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Neunte Stolpersteinverlegung in der Innenstadt

Bürgermeister Ingenthron: „Wichtiger Baustein der Erinnerungskultur in Landau“

Landau- In Gedenken an die früheren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie auch die politisch Verfolgten des Naziregimes, verlegte der Kölner Künstler und Initiator des mittlerweile europaweiten STOLPERSTEIN-Projektes, Gunter Demnig, am Dienstag, dem 17. März 2016, im Beisein von Bürgermeister Dr. Maximilian Ingenthron und der Landauer Initiative „Stolpersteine“ die nächsten 16 Steine im Stadtgebiet. Seit dem Jahr 2008 sind nun 180 Steine in Landau verlegt worden. Sie erinnern an die jeweils letzten frei gewählten Wohnsitze jüdischer Mitbürgerinnen und Mitbürger, wie auch von Angehörigen anderer verfolgter Gruppen.

„Wir gedenken jener, die in der Zeit des Nationalsozialismus sehr viel Leid erfahren mussten, vertrieben und ermordet worden sind. Wir alle tragen heute die gesellschaftliche Verantwortung für unsere Stadt als offenes und menschliches Gemeinwesen. Daher dürfen und wollen wir nicht vergessen, was damals geschehen ist. Landauerinnen und Landauer waren Täterinnen und Täter! Und viele hundert Bürgerinnen und Bürger zählten zu den Opfern!“, betonte Bürgermeister Ingenthron. Die erste Station der Stolpersteinverlegung war das Frank-Loebsche Haus in der Kaufhausgasse 9, wo einst Olga Loeb lebte, deren Biografie von der Leiterin des Stadtarchivs Christine Kohl-Langer vorgestellt wurde. Olga Loeb war eine Cousine des Vaters von Anne Frank und die letzte jüdische Besitzerin des Anwesens. Sie verließ es allerdings im Jahr 1939, um bei Verwandten in Luxemburg Zuflucht zu suchen. Von dort wurde sie 1943 nach Theresienstadt deportiert, überlebte jedoch und wurde befreit.

Ein weiterer Verlegungsort war vor dem Anwesen Langstraße 7 in Gedenken an Else und Ludwig Teutsch, die von Artur Hackert vorgestellt wurden. Vor dem Gebäude Ravelinstraße 2 wurde ein Stein für Dr. Eugen Fried verlegt, zudem wird in der Martin-Luther-Straße 28 an Lucie Weiss erinnert. Vor dem Haus im Ostring 26 liegen nun Steine für Rudolf, Leopold und Paula Strauss, sowie für Susanne Haas. Im Ostring 14 wurden Gedenksteine für Albert, Anna und Paul Martin Joseph eingesetzt. Auch die letzte Station befand sich im Ostring. Vor der Hausnummer 12 wurden Stolpersteine für Margrit und Traute Cahn und Anna und Emil Joseph in das Pflaster eingelassen.

Musikalisch begleitet wurde die Verlegung durch den Saxophonisten Peter Damm.

„Ich finde es wichtig, dass man in Form dieser Stolpersteine die Erinnerung an Schicksale erhalten kann und so auch an die schreckliche Geschichte unseres Landes gedenkt“, erklärte Ingenthron.

Mit den Stolpersteinen geben wir den Verfolgten und Ermordeten einen Teil ihrer Würde zurück: ihren Namen, ihren Platz in unserer Erinnerung, in der Mitte unserer Gesellschaft, in der Mitte unserer Stadt. „Das ist heute wichtiger denn je. Es ist eben die Botschaft, die auch von diesem Tag ausgeht: Nie wieder soll und darf es geschehen. Dass Menschen vertrieben und ermordet werden. Es ist auch eine Botschaft inmitten der Diskussion um Flucht und Fluchtursachen, um deren Folgen.“, meinte der Bürgermeister in seiner Ansprache.

Ingenthron dankte allen, die zum Gelingen und Wachsen des Projektes in Landau beitragen, so den Patinnen und Paten, die die Stolpersteine finanzieren, der Initiative „Stolpersteine“ und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung.

Text und Foto: Stadt Landau in der Pfalz, Presse

18.03.2016


Speyer trauert um Alfred Cahn

Alfred Cahn, Speyerer Komponist und Holocaustüberlebender im Alter von 93 Jahren gestorben

Speyer- Der 1922 in Speyer geborene Musiker und Komponist ist am 5. Februar 2016 im Alter von 93 Jahren in Milwaukee (USA) verstorben.

„In tiefer Dankbarkeit wird sich seine alte Heimatstadt  Speyer an die Begegnungen mit Alfred Cahn erinnern“, so Oberbürgermeister Hansjörg Eger in einem Kondolenzschreiben an die Hinterbliebenen. Unvergessen bleibt vor allem sein Besuch im Jahr 2000, als er im Historischen Ratssaal das Stück „Kol haSchana“ spielte, das er schon 1937 als Organist der Speyerer Synagoge gespielt hatte. Bei deren Brand in der Reichsprogromnacht 1938 wurden die Noten zerstört.

Cahn war einer der letzten Überlebenden des Holocausts, der als Zeitzeuge den Austausch mit den Nachfolgegenerationen gesucht hat. Die Jugendlichen und Erwachsenen, die Cahn begegnet sind, wusste er mit einem außergewöhnlichen Maß an menschlicher Größe zu beeindrucken.

Alfred Cahn, geboren und aufgewachsen als Sohn eines Tabakhändlers in der Maximilianstraße, wurde 1940  mit gerade einmal 18 Jahren ins Internierungslager Camp de Gurs verbracht. Aus dieser Zeit stammt das Lied „Wir sind ganz junge Bäumchen“, dass er dort komponiert und mit einem Kinderchor einstudiert und aufgeführt hatte. Als einziger der aus Speyer deportierten Juden überlebte Cahn das Lager und flüchtete über die Schweiz in die USA, wo er bis zu seinem Tod lebte.

Stadt Speyer, Presse; Foto: spk-Archiv

09.02.2016


Landau - Gedenkveranstaltung 75 Jahre Deportation nach Gurs

Gedenkveranstaltung 75 Jahre Deportation nach Gurs. Das Ziel der Fahrt war für 283 jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger aus Landau und der Region unbekannt.OB und Landrätin: „Es geht um Verantwortung - damals und heute!“

Landau- Vor 75 Jahren, am 22. Oktober 1940, wurden über 6.500 Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das im unbesetzten Frankreich gelegene Internierungslager Gurs deportiert. Darunter waren auch 283 Menschen jüdischen Glaubens aus Landau und dem heutigen Landkreis Südliche Weinstraße. Nur wenige konnten aus Gurs flüchten, für viele von ihnen war dies nur eine Zwischenstation in die Vernichtungslager des Ostens.

In der gemeinsamen Gedenkveranstaltung der Stadt Landau und des Landkreises Südliche Weinstraße im Innenhof des Archiv und Museum der Stadtverwaltung, nannte Oberbürgermeister Hans-Dieter Schlimmer den 22. Oktober 1940 einen „traurigen, schwarzen Tag der Geschichte unserer Stadt und Region“. Mit den Worten Max Frischs „Blinder als blind ist der Ängstliche“, rief Schlimmer dazu auf, stark, selbstbewusst und wehrhaft zu sein und offen, neugierig und mutig zu bleiben. Bei all dem dürfe man nicht vergessen: „Wir stehen in der Verantwortung, sich der Geschichte immer wieder zu erinnern und die Namen der Opfer, Menschen aus unserer Stadt, aus unserer Region, nie zu vergessen“, so der Oberbürgermeister. OB: „Zeigen wir uns als starke Bürgerschaft, die nicht erlaubt, dass die Saat der Angst, die die gleichen Kräfte von damals in unserer Köpfen zu säen versuchen, als Hass aufgeht!“

Landrätin Theresia Riedmaier ist sich mit ihrem Amtskollegen Schlimmer einig, dass in der aktuell größten Herausforderung für die Gesellschaft, der Flüchtlingskrise, den Gedanken der offenen Gesellschaft weiterzutragen und die Demokratie zu schützen wichtiger denn je sei. „Ich erlebe in dieser Zeit viel Zuwendung, Warmherzigkeit, Hilfsbereitschaft und Vernunft. Aber ich beobachte eben auch viel Hass einer lauten oder dumpf schweigenden Minderheit“, so die Landrätin. Dabei stellte sie heraus, dass wir unsere Menschlichkeit, unsere Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe nicht zum Selbstzweck bewahren sollten, sondern dem Zitat von Hannah Arendt -einer der bedeutendsten Denkerinnen des 20. Jahrhunderts- zufolge „Aus Liebe zur Welt“.

Wolfgang Pauly zeigte in seinen Ausführungen, dass hinter „den Juden“, „den Opfern“ Menschen waren: „Menschen wie Du und ich“. Außerdem führte er aus, dass in der jüdischen, christlichen und islamischen Tradition der Name von zentraler Bedeutung sei. Pauly: „Er ermöglicht Ansprache und Zuspruch und schafft Identität!“. Deshalb sei es so wichtig, die Namen nie zu vergessen und sie immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Im Anschluss daran verlasen sechs junge Menschen, Auszubildende der Stadtverwaltung und Schüler des MSG und ESG die 283 Namen der Juden, die vor 75 Jahren nach Gurs deportiert worden waren. Musisch untermalt wurde die Gedenkfeier in würdiger Weise am Saxophon von Paul Damm zusammen mit Michael Letzel am Akkordeon.

Stadt Landau in der Pfalz, Presse

24.10.2015


„Damit es nicht vergessen wird“: Menschen in Städten und Gemeinden der Kurpfalz gedenken (fast alle) der Deportation der Juden vor 75 Jahren in das französiche Lager Gurs

Von Gerhard Cantzler

„Gurs“ - der Name der kleinen französische Ortschaft am nordöstlichen Fuße der Pyrenäen.

Für gut 17.000 deutsche Juden, unter ihnen allein mehr als 7.000 aus Baden, der Pfalz und der Saarpfalz – markierte er vor jetzt genau 75 Jahren den Beginn einer vierjährigen Leidenszeit, die für die meisten von ihnen mit ihrem gewaltsamen, qualvollen Tod in einem der Vernichtungslager des Ostens endete.

Und schon wenige Tage, nachdem die Züge mit den in Viehwaggons eingepferchten Abertausenden von Menschen die Kurpfalz in Richtung Südwesten hinter sich gelassen hatten, konnten die zuständigen NS-Gauleiter des Nazi-Regimes, Robert Wagner für den Gau Baden und der aus dem pfälzischen Lingenfeld stammende Joseph Bürckel für die Pfalz und die Saarpfalz ihrem verbrecherischen „Führer“ in Berlin voller Stolz ihre Gaue als „judenfrei“ melden.Am vorläufigen Ziel ihrer Deportation zwischen Pau und Bayonne wurden die Internierten im „Camp de Gurs“ inhaftiert, das bereits vor dem Zweiten Weltkrieg als größtes französisches Internierungslager für politische Flüchtlinge und Kämpfer des spanischen Bürgerkrieges eingerichtet worden war.

Dort fanden auch die aus der Kurpfalz deportierten Juden verheerende Lebensverhältnisse vor: Das in stacheldrahtumzäunte sogen. Îlôts - kleine „Inseln“ - eingeteilte Lager mit jeweils 25, von Ungeziefer verseuchten, innen wie außen feuchten und unbeheizten Baracken mit je 60, gerade einmal 70 Zentimeter breiten Schlafplätzen – die Häftlinge mussten dort Anfangs gar auf dem nackten Erdboden schlafen und durften sich erst im Laufe der Zeit einen einfachen Strohsack füllen – waren „Brutplätze“ unterschiedlichster Krankheiten wie Ruhr u.a.m. Tagtäglich starben in dieser Zeit im Lager Gurs im Durchschnitt sieben Menschen.Die Wege zwischen den Baracken seien durch den Regen oft kniehoch mit Schlamm überzogen gewesen - an die tagtäglich ausgeteilte, kalte „Suppe“, so erinnerte sich später einer der wenigen überlebenden Häftlinge von Gurs, der schon zu Beginn der Naziherrschaft aus seiner Heimatstadt Schwetzingen in das benachbarte größere und deshalb vermeintlich sicherere Mannheim geflohene Paul Niedermann, habe ihn bis an sein Lebensende sein „verdrecktes Abwaschwasser“ erinnert.

Nur wenigen Insassen des Lagers gelang es, zumeist mit finanzieller Hilfe von außen. an Ausreisegenehmigungen zu kommen und in die USA, nach Südamerika, China oder England zu emigrieren. Vor allem Kinder vor Vollendung ihres 12. Lebensjahres konnten mit Hilfe des Internationalen Roten Kreuzes in „Kindertransporten“ den Machtbereich der Nazis verlassen. Die anderen wurden fast ausnahmslos im Jahre 1944 in die Vernichtungslager des Ostens – nach Auschwitz, Sobibor und Maijdannek transportiert, wo sie zumeist in den Gaskammern ermordet wurden.

So markiert dieser 22. Oktober 1940 den Startpunkt für die bis heute noch unfassbare Ermordung bzw. die Vertreibung aller Menschen jüdischen Glaubens auch aus der gesamten Kurpfalz und damit für den bis heute nachwirkenden Verlust eines bedeutsamen Teils deutscher und europäischer Kultur.

An diesem Donnerstag nun jährte sich dieser Tag zum 75.mal - Grund genug, (fast) überall in der Region, in Städten und Gemeinden der Kurpfalz, mit Gedenkveranstaltungen an dem Jahrestag selbst oder in seinem zeitlichen Umfeld an dieses Ereignis zu erinnern. In Wiesloch und Landau, in Neustadt/Weinstraße und Mutterstadt und an vielen anderen Orten trafen sich Bürgerinnen und Bürger bereits am 22. Oktober zum zumeist von Schülerinnen und Schülern gestalteten Gedenken - in Frankenthal ist dafür der 5. November, 19.00 Uhr im Rathaus, in Deidesheim der 8. November, 11.00 Uhr in der ehemaligen Synagoge vorgesehen. In Speyer, der einst für das Judentum so bedeutsamen SchUM-Stadt, wird Bürgermeisterin Monika Kabs am 24. Oktober bei der zentralen Gedenkfeier in Gurs weilen – auf eine Feier vor Ort wollte man mit Hinweis auf den ausgiebig begangenen 70. Jahrestag vor fünf Jahren verzichten.

Der SPEYER-KURIER hat deshalb die bewegend-würdige Gedenkfeier zum 75. Jahrestag der Deportation der Kurpfälzer Juden an dem im Jahr 2006 eingeweihten Mahnmal am Seiteneingang zum Schloßgarten in der Schwetzinger Zeyherstraße - dem Torso einer Thora-Rolle, dessen "Passstück" in Neckarzimmern zu finden ist, besucht, Dort hatten Schülerinnen und Schüler des „Hebel-Gymnasiums“ Konzeption und Durchführung der Feier übernommen, hatten mit viel Einfühlungsvermögen Lieder ausgewählt und Gedichte von Auschwitz-Opfern ausgesucht. Besonders beeindruckend dabei die Art, die Namen der 22 betroffenen Schwetzinger Mitbürgerinnen und Mitbürger jüdischen Glaubens in das Gedenken mit einzubinden, von denen am 22. Oktober 1940 noch fünf in der Festspielstadt lebten; die 17 anderen waren schon kurz nach der „Machtergreifung“ in der trügerischen Hoffnung auf mehr Sicherheit in den benachbarten, größeren Städten – überwiegend nach Mannheim – ausgewichen.

Zu Beginn der Feier hatte auch der Schwetzinger Oberbürgermeister Dr. René Pöltl die Meldung von der „Judenfreiheit“ des NS-Gaus Baden als eine besonders perfide Formulierung gegeißelt. Dass aber dann die Deportation der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ausgerechnet an dem Tag begonnen habe, an dem diese mit ihrem „Laubhüttenfest“ ein „Fest der Hoffnung“ feiern wollten, habe diese Perfidie noch einmal um ein Vielfaches übertroffen, habe dieser Tag doch für das Judentum in ganz Deutschland und für seine Glaubensgenossen einen weiteren Schritt hin zu ihrer massenhaften Ermordung angekündigt.

Nur wenige aus Schwetzingen stammende Juden hätten das Grauen jener Zeit überlebt, erinnerte der Oberbürgermeister. Eine davon sei Ruth Gogol gewesen, die erst vor wenigen Wochen, am 24. August 2015, im Alter von 88 Jahren in Tel Aviv gestorben ist, Auch sie sei an jenem 22. Oktober 1940 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren beiden Schwestern nach Gurs deportiert worden – Mutter und Schwestern wurden später im KZ Auschwitz ermordet, die damals 13 jährige Ruth konnte dank eines der Kindertransporte nach Israel gerettet werden. „Wir werden Ruth Gogol nicht vergessen“, versprach Dr. Pöltl.

Eingebettet zwischen weitere anrührende Textrezitationen durch Schülerinnen und Schüler des Hebel-Gymnasiums und dem von Aart Gisolf auf dem Sopran-Saxophon ganz im Stile der traditionellen jiddischen Kletzmer-Musik in näselnd-klagendem Ton vorgetragenen „Blues Israel“ verlas dann der Evangelische Pfarrer von Schwetzingen, Thilo Müller, ein vom Freiburger Erzbischof Stephan Burger, dem Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann sowie dem Präsidenten der Protestantischen Landeskirche der Pfalz, Christian Schad und dem badischen Landesbischof Jochen Cornelius-Bundschuh unterzeichnetes Wort, in dem die vier Kirchen ihre Versäumnisse in der Zeit des „Dritten Reiches“ beklagen und ihre Solidarität mit den „jüdischen Schwestern und Brüdern“ bekunden.

Lesen Sie diese gemeinsame Erklärung im Wortlaut im SPEYER-KURIER

„Damit ich es net vergeß“ mahnt ein uraltes jiddisches Wort – und damit wir alle sie nicht vergessen, will auch der SPEYER-KURIER im folgenden an jene Schwetzinger Juden erinnern, deren Namen bei der Feier zum Gedenken an die Deportationen am 22. Oktober 2015 noch einmal laut verlesen wurden.

Mögen Sie für alle stehen, die von diesem Tag an ihr Schicksal teilen mussten.

Lesung der Namen:

Sie alle wohnten bis zum 22. Oktober 1940 in Schwetzingen, wurden an diesem Tag frühmorgens gegen ihren Willen abgeholt und nach Gurs/Südfrankreich deportiert, von wo aus sie gerettet oder nach Auschwitz verbracht und ermordet wurden:

Frieda Bermann, geborene Frank, 57 Jahre alt, wohnhaft in der Maximilianstraße 4 mit ihren Töchtern: Therese Bermann, 28 Jahre alt

Else Bermann, 20 Jahre alt; alle drei nach Gurs und dann nach Auschwitz.

Ruth Bermann, 13 Jahre alt; nach Gurs und von dort gerettet, verstarb am 24. August 2015 nach ihrer Verehelichung in Israel als Ruth Gogol im Alter von 88 Jahren in Tel Aviv.

Flora Vogel, geborene Rotschild, 62 Jahre alt, wohnhaft in der Marstallstraße 28, über Gurs nach Auschwitz.

Die nachfolgenden Mitbürgerinnen und Mitbürger zogen nach dem 30. Januar 1933 notgedrungen aus Schwetzingen weg, waren an anderen Orten wohnhaft und wurden von dort aus deportiert und in den Todeslagern umgebracht oder gerettet:

Klara Bierig, geborene Springer, mit ihrem Ehemann Max Bierig, aus Mannheim über Gurs nach Auschwitz.

Martha Bierig und Tochter Renate Bierig, nach Gurs deportiert und von dort gerettet nach Belgien.

Eva Katzenstein, geborene Weinberg, mit ihrer Tochter Marianne, aus Pforzheim und Karlsruhe über Gurs nach Auschwitz.

Auguste Levi, geborene Mayer, von Mannheim über Gurs ins KZ Noé, dort umgekommen.

Lottchen Levi, geborene Marx, von Mannheim über Gurs nach Récébédou, dort umgekommen.

Henriette Lorch, von Mannheim über Gurs nach Auschwitz, dort umgekommen.

Clementine Metzger und ihre Schwester Hedwig Metzger, beide von Mannheim über Gurs nach Auschwitz.

Joseph Seidenberger, von Mannheim nach Gurs, dort umgekommen.

Albert Springer und seine Ehefrau Liselotte Springer, geborene Klinger, beide von Mannheim über Gurs nach Auschwitz und dort umgekommen.

Bertha Stein, geborene Frank, von Mannheim über Gurs nach Auschwitz.

Ihr Sohn Alfred Stein, von Mannheim nach Gurs und von dort gerettet.

Clara Weiss, geborene Marx, von Mannheim nach Gurs, dort verschollen.

Quelle: Stadtarchiv Schwetzingen/ J. Kresin - Stand: 12.10.2015

Fotos: gc

23.10.2015


Gemeinsames Wort der Kirchen zum 75. Jahrestag der Deportation nach Gurs am 22. Oktober 1940

Wenn wir in diesem Jahr der Deportation jüdischer Mitmenschen nach Gurs vor 75 Jahren gedenken, dann tun wir dies nicht nur, um die Erinnerung an diese schrecklichen Geschehnisse wach zu halten, sondern auch um dafür zu sensibilisieren, dass solche Gräueltaten nie wieder geschehen dürfen. Gerade auch die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen wie der Blick in andere Länder fordern uns heraus, uns zu Wort zu melden, wenn die Würde des Menschen angetastet oder gar mit Füßen getreten wird.

Am frühen Morgen des 22. und 23.Oktober 1940 wurden über 6.500 badische, pfälzische und saarländische Juden und Christen jüdischer Abstammung von den Nazis festgenommen, in Züge verfrachtet und in das Internierungslager Gurs am Fuße der südfranzösischen Pyrenäen verschleppt. Dieser Ort wurde so für die jüdischen Mitmenschen aus unseren Städten und Gemeinden für Alte, Kranke, Männer, Frauen, Kinder und Babys zum Ort des Verderbens.

Mit dieser verbrecherischen Aktion wurde das jüdische Leben in Baden, der Pfalz und im Saarland langfristig und grundlegend zerstört, Mitbürgerinnen und Mitbürger ihrer Heimat beraubt.

Was damals geschah, vollzog sich vor aller Augen. Als die Gauleiter Badens und der Saarpfalz ihre Gaue stolz als „judenrein“ meldeten, erhoben sich kein Sturm der Entrüstung und kein wahrnehmbarer Protest. „Der Abtransport ging in aller Ordnung vor sich“, so notierte lapidar der Freiburger Polizeibericht. Längst hatte sich angebahnt, was dann bei der berüchtigten Wannsee-Konferenz 1942 auf den Begriff der Endlösung gebracht wurde. Für Tausende jüdischer Menschen endete ihr Leidensweg nach Gurs schließlich in Zügen in die Vernichtungslager von Majdanek, Sobibor oder Auschwitz.

