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Neue Privatdozentin an der Universität Speyer

Antrittsvorlesung zur Kontrollierbarkeit staatlicher Machtausübung

Speyer- Am Abend des 20. Juli 2017 hielt Dr. Nadja Braun Binder an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften ihre Antrittsvorlesung und schloss damit erfolgreich ihr Habilitationsverfahren ab.

Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Bern hatte die gebürtige Bernerin 2005 dort mit einer Dissertation zum Thema „Stimmgeheimnis. Eine rechtsvergleichende und rechtshistorische Untersuchung unter Einbezug des geltenden Rechts“ promoviert. Im Anschluss daran erwarb sie an der Universität Salzburg einen International Executive MBA in Public Management und war bis 2011 als Juristin, zuletzt als Leiterin der Sektion Recht in der Schweizer Bundeskanzlei tätig. 2012 wechselte sie zunächst als Forschungsreferentin und dann als Programmbereichskoordinatorin an das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung und an die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer. Das Thema ihrer unter der Betreuung des Rektors der Universität, Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland, entstandenen Habilitationsschrift lautet "Rechtsangleichung in der EU im Bereich der direkten Steuern. Analyse der Handlungsformen unter besonderer Berücksichtigung des Soft Law".

Univ.-Prof. Dr. Wieland hob in seiner der Antrittsvorlesung vorangehenden Würdigung die breite Aufstellung der universitären Lehre von Braun Binder hervor. Ihre Schwerpunkte liegen hier in den Bereichen Allgemeines Verwaltungs- und Verwaltungsverfahrensrecht, Polizei- und Ordnungsrecht, deutsches, europäisches und internationales Steuerrecht, Kommunalrecht und Rechtsetzungslehre. Es freue ihn – so Wieland mit sichtlichem Stolz – dass eine frischgebackene Privatdozentin so schnell nach dem Abschluss ihres Habilitationsverfahrens eine Professorenstelle gefunden habe: Der Rat der Universität Zürich hat Nadja Braun Binder mit Wirkung zum 1. September 2017 zur Assistenzprofessorin für Öffentliches Recht unter besonderer Berücksichtigung europäischer Demokratiefragen an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät ernannt. Dort wird sie zum Forschungsschwerpunkt „Direkte Demokratie und Populismus“ forschen.

In Ihrem Vortrag beleuchtete Braun Binder die ideengeschichtliche Entwicklung des Postulats der Kontrolle staatlicher Machtausübung und dessen verfassungsrechtliche Verankerung, insbesondere im Grundsatz der Gewaltenteilung. Einer Analyse der Kontrollbeziehungen zwischen den Verfassungsorganen und der externen Kontrollmöglichkeiten schloss sie die Frage nach dem Verhältnis zwischen Populismus und Kontrollierbarkeit staatlicher Machtausübung an. Dabei zeigte sie auf, dass populistische Strategien sowohl die Nutzung der Kontrollbeziehungen als auch deren (mittelbare oder unmittelbare) Infragestellung umfassen können. DUV Speyer, Presse

21.07.2017


5. Speyerer Energieforum: Die Energiewende zwischen Regulierungsstaat und Zivilgesellschaft

Speyer- Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Energiewirtschaft haben sich seit der Liberalisierung der Energieversorgung in 1998 mehrfach grundlegend geändert. Eine Folge dieser kon-tinuierlichen Veränderung ist, dass Dichte und Umfang staatlicher Regulierungseingriffe deutlich zugenommen haben. Diese Entwicklung gleicht einer Regulierungsspirale wurde als „Regulierungswahn“ und als „Paragraphenexplosion“ bezeichnet. Die Monopolkommission hat in ihrem Sondergutachten von 2013 eine Ex-post-Evaluation der Regulierungsdichte durch Ministerien, Regulierer, Verbände und Unternehmen gefordert, um Deregulierungspotential zu identifizieren. Ferner bestehen erhebliche Konflikte zwischen Staat und Bürgern über den Ausbau der Stromversorgungsnetze sowie über Art und Umfang der staatlichen Förderung Erneuerbarer Energien. Hier müssen kooperative Lösungen zwischen Staat und Zivilgesellschaft entwickelt werden. Das Forum möchte hierzu einen Beitrag leisten und konnte namhafte Referentinnen und Referenten aus Bundes- und Landesministerien, der Bundesnetzagentur und der Wissen-schaft gewinnen. Vorträge und Diskussionen widmen sich unterschiedlichen Regulierungsbereichen, die von der Anreizregulierung, über den Netzausbau und Emissionshandel, bis zum Erneuerbare-Energien-Gesetz und Strommarktdesign reichen. Schließlich scheint die Regulierungsspirale zur Wiederver-staatlichung von Energieversorgungsunternehmen zu führen, wie der derzeitige Trend der Rekommunalisierung zeigt. Mit einer Diskussion hierzu schließt das Forum ab.

