das
zugleich auch die Grundlage früheren Wohlstandes gewesen sei. Dass
in den Malereien im Inneren der protestantischen Kirche der
benachbarte Dom gleich dreimal dargestellt sei, unterstreiche
gleichfalls die Einigkeit der Speyerer über Konfessionsgrenzen
hinweg.
Bei Wein, Alkoholfreien Getränken und Brezeln, dem
Nationalgebäck der Speyerer „für morgens, mittags und abends – aber
auch für zwischendurch“ – bewunderten die Göste noch ausführlich
den Schauplatz des Empfangs, den Historischen Ratssaal und standen
noch lange im Gesprächsaustausch zusammen. Foto: gc
15.03.2013
Verbesserungen bei der Bürgerbeteiligung und bei den Richterwahlen
Wege zu mehr
Demokratie in unserem politischen System
cr. Speyer. Sie war auch in diesem Jahr wieder eine
Veranstaltung von allerhöchstem wissenschaftlichen und
gesellschaftspolitischen Rang – die „Demokratietagung“ an der
„Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer,
die einmal mehr von hochrangigen und zum Teil auch spektakulären
Referenten geprägt wurde. Mit Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE)
und Dr. Günther Beckstein (CSU) trafen gleich zu Beginn der
Tagung Exponenten der äußersten Ränder des
demokratisch-parlamentarischen Spektrums in Deutschland zwar nicht
unmittelbar aufeinander – ein unmittelbarer Meinungsaustausch
musste deshalb auch unterbleiben – sie folgten einander jedoch mit
ihren Referaten in direkter Abfolge (der SPEYER-KURIER
berichtete). Und wegen der terminlichen Lage des einen, Dr. Gregor
Gysi, war Tagungsleiter Prof. Dr. Herbert von Arnim sogar von dem
angestammten Termin der Tagung im Oktober abgerückt und in den
Dezember ausgewichen.
Am zweiten Tag stand zunächst eigentlich die
rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Evelyn Lemke auf dem
Programm, die aber wegen ihrer Reise zum Weltklimagipfel in Doha
kurzfristig absagen musste. In ihrer Stelle sprang der
Stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im
rheinland-pfälzischen Landtag, Christian Baldauf, in die
Bresche, um unter dem Titel „Politische Partizipation auf
Landesebene“ über den Stand der Beratungen der „Enquete-Kommission
Bürgerbeteiligung“ im Landtag zu berichten. Baldauf vertritt Lemke
- einfach nur Ausdruck selbstverständlicher Zusammenarbeit unter
Demokraten oder mehr - politische Annäherung zwischen „Grün“ und
„Schwarz“ auch in Rheinalnd-Pfalz gar?
Baldaufs
Ausführungen jedenfalls offenbarten hochinteressante Erkenntnisse:
So zum Beispiel zur Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre,
wo eine Umfrage unter den Jugendlichen ergeben habe, dass zwei
Drittel der 16jährigen einer solchen Absenkung ablehnend
gegenüberstünden. Sie bewerten ihre eigene Altersgruppe für einen
solchen Wahlakt überwiegend „als zu unreif“. Für seine eigene
Partei sprach sich auch Baldauf gegen eine solche Absenkung aus –
sein Gegenargument bezog sich allerdings darauf, dass dann viele
andere rechtliche Bestimmungen wie z.B. über Geschäftsfähigkeit
oder Strafmündigkeit solchen Regelungen angepasst werden müssten.
„Wir können nicht einseitig nur das Wahlalter absenken, ohne auch
die Bestimmungen in der Peripherie anzugehen“, zeigte sich Baldauf
überzeugt – für ihn muss eine solche Absenkung, die seine Partei
nicht grundsätzlich ablehnt, vielmehr Teil eines größeren,
umfassenderen Prozesses sein.
Grundsätzlich setzte sich Baldauf auch für eine Verlängerung der
Wahlperioden auf allen politischen Ebenen ein. „Wenn wir gewählt
haben, bleiben uns meist nur ein bis anderthalb Jahre, um eventuell
auch einmal für den Bürger unangenehme Gesetze auf den Weg zu
bringen. Denn niemand wird so etwas machen, wenn der nächste
Wahltermin schon vor der Tür steht und er dann Gefahr läuft,
deshalb nicht mehr wiedergewählt zu werden“. Außerdem, so stellte
Baldauf fest, „irgendwo sind immer Wahlen“. Schließlich wies der
Referent auch noch auf mögliche Verbesserungen bei der Abwicklung
von Wahlen hin, die von barrierefreien Wahllokalen für Behinderte
bis hin zu der Frage reichten „wie bekomme ich eigentlich meine
Wahlunterlagen?“
In einem weiteren Teil seiner Ausführungen ging Baldauf auf die
von der Enquete-Kommission angestrebten Vereinfachungen bei
Planungsverfahren insbesondere bei Großprojekten ein. Hier sprach
er sich für eine Bürgerbeteiligung bereits zu Beginn der
Planungsverfahren aus und plädierte für eine konsultative
Begleitung der Verfahren durch interessierte Bürger während der
gesamten Planungs- und Realsierungsphase.
Skeptisch äußerte sich der Parlamentarier, der neben seinem
Mandat auch noch immer in Frankenthal als Rechtsanwalt praktiziert,
zu den Möglichkeiten der Nutzung des Internets für solche
Beteiligungsverfahren. Erfahrungen hätten gezeigt, dass hier
Interesse und Akzeptanz noch immer sehr gering seien. Er sprach
sich deshalb vielmehr für die Einbeziehung aller Medien in solche
Prozesse aus.
In der
anschließenden, eingehenden Diskussion, deren Leitung der
Vorsitzende der „Stiftung Ökologie und Demokratie e.V.“,
Hans-Joachim Ritter, übernommen hatte, kam das große
Interesse der Tagungsteilnehmer an der Thematik
„Bürgerbeteiligung“in zahlreichen Fragen und Wortmeldungen zum
Ausdruck, so dass die Tagungsleitung sicher nicht unglücklich
darüber war, dass durch die Absage von Marco Bülow MdB (SPD) die
Diskussionszeit nach dem Referat des CDU-Politikers spürbar
verlängert werden konnte..
Auch das Referat von Christian Baldauf wird der
SPEYER-KURIER in den nächsten Tagen im Wortlaut
veröffentlichen.
Um einen von
vielen Bürgerinnen und Bürgern oft als „nachrangiges
Spezialproblem“ unterbewerteten Sachverhalt ging es dann bei dem
Referat des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Koblenz,
Hans-Josef Graefen, dessen Referat unter dem Titel „Probleme
bei der Richterwahl“ das Auditorium mit besonderer Spannung
entgegensah. Graefen, dessen Berufung zum OLG-Präsidenten vor fast
zwei Jahren für erhebliche Schlagzeilen sorgte, weil sie
offensichtlich zunächst durch den damaligen Justizminister
verhindert werden sollte, erfüllte die Erwartungen so manchen
Teilnehmers nicht: Er versagte es sich nämlich, seinen eigenen Fall
noch einmal zu thematisieren und ging statt dessen ganz
grundsätzlich auf die Bestellung höchster Richter an Obergerichten
auf Bundes- und Landesebene ein. Dabei beklagte er allerdings die
vielfach zu große Einflussnahme der Politik auf derartige Verfahren
und sprach sich dshalb für eine generelle Neuordnung dieser
Berufungsverfahren aus.
Auch das Referat von OLG-Präsident Hans-Josef Graefen, dem sich
unter der Gesprächsleitung von Prof. Dr. Achim Rogmann von
der Brunswick European Law School eine engagiert geführte
Diskussion anschloss, wird der SPEYER-KURIER im Wortlaut
veröffentlichen.
Auch eine ausführliche Bewertung der Tagungsergebnisse durch
Tagungsleiter Prof. Dr. von Arnim lesen Sie in den nächsten
Tagen im SPEYER-KURIER. Foto: gc
08.12.2012
Volkssouveränität, Wahlrecht und direkte Demokratie
konstitutive
Voraussetzungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft im Fokus
der 14. Speyerer Demokratie-Tagung 2012.
von Gerhard Cantzler
Sie ist wohl die Ausgabe der „Speyerer
Demokratietagungen“ mit der größten thematischen Affinität zu dem
Lebensthema des Initiators, Leiters und bis heute
leidenschaftlichen Streiters für „Volkssouveränität, Wahlrecht
und direkte Demokratie“, den emeritierten Staatsrechtslehrer an
der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in
Speyer“, Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim. Heute eröffnete
der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, diese
Tagung, die 14. ihrer Art, die Prof. von Arnim deshalb folgerichtig
auch unter dieses Thema gestellt hat und die mit über 125
Teilnehmern erneut eine außergewöhnlich große Nachfrage gefunden
hat. Vielleicht liegt diese große Nachfrage an dem erfreulich
wachsenden Interesse an diesem Themenkreis – in jedem Fall aber
auch an der Prominenz und dem medialen Ruf der Referenten, die an
die Speyerer Einrichtung einzuladen Prof. von Arnim immer wieder
ein ganz besonderes Anliegen ist.
Heute standen nun mit Dr. Gregor Gysi MdB, dem
Vorsitzenden der Fraktion „DIE LINKE“ im Deutschen Bundestag und
dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Günther
Beckstein (CSU) zwei Politiker auf der Rednerliste der
Demokratietagung, die – jeder in seiner Art – ein Bekenntnis zu den
im Tagungsthema beschriebenen Werten ablegten.
Dabei
präsentierte sich der - sicher nicht zuletzt ob seines hohen
rhetorischen Unterhaltungswertes - noch immer in allen Talkshows
der deutschen Fernsehlandschaft omnipräsente Dr. Gregor
Gysi in seinem Eingangstatement als ein eher nachdenklicher,
abgewogen formulierender Redner, der seine aus Bundestagsdebatten
bekannten Spitzen gegen den Kapitalismus westlicher Prägung und die
regierenden Berliner Parteien eher mit Nachdenklichkeit und großer
Zurückhaltung „abfeuerte“. Erst in der anschließenden Diskussion,
deren Leitung der Europarechtler Prof. Dr. Erich Röper von
der Universität Bremen übernommen hatte, blitzten Gysis Temperament
und große Formulierungsgabe auf - hatten die Teilnehmer der Tagung
Grund genug zu spontanem Beifall und herzlichem Lachen.
In seinem Referat beklagte Gysi auch in Speyer den Einfluss der
Banken auf die Politik und geißelte die von den Politikern oft
selbst evozierte Macht der Medien, die er als „nicht immer mit der
Macht der Vernunft“ in Einklang sieht. An den Fallbeispielen
Sarrazin, v. Guttenberg, Wulff und nicht zuletzt Steinbrück zeigte
er auf, dass, wer sich von den Medien „hochschreiben“ lasse, sich
nicht wundern dürfe, wenn diese ihren Einfluss auch gegen ihn
wenden könnten.
Für das Wahlrecht in Deutschland forderte Gysi Ergänzungen bei
der Festlegung der Reihenfolge der Listenkandidaten durch die
Wähler. Hierzu regte er an, den Wählern neben den beiden Stimmen
für den Direktkandidaten und die Liste eine dritte Wählerstimme zu
geben, mit der sie die verbindliche Reihenfolge der von ihnen
präferierten Wahllisten verändern könnten. Dadurch würden die
Kandidaten gezwungen, sich nicht nur ihrer Partei, sondern in
mindestens dem gleichen Umfang auch den Bürgern verpflichtet zu
fühlen.
Zu der
Diskussion um Volksentscheide auf Bundesebene hatte Gregor Gysi
einen durchaus interessanten Vorschlag parat: Er regte an, dass
künftig jede im Parlament vertretene Partei den Bürgern ein Jahr
vor der Wahl eine Frage zur Abstimmung vorlegen sollte, die diese
mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten könnten. Dazu
sollte das Bundesverfassungsgericht schon zuvor geklärt haben, dass
beide Alternativen im Falle ihrer Akzeptanz im Einklang mit der
Verfassung stünden. Die auf diesem Weg einer Entscheidung
zugeführten Fragen sollten durch diese Entscheidung Gesetzeskraft
erhalten. Durch ein solches Verfahren – so Gysi – würde man den
Bürgern zugleich ein sonst oft vermisstes Erfolgserlebnis
verschaffen.
„Ich möchte, dass wir mehr darüber nachdenken, wie wir die
Demokratie wieder beleben können“, schloss Gysi seine Ausführungen,
die der SPEYER-KURIER mit Genehmigung des Referenten in
Kürze in vollem Wortlaut abdruckt.
Klare
Positionen hatte auch der zweite Referent dieses Tages, Dr.
Günther Beckstein MdL, mitgebracht, der sich aus Sicht des
Landes Bayern, aber auch aus der den Ländern über ihre Mitwirkung
im Bundesrat zukommende gesamtstaatliche Verantwortung für eine
Ausweitung direktdemokratischer Verfahren auf allen politischen
Ebenen aussprach. Anhand eindrücklicher Beispiele schilderte er den
schwierigen Weg zur Durchsetzung von Bürgerentscheiden und
Volksabstimmungen, die durchweg mit hohen Eingangshürden versehen
seien, um eine missbräuchliche Anwendung zu verhindern. Beckstein
sprach sich u.a. auch deshalb für solche Verfahren aus, weil
Erfahrungen gezeigt hätten, dass die Bürger bei der Bewertung der
zur Abstimmung gestellten Fragen meist viel strenger urteilten als
es sich die auf Zustimmung der Bürger bei künftigen Wahlen
angewiesenen Politiker trauen würden. Allerdings gab der frühere
Ministerpräsident auch zu bedenken, dass es durchaus auch Themen
gäbe, die sich aufgrund ihrer Komplexität und
Erklärungsbedürftigkeit im Detail nicht für eine Abstimmung durch
direkte Demokratieverfahren eigneten. Dazu zählte er z.B. die
Haushaltsgesetze, die oft mit unzähligen Einzelabstimmungen
einhergingen oder auch Abstimmungen über völkerrechtlich
verbindliche Verträge.
Auch das
Referat von Dr. Günther Beckstein, dem sich unter der
Gesprächsleitung von Dr. Petra Michaelis-Merzbach, Leitende
Senatsrätin und Landeswahlleiterin in Berlin, eine lebhafte
Diskussion anschloss, wird der SPEYER-KURIER in Kürze im
Wortlaut veröffentlichen.
Schließlich meldete sich auch Tagungsleiter Prof. Dr. von
Arnim mit seinem Referat zu Wort, in dem er der Frage nachging
„inwieweit die politische, die wirtschaftliche und die mediale
Klasse die Bürger zu ersticken droht“.
Dabei äußerte der Referent die Überzeugung, dass Politiker in
den Parlamenten „gemeinsame Verhaltensmuster und gemeinsame
Berufsinteressen verfolgten“. Dabei, so von Arnim, könnten sie als
einzige Berufsgruppe in der Gesellschaft „über ihren Status und
über die Regeln der Macht“ selbst entscheiden. Durch Formen der
direkten Demokratie sei es möglich, die sich aus dieser
Sonderstellung der Parlamentarier ergebende, notwendige Kontrolle
wirksam auszuüben.