Die Schwestern und Brüder des jüdischen Gottesvolkes feierten in jenen Tagen, in denen sie die Deportation erleiden mussten, das Laubhüttenfest: die Bewahrung des Volkes Israels auf seinem Zug durch die Wüste, aus der Knechtschaft ins Land der Verheißung. Doch die Oktobertage des Jahres 1940 verkehrten diesen jüdischen Freiheitszug in einen Trauermarsch der Diffamierten und Entrechteten.

Anlässlich des diesjährigen Jahrestages der Deportation erkennen und bekennen wir: Kirchen und Christenmenschen haben zur Bedrohung und Vernichtung jüdischen Lebens in der deutschen Geschichte allzu oft geschwiegen oder sie gar befördert. Auch vor 75 Jahren war das nicht anders. Tatenlos standen die Kirchen dem Geschehen gegenüber, wo entschlossenes Handeln gefragt gewesen wäre; sprachlos dort, wo der Aufschrei der Kirchen hätte hörbar werden müssen.

Im Gedenken an die Opfer bekennen wir heute ohne Wenn und Aber unsere Schuld.

In ökumenischer Verbundenheit suchen wir heute Wege, um unsere Beziehung zu Israel und zum Judentum zu erneuern. Dabei trägt uns die Einsicht in die unverbrüchliche Geltung des Bundes Gottes mit seinem Volk. Die Kirchen, die zu „Gurs“ geschwiegen haben, erheben heute ihre Stimme gegen Antisemitismus und Rassismus, treten ein für die Rechte anderer und rufen auf zu politischer Wachsamkeit und Zivilcourage.

Unsere Kirchen in der Pfalz und in Baden begrüßen und fördern nach Kräften Initiativen und Einrichtungen, die sich der Neugestaltung des Verhältnisses von Judentum und Christentum widmen und Begegnungen zwischen jüdischen und christlichen Menschen ermöglichen.

Sie unterstützen die Bemühungen aller Menschen guten Willens, das menschenverachtende Geschehen von Gurs nicht dem Vergessen zu überlassen. Hoffnungsvoll blicken wir auf die Bereitschaft vieler junger Menschen, das Wahrnehmen und Aufarbeiten der Schuld in der Vergangenheit mit einem Erinnern zu verbinden, das auch die Gegenwart und die Zukunft Israels und des Judentums im Blick hat. Dafür steht als Beispiel das Ökumenische Jugendprojekt Mahnmal in Neckarzimmern.

Möge das Gedenken an „Gurs“ im Jahre 2015 ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu gegenseitiger Achtung, zu Respekt und Geschwisterlichkeit zwischen jüdischen und christlichen Menschen werden. Möge der Wunsch aus Psalm 122 in Erfüllung gehen: Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit.

Landesbischof Prof. Dr. Jochen Cornelius-Bundschuh  Evangelische Landeskirche in Baden

Erzbischof Stephan Burger Erzdiözese Freiburg

Kirchenpräsident Christian Schad Evangelische Kirche der Pfalz (Protestantische Landeskirche)

Bischof Dr.Karl-Heinz Wiesemann Diözese Speyer

24.10.2015


Für mehr Gemeinschaft nach innen und nach außen

Neu gewählter Vorstand der „Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz“ zu den Zielen für die neue Amtszeit

cr. Speyer- Die konsequente Fortsetzung ihres bereits in der letzten Wahlperiode eingeschlagenen Konsolidierungskurses soll auch im Mittelpunkt der nächsten Amtszeit des vor kurzem neu gewählten Vorstandes der „Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz“ mit Sitz in Speyer stehen. Das erklärte jetzt der alte und neue Vorstandsvorsitzende der Kultusgemeinde, Israel Epstein, in einem Gespräch mit dem SPEYER-KURIER. Hierzu wolle der neue Vorstand insbesondere die Organisationsstruktur der Gemeinde weiter festigen, die Popularisierung ihrer Gottesdienste fördern und die Stärkung der religiösen und sozialen Kompetenzen ihrer Mitglieder vorantreiben. Insbesondere Jugendliche, junge Erwachsene und erwachsene Gemeindemitglieder sollten so zu einer funktionierenden Gemeinschaft zusammengeführt werden. „Darüber sollen aber auch unsere älteren Gemeindemitglieder nicht vergessen werden“, betonte Epstein, der in seinem Brotberuf einen Pflegedienst für rund 200 Patientinnen und Patienten im Rhein-Neckar-Raum mit Sitz in Frankenthal betreibt. „Circa 40 Prozent unserer Patienten dürften jüdischen Glaubens sein“, erklärte der bereits vor 13 Jahren aus der russischen Kulturmetropole St. Petersburg nach Deutschland zugewanderte Epstein auf Nachfrage. „Die Religionszugehörigkeit ist also kein vorrangig bestimmendes Thema für unsere sozialen Dienstleistungen“.

Israel Epstein, der nach 25 jähriger Dienstzeit als Offizier in der sowjetischen Armee – zuletzt an der Militärakademie in Woronesch - ein Doppelstudium in Sozial- und Wirtschaftswissenschaften absolvierte, war bei der erst kürzlich erfolgten Wahl des neuen fünfköpfigen Vorstandes der „Kultusgemeinde der Rheinpfalz“ mit 89 Prozent der abgegebenen Stimmen erneut in den Vorstand der Gemeinschaft gewählt und anschließend satzungsgemäß aus der Mitte des Gremium ohne Gegenkandidat zum Vorstandsvorsitzenden bestellt worden. „Ein überwältigender Vertrauensbeweis und eine Bestätigung für meine schon bisher geleistete Arbeit, der mich sehr berührt hat“, so der alte und neue Vorstandsvorsitzende.

Weitere Mitglieder des auf vier Jahre gewählten Vorstandes sind Evgenia Kucherovska, Kaiserslautern, Dr. Larissa Janzewitsch, Kaiserslautern, Galina Derbinskaya, Speyer und Abbat Persydskyy, Ludwigshafen.

Für die Wahlen waren zuvor insgesamt neun Kandidaten aus dem gesamten Wirkungskreis der „Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz“ nominiert worden. Wahlberechtigt waren schließlich 650 registrierte Gemeindemitglieder aus den Regionen Kaiserslautern, Ludwigshafen, Neustadt/Weinstraße, Frankenthal und Speyer – 142 davon aus der Gemeinde der neuen Synagoge „Beith Schalom“ auf dem Speyerer Weidenberg.

Auf die Frage nach den Zielen des neuen Vorstandes für die vor ihm liegende Amtszeit muss Israel Epstein natürlich auf eine Verantwortlichkeit verweisen, die weit über Speyer und den Raum Vorderpfalz hinausreicht. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass der neue Vorstandsvorsitzende als erste Aufgabe die Errichtung eines neuen Gemeindezentrums in Kaiserslautern benennt, die erst kürzlich auf den Weg gebracht werden konnte.

Doch auch für die zahlreichen Mitglieder der Speyerer Gemeinde kann sich der neue Vorstand die Errichtung einer neuen Wohnanlage vorstellen, wobei dort nach Epsteins Vorstellungen Juden und Nichtjuden Tür an Tür leben sollten.

Überhaupt sei 'Gemeinschaft' eines der zentralen, selbstgesteckten Ziele des neuen Gemeindevorstandes – 'Gemeinschaft und Gemeinsamkeit' nach innen wie nach außen. So wolle man sich neben der Konsolidierung der laufenden Gemeindearbeit nach innen vor allem auch darum bemühen, jüdische Glaubensgenossen, die heute in der „uralten jüdischen Metropole am Rhein“ leben, ohne sich bereits der Gemeinde von „Beith Schalom“ zugehörig zu fühlen, in diesen Kreis zu integrieren. „Wir möchten nicht länger, dass Menschen darunter leiden, sich nicht unserer Gemeinde zugehörig fühlen zu können“, unterstreicht Epstein den Willen seines Vorstandes zur Einheit und erklärt dazu auch seine eigene, uneingeschränkte Bereitschaft, „zu jeder Zeit und an jedem Ort“ zu konstruktiven Gesprächen mit solchen Gruppen oder Einzelpersönlichkeiten zusammenzutreffen.

Daneben zeigt sich der neue Vorstand fest entschlossen, das jüdische Gemeindezentrum auf dem Weidenberg zu einer Begegnungsstätte für „Menschen aller Glaubensgemeinschaften in der Stadt“ weiterzuentwickeln. „Die neue Synagoge steht für alle Menschen offen, die an den einen Gott glauben“, unterstreicht Epstein. Dazu gehöre aber auch das „Verstehen der gemeinsamen Sprache“; ein Angebot von Sprachkursen für Zuwanderer sei deshalb eine Option, die in der Gemeinde auf wachsende Sympathie stoße. „Dabei kann es allerdings sicher nicht darum gehen, die Menschen in Stand zu setzen, hochkomplexe Texte zu verstehen. Vielmehr sollen sie sich mit ihrem ganz unterschiedlichen Lebens- und Erfahrungshintergrund im Alltag zurecht finden, sowie sich gegenseitig austauschen und verständlich machen können“, wünscht sich Epstein, der zum Abschluss des Gespräches mit dem SPEYER-KURIER noch einmal die Einladung der Kultusgemeinde an die Speyerer Bevölkerung zur regen Anteilnahme an dem „reichhaltigen religiösen und kulturellen Leben“ in der neuen Speyerer Synagogengemeinde wiederholt. Foto: gc/ Jüd. Kultusgem.

05.12.2014


„La Rosa enflorence“ präsentiert Video mit selten gespielter sephardischer Musik

Mit Flöten, Theorbe, Barockvioline und Gesang: „La Rosa enflorence“ präsentiert Video mit selten gespielter sephardischer Musik

Speyer- cr. Als kürzlich die Mitglieder des „Interreligiöen Forums Speyer“ bei ihrem Bemühen, die jeweils anderen Glaubensgemeinschaften in der Stadt besser kennenzulernen, auch die neue Synagoge „Beith Schalom“ auf dem Speyerer Weidenberg besuchten, da wurde ihnen eine musikalische Begegnung der ganz besonderen Art zuteil (Lesen Sie dazu auch unseren Beitrag „Das ist mir heilig" im SPEYER-KURIER vom 20. Mai 2014:) Mit „La Rosa enflorence“ (Almut-Marie Fingerle, Gesang, Almut Werner, Blockflöten, Johannes Vogt, Theorbe und Daniel Spektor, Barockvioline) lernten sie dabei ein Solistenensemble kennen, das seit längerem schon mit selten gespielter sephardischer Musik und dem dazu gehörenden Liedgut auf sich aufmerksam macht.

Sepharden sind neben den Ashkenasim und den Mizrahim eine von drei ethnischen Hauptwurzeln des frühen europäischen Judentums, die sich, ursprünglich auf die Iberischen Halbinsel konzentriert, nach und nach rund um das Mittelmeer ausbreiteten. In ihre neuen Kulturräume brachten sie auch ihre Musik mit - ihre Lieder, die in „Ladino“ - einer gemeinsamen jüdischen Sprache – abgefasst waren, die sich - angereichert um Sprachbestandteile der unterschiedlichen, aufnehmenden ethnischen Gruppen weiterentwickelten. Von dort gelangte das „Ladinische“ wohl schon im Mittelalter auch in die „Zentren der Jüdischen Gelehrsamkeit am Rhein“ - nach Mainz, Worms und Speyer.

Sehen Sie das uns von „La Rosa enflorence“ zur Verfügung gestellte Video, das einen Eindruck von dieser so faszinierenden Musik vermittelt.

Und erfahren Sie hier mehr über die Gruppe La Rosa enflorence https://myspace.com/larosaenflorece

Foto: SteamMix Video: La Rosa enflorence

01.07.2014


Damit sie nicht vergessen werden – Gedenktafel an 51 im Jahr 1940 nach Gurs deportierte Speyerer Juden enthüllt

Die Musik rettete sein Leben: Das Schicksal des Speyerers Alfred Cahn

von Gerhard Cantzter

Am kommenden Samstag, am 09. November 2013, jährt sich einer der zweifelsohne unseligsten Tage in der deutschen Geschichte zum 75.Mal – der Tag, an dem in der Heimat von Immauel Kant, von Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller, von Ludwig van Beethoven und Johann Sebastian Bach die Fackel der Humanität und der Mitmenschlichkeit erlosch – als in Deutschland die Synagogen brannten und jüdische Menschen umgebracht oder aus einem Lande getrieben wurden, das über viele Generationen auch ihre Heimat war. Dieser Tag markiert den Beginn einer sich in den 1930er Jahren mit unvorstellberer Geschwindigkeit vollziehendern Entwicklung, die aus guten Nachbarn verachtete Außenseiter und aus guten Freunden Feinde machen sollte. In diesen erinnerungsschweren Herbsttagen rufen wir uns so manchen dieser Tage ins Gedächtnis, die die Deutschen damals auf ihrem Weg in den Untergang begleiten solten.

Einer der schwärzesten dieser Tage in der Geschichte der Pfalz und der in ihr bestehenden, bis dahin hoch angesehenen Jüdischen Gemeinde zu Speyer – war der 22. Oktober 1940, als die Nazis 51 Speyerer Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens abholten und sie gemeinsam mit insgesamt 6.538 ihrer Glaubensgenossen aus Baden, der Pfalz und dem Saarland in das südfranzösische Internierungslager Gurs am Fuße der Pyrenäen deportierten. Von dort sollte sie nach leidvollen und entbehrungsreichen Monaten ihr Weg in die Vernichtungslager des Ostens, nach Auschwitz und nach Sobibor führen.

Seit kurzem will eine von dem jungen Kaiserslauterer Maler und Objektkünstler Eugen Yemelin (25) gestaltete Erinnerungstafel in der Eingangshalle der neuen Synagoge „Beith Shalom“ auf dem Speyerer Weidenberg mit bewegenden Bildern und der Enumeration aller Namen der aus Speyer Deportierten die jüdischen Opfer der Verfolgung dauerhaft vor dem Vergessen bewahren. „Auch in Speyer wurde an diesem Tag an einem der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte mitgeschrieben“, erinnerte der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger bei der Enthüllung des Mahnmals, zu der neben zahlreichen Mitgliedern der neu entstandenen Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz auch Vertreter des „Interreligiösen Forums“ gekommen waren. Der Oberbürgermeister dankte Landesarchiv und Landesbibliothek für ihre Recherchen für die Erinnerungstafel,, vor allem auch dem Speyerer Stadtarchiv, namentlich Katrin Hopstock, die sich seit langem intensiv mit der Aufarbeitung der Nazizeit in Speyer befasst. Sie hatte auch die Grundlagen für die Namensliste der jüdischen Opfer gelegt und historische Fotos zusammengetragen, die jetzt das jüdische Leben in dieser Zeit lebendig werden lassen.

51 Namen snd auf der Namenstafel vermerkt – von Eveline und Deborah Blum, letztere zum Zeitpunkt ihrer Deportation nicht einmal vier Jahre alt bis zu dem damals 86jährigen Lazarus Schaaf, der an den unmittelbaren Folgen der Deportation 19 Tage später starb.

Erinnerung an den einzigen Überlebenden dieser Deportation: Alfred Cahn.

Eines der historischen Fotos auf der Gedenktafel zeigt auch einen der ganz wenigen, die die Deportation nach Gurs überleben sollte: Alfred Cahn, damals gerade einmal 18 Jahre alt, der als Sohn eines Tabkwarenhändlers in der Maximilianstraße 64 aufwuchs, sollte nur Dank seiner musikalischen Fähigkeiten das Grauen des Holocaust überleben.

Ihn und sein Schicksal ließ im Anschluss an die Feier der Speyerer Musikerzieher Franz-Georg Rössler. (Vortrag und am Klavier) gemeinsam mit seiner Ehefrau Rita (Altblockflöte) in einem zutiefst berührenden Vortrag lebendig werden, gepaart mit eindrucksvollen Beispielen von Alfred Cahns kompositorischem Schaffen.

Der heute 91jährig in seiner zweiten Heimat Milwaukee/USA lebende Alfred Cahn wurde in eine hochangesehene Speyerer Familie hineingeboren. Sein Vater, so berichtete Rössler, habe viele Jahre in der bürgerlichen „Speyerer Liedertafel“ gesungen und in dessen Abwesenheit sogar den Dirigenten vertreten. Vom Vater mag der kleine Alfred auch seine Begabung und seine lebenslange Liebe zur Musik „geerbt“ haben, auch wenn er selbst erst relativ spät zu „seinem“ Instrument, dem Klavier, gefunden habe. Denn erst, als der Vater nach dem Tod von Alfred's Mutter – sie starb, als der Junge acht Jahre alt war, mit nur 38 Jahren im Speyerer Katholischen St. Vincentius-Krankenhaus - wieder heiratete, kam mit der Stiefmutter auch ein Klavier in das, nach Alfreds eigenen Worten, „schmalste Haus Europas“. Dort entdeckte Alfred im Alter von zehn Jahren seine Leidenschaft für das Klavierspiel, bekam Unterricht bei einer bekannten Speyerer Klavierlehrerin, die ihm aber schon bald mitteilen musste, dass es für sie beide besser wäre, wenn er nicht mehr „bei Tageslicht“ zu ihr zum Unterricht käme. Alfred Cahn musste die zunehmende Abneigung seiner Mitmenschen in der Stadt im Alltag immer stärker verspüren.

Alfred Cahn 20131937 begann er in der Speyerer Synagoge, die an der Stelle des heutigen „Kaufhofes“ stand, im Gottesdienst die Orgel zu spielen. Schon ein Jahr später, am 9. November 1938, brannte allerdings auch das Speyerer Jüdische Gotteshaus nieder. Alle Angehörigen der jüdischen Gemeinde zu Speyer wurden in das erste Konzentrationslager der Nazis, nach Dachau bei München, abgeführt. Auf dem Weg dorthin gelang Alfred jedoch die Flucht. Gemeinsam mit einem Onkel schlug er sich auf einem Rheinkahn nach Rotterdam durch, von wo er weiter nach Belgien flüchtete.

Dort, in Brüssel, traf Cahn per Zufall auf den bekannten jüdischen Pianisten Stefan Ashkenazy, der das große Talent des jungen Alfred erkannte und ihm, so Rössler, „die höheren Weihen“ erteilte. Dann aber ereilte ihn in Brüssel sein Schicksal: Die Nazi-Häscher griffen ihn in Brüssel auf und schafften ihn dorthin, wo sie zuvor schon seine Speyerer jüdischen Mitbürger hin verschleppt hatten – nach Gurs.

In der Trostlosigkeit dieses Lagers, bei Regen, Kälte und Schnee, versuchte Cahn, in seinen Schicksalsgenossen durch seine Musik neuen Lebensmut zu wecken und ihnen ihr schweres Los zumindest ein wenig leichter zu machen. Von Gurs aus wurde der junge Speyerer als Zwangsarbeiter beim Bau von U-Boot-Bunkern in der Nähe von Brest eingesetzt. Der CVJM inspizierte damals immer wieder einmal die Arbeitslager und verhalf schließlich so auch Alfred Cahn zur Flucht in die Schweiz.

Dort, in Genf, begann er sein Musikstudium, lernte seine Frau kennen und wanderte schließlich gemeinsam mit ihr in die USA aus, wo er in Milwaukee eine bürgerliche Existenz als Musiklehrer aufbaute.

Seine Heimatstadt Speyer hat Cahn in all den Jahren stets im Herzen getragen. Im Jahr 1971 reiste er – damals noch inkognito - in die Pfalz, wollte seiner Frau seine Geburtsstadt zeigen und das bis heute auf dem Speyerer Friedhof erhaltende Grab seiner Vorfahren besuchen.

Im Rahmen ihrer Recherche-Arbeiten habe Ria Krampitz vom Seniorenbüro Speyer dann Kontakt zu Alfred Cahn aufgenommen, was in der Folge zu insgesamt vier Reisen des Musikers nach Speyer geführt habe. Besucher, die immer wieder einmal bei Alfred Cahn in Milwaukee Station machen, erleben den Musiker bis heute als überaus interessiert an allem, was mit Speyer zu tun hat. „Er spricht immer wieder davon, dass er den Deutschen nicht nachträgt, was ideologisch Verblendete in ihrem Namen angerichtet haben“, berichtet Rössler, der bis heute engen Kontakt mit dem Speyerer Juden hält, den wohl nur seine Musik vor dem Tod in der Gaskammer bewahrt hat.

Und welch großartigses Potential in den Kompositionen von Alfred Cahn steckt, konnten die Zuhörer dieses Vortrages an einigen von dem Ehepaaar Rössler eindrucksvoll dargebotenen Beispielen erfahren: Von seinem „Opus 1“, das er sich als Zehnjähriger für „sein“ geliebtes Klavier ausgedacht hatte bis hin zu seinem „Lied von den kleinen Bäumchen“, mit dem er „gegen den Untergang „anmusizieren“ wollte – Cahns Musik birgt vieles von dem, was Musikkenner mit dem späten Mendelssohn oder dem ganz jungen Arnold Schönberg verbinden – also höchst qualitätvolle Musik, die jetzt auch als CD, eingespielt von den Ausnahmetalenten Emma und Ina Rasmussen vorliegen. Der SPEYER-KURIER berichtete davon in seiner Ausgabe vom 07. August 2013. Foto: gc

02.11.2013


Gemeinsames Gedenken zum 75. Jahrestag der Reichspogromnacht

Kirchenpräsident Christian Schad (rechts) überreicht dem Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Daniel Nemirowsky, ein Bild aus der Reihe „Heimat | Kirche | Pfalz“ mit dem Motiv der neuen Speyerer Synagoge.

Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde trifft Kirchenpräsident im Landeskirchenrat

Speyer- Einen gemeinsamen Gedenktag anlässlich des 75. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November schlagen die Evangelische Kirche der Pfalz und die Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz vor. Darauf verabredeten sich Kirchenpräsident Christian Schad und Daniel Nemirowsky, seit 2010 der Geschäftsführer der Kultusgemeinde, bei einer Begegnung im Landeskirchenrat. Der Gedenktag könnte von der evangelischen und der katholischen Kirche gemeinsam mit der Stadt Speyer und der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz begangen werden. Er sei zuversichtlich, dass sich dieser „gute Vorschlag“ des Kirchenpräsidenten umsetzen lasse, so Nemirowsky.

Schad erinnerte an die Verfassung der pfälzischen Landeskirche, deren erster Paragraph sie seit 1995 dazu verpflichte, „Versöhnung mit dem jüdischen Volk zu suchen und jeder Form von Judenfeindschaft entgegen zu treten“. Einerseits begreife sich das Christentum nur aus seinen jüdischen Wurzeln heraus, andererseits sei das deutsche Volk dasjenige, das Juden das Schlimmste, den Völkermord, angetan habe. Er sei dankbar dafür, dass inzwischen eine Dialogkultur gewachsen sei, vor allem durch den Arbeitskreis Kirche und Judentum. Die Gedenkveranstaltung zum 9. November solle „ein Zeichen der Umkehr und Buße sein, aber auch den festen gemeinsamen Willen ausdrücken, dass es auf deutschem Boden nie wieder zu Pogromen kommen möge“, sagte Schad.