Methodik, Didaktik

Leitung                    Prof. Dr. Eberhard Bohne Dr. Christian Bauer

Veranstaltungstyp   Forum

Veranstaltungs Nr.   1.7.16

Termin                      14.04.2016 - 15.04.2016

Tagungsort               Universität Speyer

Teilnehmerzahl         40

Teilnehmerkreis        Adressaten sind alle mit der Energiewende und Energiewirtschaft befassten Personen aus Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltung, privater Wirtschaft, Verbänden, Gerichtsbarkeit, Rechtsanwaltschaft, Wissenschaft und Studierende

Teilnahmebeitrag

Link für mehr Informationen http://www.uni-speyer.de/de/weiterbildung/weiterbildungsprogramm.php?seminarId=36

Text: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Presse

17.12.2015


Erfahrungen von direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung mit den „Erfindern der Volksabstimmung“ geteilt

Wissenschaftler und Politiker aus dem Schweizer Kanton Aargau und aus Rheinland-Pfalz kamen in Speyer zusammen

spk. Speyer-  Sie gelten seit langem als das Volk mit den ältesten und umfassendsten Erfahrungen auf dem Feld von direkter Demokratie und Bürgerbeteiligung im Herzen Europas – die Schweizer mit ihren zahlreichen Volksabstimmungen zu den unterschiedlichsten Fragestellungen. Kein Wunder, dass da auch ihre „Nachbarn“ von diesen Erfahrungen profitieren möchten: Gemeinsam mit der Republik Österreich, mit dem Fürstentum Liechtenstein sowie mit dem Land Baden-Württemberg wurden deshalb schon in der Vergangenheit insgesamt drei Demokratietagungen durchgeführt - im letzten Jahr trafen sich dann auch Wissenschaftler und Politiker aus dem grenznahen schweizérischen Kanton Aargau mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus Rheinland-Pfalz am „Zentrum für Demokratie Aarau“ ZDA in der schweizerischen Kantonshauptstadt.

Jetzt kamen die Schweizer zum Gegenbesuch in die Pfalz, wo sie in der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer in mehreren Diskussionsrunden unter der Gesprächsleitung des ZDF-Journalisten und Moderators Ralph Szepanski gemeinsam mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen Fragen der direkten Demokratie und der Bürgerbeteiligung erörterten. Bei dieser Folgetagung der im Jahre 2014 erstmals durchgeführten Demokratiekonferenz erörterten dabei renommierte Politiker und Wissenschaftler grenzüberschreitende Perspektiven und die prospektiven Auswirkungen aktueller Reformdiskussionen.

Namhafte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Verwaltung beider Regionen hatten sich deshalb zu dieser Konferenz in Speyer eingefunden,, so unter anderem die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, der Landammann (Ministerpräsident) des Kantons Aargau, Dr. Urs Hofmann, die Vizepräsidentin des rheinland-pfälzischen Landtags, Barbara Schleicher-Rothmund, der Grossratspräsident (entspricht in Deutschland dem Landtagspräsidenten) des Kantons Aargau, Dr. Markus Dieth sowie hochrangige Delegationen des rheinland-pfälzischen und des Aargauer Parlamentes. Unter den Teilnehmern der Konferenz sah man auch den seit zwei Jahren in Frankfurt(Main amtierenden Schweizer Generalkonsul Markus Meli sowie den Oberbürgermeister der gastgebenden Stadt Speyer, Hansjörg Eger

Wissenschaftlich begleitet wurde diese Tagung - wie schon ihre Vorläuferin aus dem Jahr 2014 - vom Forschungsinstitut der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ Speyer und dem „Zentrum für Demokratie Aarau“ ZDA .

In einem ersten Teil der Tagung erörterte diese zweite deutsch-schweizerische Demokratiekonferenz die Frage, ob Politik grundsätzlich zu komplex für Volksabstimmungen sei - in einem zweiten Teil standen dann die Herausforderungen hinsichtlich der Kommunikation und der Information im Vorfeld eines Volksentscheids im Vordergrund.

In seiner Eröffnungsrede wies Landammann Dr. Urs Hofmann darauf hin, dass die zunehmende Komplexität von politischen Themen ein wesentlicher Grund dafür sei, die Menschen möglichst frühzeitig in die Erörterung der Sachfragen mit einzubeziehen, um so zugleich die von der Politik erarbeiteten Lösungen zu legitimieren. „Eine erfolgreiche Politik entfaltet ihre Wirkung nur dann, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern verstanden, akzeptiert und mitgetragen wird.“ Das betonte dann auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer in ihrer Ansprache, in der sie die Bedeutung der Bürgerbeteiligung in einer funktionierenden Demokratie hervorhob. „Ich würde mir noch weitaus mehr direkte Demokratie in unserem politischen System wünschen“, unterstrich Dreyer mit Blick auf erste Volksentscheide und setzt darauf, dass sich in der Zukunft noch weitaus mehr Möglichkeiten zur direkten Bürgerbeteiligung eröffnen mögen.