Mit Blick auf
die „mediale Klasse“ kritisierte der Redner den großen und immer
noch weiter wachsenden Einfluss der Medien auf die Politik und das
Verhalten der Politiker. Bezogen auf die „wirtschaftliche Klasse“
geißelte er vor allem die Möglichkeit von Managern, über ihr Gehalt
selbst zu entscheiden.
Gemeinsam sei allen drei Klassen „das eigene Interesse an Macht,
Posten, Geld und Einfluss“. Auch bei allen anderen Entscheidungen
stehe die Frage im Vordergrund, wie sich das auf die eigene
Situation auswirke. Diese Dominanz der eigenen Interessen werde
aber kaschiert durch ihren angeblichen Fokus auf das Gemeinwohl.
Nach der Devise: „Was gut ist für die CDU oder die Deutsche Bank
oder die Bildzeitung ist auch gut für Deutschland und Europa“.
Durch ein solches Verhalten der Vertreter dieser drei Klassen
aber würden der Einfluss der Bürgerschaft – und mit ihm die
Möglichkeiten zur Kontrolle dieser Klassen - minimalisiert. So
erfolge Kontrolle von Medien durch Gerichte nur noch punktuell und
könne so „schleichende systemische Veränderungen“ nicht mehr
erfassen. Als ein eindrückliches Beispiel dafür verwies Prof. Dr.
von Arnim auf die Eurokrise.
Auch seinen Redebeitrag, der unter der Leitung des früheren
niedersächsischen Landtagsdirektors Prof. Dr. Albert Janssen
engagiert diskutiert wurde, wird der SPEYER-KURIER im
Wortlaut abdrucken. Foto: gc
06.12.2012
Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften stellt Leitsystems für Blinde vor
cr.
Speyer. Vielleicht haben auch Sie sich schon einmal gefragt,
was es mit den Noppen- und Rippenmustern auf sich hat, die man
immer öfter auf Bahnhöfen, auf Flughäfen oder auf den Zugängen zu
den Bahnsteigen findet. Eine gelungene Designidee kreativer
Gestalter vielleicht - nur zur Verschönerung öffentlicher Räume
gedacht? Nein - diese leicht plastischen Fußbodenoberflächen
verfolgen einen durchaus nützlichen Zweck: Sie dienen als
Leitsystem für blinde oder schwerst sehbehinderte Menschen, die
damit mit ihrem weißen Taststock wichtige Orientierungshilfen auf
ihren Wegen im öffentlichen Raum finden.
Die deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer
hat jetzt als eine der ersten öffentlichen Einrichtungen
überhaupt und als erste in Rheinland-Pfalz den ersten Abschnitt
eines solchen Leitsystems für Blinde vorgestellt. Vom
Fußgängerüberweg an der Freiherr-vom-Stein-Straße, bzw. von der
dortigen Bushaltestelle aus, führt der markierte Fußweg aus Noppen-
und Rippenplatten zum Eingang der Universität und erschließt von
dort aus wichtige Anlaufstellen in der Hochschule wie die Aula, das
Auditorium Maximum, die Hörsäle, das Hörer- und Tagungssekretariat
sowie die Sanitären Einrichtungen.
Wie der für
das Gebäudemanagement der Einrichtung zuständige Abteilungsleiter
„Allgemeine Verwaltung“ der Universität, Oberregierungsrat Claus
Ableiter, gestern mitteilte, sei der Einbau der hilfreichen
Bodenmarkierungen im Zuge der ohnedies notwendig gewordenen
Neugestaltung des Eingangsbereiches einschließlich der Parkplätze
vor dem Hauptgebäude kurzfristig möglich geworden. Dabei habe man
bewusst darauf verzichtet, den Behindertenzugang direkt über diese
Fläche zu leiten, weil dort die Gefahr drohe, dass die
Sehbehinderten durch ausparkende LKW- oder auch PKW-Fahrer
gefährdet werden könnten. Dafür habe man deshalb den sichereren
kleinen Umweg entlang des Gebäudes in Kauf genommen. Von dort werde
das Leitsystem ins Innere des Gebäudes weitergeführt; die Arbeiten
dazu werden derzeit Zug um Zug von einer Fachfirma ausgeführt.
Für die Planung der Gesamtmaßnahme zeichnete
Nadine Metlitzky von dem Erfurter Architektur- und
Beratungsbüro „factus 2“ verantwortlich, die gestern bei
einem Pressegespräch die Funktionsweise des international
standardisierten Blindenleitsystems erläuterte.
Dieses System
– so die Expertin - gibt sehbehinderten Menschen die Möglichkeit,
sich mit Hilfe ihres weißen Taststocks, den sie pendelnd bzw.
schleifend über den Boden führen, zu orientieren. Dabei zeigen
ihnen die in Gehrichtung ausgelegten Rippenplatten – Rippen in
Längsrichtung – die Gehrichtung an, Noppenplatten dagegen
signalisieren ihnen einen möglichen Richtungswechsel oder eine
besondere Gefahrensituation im Straßenverkehr. Wie Nadine Metlitsky
– sie ist zugleich auch die einzige vereidigte
Gerichtssachverständige bei Schadensersatzprozessen nach Unfällen
mit Sehbehinderten in öffentlichen Verkehrsräumen in Deutschland –
weiter mitteilte, ist die Bundesrepublik mit der flächendeckenden
Einführung dieses hocheffizienten Assistenzsystems für
Sehbehinderte noch weit im Hintertreffen. In Österreich
beispielsweise müssten bis spätestens 2015 bereits alle
öffentlichen Gebäude mit solchen Leitsystemen ausgestattet
sein.
Für Claus Ableiter ist diese Maßnahme ein weiterer
Beitrag dazu, die Speyerer Universität auch für den sehbehinderten
Teil von Hörerschaft und Lehrenden benutzerfreundlicher zu
gestalten. Immerhin gebe es auch hier in fast jedem Semester eine
kleine Anzahl blinder oder sehbehinderter Universitätsmitglieder.
Ableiter dankte deshalb auch der Stadtverwaltung Speyer, die auf
unbürokratische Weise die Verlängerung des Leitsystems vom
Hochschulgelände aus zu der Haltestelle des Stadtverkehrs möglich
gemacht habe. Foto: gc
04.12.2012
Über Wirksamkeit und Grenzen der „Schuldenbremse“
Der Mainzer
Finanzminister Dr. Carsten Kühl bei der Semestereröffnung an der
Universität Speyer
cr. Speyer. Mit einem durchaus nachdenklichen Kolleg über
Wirksamkeit und Grenzen von Konsolidierungsmaßnahmen für die
öffentlichen Haushalte hat jetzt der rheinland-pfälzische
Finanzminister Dr. Carsten Kühl das Wintersemester 2012/13
an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in
Speyer eröffnet. Dabei zeigte sich der studierte
Finanzwissenschaftler überzeugt davon, dass es auch für den
rheinland-pfälzischen Landeshaushalt keine Alternative zu einer
strikten Konsolidierungspolitik gebe, sei doch die derzeitige
Eurokrise auch zu einem erheblichen Teil der Finanzkrise der
öffentlichen Haushalte geschuldet.
Mit der auch für das Land Rheinland-Pfalz eingeführten
„Schuldenbremse“, die bis zum Jahr 2020 eine Reduzierung der
Neuverschuldung „auf Null“ vorschreibe und der vom Landesparlament
Verfassungsrang eingeräumt worden sei, habe man jetzt „ein scharfes
Schwert“ in der Hand, das allerdings auch den Nachteil einer
vielfach mangelnden Praktikabilität in sich berge.
Minister Dr.
Kühl zeigte anhand von Beispielen auf, wo sich die Schuldenbremse
durchaus hemmend und kontraproduktiv auswirken könne: Wenn die
Schuldenbremse es z.B. unmöglich machen würde, im Zuge der
Energiewende staatlicherseits Stromnetze aufzubauen, um die
Windenergie von Norden nach Süden zu leiten – Investitionen, die
sich sicher schon nach wenigen Jahren amortistieren – wenn
energetische Sanierungsmaßnahmen an großen Gebäuden nur wegen ihres
hohen Aufwandes nicht realisiert werden dürften, obwohl auch ihre
Rentierlichkeit leicht nachzuvollziehen sei, oder wenn – in einem
anderen Bereich - durch eine Senkung der Mehrwertsteuer seitens des
Bundes das Zahlenwerk eines Landeshaushaltes aus dem Gleichgewicht
gerate, darauf aber wegen der Schuldenbremse nicht mehr reagiert
werden dürfte, dann würde dieses Werkzeug zur Konsolidierung
eindeutig seinen Zweck verfehlen.
Das Land Rheinland-Pfalz habe deshalb als Mittel zur Reaktion
auf die „finanzpolitische Realität“ in genau definierten Fällen die
Möglichkeit von „Strukturanpassungskrediten“ in die Gesetzgebung
aufgenommen. Diese müssten allerdings wirklich rigide gehandhabt
werden, betonte der Minister und verwies darauf, dass das
Misstrauen in der Bevölkerung gegen solche Maßnahmen auch darin
begründet liege, dass die ja schon in den sechziger Jahren in die
Verfassung aufgenommene Schuldenbegrenzung nur zu leicht
ausgehebelt und umgangen werden konnte.
Insgesamt glaubt der Minister aber in unserer Gesellschaft ein
grundsätzlich gesteigertes Bewusstsein für die Notwendigkeit von
Konsolidierungsmaßnahmen erkennen zu können. Das habe sich auch bei
dem Beschluss der Landesregierung über Beamtenbesoldung gezeigt,
die in den nächsten fünf Jahren – unabhängig von
Tarifvereinbarungen im Öffentlichen Dienst – nur um jährlich ein
Prozent ansteigen werde. Dies habe zwar bei den Betroffenen selbst
zu verständlichem Missfallen geführt, werde aber allgemein – gerade
auch in anderen Bundesländern – mit großem Interesse verfolgt.
Mit Blick auf
die schon heute absehbare demografische Entwicklung sprach sich
Minister Dr. Kühl für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer
aus, die er im Vergleich zur Erhöhung von Verbrauchssteuern
angesichts der Besitzverteilung in unserer Gesellschaft als die
gerechtere Maßnahme bezeichnete. Damit könnten nämlich diejenigen
zu Steuerleistungen herangezogen werden, die angesichts ihrer
Besitzverhältnisse diese auch tragen könnten.
In diesem Zusammenhang wies er noch auch ein weiteres, durch die
Veränderung der Demografie hervorgerufenes Problem hin: Auf den
Anstieg der Pensionsleistungen. Denn in den kommenden Jahren müsse
allein das Land Rheinland-Pfalz seine diesbezüglichen Aufwendungen
um jährlich 110 Mio. Euro steigern – ein weiteres, durchaus heute
schon vorhersehbares Kostenrisiko.
Weiter Risiken sieht Minister Dr. Kühl in den
Bürgschaftserklärungen, die der Bund in der jüngsten Zeit für
Drittstaaten innerhalb und außerhalb der EU abgegeben habe –
Bürgerschaften, von denen die Länder im Falle, dass sie gezogen
werden müssten, mittelbar auch betroffen sein könnten, wenn der
Bund dann auf „Steuersubstrat“ zugreifen müsse, das eigentlich den
Ländern zustehe. Und schließlich wies er auch noch das Risiko hin,
das in den derzeit extrem niedrigen Zinsen begründet liege. „Sollte
es zu einer überbordenden Inflation kommen – was ich zwar nicht
glaube – dann wird dem durch eine Zinserhöhung entgegengesteuert
werden müssen“, warnte der Referent. Aber auch ohne eine solche
Entwicklung „wird die Krise irgendwann beendet sein. Dann müssen
wir auch bei den Zinsen wieder zur Normalität zurückkehren“,
stellte der Minister fest. Angesichts seiner Verschuldungslage
bedeute dies allein für den Bund für jedes Prozent gestiegener
Zinsen zusätzliche Aufwendungen von 20 Milliarden Euro pro
Jahr.
„In all dem steckt noch viel Sprengstoff“, schloss der
Finanzminister seine Ausführungen und mahnte: „Die Qualität des
öffentlichen Handelns wird sich deshalb auch daran orientieren, ob
und wie die Konsolidierung gelingt“. Allein Leistungen zu
streichen, sei daher keine probate Lösung. Denn – so Kühl's Fazit:
„Ein starker Staat beweist sich vor allem daran, wie er mit den
Schwächsten in seiner Gesellschaft umgeht“.
Zu Beginn des
Vortragsabends hatte der Rektor der Speyerer
Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, bereits die
zahlreichen Gäste begrüßt, unter ihnen viele Vertreter benachbarter
Hochschulen, Behörden und Gerichte. Besonders herzlich begrüßte er
in der Mitte des Kollegiums den neu ernannten Lehrstuhlinhaber für
Verwaltungswissenschaften, Prof. Dr. Michael Bauer und die
in diesen Tagen frisch habilitierte Wirtschaftswissenschaftlerin,
Privatdozentin Dr. Rahel Schomaker..
Rektor Wieland skizzierte sodann die Vita des Referenten Dr.
Carsten Kühl, der nach Tätigkeiten im Mainzer Wissenschafts- und im
Wirtschaftsministerium 2009 zum Finanzminister ernannt wurde -
„eine der wenigen positiven Folgen der Nürburgring-Affäre“, wie
Prof. Dr. Wieland ironisch anmerkte.
Und noch eine
Neuigkeit gibt es von diesem Tag zu vermelden: Erstmals wurde eine
Semestereröffnungsfeier an der Speyerer Universität musikalisch
durch einen Chor umrahmt: Das „PalatinaKlassik
Vokalensemble“ unter der Leitung seines Gründers Prof. Leo
Kraemer - in der Woche zuvor noch mit einem eindrucksvollen
Gedenkkonzert zum 9. November in der Universität zu Gast -
eröffnete den Abend mit dem stimmungsvollen Mendelssohn-Satz „Oh
Täler weit, oh Höhen“ nach Joseph von Eichendorff. Und da man zu
einem solchen Abend durchaus auch ein Geschenk mitbringen sollte –
so Prof. Kraemer – habe er für das traditionelle Studentenlied
„Gaudeamus igitur“ einen vierstimmigen Liedsatz komponiert, den er
der Universität und ihrem Rektor gewidmet habe. „Ein schönes
Geschenk“, freute sich da Prof. Dr. Wieland - „und das schönste:
Ich muss es dem Ministerium weder melden noch gar abliefern“.
Foto: gc
15.11.2012
“Gesellschaft benötigt dringend die ethische Orientierungskraft der Kirchen”
Kirchenpräsident
Christian Schad beim 3. Abendvortrag der Speyerer Universität für
Verwaltungswissenschaften
von Gerhard Cantzler
Gross und illuster war die Schar der Zuhörer, die
Universitätsrektor Prof. Dr. Joachim Wieland gestern zum 3.