Kirchenpräsident Schad überreichte Daniel Nemirowsky zur Begrüßung das gerahmte Bild aus der aktuellen „Heimat | Kirche | Pfalz“-Motivreihe zum Jahr der Toleranz, das die neue Speyerer Synagoge zeigt. Im Gegenzug hatte Nemirowsky eine Flasche koscheren Weins und eine Münze mitgebracht, die zur Einweihung der Neuen Synagoge 2011 geprägt worden war. lk

14.05.2013


„Damit sie nicht vergessen werden“

Dr. Joachim KemperWormser Geschwister Schlösser präsentieren Erinnerungs-Projekt an ermordete und vertriebene Wormser Juden

Von Gerhard Cantzler

Die Ankündigung für den jüngsten Mittwochs-Vortrag im Speyerer Stadtarchiv las sich zunächst einmal doch recht technokratisch: „Vom Bürgerarbeitskreis bis zum Internet – Die lange Geschichte des Forschungsobjekts 'Die Wormser Juden von 1933 bis 1945'“ - so lautete der Titel dieses in der spannenden Form eines Zweier-Referates angelegten Abends, zu dem der Leiter des Speyerer Stadtarchivs, Dr. Joachim Kemper, das aus Worms stammende Geschwisterpaar Dr. Susanne und Dr. Hermann Schlösser in dem einmal mehr bis auf den letzten Platz besetzten Lesesaal des Archivs begrüßen konnte. Doch wer sich von den beiden Historikern – Dr. Susanne Schlösser leitet das Historische Archiv des Stadtarchivs in Mannheim, ihr Bruder, Dr. Hermann Schlösser, ist seit vielen Jahren Redakteur bei der Tageszeitung „Wiener Zeitung“, zugleich Amtsblatt für die österreichische Bundeshauptstadt – lediglich methodische Ansätze über die Erstellung eines Personenregisters und seine Umsetzung von der „Papierform“ auf ein zeitgemässes Internetportal erwartet hatte, der musste sich rasch und eindrucksvoll eines besseren belehren lassen:

Dr. Susanne SchlösserDenn die Sachverhalte und Lebensgeschichten, die die beiden Referenten als Ergebnisse ihrer Lebensarbeit vortrugen und die das Schicksal der Wormser Juden im Dritten Reich reflektieren, erwiesen sich rasch als zutiefst emotional und bewegend und ließen manch einem Zuhörer das Blut in den Adern gefrieren. Schon in der gedruckten Fassung ihres Werkes, das im Jahr 1986 unter dem beziehungsreichen Titel „Keiner blieb verschont“ in der Schriftenreihe des Wormser Stadtarchivs erschien, hatten die Autoren 1144 Lebensschicksale ehemals Wormser Juden zusammengetragen, die 1933 noch in der Stadt lebten. Schon 1939 betrug ihre Zahl nur noch 317 – viele waren inzwischen emigriert, andere ins vermeintlich sicherere Mannheim verzogen, von wo aus sie dann aber auch ins südfranzösische Gurs deportiert und schließlich im Konzentrationslager Auschwitz ermordert wurden – 1945, am Ende des Krieges, war keiner übrig geblieben – denn „keiner blieb verschont“.

Da war die Geschichte der Lehrerin Herta Mannsbacher, die – als Jüdin mit Berufsverbot belegt – die Liste der Emigranten führte, weil sich ihre Schülerinnen und Schüler vor ihrer Abreise einzeln bei ihrer Lehrerin verabschiedeten.

Da ist die Geschichte jener jüdischen Klavierlehrerin, bei der ganze Generationen Wormser Kinder ihre ersten Schritte zu einer „Pianisten-Karriere“ gingen und mit der sich musikbegisterte Wormser Bürger regelmäßig zu Hausmusikabenden trafen – bis 1933: Da gab man ihr zu verstehen, dass sie bei solchen Treffen nicht mehr erwünscht sei. „Das war schon bald nach der 'Machtergreifung'“, berichtete Dr. Susanne Schlösser, „zu einer Zeit also, wo man sich ohne Risiko auch hätte anders verhalten können“.

Nach dem Krieg, so erinnerten sich die Referenten, sei der erste frei gewählte Oberbürgermeister der Stadt Worms, Heinrich Völker, nach Israel gereist und habe versucht, dort Kontakte mit früheren Wormser Juden zu knüpfen. Ihr Vater, Dr. Karl Schlösser, habe als erster und langjähriger Leiter der Wormser Volkshochschule die so entstandenen Verbindungen aufgenommen und mit großem persönlichen Einsatz vertieft.

Dr. Susanne SchlösserÜberhaupt: Die Eltern Schlösser. Mit großem Freimut berichtete Dr. Hermann über die Mutter, die - aus einer zutiefst nationalsozialistisch geprägten Oppenheimer Familie stammend - die auf Versöhnung mit den Juden ausgerichteten Aktivitäten ihrer Kinder nach dem Kriege noch lange als „Verrat an der deutschen Sache“ ablehnte, sich dann aber später zu einer glühenden Verfechterin dieses Versöhnungswerkes wandelte. „Noch am Tag vor ihrem Tode telefonierte sie mit ehemaligen Wormser jüdischen Mitbürgern in Kalifornien und in Schweden“, erinnerte sich Dr. Hermann Schlösser – sie habe die Verbindungen geknüpft und mit Akuratesse die Namenslisten der aus Worms emigrierten, aber auch der von den Nazis umgebrachten Juden aus der Domstadt, geführt und sich bis an ihr Lebensende um die Pflege und den Fortbestand der so entstandenen Kontakte bemüht.

Der Vater Dr. Karl Schlösser, so berichtete seine Tochter, habe 1939 nahtlos vom Wehrdienst in den Kriegsdienst überwechseln müssen und 1942, drei Tage vor seinem 25. Geburtstag, als Folge einer Kriegsverletzung sein Augenlicht verloren. Nach einer Ausbildung zum Dolmetscher an einer Fachschule in Graz habe er 1945 in Worms das Abitur nachgeholt und danach Geschichte, Slawistik und Romanistik studiert. Mit dieser Fächerkombination habe er seine Leidenschaft für die französische und die russische Sprache, vor allem aber für die Aussöhnung mit den ehemaligen Kriegsgegnern, aufnehmen und die so erworbenen Fertigkeiten für den Aufbau freundschaftlicher Beziehungen mit Franzosen und bereits 1966 auch mit Menschen in Rußland einsetzen können. „Wir hofften, dort Entlastendes zu finden, aber es kam noch viel, viel Schlimmeres zu Tage als wir befürchtet hatten“, schrieb Dr. Karl Schlösser damals über seine Studien in den Archiven in Israel.

Dr. Hermann SchlösserIn einem so geprägten Milieu seien auch die beiden Kinder aufgewachsen – hätten im Alltag miterlebt, mit welchen Vorbehalten, ja zum Teil sogar scharfer Ablehung, Juden, die aus ihrer Heimatstadt Worms vertrieben worden waren, den Wormsern nach dem Kriege begegneten – und wie sich diese Einstellung in Freundschaft wandelte. Rührend das Erlebnis der jungen Susanne, die bei einer Reise nach Isreal in der Jugendherberge, wo sie mit ihrer Jugendgruppe untergebracht war, von einem Telefonanruf erreicht wurde, wo sie jemand in der nur hebräisch oder allenfalls englisch sprechenden Umgebung im Wormser Dialekt ansprach. Bewegend die Geschichte von Annelies Löwenstein, in den USA verheiratete Anne Marx, aufgewachsen bei ihren Großeltern in Worms, wo sie sich zur Physiotherapeutin ausbilden ließ, weil ihr das ersehnte Studium der Medizin als Jüdin verwehrt wurde. Sie habe Trost über ihr schweres Lebensschicksal in Lyrik gefunden und sich nach ihrer Emigration in die USA die für sie fremde englische Sprache über die Lyrik erschlossen. Mit einem der Gedichte von Anne Marx, die erst 2004 in den USA verstarb, gab Dr. Susanne Schlösser einen kleinen Eindruck von dem großen literarischen Potential dieser Frau.

Solche Erfahrungen seien es gewesen, die Dr. Karl Schlösser und seine ganze Familie dazu angetrieben hätten, die Geschichte der Wormser Juden im Dritten Reich aufzuschreiben und sie als Buch zu veröffentlichen. Inzwischen sei dieses Werk auch als DVD und seit kurzem auch als vielseitig nutzbares Internetportal verfügbar.

Eine Aufgabe, die auch in Speyer noch auf der Agenda des Stadtarchivs steht. Wie dessen Leiter, Dr. Joachim Kemper, mitteilte, habe Katrin Hopstock in den letzten Jahren bereits ein inzwischen schon weit fortgeschrittenes Verzeichnis der ehemaligen jüdischen Mitbürger zusammengetragen. Dieses in eine zeitgemäße, elektronische Form zu bringen, sei eine Herausforderung, der sich das Archiv in der nächsten Zeit annhemen wolle. Wie so etwas aussehen könnte, davon kann man sich unter www.wormserjuden.de einen eindrucksvollen Überblick verschaffen. Foto: gc

21.03.2013


Humanist, Idealist und Retter von über 100.000 Juden – Eindrucksvolle Ausstellung zum Gedenken an Raoul Wallenberg

Raoul Wallenbergigk./cr. Nürnberg. Mit einer eindrucksvollen Ausstellung gedenken derzeit die Generalkonsulate von Israel und Ungarn gemeinsam mit der Bayerischen Landeszentrale für politische Bildung und dem Nürnberger „Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände“ des 100. Geburtstages des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg, der in der Zeit des Zweiten Weltkrieges in Ungarn mehr als 100.000 Juden das Leben gerettet hat.

Nach dem Krieg von Agenten des russischen Geheimdienstes NKWD in die Sowjetunion verschleppt, verliert sich die Spur des mutmaßlich gewaltsam zu Tode gebrachten Schweden in den Geheimkerkern der Sowjets.

Aus Anlass der Eröffnung dieser Ausstellung fand jetzt in dem Nürnberger Dokumentationszentrum ein Workshop statt, in dem ungarische, israelische und deutsche Schüler gemeinsam Fragen über Antisemitismus, Zivilcourage, Ausgrenzung von Minderheiten und das Schweigen der Mehrheit in unterschiedlichen Formen bearbeiteten. Informationen zu Raoul Wallenberg vermittelten ihnen die Historiker Tibor Pécsi und Dr. Gideon Greif.

In einem bewegenden Statement zu diesem Anlass berichtete der in München akkreditierte israelische Generalkonsul Tibor Shalev Schlosser über seine diplomatische Tätigkeit in Italien, zu der auch die Ehrung von Menschen als „Gerechte der Völker“ gehört habe - Menschen, die wie Raoul Wallenberg Juden vor Verfolgung und Tod gerettet hätten. „Auf die Frage, warum sie damals jüdische Menschen vor der Verfolgung der Nazis gerettet haben, hörte ich immer wieder: 'Wie konnte ich etwas anderes tun?'“ Eine immer wieder aufs neue bewegende Antwort, so der Generalkonsul, die aber auch immer wieder die Frage aufwerfe, warum andere Menschen nicht geholfen hätten.

Zutiefst berührend auch die Würdigung des trinationalen Projekts durch den 1941 in Belgien geborenen, ehemaligen israelischen Staatsminister Yossi Peled: Seine Eltern versteckten den damals sechs Monate alten Säugling bei einer christlichen Familie, die ihn aufnahm und großzog. Seine Eltern und Angehörigen wurden in Auschwitz ermordet. Erst im Alter von acht Jahren erfuhr er, dass er eigentlich Jude ist. Obwohl diese Information für ihn ein Schock gewesen sei, würdigte er das Verhalten seiner Pflegeeltern: „Sie brachten ihr Leben in Gefahr, um, mich zu retten – genauso wie Raoul Wallenberg“. Yossi Peled berichtete auch von seinen drei offiziellen Besuchen in seiner Funktion als Staatsminister in Deutschland, wo er zuletzt auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammengetroffen sei. Dabei sei er beeindruckt gewesen von Deutschlands Sensibilität gegenüber Israel – nicht nur bei der Bundeskanzlerin. Dennoch könne er unmöglich in Deutschland sein, ohne zu sagen: „Ich kann nicht vergessen“. Es gebe aber auch eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. „Dieses Land mit seiner schrecklichen Vergangenheit ist heute einer der größten Unterstützer des Staates Israel“. Das sei für manche nur schwer zu verstehen – sei aber die Wahrheit. Im Namen Israels und der jüdischen Nation danke er deshalb Deutschland, aber auch den Organisatoren dieses trinationalen Projektes für ihr Eintreten gegen das Vergessen.

Der ungarische Generalkonsul Tamás Mydlo lobte die große Kreativität der Jugendlichen aus den drei Ländern, die damit einen Beitrag geleistet hätten, das Andenken an Raoul Wallenberg wachzuhalten, indem sie „Opfern helfen, die sich nicht selbst wehren können“. Weil es wichtig sei, aus der Geschichte zu lernen, habe Ungarn das „Wallenberg-Jahr“ initiiert. Der überwiegende Teil der ungarischen Gesellschaft distanziere sich heute klar von dem neu aufflammenden Antisemitismus in seinem Heimatland, erklärte der Diplomat zum Abschluss dieses Abends, der von dem 24jährigen ungarischen Violinisten Raimund Ónodi mit dem Leitmotiv aus dem Film „Schindlers Liste“ von John Williams und mit zwei Capriccios von Niccolò Paganini umrahmte.

Die Ausstellung im Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände ist noch bis zum 16. Dezember geöffnet. Sie dokumentiert die Lebensgeschichte des „Gerechten der Völker“ Raoul Wallenberg.

Israel ehrte Raoul Wallenberg 1983 mit einer BriefmarkeRaoul Wallenberg – Lebensschicksal eines tapferen Mannes

Existentiell erschüttert durch die vom Eichmann-Kommando und ungarischer Hilfspolizei organisierte Ghettoisierung von über 400.000 Juden in der Zeit von Mai bis Juli 1944, entschloss sich der aus einer einflussreichen, wohlhabenden schwedischen Familie stammende Diplomat zum Handeln: Am 9. Juli 1944 trat er – unterstützt vom „US-War Refugee Board“ als erster Sekretär seinen Dienst in der schwedischen Gesandtschaft in Budapest an, um mit Unterstützung der schwedischen Regierung Maßnahmen zur Rettung Budapester Juden einzuleiten.

Wallenberg gab dazu sogenannte Schutzpässe aus, die ihre Inhaber als schwedische Staatsbürger legitimierten, die ihre Repatrierung erwarteten. Ähnliche Dokumente wurden damals auch von der Schweiz und dem Vatikan ausgestellt. Obwohl diese Papiere keinerlei völkerrechtlich verbindliche Bedeutung hatten, wurden sie dennoch von den ungarischen und den deutschen Behörden anerkannt. Gemeinsam mit dem Schweizer Gesandten Carl Lutz organisierte Wallenberg die sichere Unterbringung seiner Schützlinge in über 30 sogenannten Schutzhäusern, die er mit schwedischen Flaggen kennzeichnete.

Gut 30.000 Menschen befanden sich damals in diesen Schutzhäusern, in denen sie versorgt und in denen Wallenberg mit amerikanischer Unterstützung sogar Krankenstationen eingerichtet hatte.

Als Leiter des nach ihm benannten „Sonderkommandos“ tobte Adolf Eichmann und drohte Wallenberg gar, den „Judenhund Wallenberg“ zu erschießen zu lassen. Dies führte zu einem offiziellen Protest Schwedens, der wiederum bei dem ungarischen Staatsoberhaupt Miklós Horthy die zeitweilige Unterbrechung der Deportationen bewirkte, bis im Oktober 1944 ein von den Deutschen unterstützter Putsch der Pfeilkreuzler Horthy nach dessen Ankündigung eines Waffenstillstands und Ungarns Neutralität gegenüber der Sowjetunion durch Ferenc Szálasi ersetzte. Als Eichmann im November 1944 wegen mangelnder Transportkapazitäten eine große Zahl von Juden auf Todesmärschen zu Fuß und ohne Essen, zerlumpt und fast barfuß zur österreichischen Grenze treiben ließ, verteilte Wallenberg u. a. Essen und fragte nach Inhabern schwedischer Schutzpässe.

Das Mahnmal für Raoul Wallenberg auf dem Gelände der Großen Synagoge in BudapestDurch sein entschlossenes Auftreten und durch ein Abhaken auf imaginären Listen erweckte er gezielt den Eindruck, diese Menschen besäßen schwedische Schutzpässe, die ihnen daraufhin erst handschriftlich ohne Stempel, Bild oder Autorisierung ausgestellt wurden. In den letzten Wochen bis zur Eroberung Budapests durch die Rote Armee Mitte Januar 1945 ermordeten Angehörige der Pfeilkreuzler völlig willkürlich noch zwischen 10.000 und 20.000 Ghettobewohner. Wallenberg gelang es aber auch dort, durch sein entschiedenes Auftreten, Menschen vor dem sicheren Tod zu retten, indem er behauptete, sie seien Inhaber schwedischer Schutzpässe. Er hatte sich dazu auch der Unterstützung durch die ungarische Polizei versichert, die gegen das willkürliche Auftreten der Pfeilkreuzler eintrat. Etwa 70.000 Juden überlebten dadurch im Budapester Ghetto. Kurz vor der Befreiung des Allgemeinen Ghettos soll dessen Vernichtung geplant gewesen sein, die schließlich noch verhindert wurde, da Wallenberg dem deutschen Wehrmachtsgeneral Schmidhuber gedroht habe, ihn andernfalls als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft ziehen zu lassen. Von den etwa 800.000 Juden, die im Zweiten Weltkrieg auf dem Gebiet Ungarns lebten, hatten bei Einmarsch der Roten Armee etwa 204.000 überlebt.

Auch nach der Eroberung von Budapest durch die Rote Armee wollte sich Wallenberg weiterhin für seine Schützlinge einsetzen. Deshalb wollte er den sowjetischen Kommandanten treffen. Auf dem Weg nach Debrecen wurde Wallenberg jedoch nach Moskau verschleppt. Ein Spion des NKWD in der schwedischen Gesandtschaft in Budapest hatte den Eindruck erweckt, Wallenberg arbeite als amerikanischer Spion. Nach stalinistischer Lesart aber wurde bereits jeder, der zufällig Kontakt zu einem Spion haben konnte, selbst als Spion angesehen. Dies traf naturgemäß auch auf fen Diplomaten zu, zumal Wallenberg an die amerikanischen Geldgeber seiner Rettungsaktion Berichte übermittelte.

Erst 1993 wurde der Haftbefehl gegen Wallenberg bekannt. Kein geringerer als der Vize-Verteidigungsminister Bulganin hatte am 17. Januar 1945 angeordnet, dass Wallenberg nach Moskau zu bringen wäre. Zusammen mit seinem Chauffeur Langfelder wurde Wallenberg in das NKWD-Gefängnis Lubjanka gebracht. Nach Aussagen von Mitgefangenen verdächtigte man ihn der Spionage. Seine Herkunft aus einer schwedischen Familie machte ihn Stalin und dem NKWD zusätzlich verdächtig. Später wurde er zwei Jahre im Lefortowo-Gefämgnis in Moskau gefangengehalten. Bis Anfang 1947 ist sogar bekannt, in welchen Zellen und Gefängnissen er sich befand - wann und von wem er verhört wurde. Über die Zeit danach herrscht bis heute Unklarheit.

Lange Zeit leugnete die Sowjetunion, dass Wallenberg sich überhaupt in der Sowjetunion befunden hatte. Am 6. Februar 1957 behauptete Moskau aber unter internationalem Druck, Raoul Wallenberg sei am 17. Juli 1947 in seiner Zelle in der Lubjanka tot aufgefunden worden und vermutlich einem Herzinfarkt erlegen. Stichhaltige Beweise dafür konnten nie vorgelegt werden.

Wallenbergdenkmal in Tel AvivDie schwedische Ärztin Prof. Svartz erfuhr anlässlich eines Medizinerkongresses im Januar 1961 von einem sowjetischen Kollegen, Wallenberg befinde sich noch immer in einer Nervenheilanstalt. Im Jahre 1965 versuchte Carl Gustav Svingel, Unterhändler der SPD für den „Agentenaustausch“, über den sowjetischen Unterhändler Abrassimow, der um die Freilassung eines in Schweden inhaftierten sowjetischen Spions bemüht war, seinen Freund Raoul Wallenberg freizubekommen. Auch ihm wurde von sowjetischer Seite bestätigt, dass Raoul Wallenberg noch am Leben sei.

Die Spur dieses tapferen und aufrechten Humanisten, der so vielen Juden das Leben gerettet hat, verliert sich also am Ende in den Kerkern der Sowjetunion. Dass ihm zu einem 100. Geburtstag nun auch in Nürnberg gedacht wurde, wird vielleicht dazu beitragen, die Erinnerung an ihn als einen „Gerechten der Völker“ auch über sein mysteriöses Verschwinden hinaus in der Zukunft lebendig zu halten. Fotos: aus Wikipedia

 

 

 

 

 

Lesen Sie ein ausführliches Interview des Israelischen Generalkonsuls in der bayerischen Zeitschrift für Politik und Geschichte.

13.12.2012


Mit Segenssprüchen und beeindruckendem Singspiel Chanukkah-Fest eröffnet

Oberbürgermeister Eger und Gemeindevorstand Epstein entzünden gemeinsam „Schamasch“ für Chanukkah-Leuchter

Von Gerhard Cantzler

Es war am Sonntag Abend nun schon zum zweiten Mal seit der Eröffnung der neuen Synagoge „Beith Schalom“ in Speyer, dass die „Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz“ im Versammlungsraum ihres Gotteshauses die erste Kerze an dem achtarmigen Chanukkah-Leuchter entzünden konnte, der in den nächsten sechs Tagen zu vollem Glanz erstrahlen wird. Die große Ehre, den „Schamasch“, die „Dienerkerze“ zu entzünden, mit der jetzt Tag für Tag Kerze um Kerze angesteckt wird, wurde an diesem Abend Oberbürgermeister Hansjörg Eger gemeinsam mit dem Gemeindevorsitzenden Israil Epstein zuteil; die ersten beiden Kerzen auf dem Leuchter – es war an diesem Sonntag immerhin schon der zweite Tag des jüdischen Lichterfestes – entzündete dann unter Gebeten und Segenssprüche Rabbiner Seew-Wolf Rubins. In jedem Jahr ist dieser Tag für alle Juden in der Welt ein freudiges, aber auch immer wieder bewegendes Ereignis, zu dem sich wieder zahlreiche Gäste in der Synagoge eingefunden hatten.

Daniel Nemirowsky, Geschäftsführer der Kultusgemeinde, hatte sie alle schon zu Beginn des Abends in dem dicht besetzten Versammlungssaal zur Eröffnung des diesjährigen Chanukkah-Festes begrüßt, unter ihnen „den Freund und Förderer der Speyerer Synagoge“, den früheren Oberbürgermeister Werner Schineller, die Landtagsabgeordneten Friederike Ebli (SPD) und Dr. Axel Wilke (CDU) sowie den Speyerer Beigeordneten Dr. Wolf Böhm (FDP).