In seinem Statement hob Grossratspräsident Dieth hervor, dass es für ihn als Parlamentarier „ein Privileg“ sei, dass in der Schweiz die Vorlagen der Politiker direkt vom Volk beurteilt werden könnten. „Ein positives Ergebnis einer Abstimmung ist dann für uns als Parlamentsmitglieder immer wieder eine Bestätigung und Legitimierung unserer Arbeit“, stellte er fest.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Landammann Dr. Urs Hofmann zogen zum Schluss dieser zweiten Konferenz eine positive Bilanz und sagten zu, die bisherige Zusammenarbeit in der bewährten Form weiterführen.

Auf Einladung von Ministerpräsidentin Dreyer fand dann am Abend der Tagung ein offizieller Empfang der Konferenzteilnehmer auf dem „Hambacher Schloss“ statt - ein Ort, vom dem aus man an diesem sonnigen Tag nicht nur einen weiten Blick über die Rheinebene genießen konnte, sondern wo die Gäste auch einiges über den Ort erfuhren, der seit dem „Hambacher Fest“, der großen Freiheitskundgebung des Jahres 1832 als „Wiege der deutschen Demokratie“ gilt.

Foto: gc

16.05.2015


„Farbe – Linien – Körper“

Beeindruckende Ausstellung mit Arbeiten der Mainzer Künstlerin Anne Schmitt in der Speyerer „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ eröffnet

cr. Speyer. Eine höchst bemerkenswerte Ausstellung mit Malereien und Keramikskulpturen der Mainzer Künstlerin Anne Schmitt ist jetzt und noch bis zum 29. Mai 2015 im Foyer sowie im Atrium der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer zu sehen. „Farben – Linien – Körper“ hat Anne Schmitt diese Schau überschrieben, mit der die selbstbewußte und außergewöhnlich begabte Autodidaktin nach zahlreichen Präsentationen in ihrer näheren rheinhessischen Heimat nun auch den Schritt in die weiteren Umgebung getan hat.

Anne Schmitt hat erst vergleichsweise spät zur Bildenden Kunst gefunden und Malerei und Kunstgeschichte an der „Kunstwerkstatt Mainz“ bei Jörg Baltes, Prof. Guido Ludes und Alfonson Mannella - Plastisches Gestalten bei Christine Hach und Prof. Eberhard Linke studiert. Figürliche Darstellungen - einander zugeneigte Paare zumeist – bestimmen mit ihrer bruchlos-fließenden Formensprache die einst von dem Stararchitekten Sepp Ruf gestalteten, vielfach preisgekrönt, begrünten Innenhöfe des inzwischen gut 50jährigen Universitätsgebäudes und verleihen ihm insbesondere bei Nacht durch gelungen-dezente Beleuchtung ein geradezu märchenhaftes Flair, insbesondere wenn sich dann auch noch, wie in den letzten Tagen, immer wieder Schnee zart über die Figuren schmiegt.

Auf beiden Seiten des Foyers der Universität hat Schmitt, dramaturgisch geschickt, in dichter Abfolge gut fünfzig schwarz-weiße sowie farbige Bilder auf Papier und Leinwand gehängt, Ausfluss mehrerer Malreisen, die sie nach Spanien und immer wieder in die Toscana und an ihren erkennbaren „Sehnsuchtsort“, nach Venedig, führten. Ohne Vorzeichnungen hat sie dort die gewonnenen Eindrücke in sich aufgesogen und sie vor Ort oder später im heimischen Atelier vollendet.

Anne Schmitts Lehrer und Inspirator, Jörg Baltes, der es übernommen hatte, in die Schau einzuführen, kennzeichnete die Künstlerin als außergewöhnlich willensstark, was sich auch unmittelbar in ihren Arbeiten ausdrücke. „Anne zählt zu den Schülerinnen, von denen auch ein Lehrer noch etwas lernen und profitieren kann“, bescheinigte Baltes seiner Kollegin.

Und deren ganz besonderen künstlerischen Qualitäten hob dann auch die Gleichstellungsbeauftragte der Speyerer Universität, Dipl.-Ing.Wera Veith-Joncic, hervor, die schon vor längerer Zeit auf das Schaffen der Künstlerin aus dem Mainzer Ortsteil Zornheim aufmerksam geworden war und die sie letztlich auch nach Speyer eingeladen hatte.

Ihr konnte deshalb zu Beginn der Eröffnungsveranstaltung auch der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, für ihre Initiative danken und zugleich auch die zahlreich erschienenen Gäste begrüßen – Mitglieder des Lehrkörpers und Hörer der Hochschule sowie kunstbegeisterte Speyerer und Freunde der Künstlerin aus Mainz. Prof. Dr. Wieland gab seiner Freude darüber Ausdruck, dass es so inzwischen schon mit einer ganzen Reihe von Ausstellungen gelungen sei, Künstlerinnen und Künstler aus der Region in die Universität einzuladen, deren künstlerischer Rang damit durch die immer internationaler werdenden Hörerinnen und Hörer hinaus in alle Welt getragen werden könne.