Abendvortrag des laufenden Semesters in der Speyerer Universität
für Verwaltungswissenschaften begrüßen konnte - an ihrer Spitze
Oberbürgermeister Hansjörg Eger und seine Vorgänger Werner
Schineller und Dr. Christian Roßkopf - beide auch nach dem Ablauf
ihrer Amtszeiten der Universität aufs engste verbunden. Dazu den
Ehrenvorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ministerpräsident
a.D. Prof. Dr. Dr. h.c.utr. Bernhard Vogel und Staatsminister a.D.
Dr. Georg Gölter, Landtagsabgeordneten Dr. Axel Wilke sowie den
Städtischen Beigeordneten Frank Scheid,
Prof. Wielands ganz besonderer Gruß galt dem
Referenten des Abends, dem Präsidenten der Protestantischen
Landeskirche der Pfalz, Christian Schad, der sich nach seinem
katholischen Amtsbruder, dem Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz
Wiesemann im vergangenen Jahr zu einem Vortrag angesagt hatte.
“Wieviel
Kirche braucht unsere Gesellschaft?” hatte Schad sein Referat
überschrieben, das nach Überzeugung des Universitätsrektors gerade
in unserer Zeit ganz besondere Bedeutung habe. Das sei nicht
zuletzt an der unlängst aufgeflammten Diskusssion um das “Kölner
Beschniedungsurteil” offenbar geworden, wo Christen, Juden und
Muslime gemeinsam und einhellig die “Einmischung des Staates” in
religiöse Traditionen kritisiert hätten. Prof. Wieland zitierte
dazu seinen akademischen Lehrer, den Verfassungsrechtler und
langjährigen Richter am Bundesverfassungsgericht, Prof. Dr. Ernst
Wolfgang Böckenförde, der in solchem Zusammenhang den oft zitierten
Satz geprägt habe, dass “der Staat von den Voraussetzungen lebt,
die er selbst nicht garantieren kann”. In soweit begrüße er als
Rektor einer Universität mit verwaltungswissenschaftlichem
Zuschnitt in dem Kirchenpräsienten einen kirchlichen Repäsentanten,
der sich in seiner beruflichen Vergangenheit auch intensiv mit
Verwaltung beschäftigt habe.
In seinen Überlegungen bekannte sich Schad gleich
zu Beginn - gerade auf dem Hintergrund der bekannt gewordenen
Missbrauchsfälle, die die moralische Integrität und Glaubwürdigkeit
der Kirchen schwer erschüttert hätten - dazu, dass gerade in einer
so ambivalenten Zeit die Gesellschaft die Kraft der Kirche dringend
brauche.
Auf der
Grundlage empirischer Daten ging der Kirchenpräsident auf die
Situation der Kirchen in der Gegenwart ein und entwickelte anhand
der zentralen Aussagen des christlichen Glaubensbekenntnisses seine
These, dass eine Kirche mit geistlicher Substanz, mit
gesellschaftlicher Kompetenz und ethischer Orientierungskraft weit
ausstrahle und so ihre Lebensdienlichkeit erweise.
So mache etwa die grundlegende Unterscheidung von
Gott und Mensch, von Schöpfer und Geschöpf, widerständig gegen
Allmachtsphantasien, politischen Absolutismus und die
Vergewaltigung durch totalitäre Staatsideologien. „Eine
Vergöttlichung des Staates wäre ebenso verkehrt, wie eine
Verstaatlichung der Kirche!“, sagte der Kirchenpräsident.
Zum Proprium des kirchlichen Zeugnisses gehöre es
darüber hinaus, die eigene Fehlsamkeit und Fragmentarität in den
Blick zu nehmen und sich dazu zu bekennen, dass in Christus die
eigene und fremde Schuld vergeben werde. Dies, so der
Kirchenpräsident, befördere eine Kultur des Konflikts, die von
wechselseitiger Annahme und Lernbereitschaft geprägt sei. Dass die
Fähigkeit zur Schuldanerkenntnis und die Bereitschaft zur Vergebung
richtungsweisend sei, zeige etwa die durch die Kirche mit
initiierten Aussöhnungsprozesse von Deutschen mit ihren östlichen
Nachbarn nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sei es kein Zufall, dass
in der noch anhaltenden Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit aus den
Kirchen selbst markante Beiträge zur Versöhnung geleistet
würden.
Darüber hinaus könne die Kirche, so Christian
Schad, als „Gemeinschaft der Verschiedenen“ hilfreich sein
angesichts einer sich kulturell und religiös immer mehr
ausdifferenzierenden Gesellschaft. Gerade die Verwurzelung im
eigenen Glauben setze instand, auch mit dem achtungsvoll umzugehen,
was anderen wichtig sei. Christlicher Glaube, so der
Kirchenpräsident, gehe einher mit einem “Ethos aktiver Toleranz”,
das die Basis sein könne für ein friedvolles Miteinander in einer
zunehmend multikulturellen und multireligiösen Welt. In diesem
Sinne müsse sich Kirche als “Weltkirche” verstehen - als “Kirche
für die Welt”, wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte.
Als
Institution, die “vom Gericht, von der Auferstehung und dem ewigen
Leben” spreche, müsse sich die Kirche auch der wachsenden
Schwierigkeit annehmen, positiv mit der eigenen Endlichkeit
umzugehen. Auch die Bioethik bezeichnete Schad in diesem
Zusammenhang als den Versuch der Menschen, ihre Endlichkeit
zeitlich nach vorne zu verschieben.
Mit seinem auch dialektisch spannend gestalteten
Vortrag versuchte der Kirchenpräsident schließlich Mut dazu zu
machen, das christliche Bekenntnis auch im Alltag zu bezeugen.
Kirche lebe von Menschen, die selbst glaubwürdig seien und denen
man auch in der Öffentlichkeit “abspüre, dass sie selber von der
Zuversicht und Hoffnung getragen seien, die sie anderen in ihrem
Reden und Handeln weitersagten”. Foto: gc
04.07.2012
Vor einem wichtigen Sprung in Richtung einer politischen Union in Europa?
Französischer
Generalkonsul zu den Folgen des Machtwechsels in Frankreich -
“Deutschland und Frankreich müssen gemeinsame Lösungen für
Europa finden”
cr. Speyer. Es war schon eine bemerkenswerte
diplomatische Leistung, mit der sich gestern der auch für
Rheinland-Pfalz zuständige Generalkonsul der Französischen Republik
in Frankfurt, Jean-Claude Tribolet, in der zweiten
Abendveranstaltung der Speyerer Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften im Sommersemester 2012 präsentierte. Denn
wer sich für diesen Abend klare, vielleicht sogar zugespitzte
Antworten auf die als Thema über der Veranstaltung stehenden Frage
“Was bedeuten die Wahlen in Frankreich für Europa?” erwartet hatte,
der musste rasch einsehen, dass dies - wenn überhaupt - dem
Referenten zu diesem Zeitpunkt zu viel abverlangt hätte - drei Tage
vor der entscheidenden zweiten Runde der Wahlen zur
Nationalversammlung in unserem Nachbarland.
Und so musste sich das vielköpfige Auditorium aus
Kollegium, Studierenden und vielen Gästen in der Aula der
Universität mit den rekapitulierenden Schilderungen des Referenten
darüber begnügen, wie der neue Präsident Francois Hollande zu
seiner Kandidatur und schließlich zu seinem neuen Amt gekommen war.
Als Diplomat, so wurde rasch deutlich, fühlt sich Generalkonsul
Tribolet zu strengster Neutralität in allen parteipolitischen
Fragen und zu absoluter Loyalität gegenüber seinem neuen
Präsidenten verpflichtet und muss wohl auch selbst erst noch seine
eigene Position finden.
Der gelernte Journalist und intime Kenner
Deutschlands - Tribolet hielt seinen Vortrag in einem perfekten und
akzentfreien Deutsch, das dem Auditorium allergrößte Hochachtung
abnötigte - der bereits in unterschiedlichen Verwendungen an der
französischen Botschaft in Bonn und Berlin tätig war - unter
anderem auch eine Zeit lang als “Austausch-Diplomat” im Auswärtigen
Amt in Berlin - musste sich deshalb darauf beschränken, die
einschlägige Berichterstattung in französischen, deutschen und
schließlich auch in britischen Printmedien zu zitieren. Für einen
so vorzüglich informierten Zuhörerkreis wie an der Speyerer
Universität barg solches aber naturgemäß kaum Überraschendes - bis
hin zu der Prognose, dass “die Linke” in Frankreich wohl auch am
kommenden Sonntag obsiegen würde.
Tribolet
erlaubte sich verständlicherweise nur wenige Anflüge von Kritik,
die er geschickt “zwischen den Zeilen” zu “verpacken” verstand: So
als er den Empfang der “SPD-Troika” im Elyssée-Palast ansprach oder
als er an verschiedene Versprechen des neuen Präsidenten aus dem
Wahlkampf - zum Beispiel zur Rente mit 60 oder zum Abbau von
Beamtenstellen auf den verschiedenen Ebenen des öffentlichen
Dienstes - erinnerte, Versprechen, deren Wirkungsmöglichkeiten er
doch deutlich relativierte. Sie seinen in ihren zum Teil
populistischen Formulierungen unter anderem der Tatsache
geschuldet, dass auch bei diesen Wahlen wieder jeder dritte
Franzose einer extremistischen Partei auf der linken bzw. rechten
Seite des politischen Spektrums seine Stimme gegeben habe.
Zum Abschluss seines Referates, das er bewusst kurz
hielt, “um Zeit für ein Gespräch zu lassen”, bekannte sich
Jean-Claude Tribolet jedoch eindeutig zu weiteren Fortschritten in
Europa. “Wenn wir im kommenden Jahr des 50. Jahrestages der
Elyssée-Verträge gedenken, dann wird es darauf ankommen, dass
Deutschland und Frankreich wieder gemeinsame Lösungen für Europa
finden, die auch von den anderen EU-Ländern mitgetragen werden
können”, rief der Diplomat zum Handeln auf. Die Geschichte habe
immer wieder gezeigt, dass die Europäische Gemeinschaft stets dann
zu mutigen Entscheidungen in der Lage gewesen sei, wenn sie sich
unter großem Druck, wenn sie sich in krisenähnlichen Zuständen
befunden habe. “Vielleicht stehen wir deshalb heute - unter dem
Eindruck der Finanzkrise - vor einem wichtigen Sprung in Richtung
einer politischen Union in Europa”, zeigte er sich am Ende
vorsichtig optimistisch.
In die
anschließende Diskussion kam dann noch einmal Bewegung, als
Universitäts-Professor Dr. Holger Mühlenkamp - “ich bin vermutlich
der einzige Oekonom hier im Saal” - die Sinnhaftigkeit der
europäischen Fiskalpolitik in Frage stellte. “Weder der Euro noch
das derzeitige deutsche Exportmodell werden langfristig
überlebensfähig sein”, stellte er fest. Die Europäer hätten deshalb
nur noch die Wahl, das für sie “am wenigsten schmerzhafte Modell”
zur Lösung der gegenwärtigen Probleme zu suchen.
Auch hier sprach sich der Generalkonsul gegen ein
Zuviel an Pessimismus in der aktuellen Diskussion aus.
Die Mehrzahl der Zuhörer aber ging aus diesem
Vortragsabend sicher mit dem Gefühl heraus, dass die Unsicherheit
über die richtigen Lösungswege für die finanzpolitischen Probleme
der Europäer derzeit auf allen Seiten außerordentlich groß sind. Ob
dafür diplomatisch-beschwichtigende Antworten weiterhelfen, darf
wohl zurecht in Frage gestellt werden.
Erfreuliche
Pflichten konnte Rektor Prof. Dr. Joachim Wieland gleich zum Beginn
des Abends absolvieren: Er zeichnete Dipl.-Ing. Rudolf Butt, für
die Speyerer Universität zuständiger Referent beim “Landesbetrieb
Bauen und Immobilien” mit der Universitätsmedaille aus. “Wer durch
die Hochschulen in Deutschland geht, wird rasch erkennen, dass es
wohl keine zweite Universität gibt, die in besserem Zustand ist als
die Einrichtung in Speyer”, stellte der Rektor erfreut fest. Dies
verdanke die Universität in hohem Masse dem Einsatz und dem
kompetenten Wirken von Rudolf Butt. Von daher sei es mehr als
gerechtfertigt, dass der Geehrte als erster Träger der Medaille
nach der Änderung des Rechtstitels der Hochschule in “Deutsche
Universität für Verwaltungswissenschaften” in die Geschichte der
Institution eingehe.
Und noch eine
zweite Ehrung konnte Prof. Dr. Wieland vornehmen: Rechtsanwalt Dr.
Christian Theobald, seit Jahren erfolgreich als Lehrbeauftragter an
der Speyerer Universität tätig und dort ausgewiesener Experte für
Energie- und Verkehrswirtschaftsrecht, für Kartell- und
Regulierungsrecht sowie für Rekommunalisierung wurde jetzt zum
Honorarprofessor an der Speyerer Hochschule ernannt. Prof. Dr.
Theobald, der über viele Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter
am Lehrstuhl von Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König wirkte
und dort auch promovierte, hat sich mit über 100 Veröffentlichungen
zu energiewirtschaftlichen Fragen, davon allein sechs Monographien,
einen Namen gemacht. Als Lehrbeauftragter an der TU Berlin und an
der Humboldt-Universität Berlin nimmt der angesehene Berliner
Rechtsanwalt in der Diskussion um Energiewende und Netzausbau eine
zentrale wissenschaftliche Position ein. “Bei dem hohen Rang, den
die Energiediskussion heute in unserer Gesellschaft einnimmt,
erwarten wir von Ihnen noch viele richtungsweisende Beiträge”, gab
der Rektor dem frisch ernannten Honorarprofessor mit auf seinen
weiteren Lebensweg als Wissenschaftler und Anwalt.
Ehe Prof. Dr. Wieland die Gäste zum Ende des Abends
noch zu dem schon traditionellen Umtrunk nach den
Abendveranstaltungen einlud, wo sie ihre Gespräche mit
Generalkonsul Tribolet noch in kleinem Kreis fortsetzen konnten,
wies er noch auf die zur Zeit im Foyer der Universität gezeigte
Ausstellung mit Werken des pfälzischen Künstlers Peter H. Quick
hin, die noch bis zum Januar 2013 zu sehen sein wird. Foto:
gc
15.06.2012
Das “Bullerjahn-System” - die Wege Sachsen-Anhalts aus der Schuldenfalle -
Jens
Bullerjahn präsentiert sein Land auf dem Weg zum finanzpolitischen
“Musterknaben”
von Gerhard Cantzler
Dass Haushalts- und Finanzpolitik unterhaltsam sein
und ein Finanzminister trotz aller aktuellen und längerfristigen
Probleme ein fröhlicher Mensch bleiben kann - das bewies jetzt der
Stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister von
Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn (SPD) bei seinem Vortrag zur
Semestereröffnung an der Deutschen Universität für
Verwaltungswissenschaften, den er unter die Überschrift “Attraktiv
ohne neue Schulden - Sachsen-Anhalt auf dem Weg in die
Selbstständigkeit” gestellt hatte.