Auch zahlreiche Vertreter der benachbarten und befreundeten kirchlichen Gemeinschaften waren der Einladung gerne gefolgt, an ihrer Spitze der Speyerer Weihbischof Otto Georgens und Pfarrer Hubert Ehrmanntraut und für die türkisch-islamische Gemeinde eine kleine Delegation mit dem Vorsitzenden Selahattin Yildirim an der Spitze. Schließlich sah man auch Vertreter der Deutsch-Israelischen Gesellschaft sowie den Vorsitzenden des Freundeskreises Speyer-Yavne, Andreas Niggemann unter den Besuchern.

Zu Beginn schon hatte Israil Epstein das Chanukkah-Fest als Symbol für den Sieg der Juden im Kampf für ihre religiöse Freiheit und Unabhängigkeit bezeichnet. Oberbürgermeister Eger zog in seinen Glückwünschen, die er namens der Stadt und ihren Bürgerinnen und Bürgern an die Jüdische Gemeinde überbrachte, die Parallele des Chanukkah-Festes zu Weihnachten. So wie Christen in diesen Wochen die Kerzen am Adventskranz entzündeten, um schließlich an Weihnachten ihre Häuser im vollen Glanz des Christbaumes erstrahlen zu lassen, so würden die Juden ihre Gotteshäuser und Wohnungen mit dem Licht der Chanukkah-Leuchter erhellen. „Uns alle eint in dieser Zeit die Freude darüber, dass es in unserer Welt immer wieder Wunder gibt“, schloss Eger seine Grußadresse.

Daniel Nemirowsky konnte sodann nach der Zeremonie der Entzündung der ersten Kerze am Chanukkah-Leuchter den Chor der Kultusgemeinde der Rheinpfalz ankündigen, der zu diesem Fest ein szenisch unterstütztes Singspiel über die dem Chanukka-Fest zugrunde liegende Überlieferung mitgebracht hatte (siehe dazu den Beitrag „Chanukkah – das jüdische Lichterfest“ im SPEYER-KURIER vom 9.12.2012). Ausdrucksstark und mit zum Teil prachtvollen Stimmen ausgestattet sangen die Chormitglieder in hebräischer, jiddischer und immer wieder in russischer Sprache – der größere Teil der Gemeindemitglieder stammt immerhin aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion – die auch bei den Gemeindemitgliedern spürbar vertrauten Lieder. Spätestens bei dem von Georg Friedrich Händel vertonten Hymnus „Tochter Zion, freue Dich“ aus dem Oratorium „Judas Makkabäus“ - dem Anführer der Juden in dem im Singspiel beschriebenen Kampf gegen die Selekuiden g konnten dann alle Anwesenden – jeder freudig und in seiner Sprache einstimmen.

Bevor sich dann die Teilnehmer der Chanukkah-Feier dem mit traditionellen Speisen reich ausgestatteten Festmahl zuwenden konnten, sollte dieser Chanukkah-Tag aber auch noch einer weiteren Tradition gerecht werden: „Chanukkah ist der schönste Tag für die Kinder...“ schreibt ein jüdisches Sprichwort vor. Die Kinder wurden deshalb nach vorne auf die Bühne gerufen, wo sie aus der Hand von Israil Epstein mit Geldgeschenken bedacht wurden – noch eine Parallele zum christlichen Weihnachtsfest und zum muslimischen Opferfest. Zuvor schon hatten zwei aus dem Kreis der Kinder und Jugendlichen mit Soloeinladen für Klavier und Gitarre das Publikum erfreut.

„Gelb und rot müssen die Speisen an diesem Tag sein“, erläuterte Daniel Nemirowsky die Speisevorschriften für das Chanukkah-Fest. Damit werde symbolisiert, dass in der Zeit der Entstehung des Festes Speisen nur in Öl gebraten essbar waren, um den strengen religiösen Vorschriften gerecht zu werden.

Den Gästen aber mundeten Lachs und Eier, Hering und Sprotten - auch wenn die, anders wie zum Beispiel die frittierten Teigtaschen oder die Krapfen, nicht in Öl ausgebacken waren – denn gelb und rot waren sie auf jeden Fall. Foto: gc

10.12.2012


Erinnerung und ausgelassenes Feiern: Chanukkah - das jüdische Lichterfest

von Gerhard Cantzler

Heute abend ist es wieder soweit: In allen jüdischen Haushalten wird bei Sonnenuntergang die erste Kerze am Chanukkah-Leuchter entzündet und damit dieses traditionelle, acht Tage dauernde Lichterfest der Juden, eröffnet. Abend für Abend wird dann unter traditionellen Segenssprüchen eine weitere Kerze angesteckt, bis der Leuchter in voller Pracht erstrahlt.

Der achtarmige Chanukka-Leuchter darf nur einmal im Jahr - zu diesem Fest - entzündet werden. Traditionell ist in der Mitte des Leuchters auch noch eine neunte Kerze, der Schamasch - das bedeutet “der Diener” - aufgesteckt, mit dem die anderen Kerzen des Leuchters angezündet werden.

Mit dem Chanukkah-Fest erinnern die Juden an die Wiedereinweihung des Tempels von Jerusalem nach dem sogenannten Makkabäeraufstand im Jahr 165 v. Chr., durch den die Schreckensherrschaft der griechischen Syrerdynastie der Seleukiden über die Juden beendet wurde. Nachdem dann der Tempel von den griechischen Götzenbildern befreit und gereinigt worden war, musste er nach jüdischem Ritus wieder neu konsekriert werden.

Chanukkah bedeutet deshalb soviel wie “Neueinweihung” und erinnert an das folgende Ereignis: Damals war im Tempel nur noch eine winzige Menge geweihtes Öl übrig, das gerade gereicht hätte, den Tempel einen Tag lang zu erhellen. Das Herstellen von neuem Öl hätte jedoch mehrere Tage in Anspruch genommen - das ewige Licht im Tempel drohte also zu erlöschen. Da ereignete sich das Wunder: Das Licht brannte zur allgemeinen Verwunderung weiter - acht Tage lang....

Auch wenn Chanukkah im jüdischen Verständnis nur ein “Halbfeiertag” ist, weil er nicht auf biblische Gebote zurückgeht, sondern nur auf ein historisches Ereignis, so wird er doch in den Familien und Gemeinden ausgelassen gefeiert. Für die Kinder gibt es Geschenke und der Tisch ist an diesen Tagen mit traditionellen Speisen reich gedeckt.

Chanukkah wird stets am Vorabend des 25. des Monats Kislew - in diesem Jahr am 9. Dezember - gefeiert - im 5773. Jahr jüdischer Zeitrechnung.

Der SPEYER-KURIER ruft deshalb heute - am Vorabend 25. Kislew 5773 - allen Mitbürgern jüdischen Glaubens für die nächsten acht Tage zu: “Hag Hanukkah sameah”, ein “Schönes Chanukkah-Fest”.

09.12.2012


Durch bewegende Synagogalmusik den Weg in gemeinsame Zukunft suchen

Wiener Oberkantor Shmuel Barzilai begeistert mit bewegenden Gesängen

Von Gerhard Cantzler

Er ist sicher einer herausragenden Vertreter seines Fachs: Der Wiener Jüdische Oberkantor Shmuel Barzilai, der mit seiner ganz außergewöhnlichen, substanzreichen Tenorstimme am Sonntag abend sein Publikum in dem dicht besetzten Versammlungssaal der neuen Speyerer Synagoge „Beith Shalom“ ein ums andere Mal zu wahren Beifallsstürmen hinriss und sie mit anderen Liedern zu Tränen rührte. Und damit ist sicher schon in wenigen Worten umschrieben, was Synagogalmusik ausmacht: Immer wieder aufs neue den Spagat zu bewältigen zwischen überbordender Begeisterung und eruptiver Freude, ohne dabei die melancholisch-traurigen Untertöne zu vergessen – Musik von tiefer und erschütternder Schwermut aufzuladen mit aufblitzendem, melodischem Witz.

Wie ein geistreicher jiddischer Witz, der sich meist in einem kontrastierenden Beziehungspaar aus Personen oder Begriffen manifestiert – Shmuel Barzilai hatte auch davon einige köstliche Beispiele mitgebracht, die er im gekonnten Spiel mit seinem Auditorium in das überaus abwechslungsreiche Bühnenprogramm einfließen ließ – so präsentiert sich auch die Musik der Synagogen. Eine große Auswahl daraus - liturgische und weltliche Gesänge in hebräischer und jiddischer Sprache - hatte der Künstler – am Flügel kongenial und einfühlend begleitet von dem Osnabrücker Dirigenten Holger Dolkemeyer – in sein Abendprogramm aufgenommen - vieles davon den Mitgliedern der jüdischen Gemeinden aus ihrem liturgischen Alltag wohlvertraut – anderes, das längst - die Grenzen der Kulturen überschreitend - zum allgemeingültigen Kulturgut geworden ist - für alle Besucher dieses unvergesslichen Abends Grund genug, der Einladung Barzilais zum Mitsingen erst zögerlich, dann aber mehr und mehr aus vollem Herzen zu folgen.

Der Wiener Kantor, der an der Musikhochschule seiner Heimatstadt Operngesang studiert und an der berühmten jüdischen Kantorenschule in Jerusalem sein Können in dieser ganz besonderen Form des liturgischen Gesanges zur Perfektion entwickelt hat, weiß mit seiner Stimme und mit seinem Publikum umzugehen - es mit seinem Charme und seinem Charisma für sich einzunehmen. Seine helle, obertönige Tenorstimme versteht er mit den für den Synagogalgesang so typischen Schleifern und Schluchzern zum Weinen zu bringen und nimmt damit seine Zuhörer mit auf eine Reise durch die unterschiedlichsten Gefühlsebenen. Lachen und Weinen – Trauer und Freude – Liebe und Leid – diese nur scheinbaren Gegensätze spiegeln sich wider in den uralten Traditionen überbrachter Worte und Melodien.

Es war große Musik, die da dem Auditorium – darunter sah man neben dem Hausherrn, dem Vorsitzenden der Israelischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Israel Epstein, auch den früheren Speyerer Oberbürgermeister Werner Schineller mit Gattin, Domkapitular Josef Damian Szuba und den Pfarrer der Gedächtniskirchengemeinde Uwe Weinerth sowie den Vorsitzenden des Freundeskreises Speyer – Yavne, Andreas Niggemann – gut anderthalb Stunden lang geboten wurde: Große Musik von einer großen Stimme, die Barzilai während des gesamten Konzertes nicht schonte.

Begeisterter, lang anhaltender Jubel und stehende Ovationen des Publikums dankten den beiden Solisten ihre höchst anspruchsvollen Darbietungen, die diese wiederum mit mehreren Zugaben quittierten, die größtenteils durch Zurufe aus dem Auditorium ausgelöst wurden: Wunschkonzert in der Synagoge also ganz zum Schluss. Einer der Wünsche kam übrigens auch vom Geschäftsführer der Kultusgemeinde, Daniel Nemirowsky, der sich bei den Künstlern mit koscherem „Synagogenwein“ und Bildbänden über das neue Speyerer Gotteshaus und über die SchUM-Städte bedankte.

Es war eine Idee des Zentralrates der Juden in Deutschland, den Wiener Oberkantor im Rahmen ihres Kulturprogrammes auch nach Speyer zu schicken. Bleibt zu hoffen, dass das nicht der letzte Abend in dieser faszinierenden Art war, denn auch so können sich die durch Hass und Gewalt über so viele Jahrzehnte entfremdeten Menschen – Juden und Nichtjuden – wieder zu einer gemeinsamen Zukunft kommen.

Die am gestrigen Abend in die Synagoge Gekommenen freuen sich schon heute sehr darauf. Foto: gc

03.12.2012


80. Geburtstag Charlotte Knobloch

Ministerpräsident Beck: Große Verdienste für Erinnerungskultur

„Ich danke Ihnen für Ihre Verdienste um eine Kultur des Erinnerns, des Gedenkens und des Lernens und wünsche Ihnen einen schönen Festtag.“ Mit diesen Worten gratulierte Ministerpräsident Kurt Beck der ehemaligen Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, zu ihrem 80. Geburtstag am 29. Oktober.

Charlotte Knobloch habe ihr Leben und ihre Kraft dem Erhalt der jüdischen Tradition und der Wiederbelebung des jüdischen Lebens in Deutschland gewidmet. „Geprägt von den Eindrücken des Zweiten Weltkrieges, den Verbrechen der Nazi-Diktatur und durch ihr persönliches Schicksal, ist Ihr Bekenntnis zur jüdischen Religion und ihrem kulturellen Erbe umso deutlicher, Ihr Kampf gegen den Antisemitismus in unserer Gesellschaft umso entschlossener“, so der Ministerpräsident in seinem Schreiben. So habe sie immer wieder Impulse zur Aufarbeitung der Vergangenheit gegeben, über die Landesgrenzen hinweg den Dialog der jüdischen Gemeinden gefördert und maßgeblich dazu beigetragen, dass – wie sie es in eigenen Worten formuliert habe – „die Juden wieder Teil dieses Landes“ sind.

In Rheinland-Pfalz freue man sich über neue Synagogen in Mainz und Speyer, mit denen nun alle drei SchUM-Städte wieder einen würdigen Ort der Begegnung hätten. „.Dank engagierter Personen, offener Kommunikation und einem ehrlichen Interesse der Menschen ist das jüdische Leben nach über sieben Jahrzehnten wieder im Alltag dieser Städte präsent“, schreibt der Ministerpräsident.

Charlotte Knobloch wurde als erste Frau zur Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern gewählt. Von 2006 bis 2010 war sie Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland. Von 2003 bis 2011 stand sie dem Europäischen Jüdischen Kongress als Vizepräsidentin vor. Seit 2005 ist sie Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses. STAATSKANZLEI RHEINLAND-PFALZ, Presse, Foto: Allgemeine Zeitung

26.10.2012


Dr. Edith Székely ist im Alter von 103 Jahren gestorben

von Ria Krampitz

Dr. Edith Székely, geborene Sussmanowitz, wurde am 24. April 1909 in Zeiskam geborenen. Ihre Kindheit und Jugendzeit verbrachte sie in Speyer, wo ihr Vater als Arzt tätig war (Vergl. dazu Porträt im SPEYER-KURIER vom 30.10.2011 unter „Jüdische Lebensbilder“ - Johannes Bruno: Dr.med. Julius Isak Sussmanowitz) Als Jüdin wurde auch die Tochter Edith verfolgt - die politischen Verhältnisse zwangen sie immer wieder zur Flucht. Vor dem Terror der Nazidiktatur flüchtete sie zunächst mit ihrem Mann nach Holland, wo dieser den Freund eines verstorbenen Onkels kannte. „Man ging halt dorthin, wo man jemand kannte. Alles war zufällig“ so Edith Székely in einem Gespräch noch zu Beginn dieses Jahres. Doch lange konnte das junge Ehepaar nicht in Holland bleiben. Sie folgten dem Bruder Ernst in die Sowjetunion, wo dieser als Arzt in einer jüdischen Organisation tätig war und sehr enthusiastisch von seinem dortigen Leben und seiner Arbeit berichtete.. Nach zwei Jahren aber, nachdem der Bruder auf der Krim verhaftet und ermordet worden war, flüchtete das Ehepaar Székely mit ihrer kleinen Tochter erneut – diesmal nach Finnland und von dort weiter nach Schweden.

In Stockholm entwickelte sich Edith nach und nach zu einer erfolgreichen Psychoanalytikerin, hatte enge und regelmäßige Kontakte mit Margarete Mitscherlich und durfte auch Anna Freud noch persönlich in London erleben.

Dr. Edith Székely war ihr ganzes Leben lang eine aktive Frau, die bis zum Schluss ihren Geist beschäftigte und die gesellschaftlichen Entwicklungen und ihr Leben stets kritisch hinterfragte. „Was liest man denn zurzeit in Deutschland?“, fragte sie noch Anfang 2012. Sie war von frühester Kindheit eine begeisterte Leserin. Leider wurde ihre Sehkraft nach und nach immer schwächer, so dass ihr diese Freude im hohen Alter nicht mehr vergönnt war.

Bis zu ihrem 100. Lebensjahr wohnte Edith Székely noch in ihrem Haus in Stockholm. Als sich ihr Gesundheitszustand aber immer weiter verschlechterte und sie mehr und mehr Hilfe benötigte, zog Edith Székely in ein jüdisches Altenheim. Vollkommen klar äußerte sie zuletzt immer häufiger den Wunsch, sterben zu wollen. Am 21. September 2012 ist sie nun im Kreise ihrer Familie eingeschlafen. Sie hinterlässt zwei Töchter, einen Enkel und drei Urenkelinnen, die ihre große Freude waren. Edith Székely war eine der immer weniger werdenden Zeitzeugen, die die Nazidiktatur erlebt und erfahren haben, was Antisemitismus bedeutet. Foto: Privat

17.10.2012


Entscheidung über Schwetzinger Gedenkstätte für die Opfer des Nazi-Terrors auf die Zielgerade eingebogen

Jury bekennt sich Matthias Brauns “Spiegel der Geschichte”.

Der Entscheidungsprozess über die Schwetzinger Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, die in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rathaus entstehen soll - sie ist jetzt wohl in die “Zielgerade” eingebogen. Gestern nun waren die Bürgerinnen und Bürger der Residenzstadt zur öffentlichen Vorstellung der in die Endrunde gekommenen Entwürfe in das Kulturzentrum “Palais Hirsch” eingeladen, ehe der Gemeinderat der Stadt dann am 27. September die endgültige Entscheidung darüber treffen wird, welcher der Entwürfe in den nächsten Monaten realisiert werden sollten.

War es dem Wetter geschuldet - kurz vor Beginn der Veranstaltung ging über der Stadt erneut ein schwerer Regenguss nieder - oder fühlten sich die Schwetzinger Bürgerinnen und Bürger durch die breite öffentliche Diskussion sowie durch die umfängliche Präsentation der fünf in die “Endrunde” gekommenen Entwürfe bereits vorher umfänglich informiert - die Resonanz aus der Bürgerschaft jedenfalls war eher gering, so dass sich Oberbürgermeister Dr. René Pöltl bei seiner Begrüßung insbesondere auf die in großer Zahl erschienenen Pressevertreter sowie auf die Mitglieder der Jury beschränken konnte.

Dr. Pöltl schilderte noch einmal den Werdegang des vieldiskutierten Projektes - der SPEYER-KURIER berichtete ausführlich am 03.09.2012 - und bedankte sich noch einmal ausdrücklich bei den Mitgliedern der Jury für ihre zielführende Arbeit. “Mit dem heutigen Tag möchten wir die Diskussion über das Projekt noch einmal auf eine breite, bürgerschaftliche Basis stellen und in diesem Sinne zugleich auch die angestrebte Bürgerbeteiligung herstellen”, betonte der Oberbürgermeister.

Der Kurator der Jury, Dr. Dietmar Schuth, Vorsitzender des Schwetzinger Kunstvereins, stellte sodann gemeinsam mit der Leiterin des Heideberger Kunstvereins, Susanne Weiß, die eines der drei externen Mitglieder der Auswahljury war, die fünf in den letzten Wochen auch im Foyer des Rathauses präsentierten Entwürfe vor und erläuterte ausführlich Vorzüge und kritikwürdige Details der fünf Arbeiten. Nach einer gründlichen Begutachtung durch die anwesenden Gäste offenbarte Dr. Schuth schließlich auch den Favoriten der Jury für die Realisierung: Es ist dies der Entwurf des Würzburger Bildhauers und Architekten Matthias Braun “Spiegel der Geschichte”.

Mit diesem Votum, so betonte Oberbürgermeister Dr. Poeltl anschließend, sei jedoch noch keine endgültige Entscheidung darüber gefallen, welcher Entwurf nach seiner Realisieung am 27. Januar 2013 - dem bundesweiten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus - eingeweiht werden wird. “Die Entscheidung darüber obliegt einzig und allein unserem Gemeinderat”, so der Oberbürgermeister abschließend. cr

15.09.2012


“www.epidat.de” - neue Internetplattform erlaubt neue Einblicke in reiche jüdische Geschichte in Speyer

cr. Speyer. Rechtzeitig zum “Europäischen Tag der Jüdischen Kultur 2012" ist das Speyerer “Jüdische Museum SchPIRA” im Judenhof um eine weitere Sehenswürdigkeit reicher: Im Medienraum des Museums wurde gestern in Anwesenheit von Oberbürgermeister Hansjörg Eger die neue Datenbank “epidat” vorgestellt, in der unter 122 Beständen jüdischer Grabdenkmäler von Adelsleben bis Würzburg auch 51 Inschriften von Grabsteinen des Speyerer Judenfriedhofs aus der Zeit von 1145/46 bis 1407 verzeichnet sind.

Heike Häußler, Vorsitzende des Verkehrsvereins Speyer, der die Betreuung des Museums SchPIRA übernommen hat, konnte dazu den Judaisten Dan Bondy vom Solomon Ludwig Steinheim Institut für Deutsch-Jüdische Geschichte in Essen begrüßen, der diese Plattform aufgebaut hat und den Anwesenden, darunter auch Vertreter der Jüdischen Gemeinde der Rheinpfalz, ihre selbsterklärenden Funktionen präsentieren konnte.

Die Inschriften, die auf vielfältige Weise zu erschließen sind - u.a. auch chronologisch oder nach dem Namen des Verstorbenen - führen den Besucher auf den jeweiligen originalen Wortlaut der Inschrift in hebräischer Sprache. Daneben findet sich die deutsche Übersetzung, wobei die verzeichneten Lebensdaten im Original nach dem jüdischen Kalender vermerkt und in der Übersetzung bereits in den Gregorianischen Kalender umgerechnet sind. Zu jedem Grabstein gibt es eine ausführliche kunsthistorische Betrachtung, die Aufschluss über Leben, Beruf, Familie und Funktion des Verstorbenen in seiner damaligen jüdischen Gemeinde gibt.

Ein spannender Beitrag zum besseren Verständnis der reichen jüdischen Geschichte in einem bedeutsamen Zeitabschnitt des Judentum in Speyer.

Interessenten können die Inschriften unter Nennung der Fundstelle - dem Solomon Ludwig Steinheim Institut in Essen - für private und wissenschaftliche Zwecke auch ausdrucken.