Kongenial umrahmte die Geigerin Ceren Yazar die Veranstaltung mit berührenden Klängen. Foto: gc

02.02.2015


Unbeugsamer Vorkämpfer für 'saubere' Demokratie und gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität

Prof. Dr. Hans See mit Umweltpreis „Goldener Baum“ der „Stiftung für Ökologie und Demokratie“ ausgezeichnet

Von Gerhard Cantzler

Speyer- Er gilt als unbeugsamer Vorkämpfer für eine 'saubere' Demokratie und gegen Bestechung, Korruption und Wirtschaftskriminalität auf allen Ebenen unserer Gesellschaft – der Frankfurter Politikwissenschaftler und Schüler des über viele Jahrzehnte in Marburg lehrenden bedeutenden Politolgen und Rechtswissenschaftlers Prof. Dr. Wolfgang Abendroth, der wie kaum ein zweiter eine ganze Generation progressiver Sozialwissenschaftler in Deutschland geprägt hat: Prof. Dr. Hans See (80), der jetzt in der Aula der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer aus der Hand des Vorsitzenden der „Stiftung Ökologie und Demokratie e.V.“, Hans-Joachim Ritter, den Umweltpreis „Goldenen Baum“ 2015, die höchste Auszeichnung der Stiftung, entgegennehmen konnte.

In seiner Begrüßung dankte Ritter gleich vorweg dem Rektor der Speyerer Universität, Prof. Dr. Joachim Wiegand dafür, dass die Stiftung nun schon zum wiederholten Male die Räume der Hochschule für ihre Veranstaltungen nutzen könne. Zugleich konnte er neben dem Rektor unter den Gästen dieses Abends auch das Mitglied des Kuratoriums der Stiftung und Träger des „Goldenen Baumes“ 2011, Prof. Dr. Hans Hermann von Arnim, den Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger und die Kreisbeigeordnete des Landkreises Germersheim, Jutta Wegman, willkommen heißen.

In einem Grußwort kennzeichnete Universitätsrektor Prof. Dr. Wieland die selbstgestellten Aufgaben der „Stiftung Ökologie und Demokratie“ als in hohem Maße als in Übereinstimmung mit Forschungsansätzen an der Speyerer Hochschule befindlich. Dabei verwies er beispielhaft auf die alljährlich stattfindenden „Speyerer Demokratie-Tagungen“ unter der wissenschaftlichen Leitung des profilierten Parteienkritikers Prof. Dr. von Arnim, die immer wieder weit über die Hochschule hinaus Anstoß zu öffentlichen Diskussionen gäben. Die Stiftung könne deshalb auch für die Zukunft mit der Unterstützung durch die Hochschule rechnen.

Theresia Riedmaier, Landrätin des Landkreises Südliche Weinstraße und noch bis zu ihrem Ausscheiden aus diesem Ehrenamt am 23. Januar als „Ökologia“ zugleich Symbolfigur der „Stiftung Ökologie und Demokratie“, lobte Prof. Dr. See für sein unermüdlich geführtes offenes Wort, wenn es darum gehe, sich gegen Korruption und Vetternwirtschaft einzusetzen. Mit Blick auf die schrecklichen Ereignisse von Paris in den letzten Tagen gab sie ihrer Hoffnung Ausdruck, „dass die Macht des freien Wortes auch in der Zukunft stärker sein möge als Fanatismus und Terrorismus“.

In seiner Laudatio verwies Hans-Joachim Ritter auf die von Prof. Dr. See bereits im Jahr 1991 gegründete Bürger- und Menschenrechts- Organisation „Business Crime Control“ (BCC), mit der er bis heute die zunehmenden sozialen und ökologischen Fehlentwicklungen in den Gesellschaften der Welt kritisiere. Dabei sei inzwischen der Kampf des Wissenschaftlers gegen Wirtschaftskriminalität in den Fokus seiner Bemühungen gerückt. Unter Bezug auf die in der Katholischen Sozialethik aufgeführten „sieben Todsünden“ betonte Ritter, dass diese Todsünden – vielleicht mit Ausnahme der „Trägheit“ - von der kapitalistischen Wirtschaftsordnung längst zu den Tugenden umgedeutet worden seien, die als Triebfeder die Akkumulation von Kapital für die Finanzierung der industrialisierung erst möglich machen würden. Dabei würden Begriffe wie „Schnäppchenjäger“ oder Parolen wie „Geiz ist geil“ zeigen, dass eine derartige Gesinnung inzwischen nicht allein die politischen und wirtschaftlichen Eliten, sondern die gesamte Gesellschaft durchdrungen habe.