Gleich zu Beginn des gut besuchten Vortragsabends
wies Rektor Prof. Dr. Joachim Wieland auf die Besonderheit dieser
Eröffnungsveranstaltung hin, zu der erstmals die “Universität
für Verwaltungswissenschaften” eingeladen hatte. Mit der
Aufgabe des traditionsreichen Etiketts “Hochschule für
Verwaltungswissenschaften” habe die Speyerer Einrichtung, die
schon seit ihrer Gründung im rechtlichen Sinne eine Universität
gewesen sei, dies auch in ihrer Namensgebung manifestieren und
zugleich signalisieren wollen, dass sie in der Folge des
“Bologna-Prozesses” auch weitere Studiengänge in ihr Angebot
aufgenommen habe, darunter drei neue Masterstudiengänge - zuletzt
den berufsbegleitenden Masterstudiengang für
“Wissenschaftsmanagment”, der erst vor wenigen Wochen gestartet
worden sei.
Bevor Prof.
Dr, Wieland das Vortragspult dem Gastredner des Abends überließ,
nahm er noch Gelegenheit, den Vorsitzenden des Freundeskreises der
Universität, den Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger und
dessen Vorgänger Werner Schineller sowie als weitere Vertreter des
Stadtvorstandes Bürgermeisterin Monika Kabs und Beigeordneten Dr.
Wolf Böhm zu begrüßen. Erstmals m Kreise des Kollegiums der
Universität mit dabei und von Rektor Wieland besonders herzlich
willkommen geheißen: Die erst kürzlich berufene “neue”
Universitätsprofessorin am “Lehrstuhl für Personal, Führung und
Entscheidung im öffentlichen Sektor”, Dr. Michèle Morner.
Prof. Dr.
Wieland gab sodann einen kurzen Einblick in die Vita des
Sachsen-anhaltinischen Finanzministers Jens Bullerjahn, der - 1962
in Halle geboren - nach seinem Wehrdienst in der Nationalen
Volksarmee der DDR Elektrotechnik studierte und danach bis zur
Wende im Bereich Prozess-Automatisierung im Mansfelder Kombinat
tätig war. Bereits 1989 wurde Bullerjahn Mitglied in der neu
gegründeten Ost-SPD und schon 1990 neben verschiedenen kommunalen
Parlamenten auch in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt. 2004
wählten ihn die Abgeordneten zum Vorsitzenden der
SPD-Landtagsfraktion, ehe er 2006 von dem damaligen
Ministerpräsidenten Prof. Dr. Wolfgang Böhmer als Finanzminister
und Stellvertretender Ministerpräsident in das Magdeburger Kabinett
berufen wurde.
Als Finanzminister habe Bullerjahn es geschafft -
so Prof. Dr. Wieland - dass Sachsen-Anhalt als eines von ganz
wenigen Bundesländern seinen Landeshaushalt bereits im Jahr 2007
ohne Neuverschuldung habe aufstellen können. “Mit überlegtem und
vernünftigem Sparen”, wie der Rektor betonte, sei so das von
Finanzpolitiker in der gesamten Bundesrepubkik mit Hochachtung
verfolgte “System Bullerjahn” entstanden.
In seinem Referat legte Bullerjahn zunächst noch
einmal die “Eröffnungsbilanz” seiner inzwischen sechsjährigen
Tätigkeit als Finanzminister von Sachsen-Anhalt offen. Dabei habe
auf der Agenda der weitreichende Umbau der gesamten Landes- und
Kommunalverwaltung ganz weit oben gestanden. So habe das Land die
Zahl der Landkreise von 37 auf 11, die der Kommunen von 857 auf 230
reduziert - die Zahl der Stellen im Landesdienst in zwei
Wahlperioden um 17.000 abgebaut.
Wegen der noch
immer demographisch und durch Abwanderung bedingten erheblichen
Bevölkerungsverluste seien auch viele andere Einrichtungen - von
Finanzämtern über Gefängnisse bis hin zu Schulen - geschlossen
worden, “...und wir werden diese Entwicklung auch weiterhin
aufmerksam im Auge behalten müssen, weil auch für die nächsten
Jahre mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang gerechnet werden
muss”, so Bullerjahn.
Das gelte im übrigen nicht nur für sein eigenes
Bundesland, sondern für die gesamte Bundesrepublik: Hier
prognostizierte Bullerjahn für die nächsten Jahre einen Rückgang
der Bevölkerungszahlen von 82 Millionen bei der letzten Erfassung
auf ca. 70 Millionen Einwohner.
Dank einem ganzen Bündel von Maßnahmen -
“Transparenz und umfangreiche Detail-Information über das gesamte
Zahlenwerk müssen für jeden Bürger zu jeder Zeit im ganzesn Land
verfügbar sein”, so der inzwischen dienstälteste Finanzminister in
den Bundesländern, “ist ein hohes Maß an Durchschaubarkeit
entstanden”.
Daraus resultiere durchaus so etwas wie ein
Wettbewerb, wenn jede Kommune mit einem “Mausclick” erfahren könne,
wieso die andere finanziell besser aufgestellt sei. “Wir wollen,
dass jeder von jedem lernen kann”.
Dank der Tatsache, dass Sachsen-Anhalt bis vor
kurzem “zwei Finanzminister” gehabt habe - Ex-Ministerpräsident
Prof. Böhmer habe bei den Strukturreformen mit viel Kreativität,
guten Ideen und viel Engagement mitgewirkt - habe er selbst - so
bekannte Bullerjahn freimütig - viel für seine Arbeit profitiert.
Dadurch sei es möglich geworden, dass sein Bundesland in den Jahren
2007, 2008 und 2009 ohne Neukreditaufnahmen ausgekommen sei. Erst
2010 habe man in der Folge der Bankenkrise wieder zusätzliches Geld
aufnehmen müssen, aber schon im laufenden Doppelhaushalt werde
dieser Zustand wieder überwunden sein.
Und das Wichtigste: Sachsen-Anhalt werde bis zum
Jahr 2013 bei seinem strukturellen Defizit - dem sicher größten
Problem aller öffentlichen Haushalte - eine “schwarze Null”
schreiben. “Dann müssen wir aber alles daran setzen, um diesen
Zustand zu erhalten.
Ein weiteres
Geheimnis des Erfolgs von Magdeburg: Man gibt den Verantwortlichen
vor Ort viel Entscheidungsspielraum über die Verwendung der
zugewiesenen Finanzmittel und Personalstellen. “Wenn jemand - aus
eigener Vernunft - Personal oder Geldmittel einspart, dann muss er
dies - anders als sonst in der Kameralistik üblich - nicht an das
Ministerium zurückgeben, sondern kann das zu anderem Zwecken
einsetzen”. Ein System, das viel Kreativität freigesetzt habe,
berichtet der Finanzminister. So könnten dort, wo Lehrerstellen
freiwerden, Sozialarbeiter ihren Dienst aufnehmen, Kindergärten
Spieletherapeuten einsetzen.
Ein anderes Beispiel: Neben Thüringen sei
Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland, das zum
“Angemessenheits-Prinzip” zurückgekehrt sei. Dadurch könne die
Handlungsfähigkeit der Verwaltungen, insbesondere im kommunalen
Bereich, deutlich verbessert werden.
Und noch ein weiteres “heißes Eisen” packte der
Finanzminister unverzagt an: Die sich vor den “öffentlichen Händen”
immer höher auftürmenden Berge an Pensionsforderungen ihrer
Staatsdiener. “Wir schauen in dieser Hinsicht bei den Leistungen
immer nur nach Norden - nach Skandinavien, verhalten uns aber mit
den Rückstellungen wie die Staaten im Süden”, mahnte Bullerjahn. Er
wolle sich aber auch hier lieber am Norden orientieren - sich
Norwegen als Vorbild nehmen, wo heute schon Finanzmittel für die
Zeit nach dem Ende der großen Erdölgewinne zurückgelegt würden.
“Die meisten Bundesländer müssen sich auf gewaltig anwachsende
Pensionsforderungen einstellen, weil sie in früheren Zeiten in
vielen Bereichen zu viele Mitarbeiter im Beamtenstatus eingestellt
häben, obwohl die gleiche Leistung auch von Angestellten hätte
erbracht werden können”. Die Bildung von Rücklagen sei deshalb ein
weiteres Gebot der Stunde.
Für die nächste Zukunft kündigte Bullerjahn die
Einführung einer Ampel für jede Behörde in Sachsen-Anhalt - auch
für die Kommunen - an, mit der signalisiert werden solle, in
welchem Zustand es sich mit ihrem jeweiligen Haushaltsgebaren
befindet.
Den Umfang
seines Landeshaushaltes bezifferte Bullerjahn auf derzeit zehn
Milliarden Euro jährlich - die Altschulden beliefen sich auf 20
Milliarden Euro. Neben dem Verzicht auf die Aufnahme neuer Kredite
wird das Land im Jahr 2014 mit der planmäßigen Rückführung der
Altschulden beginnen. “Im Jahr 2030 wollen wir dann endgültig
schuldenfrei sein”, kündigte er an. Dies sei um so wichtiger, als
er für die Zeit nach 2017 mit einem deutlichen Anstieg der
Zinssätze rechne. “Dann werden Refinanzierungen deutlich teurer”,
gab Bullerjahn zu bedenken, “deshalb müssen wir bis dahin mit
unseren Schuldentilgungen weitgehend ‘durch’ sein”.
Um für die “Zeit danach” zu verhindern, dass die
Haushaltsentwicklungen wieder “entgleisen”, will Bullerjahn schon
jetzt die Werkzeuge vorbereiten, mit denen das gesichert werden
kann: Dazu sollen ein umfangreiches Controlling ebenso gehören, wie
ein Programm, in dem alle Entwicklungen detailiert und prospektiv
bis ins Jahr 2025 eingebracht und so die mittel- und langfristigen
Entwicklungen der Haushalte abgelesen werden können.
Nach dem Jahr 2020 gehe es dann aber darum, ein
gänzlich neues Haushaltssystem zu implementieren, die staatlichen
Aufgaben neu “zu sortieren” und eine bundesstaatliche Raumordnung
neu zu organisieren. Am Ende dieses Prozesses müsse dann eine
Länderneugliederung stehen. “Und ganz am Ende wird die Frage
stehen, welche Grundstruktur Deutschland nach 2030 haben soll. Die
Maßnahmen bis dahin sind die Pflicht - was dann kommt, ist die
Kür”, schloß der Finanzminister und stellte in Aussicht, dann bei
einem weitern Vortrag in der Speyerer Universität über seine
Erfolge zu berichten.
Was er allerdings - ungeachtet aller
Sparnotwendigkeiten - nicht aus den Augen zu verlieren bat, seien
die Anstrengungen um die Verbesserung von Bildung und
Sozialaufgaben, bei denen nicht gespart werden dürfe. Nur so könne
auch weiterhin ein solidarisches Deutschland als gesamtstaatliches
Ziel erhalten bleiben.
Das eindrucksvolle Referat wurde am Rednerpult von
zahlreichen Tabellen unterstützt - der Vortragsabend selbst von
Bagdan M. Kisch, Violoncello und Adrian Fischer, Klavier, mit zwei
bemerkenswerten musikalischen Beiträgen umrahmt, die sich kongenial
an das hohe Niveau des finanzpolitischen Vortrages anpassten.
Foto: gc
24.05.2012
Neues Namensschild an der Speyerer Hochschule angebracht -
DHV Speyer jetzt auch nach außen hin sichtbar in
“Universität Speyer” gewandelt.
spk.
Speyer. “Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften
Speyer” - so lautet jetzt der neue Name der bisherigen DHV, der
Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der
mit der Anbringung des neuen Schriftzuges durch den Speyerer
Kunstschlosser Bernhard Pelgen und seine Mitarbeiter heute auch
nach außen hin sichtbar vollzogen wurde. “Mit dieser Umbenennung”
so der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, "wollen
wir auch in unserem Namen dokumentieren, dass wir uns nach der
Einführung der neuen Masterstudiengänge weiter für die Ausbildung
des verwaltungswissenschaftlichen Nachwuchses geöffnet haben und
nicht mehr - wie bisher - nur rein nachuniversitäre
Postgraduiertenangebote bereithalten."
Als einzige vom Bund und allen Ländern gemeinsam
getragene akademische Ausbildungsstädte und als deutsches
Kompetenzzentrum für Verwaltungswissenschaften nimmt die Deutsche
Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer in der nationalen
Hochschullandschaft eine Sonderrolle ein. Prof. Dr. Wieland sieht
sie deshalb in einer besonderen Verantwortung für die Entwicklung
von Staat und Gesellschaft: "Wir sind seit 65 Jahren ein zentrales
föderales Begegnungsforum in Sachen guter Verwaltung und wollen
auch in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung des öffentlichen
Sektors in Deutschland und Europa insbesondere über unser
erfolgreiches Ausbildungsmodell für Rechtsreferendare und durch
unsere Forschung mit gestalten".
Die Ursprünge der Speyerer Universität gehen zurück
auf die von der französischen Besatzungsmacht 1947 noch vor
Gründung der Bundesrepublik in Speyer ins Leben gerufene Akademie
für Verwaltungswissenschaften, die in der Folgezeit mit der
Verleihung des Habilitations- und Promotionsrechtes den vollen
Universitätsstatus erlangte.
Die
Universität widmet sich auf der Grundlage eines breiten
methodischen Spektrums dem Thema der öffentlichen Verwaltung von
der kommunalen bis zur globalen Ebene und berücksichtigt dabei auch
die Beziehungen zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Ihre
Aufgaben sind die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften, die
Forschung sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Zu Ihrem Kernprofil zählen ihre Wissenschaftlichkeit, ihre
Praxisbezogenheit und ihre Interdisziplinarität. Alle drei Aspekte
fließen in ihre akademische Lehre, in anwendungsorientierte
Forschung sowie berufsbegleitende Weiterbildung ein. Mit ihren
Magister-, Master- und Promotionsstudiengängen sowie mit ihrem
einzigartigen verwaltungswissenschaftlichen Ergänzungsstudium für
die Rechtsreferendarinnen und -referendare der Länder bietet die
Universität ein breites Qualifikationsangebot für künftige
Führungskräfte der Öffentlichen Verwaltung an. Mit 17 Lehrstühlen
und der größten Verwaltungswissenschaftlichen Spezialbibliothek
Deutschlands bietet die Universität ihren durchschnittlich 350
Studierenden ein ideales Lern- und Betreuungsumfeld. Zu dessen
weiteren Optimierung erhofft sich die Universität die baldmögliche
Realisierung ihres derzeit größten Projektes: Der Errichtung einer
neuen Universitäts-Bibliothek, für die alle planerischen
Vorbereitungen getroffenen sind und wo allein noch die
Finanzierungszusage durch das Land aussteht. Foto: jüs
28.03.2012
Gipfelpunkt auf einem langen Weg
Privatdozent
Dr. Alexander Windoffer erhält Habilitations-Urkunde an der
DHV
von Gerhard Cantzler
Es war schon ein kurioser Zufall, dass Privatdozent
Dr. Alexander Windorffer zum Ende seines Habilitationsverfahrens an
der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften DHV in
Speyer seine Antrittsvorlesung ausgerechnet am 65. Jahrestag der
Gründung dieser renommierten Einrichtung halten konnte. Das betonte
auch zu Beginn des Abends der Rektor der DHV, Universitätsprofessor
Dr. Joachim Wieland, der aus diesem Anlass zahlreiche Gäste im
Auditorium Maximum der Hochschule begrüßen konnte - an ihrer Spitze
den Vorsitzenden des Freundes- und Fördererkreises der DHV,
Oberbürgermeister Hansjörg Eger, das Mitglied des Europäischen
Parlaments Jürgen Creutzmann sowie die Präsidenten der
Landesrechnungshöfe Rheinland-Pfalz, Klaus P. Behnke, und aus
Baden-Württemberg, Max Munding.