Mit dieser neuen Datenbank erwartet sich das Museum SchPIRA, das ohnedies mit der Eröffnung des Medienraumes im Frühjahr 2012 seinen Zuspruch in erfreulichem Umfang steigern konnte, eine weitere Intensivierung seiner Besucherzahlen. In dem Museum werden unter anderem auch originale Grabdenkmäler bzw. Abgüsse davon gezeigt, die nun auch im Internet bewundert werden können unter: www.epidat.de  Foto: gc

03.09.2012


“Sie gehörten zu uns...” Schwetzingen gedenkt mit einem Mahnmal den Opfern der nationalsozialistischen Willkürherrschaft

Fünf Entwürfe werden im Rathaus gezeigt

cr. Schwetzingen. Die Schwetzinger Gedenkstätte zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus - sie ist ihrer Verwirklichung einen guten Schritt näher gerückt. Im Foyer des Rathauses können derzeit während der üblichen Öffnungszeiten die von einer fachkundigen Jury aus 72 Entwürfen ausgewählten Arbeiten besichtigt werden, ehe sie dann im Rahmen eines Bürgertermins am 12. September im “Palais Hirsch” die interessierte Öffentlichkeit noch einmal eingehender begutachten kann. Am 27. September wird dann der Gemeinderat die abschließende Entscheidung darüber treffen, welcher der Entwürfe zur Ausführung kommen wird - für den 27. Januar 2013 - dem bundesweiten Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus - ist die Einweihung des Mahnmals auf dem Platz zwischen Rathaus und dem Hotel “Adler Post” vorgesehen.

Bis 15. Juni lief die öffentliche Ausschreibung für das Mahnmal. Am 9. Juli tagte die vom Gemeinderat der Stadt eingesetzte Jury unter der Leitung von Kurator Dr. Dietmar Schuth vom Kunstverein Schwetzingen, externen Experten, Vertretern der Fraktionen und der Verwaltung, die entsprechend dem im Frühjahr festgelegten Verfahren eine Endauswahl von 5 Entwürfen zu treffen hatte.

Diese fünf nunmehr in die öffentliche Diskussion mit der Bürgerschaft geschickten Arbeiten sind:

“Die große Lilie” von Bernd Münster und Michael Ziercke, Kiel,

“Spurenfeld” von Reinhard Krehl und Carsten Busse, Leipzig,

“Spiegel der Geschichte”, von Matthias Braun, Würzburg,

“Kaddisch” von Marion Anna Simon, Köln

“Gebrochenen Leuchten” von Anika Gründel, Florian Kirfel und Johanna Meibohm, Weimar


Diese Auswahl wurde von der elfköpfigen Jury aus sechs städtischen und fünf Fachjuroren vorgenommen. Im einzelnen gehörten dieser Jury an:


Die Städtische Juroren:

Dr. René Pöltl, Jurist - Oberbürgermeister der Stadt Schwetzingen

Dr. Walter Manske, Diplom-Biologe - Fraktionsvorsitzender der SPD im Gemeinderat

Herbert Nerz, Gärtnermeister - Fraktionsvorsitzender der FDP im Gemeinderat

Dr. Jürgen Grimm, Rechtsanwalt - Fraktionsvorsitzender des Schwetzinger Wählerforums 97 e.V. im Gemeinderat

Elfriede Fackel-Kretz-Keller, Sozialversicherungsfachangestellte - Stadträtin Freie Wähler Vereinigung (FWV) und

Joachim Kresin, Diplom-Archivar - Leiter des Stadtarchivs Schwetzingen


Dazu die Fachjuroren:

Dr. Barbara Gilsdorf, Kunsthistorikerin - Kulturreferentin der Stadt Schwetzingen.

Prof. Hans Gercke, Kunsthistoriker - Leiter des Heidelberger Kunstvereins von 1970 bis 2006 und Lehrbeauftragter an der Universität Heidelberg.

Susanne Weiß, Diplom-Museologin - Leiterin des Heidelberger Kunstvereins seit 2012 und

Prof. Dr. Edgar Wolfrum, Historiker - Inhaber des Lehrstuhls für Zeitgeschichte an der Universität Heidelberg.


Kurator

Dr. Dietmar Schuth M.A., Kunsthistoriker - Künstlerischer Leiter der Kunstvereine Schwetzingen und Worms.


Mit dem Mahnmal will die Stadt an die Schwetzinger Opfer des Nationalsozialismus erinnern. Dabei soll an alle Opfer des nationalsozialistischen Terrors gedacht werden - jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, politische Gegner der Nazis, Widerstandskämpfer und Homosexuelle - alle, die verfolgt und ermordet wurden. Zahllose ausländische Zivilarbeiter und Kriegsgefangene - die Quellen sprechen von 2.500 Personen, von denen 1.550 namentlich bekannt sind - wurden in Schwetzingen als Zwangsarbeiter missbraucht, einige davon verstarben in der Stadt. Insgesamt sind für den Zeitraum von 1933 bis 1945 etwa sechzig Todesopfer bekannt.

Vor der sogenannten “Machtergreifung” im Jahre 1933 lebten knapp 90 Bürger jüdischen Glaubens in der kleinen Residenzstadt, von denen die meisten schon vor 1940 in die benachbarten Großstädte abwanderten. 1940 wurden die letzten fünf Juden aus Schwetzingen in das Internierungslager Gurs am Fuße der französischen Pyrenäen deportiert, von wo aus sie 1944 in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verschleppt und dort getötet wurden.

Nach dem Krieg erinnerte nur noch der bis heute bestehende jüdische Friedhof an die reiche Geschichte der kleinen jüdischen Gemeinde in Schwetzingen - die Synagoge - in der nach ihr benannten Synagogengasse - der heutigen Invalidengasse - war, wie die meisten jüdischen Gotteshäuser, bereits in der Reichspogromnacht niedergebrannt worden, so dass die verbliebenen Juden ihre Gottesdienste in wechselnden Bethäusern in privaten Anwesen, u.a. aber auch im nördlichen Zirkelsaal des Schlosses abhalten mussten.

Erst durch ein Schülerprojekt unter dem Titel “Sie gehörten zu uns...” wurde im Jahr 1979 die Erinnerung an die jüdischen Mitbürger der Stadt und ihr bedeutsames kulturelles wieder belebt. Dies war wohl auch der Ausgangspunkt für die Überlegungen für eine Erinnerungsstätte, das jetzt in die Endphase seiner Realisierung einmündet.

Das Mahnmal, für dessen Ausführung der Schwetzinger Gemeinderat eine Summe von 25.000 Euro bereitgestellt hat, soll die Inschrift tragen:

"Im Gedenken an die Schwetzinger Opfer des Nationalsozialismus und zur Mahnung an die Wahrung der Demokratie, der Menschenrechte und der Grundrechte.

Für die Schwetzinger Bürgerschaft - Der Gemeinderat und der Oberbürgermeister am 27. Januar 2013".

30.08.2012


Zum Gedenken an Edith Stein - Heilige des Bistums Speyer und Patronin Europas

Gedenkfeier auf Bahnsteig 3 des Schifferstadter Hauptbahnhofs erinnert an letztes Zeichen der großen Ordensfrau

von Gerhard Cantzler

So als wollte er mittrauern war der Himmel über Schifferstadt war tief dunkel verhangen, als sich heute mittag gut 100 Bürgerinnen und Bürger der Stadt auf dem Bahnsteig 3 des Hauptbahnhofs versammelten, um in einer bewegenden Feier des Tages und der Stunde zu gedenken, als sich hier vor 70 Jahren die Spur der Patronin Europas und großen Heiligen des Bistums Speyer, der Ordensschwester Teresia Benedicta vom Kreuz - der zum Katholizismus konvertierten Jüdin Dr. Edith Stein - auf ihrem Weg in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verlor.

Es war wohl genau 12.54 Uhr, als an diesem Tag der Transport mit 987 Gefangenen - eingepfercht in umgebauten Viehwagen auf ihrer Fahrt vom Durchgangslager Westerbork in den besetzten Niederlanden ins polnische Auschwitz - auf Gleis 3 in Schifferstadt anhielt. Ein Augenzeuge, der damalige Bahnhofsvorsteher Valentin Fouquet, erinnerte sich später, dass er von einer dunkel gekleideten Dame angesprochen worden sei, die ihn aus dem Zug heraus fragte, ob er wohl die Familie Schwind aus der Schifferstadter Ludwigsstraße kenne.

Valentin Fouquet - ein Schulkamerad des späteren Pfarrers Konrad Schwind - konnte die Grüße gerne entgegennehmen, die ihm die Dame auftrug, die sich ihm als Edith Stein vorstellte und die ihn zugleich bat, diese Grüße auch an die Ordensschwestern vom Speyerer Kloster St. Magdalena sowie an Domkapituar Prälat Nikolaus Lauer - den langjährigen Schriftleiter der Bistumszeitung “Der Pilger” - zu übermitteln.

Dies war das letzte Lebenszeichen der großen Ordensfrau auf ihrem Weg in den Tod.

Heute nun läuteten um 12.55 Uhr die Glocken der Pfarrkirche St. Laurentius, als Kaplan Ralf Feix die zahlreichen Teilnehmer der Gedankfeier begrüßte, unter ihnen auch Bürgermeisterin Ilona Volk und die Landtagsabgeordnete Friederike Ebli. Er erinnerte an die Millionen Menschen, die in dieser Zeit als Juden verfolgt, gequält und ermordet wurden. Auch diejenigen, die sich als Christen taufen ließen, seien - wie Edith Stein - am Ende nicht verschont worden. 523 der 987 Gefangenen dieses Transports starben bereits unmittelbar nach ihrer Ankunft in Auschwitz-Birkenau in der Gaskammer des Vernichtungslager - kaum einer überlebte das Grauen des KZ.

Zum Gedenken an den Augenblick, als Edith Stein zum letzten Mal Grüße an Freunde in der ihr zur Heimat gewordenen Pfalz übermitteln konnte, wurde sodann am Bahnsteig 3 des Schifferstadter Hauptbahnhofs eine Kerze entzündet und eine weiße Rose niedergelegt - ihr und allen Opfern zum Gedächtnis, die das gleiche Schicksal mit ihr teilen mußten.

Nach einer Weile des stillen Gedenkens betete die Gemeinde schließlich im Wechsel mit Kaplan Ralf Feix und den Pastoralreferenten Margarita Kirsch und Heinrich Schmith den Psalm 88 - ein “Gebet in großer Verlassenheit und Todesnähe”, wie ihn der Psalmist beschreibt - “der dunkelste Psalm überhaupt”, so Kaplan Feix.

Mit der heutigen Gedenkfeier eröffnete die Pfarreiengemeinschaft Schifferstadt zugleich die Vorbereitungen zum Besuch das “Zuges der Erinnerung”, der am 19. und 20. Oktober in Schifferstadt Station machen wird und mit dem an das Schicksal vieler hunderttausend deportierter Kinder erinnert werden soll, die - wie die heilige Edith Stein - ihr Leben in den Gaskammern des Ostens vollendeten. Foto: gc; Johann Benedom

30.08.2012


“SchUM-Städte wollen auf die UNESCO-Welterbe-Liste:

Land, Kommunen und jüdische Gemeinden beschließen Kooperationsvereinbarung für Aufnahmeantrag.

rpl. Mainz. Das Ziel ist klar: Die sogenannten “SchUM-Städte” Speyer, Worms und Mainz sollen mit ihrem außergewöhnlichen jüdischen Erbe Eingang finden in die UNESCO-Welterbeliste, für die das Land Rheinland-Pfalz aktuell mit den beteiligten Kommunen und Vertretern der jüdischen Gemeinden eine Nominierung vorbereitet. Grundlage dafür ist eine gemeinsame Kooperationsvereinbarung, die die Partner jetzt - noch vor der offiziellen Abgabe der Nominierungsunterlagen bei der Kultusministerkonferenz (KMK) zum 1. August 2012 - unterzeichneten. Sie bildet die Basis für die künftige Zusammenarbeit und gemeinsame Aufgaben, die mit dem Welterbe-Antrag verbunden sind.

Für das Land Rheinland-Pfalz unterzeichnete Ministerpräsident Kurt Beck die Kooperationsvereinbarung. Für die beteiligten Gemeinden unterschrieben die Oberbürgermeister der Städte Speyer, Worms und Mainz, Hansjörg Eger, Michael Kissel und Michael Ebling. Als Repräsentanten der jüdischen Gemeinden leisteten der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz, Dr. Peter Waldmann, die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Mainz, Stella Schindler-Siegreich, und der Geschäftsführer der jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Daniel Nemirovsky, ihre Unterschriften. Der feierlichen Unterzeichnung wohnten auch die rheinland-pfälzische Kulturministerin Doris Ahnen sowie der Welterbebeauftragte des Landes, Staatssekretär Walter Schumacher, bei.

Die Kooperationsvereinbarung ist ein erster formaler Schritt, dem konkrete Maßnahmen folgen sollen. So wollen die Partner etwa in einem gemeinsamen Verein künftige Aufgaben, die mit dem Welterbe-Antrag verbunden sind, koordinieren und umsetzen. Verantwortlich sein wird der Verein unter anderem. für die Erstellung der Bewerbungsunterlagen sowie für die Öffentlichkeitsarbeit und die touristische Erschließung der “SchUM-Städte”.

"Es muss uns allen ein Anliegen sein, aus den Lehren der Vergangenheit die richtigen Folgerungen zu ziehen. Dazu gehört, dass wir dem jüdischen Leben in unserer Gesellschaft den Platz geben, der ihm zusteht", betonte Ministerpräsident Kurt Beck. "Es gehört auch dazu, dass wir daran erinnern, welche enorme Bedeutung die SchUM-Städte in der Geschichte hatten. Dementsprechend ist es richtig, dass wir entlang des Rheins die christlichen Dome und eben auch die jüdischen SchUM-Städte als Welterbe anmelden. Ich danke allen Beteiligten für die gute Zusammenarbeit auf dem Weg dorthin", sagte der Ministerpräsident. Wenn der Antrag dann noch Erfolg habe, sei ein Kulturbeitrag von herausragender Bedeutung gelungen, so Kurt Beck.

"Die SchUM-Gemeinden sind reich an einzigartigen Zeugnissen der mittelalterlichen jüdischen Historie und verraten uns zugleich viel über die frühen Beziehungen zwischen jüdischer und christlicher Kultur", sagte Kulturministerin Doris Ahnen. "Mit dem Welterbe-Antrag kommt Rheinland-Pfalz einer großen Verantwortung nach: Der Pflicht, sich der jüdischen Geschichte und ihrer großen Bedeutung für unser Land immer wieder bewusst zu werden. Zugleich machen wir uns stark für die Aufrechterhaltung und Weiterentwicklung jüdischen Lebens heute." Jüngst sei dies erst mit dem vom Landtag beschlossenen Gesetz geschehen, auf dessen Basis der neue Staatsvertrag zwischen Rheinland-Pfalz und dem Landesverband der Jüdischen Kultusgemeinden in Kraft treten konnte.

"Von den drei SchUM-Gemeinden ausgehend entwickelte sich eine neue, das Judentum über Jahrhunderte prägende, eigenständige Kultur in Mitteleuropa, die im Austausch und in der Auseinandersetzung mit der christlichen Kultur ihren spezifischen Charakter gewann", sagte der Oberbürgermeister der Stadt Speyer, Hansjörg Eger.

"Die Stadt Mainz unterstützt das Projekt eines UNESCO-Weltkulturerbes der drei SchUM-Städte aus ganzem Herzen", so der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt, Michael Ebling. "Mit dem Ziel ihrer Anerkennung wollen wir gemeinsam an die uralte jüdische Tradition des Lernens und Lehrens, die in den SchUM-Gemeinden Speyer, Worms und Mainz gepflegt wurde, anknüpfen und deren große Bedeutung für unsere Kultur den nachfolgenden Generationen vermitteln."

"Die SchUM-Städte spielen für die Juden wie für die Deutschen eine wichtige Rolle. Für Juden ist der Gedanke wichtig, den die SchUM-Gemeinden repräsentieren, denn diese Gemeinden schufen einen Brückenschlag zwischen dem Neuen und dem Alten", so der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz, Dr. Peter Waldmann. "Die SchUM-Gemeinden stellen so einen dritten Weg dar zwischen den Gegensätzen von liberalem und orthodoxem Judentum. Für die christliche Umwelt ist die Erinnerung an die jüdische Tradition deshalb so wichtig, weil bewusst gemacht werden kann, dass deutsche Geschichte und auch deutsche Identität ebenfalls vom Judentum abhängen."

Die drei jüdischen Zentren des Rheingebietes haben im Mittelalter bedeutende jüdische Gemeinden hervorgebracht, die in außergewöhnlicher Weise miteinander kooperierten und Anfang des 13. Jahrhunderts mit ihren Erlassen und Talmudschulen eine führende Rolle im aschkenasischen Judentum einnahmen. Auch die Entwicklung neuer Architekturformen prägten sie maßgeblich: Bis heute sind in den SchUM-Städten herausragende jüdische Ritualbauten aus dem Mittelalter erhalten geblieben, so etwa die monumentale Mikwe und die um 1104 eingeweihte Synagoge in Speyer, die zu den ältesten und bedeutendsten nördlich der Alpen zählt, der jüdische Friedhof Heiliger Sand in Worms oder der Denkmalfriedhof in Mainz. Das Wort SchUM ist ein Akronym aus den Anfangsbuchstaben der mittelalterlichen, hebräischen Namen von Speyer, Worms und Mainz: Schin (Sch) für Schpira, Waw (U) für Warmaisa und Mem (M) für Magenza.

Bereits seit der Regierungserklärung von 2006 verfolgt die rheinland-pfälzische Landesregierung das Ziel, das mittelalterlich-jüdische Erbe der SchUM-Gemeinden als UNESCO-Welterbestätte vorzuschlagen. Untermauert hat sie dieses Ziel noch einmal mit dem aktuellen Koalitionsvertrag. Voraussichtlich in drei Jahren wird die aktuelle Vorschlagsliste der Bundesrepublik bei der UNESCO abgearbeitet sein. Neben dem SchUM-Antrag bildet der Erweiterungsantrag des Welterbes Speyerer Dom um die Dome in Mainz und Worms den zweiten Antrag. Das aufwendige mehrjährige Verfahren der eigentlichen Antragstellung bei der UNESCO wird in einem zweiten Schritt erfolgen. Foto: Bildergalerie rlp

20.06.2012


Joselmann von Rosheim - Fürsprecher der Judenheit und früher Europäer -

Ausstellung über einen Vorkämpfer eines geeinten Europas im Alten Stadtsaal

cr. Speyer. Er war - im heutigen Sinne - so etwas wie einer der ersten wahren Europäer - Josel ben Gerschon von Rosheim (1478 - 1554), in seiner Wirkungszeit von etwa 1507 bis zu seinem Tode 1554 ein geschickter und von allen Seiten hoch angesehener Mittler zwischen Politik und Judentum, zwischen Kaiser, Fürsten und den jüdischen Gemeinden im damaligen Heiligen Römischen Reich deutscher Nation. An ihn erinnert derzeit eine höchst informative Ausstellung im Alten Stadtsaal, die zuvor schon in Erfurt gezeigt wurde und von Speyer aus ins elsässische Hagenau weiterziehen wird.

Bei der Eröffnung der Ausstellung, zu der neben Oberbürgermeister Hansjörg Eger und Israel Epstein, Vorsitzender der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, auch Prof. Dr. Freddy Raphael - Historiker und einer der Initiatoren der Ausstellung sowie ein intimer Kenner der Geschichte des Judentums im Elsaß - gekommen waren, gab Dr. Uri Robert Kaufmann von der Forschungsstelle “Alte Synagoge Essen” einen Einblick in die Situation der Juden in dieser - wie er sie beschrieb - turbulenten Zeit: In den Jahren 1492 bis 1496 waren die Juden aus Spanien und aus Portugal ausgewiesen worden, der Adel im Reich stellte sich gegen den Kaiser, die Bauern führten 1525 Krieg gegen ihre Herren und die wachsende Kritik gegen die Kirche mündete in Reformation und Kirchenspaltung ein.

Aus 230 Städten im Reich waren im 15. Jahrhundert die Juden vertrieben worden - so auch in Speyer - übrig blieben nur wenige Gemeinden wie in Worms, Frankfurt oder in Prag. Krude Unterstellungen - Horrorgeschichten von Hostienschändungen und Ritualmorden durch Juden - kursierten in Europa und lösten immer wieder Pogrome aus.

In diese wirren Zeitumstände hinein wurde der in Hagenau im Elsass geborene Joselmann im Jahr 1507 zum “préposé des Juifs de la Basse Alsace” - zum “obersten Fürsprecher” der elsässischen Juden am Oberrhein - gewählt. Durch seinen klugen politischen Einsatz und seine geschickte Verhandlungsführung fand er Zugang bis hinauf zum Kaiser und reiste zu Verhandlungen mit Fürsten nach Sachsen, nach Augsburg sowie zum “immer währenden Reichstag” in Regensburg.

So kam er 1542 auch nach Speyer, wo er vor dem Reichskammergericht die Juden gegen polemische Bücher und haltlose Verleumdungen verteidigte. Auch in Verhandlungen mit anderen Fürsten setzte er sich erfolgreich für die Rechte der Juden ein und konnte manchen Landesherren umstimmen. Dadurch wurde er über die Grenzen des Elsass hinaus als Verteidiger der jüdischen Gemeinden in religiösen und in Rechtsfragen immer bekannter und wuchs allmählich in die Rolle eines „Befehlshabers der gemeinen Judischheit in Teutschland“ hinein. Einen klaren Status hatte er in dieser Funktion allerdings nicht. Er wurde im Gegenteil sogar einmal zu einer hohen Geldstrafe durch das Reichskammergericht verurteilt, weil er sich in einer Eingabe an dieses Gericht als „Regierer der gemeinen Jüdischkeit“ bezeichnet hatte. Josels persönlichem Einsatz sei es jedoch zu verdanken gewesen, dass eine Reihe geplanter Ausweisungen von Juden aus Städten und Gemeinden nicht ausgeführt wurden - so berichten Chroniken.

Am 20. Oktober 1520 erwirkte Josel anlässlich der Krönung Karls V. zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation in Aachen einen Schutzbrief für alle Juden des Reiches, in dem ihre durch Kaiser Maximilian I. zehn Jahre zuvor verliehenen Rechte bestätigt werden.

Während des Bauernkrieges wollten elsässische Bauern 1525 auch die Stadt Rosheim stürmen. Und was den beiden elsässischen Reformatoren Wolfgang Capito und Martin Butzer zuvor nicht gelang, erreichte Josel von Rosheim: Er überzeugte den Anführer der Bauern, Erasmus Gerber, in einer längeren Disputation, Stadt und Juden zu verschonen.

Durch all das wuchs Josel von Rosheim immer mehr in die Rolle des Sprechers der gesamten Judenheit des Reiches hinein - er wurde zum “Schtadlan”, zum offiziellen, von den Gemeinden anerkannten Vertreter der Juden im Heiligen Römischen Reich und in Polen. Als „Regirer“ der Juden wurde er auch von Gemeinden aus anderen Teilen Europas um vermittelnde Unterstützung gebeten.

Damit blieb er auch weiterhin erfolgreich und erwirkte am 18. Mai 1530 erwirke von Kaiser Karl V. das Edikt von Innsbruck, in dem alle Rechte und Freiheiten, wie sie bei der Kaiserkrönung in Aachen bestätigt worden waren, erneut bekräftigt wurden.