„Jeder Gesetzesbruch der Konzernwirtschaft untergräbt zugleich auch unsere innere und äußere Sicherheit und verhindert damit eine längst notwendige und auch mögliche sozialökologisch ausgerichtete Wirtschaftsdemokratie“, betonte Ritter und führte beispielhaft die rücksichtslose Durchsetzung des Baus neuer Fußballstadien im Vorfeld der Weltmeisterschaft 2014 in dem Schwellenland Brasilien und das Staudammprojekt „Belo-Monte“ im brasilianischen Amazonasgebiet an.

Auch nach seiner Emeritierung sei Prof. Dr. See „ein authentischer und mutiger Kämpfer gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität“ geblieben, der sich dieses Thema zur Lebensaufgabe gemacht habe, so der Stiftungs-Vorsitzende. Da sein Kampf aber zugleich auch eine wichtige präventive und pädagogische Wirkung im Sinne der Ziele der „Stiftung Ökologie und Demokratie“ entfalte, sei er in herausragender Weise als Träger des Umweltpreises „Goldener Baum“ geeignet.

Lesen Sie die Laudatio für Prof. Dr. See im Wortlaut im SPEYER-KURIER.

Nach der Entgegennahme der mit dem Umweltpreis verbundenen Insignien von Hans-Joachim Ritter und der scheidenden „Ökologia“ Theresia Riedmaier ging der Laureat, Prof. Dr. See, auch selbst kursorisch auf Entwicklungen in der Wirtschaft ein, die er als in hohem Maße bedenklich bezeichnete. Dabei verzichtete er darauf, seinen für diesen Abend vorbereiteten Vortrag zu halten und griff statt dessen auf die reichen historischen und aktuellen Erfahrungen seines langen Lebens zurück.

Dazu zählte er an diesem Abend z.B. die Übernahme der Verfügungsgewalt großer internationaler Konzerne über Nahrungsmittel, Wasser und inzwischen sogar über saubere Luft, aus der insbesondere für Bewohner ärmerer Regionen der Welt unverantwortliche Abhängigkeiten erwachsen würden. „Dabei erleben wir auch immer wieder, wie versucht wird, an der Gesellschaft vorbei, die geltende Wirtschaftsordnung auszuhebeln“, beklagte Prof. Dr. See. „So geht der Mittelstand langsam aber sicher vor die Hunde“. Die Politik konzentriere sich derweil darauf, die Infrastruktur für Großunternehmen zu optimieren.

Dies zeige sich u.a. auch in der Forschung, die nach Aussage von Prof. Dr. See nur noch dort mit öffentlichen Mitteln unterstützt werde, wo sie den Interessen der großen Konzerne diene. „Eine unabhängige, interessensfreie Forschung ist deshalb kaum noch möglich“, kritisierte er. Da die Interationalisierung der Wirtschaft zudem zu einer völlig neuen Betrachtung der Märkte geführt habe, würden heute die großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen der Welt weitaus mehr Forschungsarbeit in Sachen „Wirtschaftskriminalität und Korruption“ leisten als die Hochschulen – nicht jedoch, weil sie damit einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, sondern weil sie sich dadurch bei den Konzernen ein besseres „standing“ verschaffen wollten.

„Man sieht es Geld halt nicht an, dass es auf kriminellem Wege erworben worden ist“, stellte Prof. Dr. See schließlich sarkastisch fest und beklagte, es gebe nichts, was sich Konzerne nicht einfallen lassen würden, um ihre Interessen durchzusetzen und ihre Geschäfte zu machen. Als „unrühmliches Beispiel“ dafür führte er die Deutsche Bank an, die inzwischen immer betroffen sei, wenn irgendwo in der Welt Kartellstrafen verhängt werden müssten - zuletzt 700 Millionen Euro wegen Verstoßes gegen geltende Gesetze in den USA und letztlich bezahlt aus Geldern ihrer Kunden und ihrer Aktionäre.

„Wirtschaftskriminalität findet auch im Umweltbereich statt“, unterstrich Prof. Dr. See zum Abschluss seines mit viel Beifall bedachten Referates.und verwies dazu auf Skandale wie die „Affäre Blaumann“, die oft noch über Jahrzehnte im Bewußtsein der Öffentlichkeit verankert gewesen sei oder die „Politkrimis“ um „Nukem“ und „Alkem“ in Hessen, an deren Aufdeckung er in seiner Zeit als Mitarbeiter der zuständigen Kreisverwaltung in Hanau er noch selbst beteiligt gewesen war. „Die Schöpfung stirbt langsam“, zitierte er abschließend den kürzlich verstorbenen Schriftsteller Siegfried Lenz, „sie braucht deshalb nicht im atomaren Blitz unterzugehen – sie stirbt auch an ihrer Verachtung durch den Menschen“. Foto: gc

Lesen Sie deshalb „den nicht gehaltenen Festvortrag“ von Prof. Dr. Hans See im Wortlaut im SPEYER-KURIER.  