Es war nämlich genau am 11. Januar 1947, als die
französische Besatzungsmacht das Dekret über die Gründung der
Hochschule bekannt gab und damit die Erfolgsgeschichte dieser
hochrangigen wissenschaftlichen Einrichtung einleitete.
Alexander Windoffer, geb. 1972 in Wesel, gehört der
DHV seit dem Jahr 2001 an, so Prof. Wieland in seinen einführenden
biographischen Anmerkungen zum Beginn des Vortragsabends. Er kam
damals nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität
Tübingen und nach seinem Ersten und Zweiten Juristischen
Staatsexamen vom Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises in
Villingen-Schwenningen, wo er das Rechtsamt leitete, als
Forschungsreferent an das Forschungsinstitut der DHV in Speyer.
Dort, so der Rektor, habe er “höchst produktiv und innovativ”
gewirkt und eine Vielzahl bemerkenswerter Veröffentlichungen
vorgelegt.
2005
promovierte er an der DHV bei Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow mit “summa
cum laude” zum Dr. rer.publ.
2011 schließlich erwarb Windoffer die “Venia
legendi”, das Recht, selbst universitäre Lehrveranstaltungen
abzuhalten - die Vorstufe zur Habilitation - legte seine
Habilitationsschrift vor, hielt - gemäß der Speyerer
Habilitationsordnung - eine Probevorlesung und absolvierte ein
umfangreiches Kolloquium, ehe er jetzt mit der Antrittsvorlesung
über “Das neue Glücksspielrecht - Präventionsmodell mit
Gewinnchancen in Karlsruhe und Luxemburg” das aufwendige
Habilitationsverfahren krönte.
In seiner Vorlesung analysierte Privatdozent Dr.
Windoffer, der - durchaus verfahrensüblich - bereits seit zwei
Semestern eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Mainz
wahrnimmt, das neue Glücksspielrecht in der Bundesrepublik. In
diesem gehe es, so der Wissenschaftler, weniger um das Glücksspiel
generell, sondern um seine Handhabung in der Öffentlichkeit. Hier
stünden der Schutz der Spieler vor Suchtgefährdung und Manipulation
in Konkurrenz zu den garantierten Grundrechten der Berufsfreiheit
und der Niederlassungsfreiheit der Wettbetreiber.
Als weiteres beschrieb Dr. Windoffer die
unterschiedlichen Formen des Glücksspiels von den verschiedenen
Lotterien über die Sportwetten, die Casinowetten und die
Automatenspiele, bewertete deren jeweiligen Grad an Suchtgefährdung
und umriss den Umfang der staatlichen Restriktionsmöglichkeiten bei
Zulassung und Spielkontrolle.
Dabei ging er auch auf die höchst unterschiedlichen
Zuständigkeiten der verschiedenen Gesetzgebungsebenen ein, die
durchaus nicht nur zur Vereinfachung des rechtlichen Umgangs mit
den verschiedenen Glücksspielen geführt hätten.
Bei der
Neufassung des Glücksspielrechtes hätte sich zudem eine Divergenz
der Rechtsauffassungen des Landes Schleswig-Holstein mit den
anderen 15 Bundesländern herausgestellt. Dies berge die Gefahr in
sich, dass immer mehr Wettveranstalter ihren Firmensitz in das Land
zwischen Nord- und Ostsee verlagern könnten. Dennoch sah der
Referent keinen Grund für eine Schreckensvision von einem “Las
Vegas an der Kieler Börde”. Das hänge insbesondere mit der Tatsache
zusammen, dass die meisten Wettspiele heute bereits per Internet
abgewickelt würden.
Als positiv bewertete Dr. Windoffer, dass sich die
Länder darauf verständigt hätten, die Zahl der Spielbanken in
Deutschland nicht weiter zu vergrößern, da die dort angebotenen
Wettspiele angesichts der möglichen Gewinn- und Verlustchancen zu
den gefährlichsten für die Spieler überhaupt zählten.
Mit Blick auf
das europaweit geltende Kohärenzgebot, nachdem die in den
europäischen Mitgliedsländern geltenden Bestimmungen der
Durchsetzung von Europarecht dienen müßten, verwies der Referent
auf die Tatsache, dass nach europäischem Recht alles möglich sei -
vom absoluten Verbot von Glücksspiel bis hin zum Verzicht auf
jedwede Kontrolle. Für ihn gebe es allerdings auch keinen Grund zu
der Sorge, dass ein generelles oder teilweises Verbot bestimmter
oder gar aller Glücksspiele zu erfolgreichen
Schadensersatzforderungen der heute schon in dem “Geschäft” tätigen
Wettbetreiber führen könnten.
Sein Fazit: Die Ländermehrheit in der
Bundesrepublik hat mit dem neuen Glücksspielrecht “auf das richtige
Pferd gesetzt”, das wohl auch vor den Gerichten in Karlsruhe und
Luxemburg Bestand haben dürfte. Die darin enthaltenden
Restriktionen sind mit den europäischen Freiheiten vereinbar. Der
schleswig-holsteinische Sonderweg dagegen sei ein Irrweg, für den
die anderen Ländern ihren norddeutschen Kollegen die Rechnung
präsentieren sollten.
Aus der Hand von Rektor Dr. Wieland konnte Dr.
Windoffer sodann die Habilitationsurkunde entgegennehmen - redlich
erarbeitet und nicht am Spieltisch gewonnen... Foto:
Kienipress
12.01.2012
Widerstand - Bürgerrecht oder Bürgerpflicht?
13. Demokratie-Tagung an der DHV mit
spektakulären Gästen
von Gerhard Cantzler
In Brüssel, Paris und Berlin feierten sich die
Politiker noch ob der vermeintlichen EURO-Rettung und auf dem
Börsenparkett in Frankfurt gingen die Kurse “durch die Decke”, da
standen EURO und Europapolitik in der Deutschen Hochschule für
Verwaltungswissenschaften in Speyer (DHV) schon wieder im
Kreuzfeuer heftiger Kritik. Anlass: Die 13. Demokratietagung, in
diesem Jahr ganz dem Thema “Widerstand” gewidmet. Und auch in
diesem Jahr war es dem Leiter dieser Tagung, dem bekannten
Parteien-Kritiker Prof. Dr. Hans-Herbert von Arnim wieder gelungen,
prominente Referenten nach Speyer zu gewinnen, Referenten - die ob
ihrer Meinungen abseits des politischen Mainstreams immer wieder in
die öffentliche Diskussion geraten.
Demokratiedefizite in
der Welt provozieren zunehmend Widerstand
In seinem Eingangsreferat wies Prof. von Arnim
darauf hin, dass sich schon seit geraumer Zeit an vielen Stellen in
der Welt bürgerschaftlicher Widerstand rege: In den Staaten
Nordafrikas zunächst, in Israel und jetzt auch in den USA mit der
Bewegung “Occupy Wall Street”, aus der sich in Deutschland zuletzt
“Occupy Frankfurt” abgeleitet habe. Bei den beiden letztgenannten
gehe es nur vordergründig um Widerstand gegen die Ausweitung von
Rettungsschirmen - in Wirklichkeit gehe es aber den Bürgern um ihr
Unbehagen über eine hinter der Euro-Krise stehenden Rechts- und
Verfassungskrise.
Diese habe ihre Ursache bereits in der Tatsache,
dass Deutschland nach dem Krieg nie zu seiner “Volkssouveränität”
gefunden habe. Das Grundgesetz sei damals unter dem Druck der
Besatzungsmächte und ohne die Mitwirkung der Bürger eingeführt
worden. Eine eigene Verfassung sei den Deutschen im Grundgesetz
erst mit der Verwirklichung der deutschen Einheit in Aussicht
gestellt worden. “Doch diese bis heute fehlende Legitimierung wurde
nie nachgeholt - auch nicht in Verbindung mit der deutschen Einheit
1989/90", betonte der Professor. Statt dessen sei diese
Souveränität auf die politischen Parteien übergegangen. Diese
kritisierte er hart, weil sie eine Form von “Modernem Absolutismus”
errichtet hätten, in dem “die politische Klasse ihr Macht dazu
benutze, um ihre eigene Macht abzusichern”. Zwar seien die
Politiker an Gesetze gebunden - doch was nütze dies, wenn sie die
Gesetze selbst machten.
Von Arnim kritisierte auch das deutsche Wahlrecht,
in dem der Wähler nicht einzelne Kandidaten, sondern nur Vertreter
aus den von den Parteien erstellten Blöcken auswählen könne. Im
Zusammenhang mit der Europawahl habe er deshalb eine
Verfassungsklage eingereicht, über die am 8. November entschieden
werden solle.
Parteien auf dem Weg zu Staatsparteien
Ein anderes, erhebliches Problem sieht von Arnim
auch in der Parteienfinanzierung, die er in der gegenwärtigen Form
schon seit langem geißelt. So flössen den Parteien auf direkten und
indirekten Wegen riesigen Summen zu - allein 400 Millionen Euro zur
Bezahlung von persönlichen Mitarbeitern der Abgeordneten, über 300
Millionen über die Parteienstiftungen. “Diese Aufwendungen haben
sich in den letzten 50 Jahren um das 450fache vermehrt”, stellte
der Professor fest. Möglich geworden sei dies nur, weil sich die
Parteien über die Parlamente diese Summen selbst genehmigten.
“Selbst die Kontrolle durch die Rechnungshöfe verstehen die
Parteien trickreich zu umgehen”, stellte der Professor fest, der
befürchtet, dass dadurch die Parteien immer mehr zu Staatsparteien
würden. “Die Politik wird dem Volk von oben aufoktroyiert -
Demokratie von unten nach oben findet nicht mehr statt”.
Schließlich kritisierte von Arnim, dass es bis
heute noch keinen Straftatbestand der Korruption von Politikern
gebe - “wer einen Politiker zu bestechen versucht, riskiert
allenfalls, dass dieser ihn aus seinem Büro wirft...”
Deshalb sei Widerstand nicht nur ein Mittel zur
Beseitigung von Tyrannei - auch in unserem System gebe es
Ungerechtigkeiten, gegen die Widerstand zulässig und geboten sei.
Allerdings gelte in der Demokratie auch beim Widerstand der
Grundsatz der Gewaltfreiheit:
Eurokrise auch
Ausdruck der Politikkrise
Mit Prof. Hans-Olaf Henkel, früherer Präsident des
BDI, betrat danach ein Referent die “Arena”, der sich selbst dazu
bekannte, vom Saulus zum Paulus geworden zu sein. Er sei bei der
Einführung des Euro ein entschiedener Befürworter der neuen,
einheitlichen Währung gewesen - obwohl diese Haltung damals nicht
unbedingt mehrheitsfähig gewesen sei - auch nicht bei den
Mitgliedern des damals von ihm geführten Industrieverbandes. Heute
spreche er sich dafür aus, dass Deutschland, Österreich, die
Niederlande und Finnland aus der Euro-Zone austreten sollten, um
einen eigenen Währungsverbund zu gründen. Der Grund: Die im
Maastricht-Vertrag festgelegten Stabilitätskriterien - zuallererst
die dreiprozentige Neuverschuldungs-Obergrenze - seien inzwischen
über hundert Mal gebrochen worden. “Die griechische Regierung hätte
sich nie derart verschulden können, wenn sie nicht auf deutsche
Zinssätze hätte zugreifen können”, betonte Henkel. Wohin das führe,
hätte man spätestens daran erkennen müssen, dass Großbritannien den
Euro gegenüber dem Pfund Schritt für Schritt immer weiter
abgewertet habe. “Nach Griechenland ist jetzt Italien an der
Reihe”, prophezeite Henkel, “und als nächstes kommt dann Frankreich
dran”. Deshalb müßten Tabus in Europa aufgebrochen werden - “und
das Festhalten am Einheits-Euro ist so ein Tabu”.
Transfer-Union - Weg zur “organisierten
Verantwortungslosigkeit”
Viele Oekonomen und namhafte
Wirtschafts-Journalisten hätten inzwischen zu den gleichen
Schlussfolgerungen gefunden wie er, stellte Henkel fest - “Wir
müssen einen Weg aus dem organisierten Finanz-Chaos in Europa
finden” - und diesen sieht der in Mannheim lehrende Professor in
einem in einen Nord- und einen Süd-Euro geteilten Euro-Raum.
Andernfalls werde aus der Eurozone eine Transferunion, vergleichbar
dem Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland. Diesen
bezeichnete Henkel als die “organisierte Verantwortungslosigkeit”.
“Wenn Herr Seehofer einen Euro einspart, dann muss er davon 97 Cent
in den Finanzausgleich abgeben. Wenn Bremen einen Euro mehr
Schulden macht, bekommt es dazu 97 Cent von den “Geberländern”. So
gebe es in Berlin kostenlose Kindergarten- und Studienplätze, die
dann von Hessen und Baden-Württemberg finanziert werden müßten.
Nach diesem System müßten die deutschen Geberländer bei einem
weiteren Marsch in die europäische Transferunion dann nicht allein
die 13 deutschen Nehmerländer, sondern auch zahlreiche
“notleidende” Mitglieder der Eurozone retten. “Dabei retten die
deutschen Steuerzahler mit dem Rettungsschutzschirm nicht
Griechenland, sondern in Wahrheit die französischen Banken”, so
Henkel. Es sei eine Utopie anzunehmen, dass es überhaupt möglich
sei, Griechenland zu entschulden.
Sein Vorschlag sei deshalb die Begründung einer
neuen Euro-Währung mit den vorgenannten Mitgliedern, die ihre
Geldpolitik von einer eigenständigen Zentralbank nach den Regeln
von Maastricht organisieren lassen. Diese Union, die Henkel als
“echte Stabilitäts-Union” bezeichnete, könne dann ihren Euro
gegenüber dem Süd-Euro abwerten. Das könne zwar kurzfristige
Auswirkungen auf den deutschen Export haben, würde aber nach
Henkels Überzeugung zu keinen längerfristigen Schwierigkeiten
führen.