1530 verlas Josel von Rosheim auf dem Reichstag „im Namen der gesamten Judenheit“ seine “Takkanot”, d. h. seine „Bestimmungen“, die besonders den Geldgeschäften der Juden mit Christen einheitliche Regeln verliehen. Damit ließen sich eine Reihe antijüdischer Verordnungen, die den Juden Wucherzins und Geldbetrug vorwarfen, verhindern.

In den folgenden Jahren vertrat Josel schließlich jüdische Gemeinden unter anderem in Deutschland, Ungarn, Böhmen und in Italien. Nachdem Martin Luther ihm die Unterstützung beim Kampf um die Aufhebung des kurfürstlichen Ediktes über die Ausweisung aller Juden aus Sachsen verwehrte und 1543 mit seiner Schrift “Von den Juden und ihren Lügen” offen Position gegen die Juden einnahm, orientierte sich Josel von Rosheim immer stärker an den Positionen des katholischen Kaisers. Auch finanziell unterstützten die Juden danach die Politik des Kaisers, weil sie im kaiserlichen Schutz die einzige Möglichkeit sahen, in den Wirren von Reformation und beginnender Gegenreformation als jüdisches Volk zu überleben.

Josel starb vermutlich 1554 in Rosheim - ein Hinweis auf eine Grabstelle ist dort jedoch nicht mehr zu finden.

Mit dem Tod Josels von Rosheim verloren die Juden in Deutschland und weit darüber hinaus ihren wohl wichtigsten Anführer, so dass eine aktive Politik der jüdischen Gemeinden bei den kaiserlichen Behörden in den Folgejahren wieder zum Erliegen kam.

Bis heute kann das Beharren Josels von Rosheim auf die Achtung der Menschenwürde und die Einhaltung der Menschenrechte als Inspiration für das Bemühen um ein freiheitliches, geeintes und friedliches Europa gelten.

Die Ausstellung im Alten Stadtsaal - sie konnte dank der Unterstützung durch die Kulturstiftung Speyer (Dr. Heinz Danner-Stiftung) realisiert werden - ist noch bis zum 29. Juni jeweils Montag bis Donnerstag von 9.00 bis 17.00 Uhr und Freitags von 9.00 bis 12.00 Uhr geöffnet. Jeweils an den Montagen finden um 19.00 Uhr in der Ausstellung begleitende Vorträge von Dr. Stephan Wendehorst, Universität Gießen/Universität Wien, Prof. Dr. Friedrich Battenberg, Darmstadt und Dr. Werner Transier, Historisches Museum der Pfalz in Speyer statt. Foto: gc

08.06.2012


Dokumatation zur Synagogeneinweihung

Damit nichts vergessen wird: Dokumentation zur Synagogen-Einweihung vorgestellt

cr. Speyer. Mit der Vorstellung einer repräsentativen Dokumentation über die neue Speyerer Synagoge “Beith Schalom” auf dem Weidenberg fanden jetzt die Feierlichkeiten zur Indienststellung des Gotteshauses ihren würdigen Schlusspunkt. Das Buch, dessen erstes Exemplar heute der Geschäftsführer der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz e.V., Daniel Nemirowsky, und die PR-Beauftragte der für den Bau verantwortlichen Firma, der Heberger Bau AG, Anja Koch, heute an Oberbürgermeister Hansjörg Eger überreichten, umfasst neben den am Tag der Einweihung gehaltenen Festreden viele weitere Informationen über die neue Synagoge und über die Geschichte des Judentums in Speyer überhaupt. “Es war uns wichtig, dass die am 09. November von so vielen Persönlichkeiten gesprochenen Worte bewahrt und nicht vergessen werden”, begründete Nemirowsky die Veröffentlichung des Bandes, für den die Firma Heberger die finanzielle Patenschaft übernommen hat.

In eindrucksvollen Bildern dokumentiert das Werk zudem den Ablauf des Baues, geht auf die damit verbundenen technischen Schwierigkeiten ein und schildert schließlich die Feierlichkeiten bis hin zur Überreichung der von Wolf Spitzer geschaffenen Skulptur einer Menorah durch die beiden christlichen Kirchen der Stadt.

In den Band aufgenommen wurde auch der von Dr. Werner Transier aus Anlass der Jüdischen Kulturwoche gehaltene Vortrag “Das ist das Tor zum Herrn ...”, der die wechselvolle Geschichte der jüdischen Synagogen und Bethäuser in Speyer beschreibt.

Auch Anja Koch ging noch einmal auf die besonderen Schwierigkeiten für die Bauleute ein, denen es aufgegeben war, auf dem rechteckigen Grundriss der ehemaligen Klosterkirche St. Quido den in Form einer Ellipse basierten und traditionsgemäß in Richtung Jerusalem ausgerichteten Synagogenbau zu errichten. “Diesen Auftrag auszuführen war für uns alle eine ganz besondere Herausforderung und eine überaus große Freude”, betonte Frau Koch, die sich bei allen an dem Bau beteiligten Unternehmen, aber auch bei der Bauherrschaft und den Nachbarn für die reibungslose Zusammenarbeit bedankte.

In dieses Lob stimmte auch Oberbürgermeister Hansjörg Eger mit ein, der bekannte, dass ihm - je näher der 9. November rückte - um so mehr “graue Haare gewachsen” seien. “Ich hättees nicht für möglich gehalten, dass das Bauwerk rechtzeitig fertig würde”, unterstrich Eger, “das große Engagement aller Handwerker aber hat am Ende alles zu einem guten Ende gebracht”.

Der neue Band, der in keinem Bücherregal Speyerer Freunde von Judentum und Stadtgeschichte fehlen darf und sich deshalb ganz besonders als kleines, aber kostbares “Mitbringsel” für einen Besuch “zwischen den Jahren” (und natürlich auch danach ...) eignet, ist ab sofort im Jüdischen Gemeindezentrum in der neuen Synagoge, im Museum SCHPIRA sowie in der Tourist-Information in der Maximilianstraße gegen eine Schutzgebühr von 5,00 Euro zu erhalten. Foto: Kienipress

28.12.2011


Zeichen der Verbundenheit in dem einen, gemeinsamen Gott

Speyerer Christen überreichen offiziell Menorah für die neue Synagoge

cr. Speyer. Der große Fest- und Versammlungssaal unter der neuen Synagoge war wieder einmal bis auf den letzten Platz besetzt, als die beiden christlichen Kirchen am Vorabend des jüdischen Lichterfestes Chanukka “ihren älteren Brüdern” - nunmehr auch offiziell - ihr Geschenk zur Eröffnung der neuen Speyerer Synagoge “Beith Schalom” überreichten: Eine eindrucksvolle Skulptur einer Menorah, des siebenarmigen Leuchters des Judentums, den der Speyerer Künstler Wolf Spitzer entworfen und sein Kollege, der Metall-Künstler Michael Fetzer ausgeführt hat.

24.000 Euro haben sich die beiden christlichen Kirchen ihr Geschenk zur Einweihung der Synagoge kosten lassen - je 7.000 Euro von der Protestantischen Landeskirche der Pfalz und dem Bistum Speyer, der Rest, 10.000 Euro kommt aus Spenden der katholischen und protestantischen Kirchengemeinden der Stadt. Die Stadt Speyer hat zudem die Kosten für die Herstellung des Sockels und die Montage des Kunstwerks darauf übernommen. Ein Gemeinschafts-Werk also im besten Sinne, das die Vertreter der beiden Kirchen jetzt in Anwesenheit des Oberbürgermeisters dem Vorsitzenden der jüdischen Kultusgemeinde Rheinpfalz, Israel Epstein - angesichts des unwirtlichen Wetters draußen in der symbolischen Form eines Fotos - im Inneren, im Festsaal überreichten.

Als Sprecher der katholischen Christen in der Stadt erinnerte Pfarrer Hubert Ehrmanntraut noch einmal an die reiche Geschichte des Judentums in Speyer und auch an die vielen Gemeinsamkeiten von Juden und Christen, ausgehend vom Jahr 1090, als Bischof Rüdiger Hutzmann die den Juden vom Kaiser gewährten Privilegien noch einmal ausweitete und bestätigte - was er sich allerdings gut bezahlen ließ, wie der Geistliche hinzufügte. Ehrmanntraut wies aber auch auf das stetige Auf und Ab der jüdischen Gemeinden in Speyer über die Jahrhunderte hin, wo es bereits 1096 in der Folge einer Pestepidemie zu einem ersten Pogrom kam, dem bis heute überall in der Welt in der jüdischen Liturgie gedacht werde. Er erinnerte an die glänzenden Zeiten, in denen die Städte Speyer, Worms und Mainz als Stätten der jüdischen Gelehrsamkeit als “das Jerusalem am Rhein” in die ganze jüdische Welt ausstrahlten, vergaß aber auch nicht den 9. November 1938, als in der so genannten “Reichspogromnacht” auch die Speyerer Synagoge in Flammen aufging. Von den 269 Juden, die damals in Speyer lebten, sei nach dem Kriege noch einer übrig geblieben - die anderen starben in den Konzentrationslagern der Nazis oder flohen aus ihrer Heimatstadt in sicherere Länder der Erde. Erst in den neunziger Jahren seien wieder Juden in Speyer zugezogen - ihnen als “unseren älteren Schwestern und Brüdern wollen wir diese Menorah als weithin sichtbares Zeichen unserer Verbundenheit in dem einen Gott” überbringen, schloss Ehrmanntraut.

Für die protestantischen Christen in Speyer dankte Dekan Friedhelm Jakob dem früheren Speyerer Oberbürgermeister Werner Schineller für seine Idee zu diesem “ganz besonderen Geschenk”. Sein Dank galt aber auch Israel Epstein dafür, dass er diesem Vorschlag so bereitwillig gefolgt sei. Schließlich bezog er in seinen Dank auch Diakon Michael Nowicki mit ein, der diesen Gedanken in den Speyerer Stadtkonvent aus Geistlichen beider Konfessionen getragen und umgesetzt habe. Für die Protestanten in der Stadt bedeute die neue Synagoge Herausforderung, Auftrag und Verpflichtung zugleich, betonte Dekan Jakob, das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte - gerade vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse - nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. “Erinnerung ist der Beginn der Verarbeitung”, schloss er seine Ansprache, “Ehrfurcht vor dem einen, gemeinsamen Gott ist unsere Verpflichtung”. Sie verbinde Christen mit Juden und Muslimen.

Für die Jüdische Gemeinde Rheinpfalz dankte Geschäftsführer Daniel Nemirowsky den christlichen Gemeinden für ihr “großzügiges Geschenk”. Anliegen der jüdischen Gemeinde sei es, einen Austausch mit den anderen Religionsgemeinschaften in der Stadt zu etablieren. “Beith Schalom”, das “Haus des Friedens” solle dazu ein Ort der Begegnung sein und jedermann offen stehen.

Der Schöpfer der Skulptur, Wolf Spitzer, bedankte sich schließlich für den Auftrag zu diesem Werk und trug aus seiner Reihe “Notizen zu jüdischen Denkmalen in Speyer” seine Gedanken zu der “Skulptur namens Menora” vor, die der SPEYER-KURIER mit freundlicher Genehmigung des Künstlers im Nachtrag in der von ihm gestalteten Form abdruckt.

Den bevorstehenden Festtagen entsprechend entzündete Kantor Guido Shamir sodann die erste Kerze des Chanukkah-Leuchters, nicht ohne zuvor die Bedeutung dieses Festes für die gläubigen Juden und die Ähnlichkeiten mit dem Brauchtum des christlichen Adventskranzes dargestellt zu haben. Dem Namen der Synagoge angemessen sangen die Anwesenden schließlich noch das bekannte jüdische Friedenslied “Hewenu schalom alechem” - “Wir wünschen Frieden für alle” - der Frauenchor der Gemeinde intonierte Lieder zu Chanukkah, darunter das “Hawa Narim” nach der bekannten Melodie des “Tochter Zion” von Georg Friedrich Händel. Foto: kienipress

21.12.2011


Jüdische Feiertage - Einblicke in religiöse Traditionen und rituelles Brauchtum

Nach der Vorstellung von Rosch ha-Shanah, dem jüdischen Neujahrsfest am 28. September, setzt der SPEYER-KURIER heute seine Beiträge zu den jüdischen Hochfesten des Jahreskreises mit einem Beitrag über Chanukkah, das jüdische Lichterfest, fort. Damit will der SPEYER-KURIER nichtjüdischen Menschen Einblicke in die religiösen und rituellen Traditionen der jüdischen “Seinsgemeinschaft” vermitteln, die bei uns durch den Holocaust untergegangen waren und die sich bei uns erst langsam wieder beleben.

Heute:

Erinnerung und ausgelassenes Feiern: Chanukkah - das jüdische Lichterfest

von Gerhard Cantzler

Heute abend ist es wieder soweit: In allen jüdischen Haushalten wird bei Sonnenuntergang die erste Kerze am Chanukkah-Leuchter entzündet und damit dieses traditionelle, acht Tage dauernde Lichterfest der Juden, eröffnet. Abend für Abend wird dann unter traditionellen Segenssprüchen eine weitere Kerze angesteckt, bis der Leuchter in voller Pracht erstrahlt.

Der achtarmige Chanukka-Leuchter darf nur einmal im Jahr - zu diesem Fest - entzündet werden. Traditionell ist in der Mitte des Leuchters auch noch eine neunte Kerze, der Schamasch - das bedeutet “der Diener” - aufgesteckt, mit dem die anderen Kerzen des Leuchters angezündet werden.

Mit dem Chanukkah-Fest erinnern die Juden an die Wiedereinweihung des Tempels von Jerusalem nach dem sogenannten Makkabäeraufstand im Jahr 165 v. Chr., durch den die Schreckensherrschaft der griechischen Syrerdynastie der Seleukiden über die Juden beendet wurde. Nachdem dann der Tempel von den griechischen Götzenbildern befreit und gereinigt worden war, mußte er nach jüdischem Ritus neu konsekriert werden.

Chanukkah bedeutet deshalb soviel wie “Neueinweihung” und erinnert an das folgende Vorkommnis: Damals war im Tempel nur noch eine winzige Menge geweihtes Öl übrig, das gerade gereicht hätte, den Tempel einen Tag lang zu erleuchten. Das Herstellen von neuem Öl hätte jedoch mehrere Tage in Anspruch genommen - das ewige Licht im Tempel drohte also zu erlöschen. Da ereignete sich das Wunder: Das Licht brannte zur allgemeinen Verwunderung acht Tage weiter....

Auch wenn Chanukkah im jüdischen Verständnis nur ein “Halbfeiertag” ist, weil er nicht auf biblische Gebote zurückgeht, sondern nur auf ein historisches Ereignis, so wird er doch in den Familien und Gemeinden ausgelassen gefeiert. Für die Kinder gibt es Geschenke und der Tisch ist an diesen Tagen mit traditionellen Speisen reichlich gedeckt.

In diesem Jahr übrigens fallen das jüdische Chanukkah-Fest und das Christliche Weihnachtsfest wieder einmal zusammen. Dass dies nicht in jedem Jahr so ist, liegt in dem Umstand begründet, dass sich die jüdischen Festtage am jüdischen Kalender orientieren. Dieser ist ein Lunisolar-Kalender, das heißt, er richtet sich nach dem Lauf von Mond und Sonne. Chanukkah wird stets am Vorabend des 25. des Monats Kislew - in diesem Jahr am 21. Dezember - gefeiert - im 5772. Jahr jüdischer Zeitrechnung.

Der SPEYER-KURIER ruft deshalb heute - am Vorabend 25. Kislew 5772 - allen Mitbürgern jüdischen Glaubens für die nächsten acht Tage ein “Hag Hanukah sameah”, ein “Schönes Chanukkah-Fest” zu.

19.12.2011


Einigkeit oder nur ein Burgfrieden - “Beith Shalom” nicht für alle Juden offen?

Gedanken von Gerhard Cantzler

“Beith Schalom” - das “Haus des Friedens” - die neue Speyerer Synagoge hat unter überwältigender Anteilnahme der Speyerer Bevölkerung ihren so wichtigen Dienst in der Stadt aufgenommen - das Judentum ist im öffentlichen Bewusstsein der Stadt und ihrer Bürger wieder angekommen. Das wurde auch bei den die Einweihung begleitenden Jüdischen Kulturtagen deutlich. Keine Veranstaltung, die nicht überwältigende Besucherzahlen vermelden konnte - am “Tag der Offenen Tür” übertraf der Andrang auch die kühnsten Erwartungen. Und auch am letzten Abend der Reihe, als “Rosenthal und friends” aus Berlin zu Gast waren, da feierten Juden und Nichtjuden ausgelassen und fröhlich und vor allem gemeinsam die neue jüdische “Zeitrechnung” in der Stadt. Das ist gut so und muss alle Menschen guten Willens freuen!

 

Aber halt: Was man in diesen Tagen vermisste, waren die Angehörigen der gut 120 Mitglieder zählenden “Jüdischen Gemeinde Speyer e.V.”, für die doch einmal diese Synagoge eigentlich gebaut werden sollte. Zumindest war dies die feste Überzeugung des früheren Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, des unvergessenen Ignatz Bubis, die er dem Verfasser dieser Gedanken bei einem zufälligen Zusammentreffen auf einem Flug von Berlin nach Frankfurt/Main offenbarte. Er sah in dem Projekt einer Speyerer Synagoge vor allem den Ort, in dem die aus Osteuropa zugewanderten Juden in der Aera nach 1990 ihren Glauben leben, in dem sie aber vor allem auch ihren Glauben überhaupt erst einmal richtig kennen lernen und begreifen sollten, denn in der ehemaligen Sowjetunion war ihnen dies in der Öffentlichkeit verwehrt.

 

Bubis erster Ansprechpartner für die Speyerer Juden - so berichtete er damals - sei Schmuel Tepman gewesen, der 1996 gemeinsam mit Gleichgesinnten die “Jüdische Gemeinde Speyer e.V.” gründete und der als erster Vorsitzender dieser als “e.V.” konstituierten Gemeinde die Errichtung einer eigenen Synagoge als oberstes Ziel postulierte. Diese Absicht wollte Bubis und wollte der Zentralrat mit allen Kräften unterstützen.

 

Dass nun nicht einmal ein Vertreter dieser “Jüdischen Gemeinde Speyer e.V” zu der Einweihungsfeier eingeladen war, ja, dass - wie man hört - an diesem Tag sogar ihr langjähriger Rabbiner Mendel Gurewitsch, der vor zwei Jahren noch den Grundstein für die neue Synagoge gelegt hatte, aus dem Haus gewiesen wurde, ist - gelinde gesagt - irritierend.

 

Nachdem die Synagoge zu ganz überwiegendem Teil mit öffentlichen Geldern gebaut wurde - und jeder Euro für dieses Projekt, das sei ausdrücklich betont, ist gut und richtig eingesetzt! - sollte man sich jetzt doch Gedanken darüber machen, wie man künftig sicherstellen kann, dass alle jüdischen Menschen in der Stadt ihren Glauben nach ihren Überzeugungen und ihren Grundsätzen leben können.

 

Das sind wir dem Andenken des seligen Ignatz Bubis ebenso schuldig wie der Einheit des neu erblühenden Judentums in der Stadt.

 

Und noch eines: Dass es der “Jüdischen Gemeinde Speyer e.V.” nicht um “Streit um des Kaisers Bart” geht, mag die Tatsache belegen, dass sie im Umfeld der Einweihung der Synagoge auf Protest-Kundgebungen gegen die ihrer Meinung nach unwürdige Behandlung verzichtete - obwohl sie dazu aus den eigenen Reihen ebenso wie aus der Bevölkerung nachdrücklich ermutigt worden war.

Beith Schalom - Neue Synagoge jetzt auch bei den Speyerern angekommen

cr. Speyer. Die neue Speyerer Synagoge “Beith Shalom”- “Haus des Friedens” - sie ist jetzt auch bei den Menschen in der Stadt angekommen. Bei strahlendem Herbstwetter standen mehr als 6.000 Besucher geduldig an, stauten sich die Treppe vom St.-Guido-Stifts-Platz empor, um dann im Inneren der Synagoge dem Vortrag von Kantor Guido Shamir zu lauschen, der gemeinsam mit Daniel Nemirovsky die gespannten Besucher in den Ablauf der jüdischen Liturgie einzuführen bemüht war.

Als erstes wies Shamir darauf hin, dass es Männern im Judentum nicht erlaubt sei, die Synagoge barhäuptig zu betreten. Den Besuchern, die das vorher nicht wussten, überreichte er eine Kippa, um sich dann dem Zentrum des Synagogenraumes dem Schrein für die Thorarollen zuzuwenden. “Die Wahrheit ruht in der Erde - die Gerechtigkeit kommt vom Himmel”, zitierte er die in hebräischen Buchstaben abgefasste Inschrift auf dem Thoraschrein und erklärte danach die Inschrift auf der nach außen gewandten Seite des Schreins, auf der jeweils die ersten beiden Buchstaben der zehn Gebote vermerkt sind. “Die zehn Gebote, so wie sie auch die Christen kennen - und hoffentlich auch danach leben”, fügte der Kantor beziehungsreich hinzu.

Die Thora ist die Heilige Schrift der Juden, erklärte Shamir und höchst aufwendig gearbeitet. Gut ein Jahr veranschlagen Experten die Arbeitszeit, um mit dem Federkiel die auf Kalbsleder geschriebenen Texte aufzubringen. 52 Strophen zu je sieben Zeilen umfasst der Inhalt einer Thorarolle - je eine Strophe pro Woche und 1 Zeile pro Tag. Aufgeschrieben sind in dem Heiligen Buch die fünf Bücher Moses - der Pentateuch. Gelesen werden die Texte ausschließlich von ausgewählten Männern, die umschichtig diese Ehrenpflicht erfüllen. Die Thorarollen sind bekrönt von kostbaren Rimonim, silbernen Krönchen, die dazu beitragen, neben der religiösen Bedeutung auch den materiellen Wert einer Thorarolle zu bestimmen. Auf 20.000 bis 25.000 Euro schätzt Kantor Shamir den Wert der in der Speyerer Synagoge verwahrten Thorarolle.

Für die zumeist nichtjüdischen Besucher interessant und höchst wissenswert: Eine fehlerhafte Thora - sei es, dass sich bereits bei der Herstellung Fehler eingeschlichen haben, sei es, dass die Rolle aus Altergründen unbrauchbar wird - darf nicht einfach vernichtet werden. Wie alles, was den Namen Gottes trägt - auch Bücher und Schriften - müssen sie dann - aus Ehrfurcht vor dem Schöpfer - auf einem jüdischen Friedhof - neben der Synagoge der zweite heilige Ort einer jüdischen Gemeinde - begraben werden.

“Judentum hat viel mit Tradition zu tun”, erklärte Guido Shamir und wies darauf hin, dass - wie in anderen Religionsgemeinschaften auch - viele Juden nur zu besonderen Festen die Synagoge besuchen. “Sie kommen dann - zum Beispiel an Jom Kippur - aus Tradition, nicht aus tiefer Glaubensüberzeugung”.