01.02.2015


Laudatio des Vorsitzenden der Stiftung für Ökologie und Demokratie e.V., Hans-Joachim Ritter

Verleihung des „Goldenen Baumes“ an Prof. Dr. Hans See am 20. Januar 2015 an der Uni Speyer

Die Habsucht gehört zu den 7 Todsünden den Menschheit und hat viele Gesichter: Ausprägungen solch krankhafter Verhaltensweisen sind Bestechung, Korruption und insbesondere die Wirtschaftskriminalität.

Unser heutiger Preisträger, Herr Prof. Dr. Hans See, hat sich in seiner wissenschaft-lichen Arbeit, aber auch als Buchautor und Gründer der Bürger-  und Menschen-rechtsorganisation Business Crime Control (BCC)  diesen Themen mit besonderem Engagement gewidmet, da er darin eine wesentliche Ursache für soziale und ökolo-gische Fehlentwicklungen sieht. Der Kampf insbesondere gegen Wirtschaftskrimi-nalität ist zu seinem Lebensinhalt geworden, für den wir ihn heute mit unserem Um-weltpreis “Goldener Baum“ ehren werden.   

Diesen Preis vergeben wir seit dem Jahre 1999 an Persönlichkeiten, die sich in ganz besonderer Weise für die Themen Ökologie und Demokratie engagiert haben. Die Korruptionsbekämpfung, also die Bemühungen um eine saubere Demokratie, fällt unzweifelhaft unter den Themenbereich Demokratie.

Wir erregen uns auf über raffgierige Politiker und die „Abzocker“ in der Wirtschaft. Aber Habgier und Geiz sind kein Privileg der Mächtigen. Wir scheinen geradezu ein Volk von Schnäppchenjäger geworden zu sein, die eine seltsame Mischung von Geiz und Habgier praktizieren – möglichst viel haben wollen und möglichst wenig dafür bezahlen: Das Wort vom „Preis-Leistungs-Verhältnis“ taucht in fast allen Unterhal-tungen über Restaurant- oder Veranstaltungsbesuche bzw. Urlaubsreisen spätestens im zweiten Satz auf.  

Die Neubewertung der Laster zu nützlichen Eigenschaften oder gar Tugenden finden wir zuerst in der Renaissance, sie schritt in der Moderne weiter fort und ist bis heute nicht abgeschlossen. Der Staatsphilosoph Niccolo Macchiavelli (1469 - 1527) schrieb: „Wenn man alles genau betrachtet, wird man finden, daß manches, was als Laster gilt, Sicherheit und Wohlstand bringt.“ Und der Kulturhistoriker Lewis Mumford (1895 – 1990) konstatierte im Rückblick auf das 19. und 20. Jahrhundert, daß bis auf Trägheit alle Todsünden spätestens in der industriellen Revolution zu Tugenden umgeformt waren. Mehr noch: Sie seien inzwischen die treibenden Kräfte der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. So wurde die Habgier als die Triebfeder der Akkumulation von Kapital, das eine Industrialisierung erst finanzieren kann. Und der Neid ist ein starkes Motiv zunächst der Arbeitergesellschaft, später auch des Kon-sumkapitalismus. Dies zeigt auf, wie sich durch die industrielle Revolution, durch marktwirtschaftliches Denken und durch geringer werdendem religiösem Einfluß auch die  Werte und Einstellungen verändert haben.  Dennoch: auch wenn wir alle ein Stück  weit zu Schnäppchenjägern geworden sind, gibt es verschiedene Stufen der Habgier, anfangs auch bei Seilschaften und Filz evtl. noch ohne strafrechtliche Relevanz. Auch Firmensponsoring oder Parteienspenden sind noch legale Mög-lichkeiten abhängig machender Formen zur Einflußgewinnung bis zur Marktbe-herrschung bestimmter Unternehmen. Dies ist bereits problematisch. Aber mit Be-stechung, Vorteilsannahme, Korruption und schließlich Wirtschaftskriminalität wird die Schwelle der  gesetzlichen Verbotslinie überschritten.

Heute wollen wir das Lebenswerk von Hans See als Kämpfer für saubere Demokratie und gegen Wirtschaftskriminalität und Korruption würdigen.

Wer ist Hans See?

Geboren am 26.Juli 1934 in Frankfurt am Main, also inzwischen bereits 80 Jahre alt,  erlernte nach Besuch der Volksschule in den Jahren 1949 – 1953 den Beruf des Werkzeugmachers und war bis 1961 in diesem tätig. Während dieser Zeit erwarb er den Realschulabschluß an einer Abendschule. Von 1961 – 1963 besuchte er das Hessenkolleg als Stipendiat der Walter-Kolb-Stiftung und erlangte dort  1963 die allgemeine Hochschulreife.