Unter diesem Aspekt, so Hans-Olaf Henkel, halte er
auch die These “Scheitert der Euro, dann scheitert auch Europa” für
grundfalsch und unverantwortlich. Innerhalb der Eurozone tue sich
schon jetzt ein immer breiterer Graben zwischen Geber- und
Nehmer-Ländern auf. Wohin das führe, werde auch an der Tatsache
deutlich, dass von den noch zehn EU-Ländern, die nicht der Eurozone
angehörten, heute nur noch eines - Rumänien - die Mitgliedschaft im
Euroraum anstrebe. Die ursprüngliche Idee, dass die Eurozone im
Endzustand deckungsgleich mit der EU würde, sei so nicht mehr zu
verwirklichen - im Gegenteil: In Großbritannien gebe es eine
wachsende Tendenz, sogar wieder aus der EU “auszusteigen”.
Deshalb plädiere er für ein oekonomisch getrennt
marschierendes Europa - denn “ein Ende mit Schrecken ist allemal
besser als ein Schrecken ohne Ende”.
Gabriele Pauli:
Erfahrungsbericht über Umgang mit politischem Establishment
Mit großen Erwartungen sahen die Teilnehmer der
Tagung auch dem Referat der früheren Fürther Landrätin und
bayerischen Landtagsabgeordneten Dr. Gabriele Pauli entgegen. Sie
schilderte in ihren mit “Götterdämmerung in Bayern? Der Sturz eines
Ministerpräsidenten und Blockaden politischer Reformen”
überschriebenen Ausführungen ihre persönlichen Erfahrungen im
Umgang mit einem etablierten politischen System. Wer sich hier
allerdings mehr erwartet hatte als die Wiederholung der bereits von
Prof. von Arnim getroffenen Feststellung, dass es leichter sei, den
politischen Prozess durch Eintritt in eine Partei zu beeinflussen
als durch die Gründung einer neuen, sah sich enttäuscht. Gabriele
Pauli schilderte ihre leidvolle Irrfahrt von ihrer Mitgliedschaft
in den Führungsgremien der CSU über die Freien Wähler in Bayern bis
hin zu der von ihr selbst gegründeten “Freien Union” und ihre
heutige Parteilosigkeit. Frau Pauli konnte aber kaum Beiträge dazu
anbieten, wie die von ihr beklagte Entwicklung grundsätzlich
verändert werden könnte.
Thilo Sarrazin:
Gegen Denkverbote und Tabus
Anders dagegen der letzte - ob seiner umstrittenen
Thesen in seinem jüngsten Buch “Deutschland schafft sich ab” -
heftig in die Diskussion geratene Referent Dr. Thilo Sarrazin,
zuletzt Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank. Er
kündigte gleich zu Beginn seiner Ausführungen an, dass es ihm an
diesem Tag nicht um die Inhalte seines Buches gehe, sondern darum,
wie die veröffentlichte Meinung damit umgegangen sei. Dies sei
nämlich ein Schulbeispiel für die Macht, die sich die Medien in
unserer Gesellschaft angeeignet hätten.
Wenn nämlich in manchen Medien gefordert worden
sei, sein Buch zu verbieten und ihn selbst - wie einst in der
Sowjetunion üblich - in eine Irrenanstalt zu stecken, dann müsse er
dem entgegenhalten, dass die Freiheit des Denkens grundsätzlich auf
Mitteilung angelegt sei. “Eine Gesellschaft, die ein Übermaß an
Denkverboten praktiziert, behindert ihre eigene Entwicklung”,
zeigte sich Sarrazin überzeugt - “was man nicht kennt, kann man
auch nicht überwinden”. Die Kodifizierung von Meinungen setze zudem
stets die Inanspruchnahme dieser Meinungsfreiheit voraus. “Denken
ist Macht”, rief der streitbare Ex-Banker aus, “und wo um Macht
gerungen wird, wird immer auch um den Umfang der Beeinträchtigung
von Meinungsfreiheit gerungen”.
Am unabhängigsten, so der Referent, sei der Mensch
dort, wo er selbst Experte sei. In allen anderen Bereichen versuche
er sich zumeist der Mehrheitsmeinung anzuschließen.
Seien früher die “Sinnvermittler” Theologen und
Philosophen gewesen, so seien dies heute die Medien-Schaffenden.
Diese hätten aber meist keinen “anständigen” Brotberuf erlernt und
beschränkten sich statt dessen darauf, “Experten für Kritik” zu
sein. Aus Mangel an eigenem Expertenwissens richteten sie dann aber
ihre Meinung oft allzu gerne an der Meinung anderer Medien aus.
Auch die Politik habe sich deshalb angewöhnt,
zunächst auf die veröffentlichte Meinung zu blicken - erst danach
auf die Meinung der Bürger. “Politik und Journalisten verbindet
auch der Umstand, dass sie wenig lesen”, kritisierte Sarrazin,”
über siebzig Prozent derer, die mein Buch kritisiert haben, haben
es nie gelesen - oft nicht einmal durchgeblättert. Die Fehler, die
sie durch Unkenntnis der tatsächlichen Inhalte machen, pflanzen
sich dann von einem Kritiker zum anderen fort” - Kritiken zu seinem
Buch, so stellte er fest, seien bereits gedruckt gewesen, noch ehe
das Buch überhaupt ausgeliefert worden war.
Tabuisierung als Ursache für
Wutbürgertum
Bei der Betrachtung der Reaktionen, die sein Buch
ausgelöst habe, sei ihm bewusst geworden, dass sich, je länger die
Tabuisierung eines Themas anhalte, der Druck auf die
Unterströmungen wachse, die dann um so heftiger ausbrächen, wenn
jemand dieses Thema öffentlich anspreche. Die Diskussion um die
Schulreform in Hamburg und die Vorgänge um Stuttgart 21 seien nur
zwei Beispiele für unzureichende Befassung der Bürger von Anfang
an. Aus solchen Vorgängen - so Sarrazin - sei der Begriff von dem
“Wutbürger” entstanden - allerdings auch aus Wut darüber, dass sich
die Bürger überhaupt zu Wort meldeten. Die Empörung auf die
“Wutbürger” werde dann um so heftiger, je mehr es die öffentliche
Meinung mit nicht widerlegbaren Fakten zu tun habe. Früher habe in
solchen Fällen die Inquisition und der Scheiterhaufen gedroht -
heute, seit dem Terror des Stalinismus, drohe den Bürgern das
“Irrenhaus”.
“Political correctness” als Gefahr für die
Meinungsvielfalt
Die Agitation der Medienklasse führe letzten Endes
dazu, dass öffentlich verbreitete Meinungen - unabhängig von ihrem
Wahrheitsgehalt - zur “political correctness” erhoben würden. “Und
wer sich dieser Meinung widersetzt, dem wird unterstellt, er habe
die Grenzen des durch die “correctness” definierten “Anstandes”
bereits überschritten”. Viele Menschen scheuten sich deshalb
inzwischen, ihre Meinung zu sagen, wenn diese nicht dem
vermeintlichen Konsens entspricht.”Wer die Welt nur noch durch die
Brille der ‘political correctness’ sieht, der blendet dadurch
entscheidende Blickwinkel aus”, betonte Thilo Sarrazin, der
abschließend warnte, dass die Meinungsfreiheit dort, wo sie nicht
genutzt werde, “den Pfad für zukünftige Meinungsfreiheit schmaler
mache”. - “Meinungsfreiheit ist wie ein Muskel, der sich
zurückbildet, wenn er nicht genutzt und beansprucht wird”, schloß
Thilo Sarrazin seine viel beachteten Ausführungen. (Lesen Sie dazu
die kompletten Ausführungen Thilo Sarrazins in “M.M. Warburg
“Beobachtungen zur Zeit” - Essay Nr. 12 “Tabubruch
Meinungsfreiheit”) .
Kirchenpräsident i.R.
Cherdron: Christen nur für gewaltfreien Widerstand
Einen ganz anderen Blickwinkel zum Thema
“Widerstand” beleuchtete der frühere Kirchenpräsident der
Protestantischen Landeskirche der Pfalz, Eberhard Cherdron.
Ausgehend von dem Wort des Apostels Paulus “Seid untertan der
Obrigkeit” schlug er einen weiten Bogen von Martin Luther bis zu
dem wesentlich von den Kirchen inspirierten Widerstand der Bürger
gegen das SED-Regime. Dabei vergaß er auch nicht die Rolle Speyers
für die Protestation auf dem Reichstag von 1529 herauszuheben.
Widerstand - auch eine Sache des ‘genius loci’? Jedenfalls legte
auch Cherdron Wert auf die Festellung, dass Widerstand nach
christlichem Verständnis stets gewaltfrei erfolgen müsse. Foto:
Kienipress
02.11.2011
Auszeichnung für Professor Reinermann
Prof. Dr. Heinrich Reinermann
Auf der größten Informatikkonferenz im deutschsprachigen Raum,
der INFORMATIK 2011, in Berlin hat die Gesellschaft für Informatik
e.V. (GI) am 5. Oktober 2011 vier verdiente Persönlichkeiten aus
der Informatikszene zu "GI-Fellows" ernannt, darunter Prof. Dr.
Heinrich Reinermann, Deutsche Hochschule für
Verwaltungswissenschaften Speyer. Die Gesellschaft zeichnet
Personen als Fellows aus, die sich in herausragender Weise um die
GI und die Informatik verdient gemacht haben. Mit Heinrich
Reinermann ehrte die GI einen engagierten Wissenschaftler und
Vordenker auf dem Gebiet des E-Government.. Er gilt als Nestor und
Gründer der Speyerer Verwaltungsinformatik. In Speyer bot Heinrich
Reinermann Fortbildungsseminare für Beamte und Angestellte des
öffentlichen Dienstes an, um diesen die Chancen der neuen Büro- und
Informationstechnik nahe zu bringen, und schlug so eine Brücke
zwischen Verwaltungswissenschaften und Informatik.
In der GI hat sich Heinrich Reinermann als Sprecher des
Fachbereichs "Informatik in Recht und Öffentlicher Verwaltung"
engagiert und dort im Jahr 2000 das Memorandum „Neue Chancen für
eine virtuelle Verwaltung“ mitverfasst, das der öffentlichen
Verwaltung einen grundlegenden Modernisierungsschub gegeben hat.
Presse DHv Speyer
13.10.2011
Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland neuer Rektor der DHV Speyer
Seit dem ersten Oktober 2011 hat die DHV Speyer einen
neuen Rektor. Der bisherige Prorektor, Univ.-Prof. Dr. Joachim
Wieland war am 25. Juli 2011 vom Senat der Hochschule als
Nachfolger von Univ.-Prof. Dr. Stefan Fisch gewählt worden, der das
Amt zwei Jahre lang inne hatte.
Der 1951 geborene
Wieland studierte in Bielefeld und Cambridge Rechtswissenschaft.
Erste wissenschaftliche Erfahrungen sammelte er nach seinem
Staatsexamen altarbeiter von Univ.-Prof. Dr. Dr. E.-W. Böckenförde
an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Hier
promovierte er 1984 mit einer Arbeit über das Thema "Die Freiheit
des Rundfunks". Anschließend sammelte er von 1984 bis 1988 als
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht wichtige
Erfahrungen am höchsten deutschen Gericht, bevor er als
wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Prof. Dr. Alexander
Hollerbach, Seminar für Rechtsphilosophie und Kirchenrecht, an die
Universität Freiburg im Breisgau zurückkehrte. In Freiburg wurde
ihm 1989 Venia Legendi für Öffentliches Recht einschließlich
Finanz- und Steuerrecht, Rechtsvergleichung verliehen. Thema seiner
seiner Habilitationsschrift waren „Die Konzessionsabgaben“. In der
Folgezeit nahm Wieland Lehrstuhlvertretungen an der Westfälischen
Wilhelms-Universität Münster und an der Universität Bielefeld war,
bis er 1991 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht,
Finanz- und Steuerrecht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der
Universität Bielefeld annahm. 1996 bis 1998 war er Prorektor für
Personal und Finanzen dieser Universität gehörte. 2001 übernahm
Wieland den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und
Steuerrecht, Fachbereich Rechtswissenschaft an der Johann Wolfgang
Goethe-Universität in Frankfurt, wo ihn schließlich 2007 der Ruf
auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht
der DHV Speyer erreichte, wo er sich außer in Lehre, Forschung und
Weiterbildung auch als stellvertretender Direktor der Bibliothek
und seit 2010 auch als Prorektor in die Selbstverwaltung der
Hochschule einbrachte.
Wielands Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in den
Bereichen Verfassungsrecht, Finanzverfassungsrecht, Steuerrecht und
Öffentliches Wirtschaftsrecht. Ein sehr umfangreiches
Publikationsverzeichnis weist ihn in diesen Bereichen als äußerst
renommierten Wissenschaftler aus. Wichtige Publikationen widmete
Wieland der kommunalen Aufgabenträgerschaft nach dem
Grundsicherungsgesetz, der Aufgabenzuständigkeit und
Finanzierungsverantwortung verbesserter Kinderbetreuung und dem
Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen gegenüber
Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung im nationalen und
europäischen Recht.
Seine umfangreichen Kenntnisse konnte Wieland bislang in
zahlreichen verantwortungsvollen Funktionen einbringen. So ist bzw.
war er Mitglied des nordrhein-westfälischen
Verfassungsgerichtshofs, der Gemeindefinanzreformkommission des
Bundes, der Enquetekommission Kommunen des Landtags
Rheinland-Pfalz, der Gemeinsamen Kommission von Bundestag und
Bundesrat zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung und der
Enquetekommission Verfassungsreform des Hessischen Landtags.
Wieland wirkte als Sachverständiger für die Kommission zur
Modernisierung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen und nahm
Prozessvertretungen des Bundespräsidenten, des Bundestags, der
Bundesregierung, von Landesregierungen und Kommunen vor dem
Bundesverfassungsgericht, dem Bundesverwaltungsgericht und
verschiedenen Landesverfassungsgerichten wahr.
Presseinformation der DHV Speyer
04.10.2011
Wissenschaftspreis der Johann Joachim Becher-Stiftung Speyer
Mobilität mit Intelligenz - Ergebnisse des J. J. Preises
publiziert
Die Johann Joachim Becher-Stiftung Speyer verleiht in
regelmäßigen Zeitabständen Wissenschaftspreise, die thematisch an
das Wirken des Speyerer Universalwissenschaftlers Johann Joachim
Becher (1635 – 1684) anknüpfen und auch heute noch von Bedeutung
sind. Nach der „Relevanz merkantilistischen Gedankenguts in einer
globalisierten Welt“ (2000), „Technik und Gesellschaft“ (2003),
„Medizin zwischen Machbarkeit, Sinnhaftigkeit und Bezahlbarkeit“
(2005) und „Chemie zwischen Hoffnung und Skepsis“ (2007) war die
Auslobung des jüngsten Wissenschaftspreises dem Themenbereich
„Transport und Logistik“ (2009) gewidmet. J. J. Becher hat hierzu
seinerzeit kühne Vorstellungen entwickelt, u.a. zu
Rhein-Main-Donau-Kanal, Suez-Kanal und Panama-Kanal. Anderseits
sind mittlerweile Raum und Zeit dem Transport von Personen,
Materie, Energie und Information immer weniger Grenzen gesetzt. Man
spricht gar vom „Tod der Distanz“. Diese Entwicklung hat uns
einerseits offensichtliche Vorteile beschert. In jüngerer Zeit
zeigen sich andererseits gleichwohl neue Grenzen für Verkehr und
Logistik. Unsere Sorge gilt dem Verbrauch der Energieressourcen,
den wachsenden Schadstoffemissionen oder dem Landschaftsverbrauch
für Verkehrseinrichtungen. Die Lebensqualität ist durch
Verkehrslärm, Hektik und Unfallfolgen gefährdet. Der Trend zur
Urbanisierung verschärft die Problematik.