143 Mitglieder umfasse die jüdische Gemeinschaft in Speyer derzeit, berichtete der Kantor auf Nachfragen aus dem Besucherkreis - für 87 gebe es der Synagoge Sitzplätze. Das heißt, dass an stark frequentierten Tagen auch einmal der eine oder andere Besucher mit einem Stehplatz vorlieb nehmen muss.

Nach dieser eindrucksstarken halben Stunde, die bei späteren Führungen auf fünfzehn Minuten verkürzt werden mußte, um möglichst viele Besucher an einer solchen Führung teilhaben zu lassen, konnten sich die Gäste bei kleinen Kostproben koscherer jüdischer Speisen noch in den weiteren Räumen des neuen Gemeindezentrums umsehen, das Daniel Nemirovsky und seine Mitstreiter auch zukünftig in die Mitte des Speyerer kulturellen Lebens gestellt sehen möchten.

Dass dies wohl auch die Intention der Speyerer trifft, konnten die Besucher nicht zuletzt daran erkennen, dass auch Schwestern des Speyerer Klosters St. Magdalena sich in die lange Warteschlange eingereiht hatten.

Ein großer Tag für Juden und Nichtjuden in Speyer war dieser “Tag der Offenen Tür” in der Synagoge “Beith Schalom” und sicher auch ein Schritt zum besseren gegenseitigen Verstehen und damit zu einem von gegenseitiger Achtung und Freundschaft bestimmten gedeihlichen Zusammenleben.Foto: jüs 

13.11.2011


Beith Schalom - Heimkehr eines wesentlichen Teils Speyerer Glaubenslebens

Neue Synagoge auf dem Weidenberg in beeindruckender Zeremonie eingeweiht

von Gerhard Cantzler

Die jüdischen Gelehrten des Mittelalters - sie hätten sicher ihre Freude gehabt, hätten sie die festliche Einweihung der neuen Speyerer Synagoge “Beith Schalom” miterleben können. Neun Ansprachen, Grußadressen und Kurzreferate auf allerhöchstem Niveau ließen etwas von dem Geist spürbar werden, der zukünftig “Beith Schalom” erfüllen möge.

Das begann bereits mit der Begrüßung der schier endlosen Reihe hoher und höchster Gäste, die zu diesem festlichen Ereignis in die neue Synagoge gekommen waren - lesen Sie dazu auch die Gästeliste in Auszügen.

Israel Epstein, Vorsitzender der jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, bedankte sich für die vielfältige Unterstützung, die der Gemeinde bei der Vorbereitung und der Bauausführung von so vielen Seiten zuteil geworden sei: Beim Land Rheinland-Pfalz und der Stadt Speyer, die mit offenen Händen und weitem Herzen die Maßnahme finanziell gefördert hätten, den beiden christlichen Kirchen, die mit der von Wolf Spitzer geschaffenen Menorah, dem traditionellen siebenarmigen Leuchter des Judentums, ein Zeichen großer Verbundenheit mit der neuen jüdischen Gemeinde gesetzt hätten. Mit besonderer Dankbarkeit gedachte er des verstorbenen früheren Geschäftsführers der Jüdischen Kultusgemeinde, Manfred Erlich, den er - gemeinsam mit Altoberbürgermeister Werner Schineller - als einen der Hauptprotagonisten für den Bau dieses Gotteshauses hervorhob. Dem Vertreter der Unesco, Prof. Dr. Michael Turner, legte Epstein die Bitte ans Herz, die Aufnahme der SCHUM-Städte Speyer, Worms und Mainz - die jetzt jede über eine eigene Synagoge verfügten - in die Liste der Weltkulturerbestätten mit Ernsthaftigkeit zu bedenken. (Verwunderlich allerdings, dass Ministerpräsident Kurt Beck dann in seiner Rede trotz dieser “Vorlage” Epsteins von seinem Manuskript abwich und den Antrag an die Unesco unerwähnt liess).

Christian Wulff: Mazel tov für Speyerer Juden

Bundespräsident Christian Wulff zeigte sich in seinen Ausführungen dankbar dafür, dass Juden nach dem Schrecken des Holocaust wieder nach Deutschland zurückgekehrt seien und den Menschen in Deutschland die Hand zur Versöhnung gereicht hätten. “Niemand in Deutschland hatte und hat darauf bis heute einen Anspruch”, betonte Wulff und führte als Beispiel für diese Haltung die 90jährige Margot Friedländer an, die er just an diesem Tage in Berlin mit dem Bundesverdienstkreuz dafür habe auszeichnen dürfen, dass sie in unermüdlichen Diskussionen gerade mit jungen Menschen “bedrückende Rückschau und den ermutigenden Blick in die Zukunft” im Sinne der Aussöhnung von Deutschen und Juden immer wieder zusammenführe. Frau Friedländer, die ihre gesamte Familie in Auschwitz verlor und selbst den Krieg - von guten Freunden versteckt - in Berlin überlebte, stehe, so Wulff, für beides: Für die Erinnerung an das Grauen des Holocaust und für die Fähigkeit zur Vergebung und zur Versöhnung.

Der Bundespräsident erinnerte aber auch an den hohen Rang Speyers und seiner jüdischen Mitbürger für die deutsche Geschichte sowie an die jüdischen Beiträge zur gemeinsamen Kultur. “Hier steht nun diese junge Gemeinde mit vielen Mitgliedern aus Osteuropa, vor allem aus Russland”, führte Wulff aus, “ein Ort der Integration und des intensiven Austausches”, für die er den Juden in Speyer mit dem alten jüdischen Segensgruß “Mazel tov” Glück und Erfolg wünschte.

Jüdisches Leben wieder erfahrbar machen

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck gab in seiner Grußadresse seiner Hoffnung Ausdruck, dass jüdisches Leben in unserer Gesellschaft wieder stärker erfahrbar und erlebbar werde. “Wir wollen an die guten Zeiten anknüpfen”, rief Beck aus, “dürfen darüber aber nichts vergessen und nichts verdrängen. Dafür müssen wir uns gegen alles wenden, was den Ungeist vergangener Zeiten wieder in unsere Gesellschaft tragen könnte”. Beck kündigte an, dass das Landeskabinett schon in den nächsten Monaten einen neuen Staatsvertrag verbschieden werde, der die Zusammenarbeit mit den jüdischen Kultusgemeinden auf eine neue rechtliche Grundlage stellen werde.

Chance für interreligiösen Austausch zwischen vier Religionen lebhaft nutzen

Oberbürgermeister Hansjörg Eger wies in seinen Ausführungen auf die reiche Vergangenheit des Ortes hin, an dem jetzt die neue Synagoge entstanden ist. Im 11. Jahrhundert habe Bischof Rüdiger Hutzmann die Juden nördlich der Innenstadt in der Vorstadt Altspeyer angesiedelt “dort, wo sich jetzt der Adenauer-Park ausbreitet, in direkter Nachbarschaft also zu dem neuen jüdischen Gotteshaus”. Dass die Jüdische Kultusgemeinde unserer Tage ganz in die Nähe der ursprünglichen Ansiedlung jüdischer Mitbürger zurückkehre und zudem auch noch auf ein Areal, auf dem einst das ehemalige Konviktsstift St. Johannes und St. Guido seinen Platz gehabt habe, sei ebenfalls höchst bemerkenswert.

“Mit der neuen Synagoge kehrt die Jüdische Gemeinde sichtbar zurück nach Speyer”, stellte Eger fest,”ich sehe darin die große Chance, in der damals wie heute weltoffenen “freien Reichsstadt Speyer” den konstruktiven Dialog mit der Bürgerschaft, den beiden großen christlichen Konfessionen sowie der jüdischen und der muslimischen Bevölkerung zu entwickeln”. An die Speyerer appellierte Eger, dieses für eine Stadt in der Größe Speyers einmalige Angebot “lebhaft zu nutzen”.

Speyer - Bis heute Bezugspunkt für ashkenasisches Judentum

Als Repräsentant des Staates Israel und in Vertretung des israelischen Botschafters in Berlin war Generalkonsul Tibor Shalev-Schlosser zu der Weihefeier gekommen. Auch er erinnerte an die reiche Vergangenheit Speyers als einem jüdischen Gelehrtenzentrum, auf das sich das ashkenasische Judentum bis heute beziehe. Auch wenn an diesem Tag die Erinnerungen zu den Pogromen zurückgingen, die den Übergang von der Diskriminierung der Juden in Deutschland hin zu ihrer systematischen Verfolgung und schließlich ihrer Ausrottung markierten, so könne er doch feststellen, dass es sein Volk trotz der Vernichtung von gut einem Drittel aller Juden in der Welt geschafft habe, den Staat Israel aufzubauen. Deutschland habe die Verantwortung für die Vergangenheit übernommen, stellte Schlosser fest. Auch wenn die Grundlage dieser Beziehung auf der besonderen gemeinsamen Vergangenheit liege, so sei Deutschland heute doch zum wichtigsten europäischen Partner Israels geworden.

Was ihn aber gerade heute bedrücke, sei die Tatsache, dass in vielen Ländern der Welt heute wieder Antisemitismus und Intoleranz aufblühten. In diesem Zusammenhang erinnerte er an die Vernichtungs-Phantasien des Iran und seines Staatspräsidenten Ahmadinedschad gegen den Staat Israel, dem es kraftvoll entgegenzutreten gelte. “Ein wesentliches Mittel dazu ist das gegenseitige Kennenlernen von Geschichte und Kultur”, betonte der Diplomat, der den besten Weg hierzu in dem Zusammenwirken mit Kindern und Jugendlichen sieht.

Synagoge zur Verewigung des Judentums

Zum Jugendaustausch als bestem Mittel der Verständigung bekannte sich auch Rabbiner Pinchas Goldschmidt, Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner CER. Auch er ging auf die Jahrhunderte lange Tradition der jüdischen Gemeinden am Rhein ein, die bis heute als Geburtsstätte des ashkenasischen Judentums gelten. “Speyer und die Region sind in der Liturgie des Judentums bis heute verwurzelt”, betonte Rabbi Goldschmidt, der darauf hinwies, dass der jüdische Name “Shapiro”, bis heute weit verbreiteter jüdischer Familienname, nichts anderes bezeichne als die Herkunft aus Speyer. “In der Liturgie gedenken alle ashkenasischen Juden bis heute der Pogrome von 1096 in Speyer, Worms und Mainz in einem eigenen Klagelied. Die Erinnerung an zehn ermordete Juden in Speyer ist noch heute weiter verbreitet als das Klagelied über den Holocaust”. Von daher sei es wichtig gewesen, gerade in Speyer eine neue Synagoge zu bauen, denn sie stehe für die Verewigung des Judentums. Und er forderte die verstärkte Ausbildung von neuen Rabbinern in Deutschland, um so die aus Osteuropa zugewanderten Juden, die bis zu ihrer Übersiedlung nach Deutschland keine Kenntnisse über ihre Religion hatten, zu unterrichten. “Wenn wir das beherzigen”, so schloss der Rabbiner, “dann wird die Geschichte auch für die Juden in Speyer und in Deutschland ein weiteres Kapitel bereit halten”.

Christliche Kirchen wollen das Gemeinsame betonen - nicht das Trennende

Für die Katholischen Christen überbrachte Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann Glückwünsche zu dem neuen Gotteshaus. Auch er erinnerte an die lange gemeinsame Geschichte von Christen und Juden in Speyer und daran, dass die neue Synagoge auf dem Boden einer ehemaligen katholischen Kirche entstanden sei. “Beith Shalom” - dieser Name sei ein Programm, so der Bischof, das die Christen aus ganzem Herzen unterstützen wollten.

Das unterstrich auch der Kirchenpräsident der Pfälzischen Landeskirche, Christian Schad. Er bekannte sich zu den unterschiedlichen Sichtweisen von Juden und Christen über die Messianität Jesu Christi. “Doch diese Trennung im Glauben hätte nie zu einem Antijudaismus führen dürfen”, betonte der Kirchenpräsident. “Bekennen wir doch als Kirche, dass Gott in Jesus von Nazareth nicht nur Mensch, sondern auch Jude wurde”. Er erinnerte an ein Wort von Martin Buber, der immer das Gemeinsame von Christen und Juden hervorgehoben habe und nicht das Trennende. Für die neue Synagoge wünschte sich Schad, “dass wir miteinander gedenken, dass wir miteinander feiern, den Dialog intensivieren und die Versöhnungsarbeit weiterführen.

Prof. Jacoby: Wahrheit und Gerechtigkeit für Juden wieder zurück

Das “vorletzte” Wort in dieser Feierstunde hatte Prof. Alfred Jacoby, der Architekt der neuen Synagoge, der die Inschrift auf dem Thora-Rollen-Schrein aus dem Hebräischen übersetzte: Die Wahrheit entsprießt dem Boden - Gerechtigkeit blickt vom Himmel, steht dort in großen Lettern geschrieben. Nach den dunklen Jahren des Nationalsozialismus gebe es heute für Juden in Deutschland wieder beides: Wahrheit und Gerechtigkeit, konstatierte Prof. Jacoby. Er stellte die neue Synagoge, deren liturgisch-architektonisches Programm er im Laufe der bevorstehenden Jüdischen Kulturtage noch eingehend erläutern wird, in einen Zusammenhang mit dem Kaiserdom und der benachbarten Friedenskirche St. Bernhard. Danach überreichte er den Schlüssel des Gotteshauses an den Vorsitzenden der Kultusgemeinde Rheinpfalz,

Und das “letzte” Wort hatte dann natürlich der Psalmist: Kantor Guido Shamir führte unter Psalmodieren die Thorarollen-Prozession an, die von einem Synagogalchor unter der Leitung von Alexander Serebryanik begleitet wurde, dem sich auch Gedächtniskirchenkantor Robert Sattelberger angeschlossen hatte.

Nach Gebeten und Lesungen aus dem Buch der Psalmen wurden die Thora-Rollen in dem Thoraschrank verbacht, um sie dort bis zum nächsten Schabbat zu verwahren.

Die Einweihungsfeier wurde musikalisch von David Serebryanik, Klavier und Philipp von Piechowski, Violine umrahmt. Piechowski hatte zur Erinnerung an den 9. November 1938 ein “Klagelied für Geige Solo” komponiert - eine zutiefst beeindruckende musikalische Meditation, die das Grauen jener Nacht noch einmal in den Teilnehmern an der Feierstunde Ahnung werden ließ.

Ein kleiner Empfang mit koscherem Wein und kleinen Häppchen gab den zahlreichen Gästen Gelegenheit, die Eindrücke dieser bewegenden Feier noch weiter zu verarbeiten. Foto: Kienipress und Voss-View / © Staatskanzlei

10.11.2011


Liste der Teilnehmer an dem Festakt zur Einweihung der Synagoge “Beith Schalom” (Auszug)

Christian Wulff, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland

Joachim Mertens MdL, Präsident des Landtages von Rheinland-Pfalz

Kurt Beck MdL, Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz

Doris Ahnen MdL, Staatsministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz

Jochen Hartloff MdL Staatsminister für Justiz und Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz

Norbert Schindler MdB Mitglied des Deutschen Bundestages

Julia Klöckner MdL Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz, Vorsitzende der CDU-Fraktion

Friederike Ebli MdL Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz

Dr. Axel Wilke MdL Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz

Daniel Köbler MdL Mitglied des Landtages von Rheinland-Pfalz, Vorsitzender der Fraktion die Grünen

Dr. Klaus P. Behnke Präsident des Landesrechnungshofes von Rheinland-Pfalz

Jens Beutel Oberbürgermeister von Mainz

Michael Kissel Oberbürgermeister von Worms

Hansjörg Eger Oberbürgermeister von Speyer

Tibor Shalev-Schlosser Generalkonsul von Israel

Prof. Dr. Michael Turner Unesco-Kommission Paris

Rabb. Pinkas Goldschmidt Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner CER

Dr. Karl-Heinz Wiesemann Bischof von Speyer

Christian Schad Präsident der Protestantischen Landeskirche der Pfalz

Iman Halil Gülalp Islamische Gemeinde Speyer

Peter Waldmann Vorsitzender des Verbandes der Jüdischen Gemeinden In Rheinland-Pfalz

Prof. Dr. Bernhard Vogel Ministerpräsident a.D. von Rheinland-Pfalz u. Thüringen

Werner Schineller Oberbürgermeister a.D. von Speyer

Frau Alica Erlich

10.11.2011


Der 9. November - Schicksalstag der Deutschen oder Zufall der Geschichte?

von Gerhard Cantzler

Wohl kaum ein anderer Tag im Kreislauf des Jahres ist so mit historischen Ereignissen befrachtet wie jener ominöse “9. November” im Leben der Deutschen - im Guten wie im Bösen:

Am 9. November 1918 endete das deutsche Kaiserreich - Kaiser Wilhelm II. dankte ab und noch am gleichen Tag proklamierte der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann die deutsche Republik und machte so den Weg frei für die Weimarer Republik - eine Zeit unsäglicher politischer Irrungen begann, die letztlich den Nationalsozialisten die Okkupierung der Macht ermöglichten.

Am 9. November 1923 versuchte Adolf Hitler dann, die Weimarer Republik zu stürzen, indem er mit mehren tausend Gefolgsleuten durch München zog, um von dort aus den Sturm auf das Berliner Parlament anzutreten. Doch schon an der Feldherrnhalle endete dieser “dilettantische Versuch eines Umsturzes” - wie Historiker ihn später beschreiben - ein letztes Mal noch - denn

Am 9. November 1938 - Hitler war schon im fünften Jahr Reichskanzler und hatte seine von Willkür und Machtmissbrauch gekennzeichnete Herrschaft längst zementiert - da konnte er in der Reichspogromnacht seine von langer Hand geplanten brutalen Übergriffe auf die Juden in Deutschland erstmals ungetarnt und ungeschminkt in die Öffentlichkeit tragen - aus ihnen sollte dann die Vernichtung der Juden in Deutschland und in ganz Europa entspringen.

Der 9. November, ein Tag also, belastet mit den schlimmsten Verfehlungen und Gräueln, denen sich ein Volk in der Menschheitsgeschichte jemals zuvor schuldig gemacht hatte. Höchste Zeit, dass das Pendel der Gefühle rund um diesen “9. November” endlich ins Gute umschlug:

Am 9. November 1989 war es soweit: Mit friedlichen Mitteln - mit Gottesdiensten und mit Kerzen in den Händen - überwanden die Menschen in der DDR Mauer und Grenzanlagen in Deutschland, fegten ein anderes, ein “rotes” Willkür-System beiseite und bahnten so den Weg für die Wiedervereinigung des seit dem Ende des von uns Deutschen verursachten Zweiten Weltkrieges geteilten Volkes. Ein unbeschreibliches, ein vielleicht auch unverdientes Glück, das bis heute anhält...

Und jetzt,

Am 9. November 2011 ist mit der Einweihung der neuen Speyerer Synagoge ein neues Glück über die Deutschen und im besonderen über die Menschen in Speyer gekommen: Sie erhielten etwas zurück, was sie auf den Tag genau vor 73 Jahren verloren hatten - den Humanismus und die Toleranz gegenüber einer Religion, deren Anhänger Papst Johannes Paul II. als “die älteren Brüder der Christen” bezeichnete und deren neues Gotteshaus in Speyer Bundespräsident Christian Wulff in seiner Rede als “die Verheißung einer neuen und dauerhaften Präsenz jüdischen Lebens in Speyer und in ganz Deutschland” umschrieb.

Die Geschichte der Deutschen und ihrer “9. November” hat es augenfällig gezeigt: Immer, wenn die Ziele dieses Tages mit Gewalt verfolgt wurden, gerieten sie den Völkern der Welt zum Unglück - immer, wenn sie dagegen mit friedlichen Mitteln, mit Toleranz und Brüderlichkeit angegangen wurden, gereichten sie den Deutschen und ihren Nachbarn zum Glück. Möge uns und unseren Kindern deshalb die Zukunft nur noch zum Frieden und damit zum Glück bestimmte “9. November” bereithalten.

Das gewähre uns allen der eine Gott, der ebenso der Gott der Juden und der Christen - und - nicht zu vergessen - auch der Muslime ist.

Den jüdischen Mitbürgern in unserer Stadt und der neuen Synagoge “Beith-Schalom” deshalb ein herzliches “Mazel tov” - “Willkommen daheim”

10.11.2011


Jack Mayer - Zeitzeuge der frühen Nazizeit und Botschafter der Versöhnung

cr. Speyer. Er ist einer der letzten Überlebenden der Judenverfolgungen in der Zeit des Nationalsozialismus, die in der Reichspogromnacht heute vor 73 Jahren einen vorläufigen Höhepunkt finden sollte - und er ist der einzige, der die Kraft dazu fand, das sich selbst gegebene Versprechen, bei der Einweihung einer neuen Synagoge in seiner alten Heimatstadt dabei zu sein, heute einlösen konnte: Jack Mayer, 1930 als Hans-Joachim Mayer - zweiter Sohn von Alfred und Else Mayer in Speyer geboren und in dem elterlichen Haus in der Maximilianstraße 47 - heute Commerzbank - nur einen Steinwurf weit entfernt von der alten Synagoge, aufgewachsen.

Nur gut zwei Stunden vor der feierlichen Einweihung des neuen jüdischen Gotteshauses traf der inzwischen 80jährige Jack Mayer, gemeinsam mit seiner Ehefrau Irma, sichtlich bewegt, im Stadthaus mit Oberbürgermeister Hansjörg Eger zusammen.

Jack Mayer erinnert sich noch gut an seine Kindertage in Speyer, die zugleich zu den Anfangsjahren des Nazi-Terrors werden sollten: Oft genug “erwischte” sein Vater den kleinen Hans-Joachim, wie er - in Unkenntnis der wahren Zusammenhänge und der sich immer deutlicher abzeichnenden Ziele der Nazis - den an dem elterlichen Schuhgeschäft vorbei ziehenden Sturmtrupps von SA und SS - wie die meisten Speyerer Bürger - zujubeln wollte, was ihm sein jüdischer Vater natürlich eindringlich verbot.

Als dann am 9. November 1938 auch in Speyer die Synagoge brannte und die Scheiben der jüdischen Geschäfte in der Stadt zerbarsten, da war Jack Mayer bereits in die USA geflohen. Im Frühjahr 1938 folgte er nämlich gemeinsam mit seiner Mutter und seinem älteren Bruder Bernhard dem Vater, der schon zuvor Haus und Geschäft in der Speyerer Hauptstraße verkauft hatte, um aus dem Erlös die von einem Onkel in Ohio vorbereitete Übersiedelung der Familie “in die Staaten” finanzieren zu können.

Noch heute lebt Jack Mayer gemeinsam mit seiner Frau in den USA. Als Direktor einer Produktionsstätte des USA-weit vertretenen Textilkonzerns “Angelica”- einem international bekannten Hersteller von Berufskleidung - gelangte er in Lorain, Ohio, zu hohem Ansehen. So engagiert er sich bis zuletzt für das Holocaust-Museum in St. Petersburg in Florida, wo das Ehepaar inzwischen seinen Alterssitz genommen hat. Dort setzt er sich mit Vorträgen und Diskussionen mit Schülern und Studenten unermüdlich für die Versöhnung von Juden und Deutschen ein.