Er begann danach ein Studium der Germanistik, Politikwissenschaft, Soziologie und Philosophie an der Uni Frankfurt a.M. mit dem ursprünglichen Lehrziel Lehramt. 1967 wechselte er als Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes zur Universität Marburg. Dies war mit Setzung neuer Studienschwerpunkten verbunden. Als Hauptfach studierte er Politikwissenschaften bei Wolfgang Abendroth und promovierte über das Thema „Die Integrationsparteien der antagonistischen Gesellschaft“.

Von 1971 – 1976 war er Sozialplaner und Politikberater beim Landkreis Hanau, dem  späteren Main-Kinzig-Kreis beschäftigt. Danach hatte er zwei Vertretungsprofessuren an der Philipps-Universität Marburg.   

Seit 2000 hat er Lehraufträge beim Bundeskriminalamt, der Führungsakademie der Polizei in Münster/Westfalen, der Polizeifachschule Wiesbaden, der IBZ Gimborn, in der Erwachsenenbildung bei der verschiedenen Bildungsträgern.

Von 1979 bis 1999 war er Professor für Politikwissenschaft, Sozialpolitik und Wirt-schaftskriminologie an der Fachhochschule Frankfurt a.M. im Fachbereich Sozial-arbeit mit den 3 Schwerpunkten Demokratie und Faschismus, Migration und Frem-denfeindlichkeit sowie Wirtschaftsverbrechen und Sozialordnung. Seit 2000 ist er dort Lehrbeauftragter zum Thema Sozialschädlichkeit von Wirtschaftsverbrechen.

Auf seine Initiative wurde im Jahre 1991 die internationale Menschenrechts- und Aufklärungsorganisation Business Crime Control (BCC) zur Bekämpfung von Wirt-schaftskriminalität, organisierter Kriminalität und Korruption gegründet. Er war von  Anfang an mit kurzer Unterbrechung bis 2011 Vorsitzender. Seit November 1998 gehört er auch dem Kuratorium unserer Stiftung an.

See schrieb Bücher (wie „Kapital-Verbrechen. Die Verwirtschaftung der Moral“, 1990, „Kapital-Verbrechen“ als Taschenbuch, 1992, „Wirtschaftsverbrechen – der innere Feind der freien Marktwirtschaft“, 1992, „Wirtschaftskriminalität – kriminelle Wirt-schaft“, zusammen mit Eckart Spoo im Jahre 1997 und im vergangenen Jahr:   „Wirtschaft zwischen Demokratie und Verbrechen“  sowie Aufsätze über sozial-schädliche und demokratiefeindliche Wirtschaftsverbrechen, aber auch über parteienstaatliche und innerparteiliche Demokratie, Gesundheitswesen, Kranken-hausreform, Selbstverwaltung und Kommunalpolitik.

Bei einer Tagung, die wir im Jahre 1998 in der Frankenakademie Schloß Schney in über das Thema „Korruption – Filz- Seilschaften“ veranstaltet haben, beklagte Prof. Dr. See, daß zwar viel über Korruption geredet werde, jedoch die ökonomischen, politischen und ökologischen Schäden von Wirtschaftskriminalität unterschätzt würden und viel zu wenig darüber beispielsweise in Bildungseinrichtungen aufgeklärt werde.  Unberechenbar seien die Schäden der Umweltkriminalität, die als Unterfall

der Wirtschaftskriminalität gelten, aber von der Schadensgröße her eher der Haupt-fall sein dürfte. Wie lasse sich der Schaden berechnen, der durch die ständig wachsenden Ozonlöcher entsteht? U.a. führte Prof. See aus, dass es auch schon im 19. Jahrhundert Gewerbeaufsichtsämter und die Möglichkeit gegeben habe, Unter-nehmer zu bestrafen, die sich krimineller Praktiken bedienten. Doch die meisten sozialschädlichen Praktiken, auch sehr extreme Formen, waren nicht kriminalisiert. Dazu mußte erst einmal die Einsicht vieler Politiker, Unternehmer und Juristen kommen, daß Wirtschaftsverbrechen auch eine enorme Gefahr für die von ihnen oft völlig unkritisch verteidigte freie Wirtschaft bedeuten. Diese Einsicht entwickelte sich in den USA schon Anfang der 40er Jahre des letzten Jahrhunderts als Edwin Sutherland mit seinen ersten Untersuchungen zur Weiße-Kragen-Kriminalität an die Öffentlichkeit trat.

Hans See ist einer, der unermüdlich vor Wirtschaftskriminalität durch Vorträge, Veröffentlichungen und durch seine Organisation BCC gewarnt hat. Seine erste Forderung gipfelt nicht in der Verschärfung von Strafgesetzen, sondern in der Demokratisierung der Wirtschaft, aber auch in der personellen Verstärkung der Staatsanwaltschaften, insbes. Wirtschaftsstrafabteilungen.