Die Ergebnisse dieser jüngsten Auslobung der J. J.
Becher-Stiftung liegen jetzt mit dem Band „Mobilität mit
Intelligenz, Strategien für die Bewältigung der logistischen
Herausforderungen der Zukunft“ vor. Er ist im Nomos-Verlag
Baden-Baden erschienen (ISBN 978-3-8329-6562-4) und wurde von Prof.
em. Dr. Heinrich Reinermann von der Deutschen Hochschule für
Verwaltungswissenschaften Speyer herausgegeben. Strategien für die
Bewältigung der logistischen Herausforderungen werden darin
entwickelt von Professor Dipl.-Ing. Albert Speer, Frankfurt am
Main, für die Raumnutzung in der Stadt der Zukunft; Dr Hartwig
Haase, Universität Magdeburg, für Modulare Mobilität in urbanen
Ballungsräumen; Dr. Timo Bertocchi, Rhein-Main-Service GmbH
Frankfurt am Main, für öffentlichen Personennahverkehr in der
Region; und Becher-Preisträger Dr. Stefan Walther, Daimler AG
Stuttgart-Untertürkheim, für den großräumigen Gütertransport in
Europa.
02.08.2011
Interkultureller Dialog künftiger Verwaltungsexperten
15. Deutsch-französischer Studientag an der DHV
in Speyer
Gut 150
Studierende der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften
DHV und ihrer französischen Partnereinrichtung, der école nationale
d’administration ENA in Straßburg trafen sich jetzt zum inzwischen
schon traditionellen, gemeinsamen Studientag, dem 15. seiner Art,
in Speyer. Gemeinsam mit hochrangigen Experten aus beiden Ländern
sollten die Studenten aus beiden Hochschulen an diesem Tag
Gelegenheit erhalten, aktuelle europapolitische Themen zu
analysieren und in einem interkulturellen Vergleich die
unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Lösung der gestellten
Aufgaben kennen zu lernen. Dabei erwies es sich rasch, dass
Franzosen und Deutsche aufgrund ihrer unterschiedlichen
verwaltungsrechtlichen Traditionen und verfassungsrechtlichen
Strukturen - in Frankreich im wesentlichen zentralistisch, in
Deutschland geprägt von einem föderalistischen System - auch schon
als Studenten einen unterschiedlichen “approach” bevorzugen - so
wie sie ihn später auch im beruflichen Alltag als
verwaltungswissenschaftliche Elite ihrer Länder werden praktizieren
müssen.
Dass die Eingangsdiskussion über die Mechanismen
zur Stabilisierung der Europäischen Währungsunion ausgerechnet auf
den Tag fiel, an dem im griechischen Parlament in Athen die
Entscheidung über ein notwendiges Sparpaket und damit indirekt über
die Freigabe weiterer Rettungsmilliarden für Griechenland anstand,
war sicher Zufall; es unterstrich aber zugleich die Nähe der Lehre
an beiden Hochschulen zu den Realitäten europäischer
Währungspolitik, wie sie sich kaum dramatischer als an diesem Tag
offenbaren konnte
Von daher war es für die Teilnehmer an diesem
Studientag sicher ein mehr als glücklicher Umstand, mit den drei
Referenten zu diesem Themenkomplex, Gabriel Glöckler von der
Generaldirektion “Internationale und Europäische Beziehungen” der
Europäischen Zentralbank in Frankfurt, dem renommierten
französischen Oekonomen Jacques Delpla, Mitglied des Conseil
d’Analyse Economique und dem Mitglied in der Finanzwirtschaftlichen
Grundsatzgruppe des Rheinland-Pfälzischen Finanzministeriums,
Andreas Metz, drei Fachleuten zu begegnen, die aus ihren
verschiedenen Betroffenheiten unterschiedliche Sichtweisen auf ein
insgesamt hochkomplexes Thema vermitteln konnten.
Aktuelle und
durchaus spannende Themen wurden auch in neun Arbeitsgruppen am
Nachmittag des Studientages bearbeitet: Das reichte von Fragen “der
Beschäftigung von Personal aus Drittstaaten in der Rheinschiffahrt”
über die Ausarbeitung einer “Empfehlung des Europarates zur
Ausübung der Religionsfreiheit” bis hin zu Fragen der europäischen
Sicherheitspolitik und der Zukunft der Kernenergie in beiden
Ländern. Besonders spannend auch die Simulation einer Sitzung des
Direktoriums der Oberrheinkonferenz sowie einer Tagung eines
deutsch-französischen Ministerrates.
Die Studierenden brachten sich durchweg mit großem
Ernst und viel Engagement in ihre jeweiligen Diskussionsrunden ein.
Das bestätigten auch die beiden Leiter der Tagung, Prof. Dr.
Karl-Peter Sommermann für die DHV in Speyer und seine französische
Kollegin Francoise Camet von der ENA in Straßburg. Dies zeigte sich
aber auch bei den Abschlussrunden, in denen die Sprecher der
Arbeitsgruppen mit viel Geschick und guten Argumenten ihre
gewonnenen Erkenntnisse zu verteidigen wussten.
Einmal mehr ein deutsch-französischer Studientag,
der sich würdig in die Reihe der in den 80er Jahren von dem
früheren Speyerer Universitätsprofessor Dr. Heinrich Siedentopf ins
Leben gerufenen Tagungen einfügte und der deutlich werden ließ,
welche Potentiale im “Nachwuchs” beider Hochschulen schlummern.
Noch eine Anmerkung zum Schluss: Wer sich noch an
Studientage früherer Jahre erinnert, dem wird aufgefallen sein,
dass die Mehrzahl der Gesprächsrunden in diesem Jahr in englischer
Sprache geführt werden mußten. Das war früher einmal anders: Da
waren für alle Teilnehmer Diskussionen auf höchstem Niveau in den
beiden Sprachen, in Französisch und Deutsch möglich. Heute jedoch
ist - insbesondere wohl auf der französischen Seite - das Interesse
an der anderen Sprache - also Deutsch - offensichtlich derart im
Schwinden begriffen, dass man sich auch im Grenzland zwischen den
befreundeten Ländern Frankreich und Deutschland nur noch in einer
Sprache austauschen kann: In Englisch.
Das ist eigentlich Schade - und sollte für die
Schulpolitiker auf beiden Seiten sicher Grund zur Nachdenklichkeit
sein. Gerhard Cantzler/ Alle Fotos: sim
30.06.2011
IASIA-Ehrung für zwei DHV Professoren
Prof. Dr. Dr. Klaus König
Dr. Dr. Klaus König und Dr. Heinrich Reinermann, beide
emeritierte Universitätsprofessoren an der Deutschen Hochschule für
Verwaltungswissenschaften Speyer, wurde in Rom eine besondere
Ehrung zuteil.
Die International Association of Schools and Institutes of
Administration (IASIA), eine Tochter des Internationalen Instituts
für Verwaltungswissenschaften Brüssel, zeichnete sie für ihren
herausragenden, engagierten und langjährigen Einsatz aus; sie
hätten damit die Ziele und Handlungsprogramme IASIAs maßgeblich
mitgeformt.
Anlass für diese
Ehrung war der 50. Geburtstag von IASIA, der mit einer von der
italienischen Regierung sowie der Wirtschaftswissenschaftlichen
Fakultät der Universität Roma Tre vom 13.bis 18. Juni 2011
veranstalteten Konferenz "IASIA at 50: Challenges and Ways Foreward
for Public Administration Globally" feierlich begangen wurde.
Die Ehrungen wurden von Valeria Termini, Präsidentin von IASIA
und Professorin an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der
Universität Roma Tre, sowie von Gianni Letta, ranghöchster
Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der Republik Italien,
vorgenommen. Die beiden auf die Deutsche Hochschule für
Verwaltungswissenschaften Speyer entfallenden Auszeichnungen nahm
Heinrich Reinermann entgegen. Dr. Klauspeter Strohm, M.A.
Referent für Information und Kommunikation DHV
28.06.2011
Prof. Dr. Mario Martini hält Antrittsvorlesung
Prof. Dr. Martini mit DHV Rektor Prof. Dr. Stefan Fisch
Nachdem er bereits im April 2010 seinen Lehrstuhl
für Verwaltungswissenschaft an der Deutschen Hochschule für
Verwaltungswissenschaften in Speyer angetreten hatte, konnte sich
Univ.-Prof. Dr. Mario Martini jetzt mit seiner Antrittsvorlesung
auch der gesamten akademischen Gemeinschaft an der Hochschule
vorstellen. Prof. Dr. Martini, der mit seinem Amtsantritt den
Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaften, Staats-, Verwaltungs- und
Europarecht des emeritierten Univ.-Prof. Dr. Dr. hc. Rainer Pitchas
übernommen hat, stellte diese akademische Veranstaltung unter das
Thema “Wie viel Gleichheit braucht das Internet? - Netzneutralität
als Stellschraube für die Zukunft des Internets”.
Prof. Martini wollte mit dieser Vorlesung einen
Beitrag zu der Suche nach rechtsstaatlichen Lösungen für die
Verkehrssteuerung im Internet vorlegen. Dieser Verkehrssteuerung
komme in dem Maße, in dem das Internet das gesellschaftliche und
wirtschaftliche Leben verändere, eine zunehmende Bedeutung zu,
betonte Martini in seinem Vortrag. Die Zunahme des
Datenverkehrsaufkommens und neue technische Entwicklungen machten
zudem eine Diskussion darüber erforderlich, wie die Verkehrsregeln
des Internets in der Zukunft konzipiert werden sollten. Hierfür
gelte es allerdings schon heute, die Weichen zu stellen.
Prof. Dr. Martini, der nach Abitur und
Grundwehrdienst Rechtswissenschaften an der
Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz studierte, promovierte 1998
- ebenfalls in Mainz - über “Integrierte Regelungsansätze im Recht
der immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen” und
absolvierte im Anschluss daran sein zweites Juristisches
Staatsexamen.
Nach der Übernahme einer Stelle als
Wissenschaftlicher Assistent an der Buccerius Law School in Hamburg
habilitierte er sich 2006 mit einer Schrift über den “Markt als
Instrument der hoheitlichen Verteilungslenkung”.
2007 übernahm Prof. Martini die Vertretung des
Lehrstuhls für Verwaltungsrecht an der DHV - Prof. Dr. Dr. hc.
Heinrich Siedentopf, ehe er 2008 auf eine Professur für Staats-und
Verwaltungsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität nach München
berufen wurde. Dort erreichte ihn dann im Frühjahr 2010 der Ruf auf
die Professur in Speyer. cr./Foto: sim
10.06.2011
Prof. Max Dudler gibt Einblick in zeitgemässe Architektur von Bibliotheken
Semestereröffnung in der DHV in Speyer
von Gerhard Cantzler
Demut vor der Geschichte,
Orientierung am Bestehenden ,
Sensibilität für das Berührbare -
so möchte man mit
kurzen Strichen das Selbstverständnis von Architektur umschreiben,
zu dem sich der Architekt und Planer der neuen Hochschulbibliothek
bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in
Speyer, Prof. Max Dudler, bei seinem Festvortrag aus Anlass der
Semestereröffnung bekannte.
So öffnete er gleich zu Beginn seines Vortrages - sicher auch
für manch einen der zahlreichen Besucher überraschend - eine
gänzlich neue Perspektive auf die Situation des inzwischen fast
fünfzig Jahre alten Gebäudes der Speyerer Hochschule, als er ihren
Blick aus dem Vortragssaal, der Aula, in das begrünte Atrium, den
Innenhof, lenkte und diesen Blick mit einem Gemälde verglich -
eingerahmt durch die Fensterrahmen - ein Gesamtkunstwerk von
bleibender Aussagekraft, dessen Schöpfer, Sepp Ruf, Dudler auch
heute noch seine uneingeschränkte Reverenz erweist. Das gilt auch
für die damals hier verbauten Materialien, die bis heute ihre
zeitlose Wertigkeit nicht verloren hätten und die für Dudler
durchaus vorbildlich sind.
Mit diesen Feststellungen charakterisierte Max Dudler zugleich
sein eigenes Verhältnis zum Material “ich bin ein gelernter
Steinmetz und komme aus einer alten Steinmetz-Familie” - da hat man
als Architekt das Gefühl für das Material in den Händen und im
Herzen.
In zahlreichen mit Fotographien dokumentierten Beispielen zeigte
Prof. Dudler dann auf, wie sehr sich seine Entwürfe stets am
jeweiligen städtischen Umfeld orientieren. Damit erteilte er
allen Konzepten eine Absage, die Architektur zur Schaffung von
Gegenwelten zur bestehender Bebauung gebrauchten.
Besonders deutlich wurde dies am Beispiel der Diözesanbibliothek in
Münster, die in dem überaus sensiblen Umfeld des Domes errichtet
wurde und bei der Prof. Dudler bis hin zur Auswahl der verbauten
Materialen mit großer Eindringlichkeit auf die Erfordernisse der
Umgebung reagierte. “Das ausgewählte Material ist so, dass es sich
in wenigen Jahrzehnten an den Dom anpasst”, unterstrich der
Professor.
Ein anderes
Beispiel außergewöhnlicher Architektur und Materialauswahl stellte
er an der Bibliothek der Folkwang-Hochschule in Essen vor, wo er
zum ersten Mal mit transluzentem Steinglas ein völlig neuartiges
Material einsetzte.
Und dann die neue Bibliothek der Humboldt-Universität in Berlin,
das Jacob -und-Wilhelm-Grimm-Zentrum. Auch hier eine an den
Bauhausstil gemahnende, aber auch der Romanik zugewandte,
aufstrebende Pfeilerarchitektur, die den Blick zum Himmel
weitet.
Säulen auch bei dem Gebäude der Reutlinger Philharmonie und dem
Landesbehördenzentrum in Eberswalde - bei letzterem gleich 250
Stück - an einen antiken Tempel erinnernd.
Mit zahlreichen Bildern von alten Bibliotheken - überwiegend aus
der Renaissance - die er kontrastierte mit eigenen
Bibliotheks-Entwürfen - Max Dudler hat in den letzten Jahrzehnten
wohl an allen Wettbewerben zur Planung bedeutender Bibliotheken in
der Welt teilgenommen und sehr viele davon gewonnen (“ich baue
überall in der Welt, nur nicht in China oder in Dubai, denn die
haben ihre Geschichte verlassen und ganze historische Städte
abgerissen”) - konnte der Architekt seine Intentionen
eindrucksvoll unterstreichen. Er will dazu Zitate aus der
Renaissance in die Gegenwart transformieren, wie er betont.