Und auch der Kontakt in seine Geburtsstadt Speyer ist nie wirklich abgerissen. “Speyer ist und bleibt meine Heimat”, bekennt Mayer, “das wird sich auch nie ändern”. Immer wieder - zuletzt im Jahr 2007 - war das Ehepaar Mayer hierher gereist, hatte sich auf die Spuren der über die gesamte Vorderpfalz verstreuten Vorfahren gesetzt - Mayers Mutter stammte aus Niederhochstadt, der Vater war in Schifferstadt geboren, von wo aus er nach der Teilnahme am Ersten Weltkrieg und Auszeichnung mit dem Eisernen Kreuz nach Speyer übersiedelte, um hier ein Schuhgeschäft zu eröffnen.

Bei dem Besuch im Jahr 2007 war es auch, als Oberbürgermeister Werner Schineller Jack Mayer zum ersten Mal das Modell einer neuen Synagoge auf dem Weidenberg vorstellte. Zusammen hätten sie damals davor gesessen und sich ausgemalt, wie dieses Haus erst aussehen werde, wenn es einmal fertig ist, erinnert sich Mayer. “Damals habe ich beschlossen, dabei zu sein, wenn diese neue Synagoge eingeweiht wird”, bekennt er.

Auch die drei Töchter des Ehepaares - eine davon selbst mit einem Rabbiner verheiratet - waren schon in der Domstadt zu Gast, “auf der Suche nach den Wurzeln der Familie”, wie Mayer selbst es einmal ausgedrückt hat.

Welche Erinnerungen verbindet Jack Mayer mit dem Speyer der Dreißiger Jahre? “Nur die allerbesten”, antwortet er, “ich hatte als Kind viele, viele Freunde hier, mit denen ich nach dem Krieg wieder Kontakt suchte. Aber die meisten sind inzwischen leider verstorben”. Mit einem dieser Freunde hat er allerdings bis heute Kontakt - mit Alfred Cahn, dem letzten Organisten an der Speyerer Synagoge vor 1938, der wie er selbst vor den Nazis in die Vereinigten Staaten emigrierte. Von ihm dürfe er herzliche Grüße und Segenswünsche übermitteln, freut sich der rüstige 80jährige, dem man sein Alter in keinem Moment anmerkt. “Auch er wäre gerne zur Synagogenweihe nach Speyer gekommen, aber mit über 90 Jahren lässt seine Gesundheit so weite Reisen halt nicht mehr zu”, bedauert Mayer.

Noch zehn Überlebende der Nazizeit habe die Stadtverwaltung zu diesem bedeutenden Tag eingeladen - leider habe sich nur Jack Mayer in der Lage gesehen, dieser Einladung zu folgen, berichtete der Sprecher der Stadtverwaltung, Dr. Matthias Nowack, der seitens der Stadt für die Vorbereitung der Festlichkeiten zuständig war. “Und beinahe hätten auch wir nicht zugesagt”, ergänzt Jack Mayer lachend, “denn als die Einladung bei uns eintraf, waren wir gerade zu einem längeren Besuch bei einer unserer Töchter. Als wir dann zurück kamen, fanden wir die Einladung aus Speyer und haben uns sofort entschlossen, nach Speyer zu fahren”.

Dem Tag der Synagogenweihe habe er allerdings schon mit großer Aufregung entgegen gesehen “denn wenn man sein ganzes Leben lang mit der Synagoge gelebt hat, dann ist die Weihe einer neuen in der Stadt, in der man als Kind die Gottesdienste miterlebt und wo man die Sonntagsschule besucht hat, schon etwas ganz besonderes. Dass ich das noch erleben darf, dafür bin ich heute ganz besonders dankbar”, ergänzte Mayer, ehe er sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Irma und OB Hansjörg Eger aufmachte, um am Schweigemarsch zur Erinnerung an den 9. November 1938 vom Alten Marktplatz zum Gedenkstein in der Hellergasse teilzunehmen. Foto: Kienipress

10.11.2011


Gedenkfeier für ermordete Speyerer Juden

jüs Speyer. An die Reichsprogromnacht vom 9. November 1938  und an die ermordeten Speyerer Juden soll er gedenken, der Marsch vom Brunnen an der alten Münze zum Mahnmal in der  Heilergasse hinter dem heutigen Kaufhof. Dort stand bis vor 73 Jahren die alte Synagoge, an die heute ein Gedenkstein erinnert. Zahlreiche Bürger aus Speyer und Umgebung nahmen auch dieses Jahr wieder an dem Gedenkmarsch teil, den der DGB, die jüdische Kultusgemeinde und die Stadt traditionell am 9. November veranstalten.

Als besonderer Gast konnten die Veranstalter Jack Mayer und seine Frau aus Florida begrüßen, Mayer ging in seiner Jugend als Schüler in die alte Speyerer Synagoge, die damals ihren Standort an der Heydenreichstraße (heute: Kaufhof) hatte. Nach der Reichsprogromnacht  floh er 1938 mit seiner Familie ins Ausland und emigrierte in die USA. Für den heute 80-jährigen Jack Mayer war der Besuch in der Stadt seiner Jugend ein bewegendes Ereignis. Im Anschluss an die Gedenkfeier nahmen er und zahlreiche Honoratioren an der Einweihung der neuen Speyerer Synagoge "Beit Schalom" (Haus des Friedens) teil. Alle Fotos. jüs

10.11.2011


„Ein wunderbares Zeichen der Versöhnung und Hoffnung“

Heute, am 9. November 2011 wird in Speyer die neue Synagoge eröffnet

Speyer- Genau 73 Jahre nach der Zerstörung der früheren Speyerer Synagoge in der Reichspogromnacht 1938 erhält die Domstadt am 09. November wieder ein repräsentatives jüdisches Gebetshaus. Die neue Synagoge, eine umgebaute ehemalige katholische Kirche, wird am Mittwoch in Anwesenheit von Bundespräsident Christian Wulf und dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck eröffnet. Auch Bischof Karl-Heinz Wiesemann, der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, und der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, nehmen an der Feier teil. Als Zeichen der Verbundenheit schenken die protestantischen und katholischen Kirchengemeinden Speyers zusammen mit Bistum und Landeskirche der jüdischen Gemeinde eine Menora, einen siebenarmigen Leuchter, für die neue Synagoge.

Für Bischof Wiesemann ist die neue Synagoge „ein Grund zu großer Freude und ein wunderbares Zeichen der Versöhnung und Hoffnung“. Über Jahrhunderte hinweg sei die Geschichte der Stadt auch von einer jüdischen Gemeinde geprägt gewesen. Dass 1938 die damalige Synagoge von den Nazihorden dem Erdboden gleich gemacht und in der Folge mit dem Holocoust die jüdische Gemeinde ausgelöscht worden sei, bleibe „ein verbrecherischer Schandfleck in unserer Geschichte“. Papst Johannes Paul II. habe die Juden als „unsere älteren Brüder im Glauben“ bezeichnet. „Ein schöneres Symbol dafür kann es nicht geben, als dass eine ehemalige katholische Kirche nun zur Synagoge und damit zum neuen Zentrum des wieder aufblühenden jüdischen Lebens in Speyer wird“, so Bischof Wiesemann.

Geschichtsträchtiger Ort
Der Platz, auf dem das neue Gebetshaus steht, hat eine große historische Vergangenheit. Im Mittelalter befand sich an diesem Ort eines der vier großen geistlichen Stifte der Stadt Speyer; jahrhundertelang wurden hier Reliquien des heiligen Guido von Pomposa verehrt. Im vergangenen Jahrhundert erhielten Patres des Spiritanerordens im Konvikt St. Guido ihre Ausbildung für den missionarischen Einsatz in aller Welt. Deren 1935 eingeweihte Kirche St. Guido wurde 1991 geschlossen, als ausbleibender Ordensnachwuchs die Patres zur Aufgabe ihres Missionshauses zwang. Der Grundstein für die neue dreigeschossige Synagoge wurde genau vor drei Jahren, am 9. November 2008, und damit 70 Jahre nach der Zerstörung der alten gelegt. Der Frankfurter Architekt Alfred Jacoby, ein Spezialist für Synagogenbauten, integrierte die Sankt-Guido-Kirche von 1935 ebenso in das Baukonzept wie die Fundamente der mittelalterlichen Stiftskirche. Bischöfliches Ordenariat Speyer, Pressestelle

09.11.2011


9. November 2011 - Tag des Gedenkens und der Hoffnung auf eine gute Zukunft

Gedanken zum 73. Jahrestag der Zerstörung der Speyerer Synagoge

von Gerhard Cantzler

Der 9. November 1938 - er war, wie in diesem Jahr, ein Mittwoch, und die Temperaturen waren, wie in diesem Jahr, im Vergleich zum langjährigen Mittel, deutlich zu hoch - um fast vier Grad. Deutschland blickte bereits auf fünf Jahre Nationalsozialismus zurück, eine Zeit, in der der Druck auf den jüdischen Teil der Bevölkerung kontinuierlich zugenommen hatte. Wie überall im Lande, verspürten auch die Juden in Speyer eine zunehmende Unsicherheit. Das Judentum in der Stadt, dessen Geschichte bis in das 11. Jahrhundert zurückreichte und das im Mittelalter als “Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit” gemeinsam mit Mainz und Worms als SCHUM-Städte in die ganze, damals bekannte Welt ausstrahlte, hatte sich nach einem Jahrhunderte währenden Wechsel aus Erblühen, Pogromen, Vertreibung und Rückkehr im 19. Jahrhundert gerade wieder stabilisiert. Die Juden in Speyer waren angesehene Mitbürger und geschätzte Freunde, die entscheidend zur Wohlfahrt der Stadt beitrugen. Schon im Krieg 1870/71 und dann auch im Ersten Weltkrieg zogen patriotisch gesinnte Speyerer Juden wie alle Deutschen hinaus auf die Schlachtfelder und erbrachten einen hohen Blutzoll.

Um so schlimmer, als in der Folge des Ersten Weltkrieges, den sich daran anschließenden Wirren der Weimarer Republik und der Weltwirtschaftskrise in den Zwanziger Jahren sich der längst überwunden geglaubte Antisemitismus wieder wie ein Krebsgeschwür in der deutschen Gesellschaft auszubreiten begann. Hitlers “Machtergreifung” am 30. Januar 1933 - eine Folge zahlloser Fehleinschätzungen der damals um die politische Macht ringenden Parteien - markierte dann den dramatischen Umschwung im Verhältnis der Deutschen zu ihren Mitbürgern jüdischen Glaubens. Gestern noch hochgeschätzte Nachbarn, stellten sich immer mehr Deutsche gegen die Juden - die Parolen und Boykotthetze der Nazis wie “Juden raus” oder “Deutsche kauft nicht bei Juden”, die auch in Speyer an die Schaufenster jüdischer Geschäfte geschmiert wurden, verfingen auch in unserer Stadt.

Hellsichtige jüdische Bürgerinnen und Bürger, die das aufziehende Unheil verspürten, verließen in immer größerer Zahl die Stadt, die ihnen oft über Generationen zur Heimat geworden war. Viele wichen zunächst in benachbarte Länder wie Frankreich, Belgien oder Holland aus in der Hoffnung, dass sich das von ihnen zunächst mit ungläubigem Staunen zur Kenntnis genommene Schreckensregime nicht werde halten können. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass das Land von Goethe und Schiller, von Beethoven und Johann Sebastian Bach auf Dauer in einer Judenfeindlichkeit verharren würde. Sie sollten sich täuschen. Die Übergriffe auf Juden wurden immer massiver - immer mehr jüdische Menschen kamen auch körperlich zu Schaden. Die Speyerer Juden zerstreuten sich in alle Welt

Die Nacht vom 9. zum 10. November 1938 markierte dann den endgültigen Umschwung im Umgang mit den Juden: Der 9. November verlief wohl noch ruhig, trotz der gespannten Unruhe rechnete an diesem Tag wohl niemand mit dem unvorstellbaren Ausbruch an Gewalt, den die Nazis zentral von Berlin aus geplant hatten. Unter dem Vorwand, “deutsche Volksgenossen wollten ‘spontane’ Rache nehmen für die Erschießung des deutschen Diplomaten Ernst Eduard von Rath, Sekretär an der Deutschen Botschaft in Paris”, setzten sie ein Vernichtungswerk von unglaublichem Ausmaß gegen jüdische Menschen und die jüdische Kultur in Deutschland in Gang. Angesichts der mit deutscher Gründlichkeit vorbereiteten und noch in der gleichen Nacht deutschlandweit ins Rollen gebrachten Gewaltwelle konnte sicher nicht von “spontanen Übergriffen auf Juden und ihren Besitz” die Rede sein. Vielmehr war die Planung für die später als “Reichspogromnacht” in die Geschichtsbücher eingegangene antisemitische Schreckensnacht schon lange vorher abgeschlossen - der Anschlag auf Ernst von Rath allenfalls eine willkommene Gelegenheit für das System, seine “Bluthunde” von der Kette zu lassen.

Durch entsprechende Fernschreiben aus Berlin angewiesen zerstörten auch in Speyer Sturmtrupps von SA und SS die Geschäfte jüdischer Mitbürger und plünderten sie. Auch die Speyerer Synagoge in der heutigen Heydenreichstraße/Ecke Hellergasse, an die heute ein Gedenkstein erinnert, wurde von den braunen Schergen gestürmt, geplündert und danach in Brand gesetzt. Die später gefundenen Befehle aus Berlin lauteten, dass die Feuerwehr nur zum Schutz der benachbarten Häuser tätig werden durfte.

Mehr als 1.300 jüdische Menschen verloren in dieser Nacht in Deutschland ihr Leben, über 1.400 Synagogen und Bethäuser - mehr als die Hälfte aller jüdischen Gotteshäuser - gingen in Flammen auf.

Noch 77 Menschen jüdischen Glaubens lebten nach dieser grauenvollen Nacht in Speyer - mit Ausnahme eines einzigen verloren sie später in den Vernichtungslagern der Nazi-Diktatur ihr Leben. Dieser letzte jüdische Mitbürger, Berthold Böttigheimer, 1904 in Speyer geboren, überlebte - von guten Freunden unter eigener Lebensgefahr verborgen - die Kriegsjahre in Speyer und verstarb erst 1980 als hoch geachteter Mitbürger in seiner bis zuletzt über alles geliebten Heimatstadt.

Für Berthold Böttigheimer wäre es sicher eine große Freude gewesen, wenn er den Bau und die Einweihung einer neuen Synagoge in seiner Heimatstadt - 73 Jahre nach der ruchlosen Zerstörung der alten - hätte erleben dürfen, denn sie ist ein Zeichen dafür, dass aus dem von Böttigheimer über Jahrzehnte treu gehüteten Zweig der Hoffnung auf eine neue jüdische Gemeinde in Speyer wieder ein starker Baum wachsen wird.

 

 

Zum Gedenken an die Opfer dieser Jahre und als Zeichen der Hoffnung lesen und beten Sie bitte im folgenden den Kaddisch, das Tages- und Totengebet der Juden:

Aus dem Gebetsbuch:
Kaddisch - Die Heiligung - haKadisch

Erhoben und geheiligt, sein großer Name, in der Welt die er erneuern wird.
Uleachaja Metaja, uleasaka jatehon leChajej Alma,
Er belebt die Toten, und führt sie empor zu ewigem Leben,
ulemiwnej Karta di-Jeruschelejm
Er erbaut die Stadt Jiruschalajim
uleschachelala Hejcheleh beGawah,
und errichtet seinen Tempel auf ihren Hoehen,
ulemaeeakar Palchana nucheratah min-Areaa,
Er tilgt die Goetzendienerei von der Erde
welaatawa Palchana di-Schmaja leAtra,
und bringt den Dienst des Himmels wieder an seine Stelle,
wejamlich Kudescha berich hu beMalchuteh Wikareh
und regieren wird der Heilige, gelobt sei er, in seinem Reiche und in seiner Herrlichkeit,
beChajejchon uweJomejchon
in eurem Leben und in euren Tagen
ubeChajej dechal-Bejt Jiserael
und im Leben des ganzen Hauses Israel
baAgala uwiSeman kariw,
schnell und in naher Zeit,
weimeru Amejn.
Und sprechet: Amejn.

Jehe Schemeh raba mewarach, leAlam uleAlmej Almaja!
Sein großer Name sei gelobt, in Ewigkeit und Ewigkeit der Ewigkeiten!

Jitbarach wejischtabach
Es sei gelobt und verherrlicht

wejitromam wejitnasej
und erhoben und gefeiert
wejithadar wejitealeh
und hocherhoben und erhoeht
wejitehalal Schemeh deKudescha berich hu,
und gepriesen der Name des Heiligen, gelobt sei er,
leajla min-kal-Birchata weSchirata,
hoch hinaus über jede Lobpreisung und jedes Lied,
Tuschbechata weNechaemata
jede Verherrlichung und jedes Trostwort,
daamiran beAlma,
welche jemals in der Welt gesprochen,
weimeru Amejn.
Und sprechet: Amejn.

Jehi Schem Adonaj Meworach meAtah wead Olam!

Es sei der Name des EWIGEN gelobt, von nun an bis in Ewigkeit!

Jehe Schelama raba min-Schemaja,

Es sei Fülle des Friedens vom Himmel herab,
weChajim,
und Leben,
alejnu weal-kal-Jiserael,
über uns und über ganz Israel,
weimeru Amejn.
Und sprechet: Amejn.

Aeseri me’im Adonaj, Oseh Schamajim waArez.
Meine Hilfe kommt vom EWIGEN, dem Schoepfer des Himmels und der Erde.

Oseh Schalom biMeromaw,
hu jaaeseh Schalom alejnu weal-kal-Jiserael,

Der Frieden schafft in seinen Hoehen,
er schaffe Frieden unter uns und ueber ganz Israel,
weimeru Amejn.
Und sprechet: Amejn.

06.11.2011


“Schana tova !” - Jüdische Gemeinde Speyer feiert Neujahrsfest

von Gerhard Cantzler

Mit einem herzlichen “Schana tova u’metuka” - einem “guten und süßen (Neuen) Jahr”, dem traditionellen Neujahrswunsch der Juden in aller Welt grüßt der SPEYER-KURIER die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger in unserer Stadt und wünscht ihnen allen ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr, das Jahr 5772 nach jüdischer Zeitrechnung.

Auch in diesem Jahr werden sich die Mitglieder der jüdischen Gemeinde in Speyer schon am Vorabend des über 48 Stunden währenden Neujahrsfestes im Betsaal ihrer Gemeinde zusammenfinden, um mit traditionellen Gebeten und Lesungen aus der Thora nach jahrtausende altem Ritus Rückschau zu halten auf das vergangene Jahr und um Segen für das neue zu erbitten. Als Höhepunkt dieses Gottesdienstes wird der Schofar geblasen, ein aus einem Widderhorn geschaffenes Blasinstrument, bei dessen Klang sich die Juden an den Tag der Erschaffung der Welt durch Gott erinnern - aber auch an ihre eigenen Vorfahren und an “alle Gerechten”.

Das Neujahrsfest Rosch ha-Schana ist aber auch ein Grund zu ausgiebigem Feiern - in der Gemeinde ebenso wie im Kreise der Familie. Dort wird insbesondere auch Süßes gereicht - Honigkuchen, in Honig getauchte Früchte wie Apfelscheiben und Granatäpfel. Aus diesem Brauch erklärt sich wohl auch der Wunsch für ein “gutes und süßes Jahr”.

Wie eng im übrigen jüdische und christliche Sitten miteinander verwoben sind, zeigt sich gerade auch an diesen Tagen - führen Sprachforscher doch den im deutschsprachigen Raum bis heute beliebten Neujahrswunsch für “einen guten Rutsch” keineswegs auf das Rutschen durch die um diese Jahreszeit ja auch mögliche Eis- oder Schneeglätte zurück, sondern auf das Wort für das jüdische Neujahrsfest, auf “Rosch ha-Schana”.

Deshalb noch einmal: Schana tova! Foto: Oxana Korovai

28.09.2011


Der SPEYER-KURIER ruft der neuen, der wiedererstandenen jüdischen Gemeinde ein herzliches SHALOM zu

Nach den Gräueln des Nationalsozialismus und der Ermordung von sieben Millionen Juden in ganz Europa schien der Glaube an ein Wiedererstehen eines jüdischen Gemeindelebens in Speyer aussichtslos. Vielleicht war es der Optimismus von Berthold Böttigheimer, der seiner Vaterstadt auch über den Holocaust hinaus die Treue hielt, der den Hoffnungsfunken an ein solches “Wunder” am Glimmen hielt. Er konnte es nicht mehr erleben, dass sich 1996 nach dem Zuzug zahlreicher Juden aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion wieder eine jüdische Gemeinde in Speyer konstituierte.

Und noch mehr gefreut hätte es ihn sicher, wenn er hätte miterleben können, wie am 8. November 2009 in den Mauern der ehemals katholischen Kirche St. Quido auf dem Weidenberg der Grundstein für eine neue Synagoge gelegt wurde.

Auf den Tag genau 73 Jahre nach der Zerstörung der letzten jüdischen Synagoge wird das neue Gotteshaus am 8. November 2011 feierlich seiner Bestimmung übergeben werden.

Es wird dann als ein Ort des jüdischen Glaubens zugleich ein Zeugnis dafür sein, dass auch Terror und Unrecht es auf Dauer nicht vermögen, die Menschen von ihrem Schöpfer zu entzweien.

Der SPEYER-KURIER nimmt dieses Ereignis zum Anlass, dem jüdischen Leben in Speyer ab sofort eine eigene Rubrik zu widmen und mit Beiträgen über Vergangenheit und Gegenwart des Judentums in unserer Stadt die Zusammengehörigkeit der jüdischen Gemeinde mit ihren Mitbürgern in der neuen Heimatstadt zu dokumentieren.

Der SPEYER-KURIER ruft der neuen, der wiedererstandenen jüdischen Gemeinde zu Speyer ein ebenso aufrichtiges wie herzliches SHALOM zu - möge die Gemeinschaft von Juden und Nichtjuden in unserer Stadt eine lange, lange Zukunft haben. cr

16.08.2011


Niki-Schüler reinigen Mahnmal für die ermorderten Speyerer Juden am Kaufhof

Niki-Schüler setzen Zeichen mit ungewöhnlicher Aktion

Am Freitag nachmittag trafen sich 21 Schüler und Schülerinnen des Nikolaus-von-Weis-Gymnasiums und reinigten das Speyerer Mahnmal für die ermordeten jüdischen Bürger. Das Monument an der Ecke Hellergasse/Karlsgasse, ein großer Gedenkstein mit Baldachin, erinnert an Deportation und Ermordung von 82 Speyerer Juden. Für die Gruppe Jugendlicher des diesjährigen Austauschs mit der israelischen Partnerstadt Yavne ist diese Arbeit jedoch mehr als Pflege der Erinnerung an das Verbrechen aus der Zeit der Nazi-Diktatur.

 

17.09.2011