Ein anderes Anliegen des Architekten, der bereits an vielen
Hochschulen der Welt als akademischer Lehrer gefragt war und der
jetzt als Professor und als Prodekan an der renommierten
Kunstakademie in Düsseldorf tätig ist, und der neben der Planung
vieler Wohn- und Zweckbauten immer wieder zur Architektur von
Bibliotheken zurückfindet, ist der Ausgleich zwischen den beiden
wichtigsten Anforderungen an eine Wissenschaftliche Bibliothek:
Einerseits die Möglichkeit, in absoluter Stille und
konzentriert arbeiten zu können - anderseits die
Notwendigkeit zur fachlichen (und privaten) Kommunikation. Seine
Antwort auf diese scheinbar unauflösbare Aufgabenstellung: Eine in
vielen seiner Entwürfe - auch in Speyer - verwirklichte Abtreppung
der Arbeitebenen, die die ständige optische Kommunikation im Raum
ermöglicht.
Ein ganz persönliches Anliegen Dudlers, der die Teilnehmer auch
mit seiner lockeren Art für sich einnahm - “Als Schweizer bin ich
gerne hier in der Pfalz. Hier geht man viel freundlicher mit den
Architekten um als zum Beispiel in Berlin - dort ist der Architekt
eher etwas exotisches...” - ist die Einbindung der Speyerer
Bibliothek in einen architektonischen Dreiklang mit dem
Heidelberger Schloss und dem Hambacher Schloss, der “Wiege der
deutschen Demokratie”. An beiden Objekten hat Dudler seine Ideen
für außergewöhnliche Ergänzungsbauten umsetzen können, auch da
wiederum mit größter Sensibilität für das Material und für die
Orientierung an der baulichen Umgebung. In Speyer ist die Suche
nach dieser historischen Orientierung besonders leicht: Es ist der
Dom, den aufzusuchen Max Dudler bei keinem seiner Besuche vergisst
- immer voll demütiger Bewunderung für die mittelalterliche
Baukunst.
Bleibt zuletzt nur, sich dem Professor voll inhaltlich
anzuschließen, wenn er zum Ende seiner Ausführungen in der
Hochschule seiner Hoffnung Ausdruck gibt, dass sein Entwurf für die
Speyerer Bibliothek möglichst bald in die Realisierung gehen
könne.
Zu Beginn des
Abends hatte der Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Stefan Fisch,
Zuhörer und Referenten dieses überaus ertragreichen Abends begrüßt
und zunächst die Lebensstationen von Prof. Dudler skizziert. Auf
die Bibliothek als “Ort der Wissenschaft” eingehend, verwies auch
er schon auf den Zielkonflikt zwischen “Stille und Raum für
Gespräche in der Bibliothek”, die Prof. Dudler in seinem Konzept
vorbildlich gelöst habe.
Zum Schluss der feierlichen Semestereröffnung konnte Prof. Dr.
Fisch dem Referenten auch für einen unterhaltsamen Abend danken und
einer seit langem bei dieser Gelegenheit geübten angenehmen Pflicht
nachkommen: Er konnte einer Doktorandin, der aus Speyer stammenden
Rechtswissenschaftlerin Dr. Marion Weschka, die
Promotionsurkunde überreichen. Sie hatte über ein derzeit sehr
aktuelles Thema rund um die Präimplantationsdiagnostik und die
Stammzellen-Forschung eine umfassende Einschätzung aus rechtlicher
Sicht vorgelegt und dafür mit “summa cum laude” bestanden.
Gratulation!
11.05.2011
Semestereröffnung an der Verwaltungshochschule
Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Stefan Fisch
Mit der Begrüßung von 340 Hörerinnen und Hörern wurden jetzt zum
Anfang des Sommersemesters 2011 zum wohl letzten Male Studierende
an der “Hochschule für Verwaltungswissenschaften” eingeführt, denn
voraussichtlich bereits in den nächsten Wochen wird die renommierte
Speyerer Hochschule in “Universität” umbenannt. Für die
Studierenden der verschiedenen Studiengänge der Hochschule - im
neuen Semester absolvieren 234 von ihnen ein Ergänzungsstudium und
werden bereits nach einem Semester Speyer wieder verlassen, während
sich 59 ein zwei Semester währendes Aufbaustudium zum Magister der
Verwaltungswissenschaften vorgenommen haben und 44 ein
Promotionsstudium aufnehmen - beginnen damit arbeitsreiche
Wochen, denn wie in jedem Jahr zeichnet sich das Sommersemester
durch seine besondere Kürze aus.
In seiner Willkommensrede bezeichnete der Rektor der Hochschule,
Prof. Dr. Stefan Fisch, das Studium in Speyer als einmalige Chance,
über den “Tellerrand” der eigenen Disziplinen hinaus zu schauen.
Das gelte auch für den fachlichen und persönlichen Austausch
zwischen Hörern der verschiedenen Bundesländern der Bundesrepublik
Deutschland. “Sie stellen ein Abbild der Bevölkerung in Deutschland
dar”, wandte sich der Rektor an die Studentenschaft, der auch auf
die Möglichkeit zur Begegnung mit Vertretern anderer Länder und
Kulturen verwies, “und das beste, Sie erhalten hier die Chance, auf
dem Campus intensiv miteinander zu leben”.
Dies erhoffen sich auch durchweg die Hörerinnen und Hörer von
ihrem Aufenthalt in Speyer. Für Christine Behm wird ihr Aufenthalt
in Speyer ohnedies ein eher kurzer sein. Sie will nach ihrem
Jurastudium in Mannheim ein Ergänzungssstudium absolvieren und wird
für dessen Dauer von Mannheim aus pendeln.
Das hat sich auch Marie Husunu vorgenommen, die als Referendarin
beim Landgericht Landau beschäftigt ist und in Speyer eine
interdisziplinäre Weiterbildung im Bereich der
Wirtschaftswissenschaften anstrebt.
Ähnlich ergeht es auch ihrem Kommilitonen Mischa Walter, der
nach seinem Studium der Politikwissenschaften nun in Speyer ein
Aufbaustudium in Wirtschaftswissenschaften absolvieren will.
Anders die ebenfalls aus Rheinland-Pfalz kommende Nicole Blinn,
die ebenso wie ihre aus Südkorea stammende Kommilitonin Justina Ree
in Speyer einen Doktorgrad anstreben: Nicole in Öffentlichem,
Justine in Allgemeinem Recht. Die beiden Doktorandinnen werden der
Domstadt wohl länger erhalten bleiben, ebenso wie Matthias
Leowardi, der nach einem sechs Semestern Politikwissenschaften in
Marburg nun in Speyer Wirtschaftswissenschaften studieren wird.
Für alle Studierende, die Speyer und die Speyerer kennen besser
kennen lernen wollen, empfiehlt Ximena Himmel eher eine “Bleibe” in
der Stadt, ein Privatzimmer, wobei sie weiß, dass es junge Frauen
bei der Zimmersuche in Speyer erfahrungsgemäß einfacher haben als
ihre männlichen Kollegen. Doch auch denen “kann geholfen werden”,
denn die Hochschule ist in jedem Semester bei der Zimmersuche
behilflich, soweit sie nicht Zimmer in einem der Wohnheime anbieten
kann.
Auf sie wird vielleicht auch noch Matthias Strunk zurückgreifen
müssen, denn der junge Gießener, der zuletzt in seiner Heimatstadt
immatrikuliert war, hat erst kurzfristig seine Zulassung erhalten
und ist deshalb noch “voll auf Zimmersuche”.
Schließlich trafen wir noch
auf eine ganz besondere Studentin: Stefanie Seiler, im “anderen
Leben” Mitglied im Speyerer Stadtrat und engagierte
Sozialdemokratin, trat wie339 Hörerinnen und Hörer einen neuen
Abschnitt ihrer rechtswissenschaftlichen Ausbildung an - nicht
weniger gespannt auf das, was auf sie zukommt, aber sicher für
manche ihrer Mitstudenten überaus hilfreich - dank ihrer besonderen
Ortskenntnisse. cr. Alle Fotos: sim
03.05.2011
Neuer Hörerschaftssprecher gewählt
Gleich am ersten Tag des Sommersemesters 2011 wählten die
Hörerinnen und Hörer der Hochschule für Verwaltungswissenschaften
in Speyer mit Mirzhan Baimakhanov einen neuen Sprecher und damit
Vorsitzenden der Hörerschaftsvertretung. Er tritt die Nachfolge von
Jens Abraham, der dem Gremium die beiden letzten Semester
vorstand.
Mit der Wahl von Baimakhanov unterstreicht die Hochschule einmal
mehr ihre Internationalität, denn der Student kommt aus Kasachstan
und lebt mit seiner Familie - Frau und zwei Kindern - seit einem
Jahr in Speyer, wo sein Sohn inzwischen die erste Klasse der
Grundschule im Vogelgesang besucht.
In seiner Heimat Kasachstan war er zwei Jahre in der
Stadtverwaltung von Almati tätig und danach in gleicher
Verantwortung in der Hauptstadt
Astana.
Dort studierte er auch das Fach Internationale
Wirtschaftsbeziehungen, das er als bester seines Jahrgangs
abschloss und deshalb in ein Programm von Regierungsstipendien
aufgenommen wurde, das die jeweils besten Studenten eines
Jahrganges in verschiedenen Fächern an die jeweils renommiertesten
internationalen Universitäten entsendet.
In Speyer nun strebt Mirzhan Baimakhanov einen Abschluss als
Magister der Verwaltungswissenschaften an. Aus seiner Tätigkeit als
Sprecher der Hörerschaft erhofft er sich Erfahrungen in der Leitung
von Gremien, die er auch bei seiner späteren Arbeit in höchsten
Verwaltungen seines Heimatlandes einsetzen möchte.
Was ist es, was seinem Vorgänger Jens Abraham an dem jungen
Kasachen so besonders imponiert? “Das ist insbesondere der Mut,
seine Vorschläge als Gesprächsleiter in die Diskussion der
Hörerschaft einzubringen und sich mit seinen sprachlichen
Fähigkeiten durchzusetzen.” Foto: sim
03.05.2011
Spezialist für Bibliotheksbauten hält Vortrag zur Semestereröffnung
Er hat im vergangenen Jahr mit einem
faszinierenden Entwurf den Wettbewerb für den Neubau einer
Bibliothek mit angeschlossenem Rechenzentrum an der Deutschen
Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (DHV) gewonnen:
Prof. Max Dudler, gebürtiger Schweizer und seit dem Jahr 2004
Professor in der Klasse 'Baukunst' an der Kunstakademie in
Düsseldorf.
Jetzt kommt Prof. Dudler am Dienstag, dem 10. Mai 2011 nach Speyer,
um mit einem Vortrag über "die Architektur der Bibliotheken" um
19.30 Uhr das Sommersemester 2011 an der Speyerer Hochschiule zu
eröffnen. Diesem Vortrag sehen nicht allein Dozenten und
Hörerschaft der DHV mit großer Spannung entgegen, - auch für alle
anderen, an zeitgenössischer Architektur interessierten Bürgerinnen
und Bürger in der Region, wird dieser Vortrag Aufschluss darüber
geben, wie das Gehäuse aussehen wird, in dem zukünftig die mehr als
300.000 Fachbücher untergebracht sein werden, die diese größte
Spezial-Bibliothek für Verwaltungswissenschaften in Deutschland und
damit zugleich eine der größten ihrer Art in der Welt in sich
birgt.
Baubeginn für die neue Bibliothek, die konzeptionell als
Präsenzbibliothek ausgebildet sein wird, ist noch im laufenden Jahr
2011 - mit ihrer Fertigstellung wird im Jahr 2014 gerechnet. Die
Auslegung dieser einmaligen Bibliothek bedingt, dass ihre Nutzer
unmittelbaren Zugriff auf alle im Bestand befindlichen Bücher haben
müssen. Für die Planer bedeutet diese Nutzungsbedingung eine ganz
besondere Herausforderung.
Der 1949 in Altenrhein in der Schweiz geborene Max Dudler studierte
Architektur an der renommierten Städel'schen Schule in
Frankfurt/Main bei Prof. Günther Bock sowie an der Hochschule der
Künste in Berlin bei Prof. Ludwig Leo; bei ihm legte er 1980 auch
seine Diplomprüfung ab.
Prof. Dudler wurde unter anderem bekannt durch so unterschiedliche
Arbeiten wie das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum an der
Humboldt-Universität in Berlin, die Bibliothek der Diözese Münster,
den Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen und den Neubau der Frankfurter Börse. In der näheren
Umgebung von Speyer zeichnete Prof. Dudler u.a. für den Neu- und
Ausbau des Hambacher Schlosses verantwortlich und errang den 3.
Preis beim Wettbewerb zur Überplanung des Erlus-Geländes in
Speyer.
Der mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnete Baumeister gilt
als einer der Vorreiter des Rationalismus in der
Gegenwartsarchitektur, die er immer wieder durchsetzt mit Merkmalen
des Schweizer Minimalismus.
20.04.2011
Baumpflanzung zum Nauryzfest an der DHV Speyer
Die fünf im Wintersemester 2010/11 an der Deutschen Hochschule
für Verwaltungswissenschaften Speyer studierenden
Regierungsstipendiaten aus den zentralasiatischen
Schwesterrepubliken Kasachstan und Kirgisien haben sich zu dem in
ihrer Heimat mit einem großen Fest verbundenen Frühlingsanfang
etwas besonderes einfallen lassen: Sie haben auf dem Gelände der
Hochschule einen Baum gepflanzt. Nauryz ist ein großes
Frühlingsfest, das nicht nur in Kasachstan und Kirgisien gefeiert
wird. Es geht zurück auf das altiranischen Frühlingsfest Nouruz
(wörtlich übersetzt "Neuer Tag"). Seit 2010 ist das Fest auf
Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen als
internationaler Nouruz-Tag anerkannt. Die Generalversammlung
stellte in ihrer Erklärung fest, dass "Nouruz ein Frühlingsfest
ist, das von mehr als 300 Mio. Menschen seit mehr als 3000 Jahren
auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in
Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird". Bereits 2009 hatte
die UNESCO das Fest, das als zweites Neujahresfest bezeichnet
werden kann und sich in einigen Regionen über mehrere Wochen
erstrecken kann, in die Liste des Menschheitskulturerbes bzw. als
UNESCO-Welterbe aufgenommen. Seine Ursprünge liegen wahrscheinlich
in nomadischen Traditionen, den Schnee zu vertreiben und das Vieh
in die nach dem Winter von der Natur erneuerten Weidegründe zu
treiben. Daher sind Erneuerung, Begrünung und Wachstum wichtige
Aspekte dieses Festes. Die Regierungsstipendiaten aus Kasachstan
und Kirgisien wollten mit der Pflanzung eines neuen Baumes zum
Frühlingsanfang den guten Beziehungen der DHV Speyer zu ihrer
Heimat ein bleibendes und wachsendes Denkmal setzen.
(Foto: DHV)
24.03.2011