In seinem letzten Buch „Wirtschaft zwischen Demokratie und Verbrechen“ scheut er vor nichts zurück, wenn er u.a. schreibt: „Wie Verantwortliche der Wirtschaft, auch wenn sie sich – und wir sie – als Demokraten und ehrliche Unternehmer bzw. Manager sehen, bedenkenlos demokratische Institutionen und Rechte in Frage stellen, wenn diese die unternehmerische Betätigungsfreiheit im Interesse des Gemeinwohls und der sozialen Gerechtigkeit einzuschränken versuchen. Sie mißbrauchen ihre Macht und veranlassen schwere und schwerste Wirtschafts-verbrechen, bestechen und erpressen demokratisch gewählte Regierungen und Abgeordnete, kaufen Wissenschaftler, Parteien, Publizisten, Sportler und Künstler, um ihre Verbrechen zu kaschieren, zu legitimieren.  Und wo dies nicht gelingt, schrecken sie vor keiner Gesetzesumgehung, keinem Gesetzesbruch, keiner Bürger- und Menschenrechtsverletzung zurück.“ Sicherlich gibt es davon auch positive Ausnahmen.

Doch jeder Gesetzesbruch der Konzernwirtschaft untergräbt die innere und äußere Sicherheit und verhindert die Entwicklung einer längst notwendigen und möglichen sozialökologisch ausgerichteten Wirtschaftsdemokratie.

Seit seiner Gründung hat sich BCC in seinen jährlichen Tagungen immer wieder besonderen Schwerpunktthemen gewidmet. Aus aktuellem Anlaß war dies im vergangenen Jahr die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien mit Stadionbauten, forciert durch eine korrupte Baumafia und das Staudamm-Projekt Belo-Monte am Fluß Xingu im brasilianischen Amazonasgebiet, für das 40.000 Menschen umgesiedelt werden. Der Filmemacher Martin Keßler hat darüber auch mit unserer Unterstützung den Film  „Count-Down am Xingu“ gedreht.

Auch wenn unser Preisträger den BCC-Vorsitz seit 4 Jahren nicht mehr inne hat, ist er nach wie vor dort bei allen Aktivitäten beteiligt und engagiert. 

Den „Goldenen Baum“ verleihen wir an Herrn Professor Dr. See aus folgenden 3 Gründen:

  1. Er ist ein authentischer und mutiger Kämpfer gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität
  2. Dieses Thema ist zu seiner Lebensaufgabe geworden.
  3. Der Kampf von Prof. See gegen Korruption und Wirtschaftskriminalität, der  ganz eng mit seiner Person verbunden ist, hat eine präventive und pädagogische Wirkung im  Sinne der Ziele unserer Stiftung.

Deshalb zeichnen wir Sie nun in Würdigung Ihrer Verdienste aus mit dem Umweltpreis „Goldener Baum“.

Es gilt das gesprochene Wort!

01.02.2015


„Nicht gehaltener Festvortrag“ von Prof. Dr. Hans See

Statt freier Wettbewerb Gesetzesbruch und Korruption? 

Sind Sozialstaat und ökologisches Gleichgewicht noch zu retten?

Meine Damen und Herrn,

ich bedanke mich sehr herzlich für die Ehrung. Besonders danke ich Hans-Joachim Ritter, dem Gründer und Vorsitzenden der „Stiftung Ökologie und Demokratie“, dessen christliche Weltsicht und dessen konservativer politischer Standort ihn nicht davon abhielten, mir, der ich bekennender demokratischer Sozialist bin, also einem anderen politischen Lager angehöre, diesen Preis zu verleihen. Was ich an Herrn Ritter sehr schätze, ist, dass für ihn – wenn es um die Sache der Ökologie und Demokratie geht – die weltanschauliche Differenz offensichtlich keine Rolle spielt. Ich glaube, ich bin mit ihm darin einig: Wenn Umwelt und Demokratie bedroht sind, ist Nichts mehr gefragt als Solidarität und Synergie. Mein Dank gilt daher auch allen, die dem Vorschlag von Herrn Ritter zugestimmt haben, mir den Preis der Stiftung „Ökonomie und Demokratie“, den „Goldenen Baum“, zu verleihen.

Sehr dankbar bin ich auch dem Rektor dieser Universität, Prof. Dr. Wieland. Er ermöglichte es, dass mir der Preis in der Aula dieser angesehenen Hochschule im Rahmen dieser Veranstaltung verliehen wird. Damit wird mir die seltene Chance geboten, unter dem Dach einer angesehenen deutschen Universität über jenen aus meiner Sicht gesellschaftspolitisch höchst problematischen und deshalb wichtigen Themenkomplex zu sprechen, der in Forschung und Lehre fast aller Universitäten und Fachhochschulen noch immer als „Stiefkind“ behandelt wird. Oder, um es mit Laureen Sniders Worten, einer Soziologieprofessorin, die in Kingston (Kanada) lehrte, zu sagen: Das Forschungsfeld Unternehmenskriminalität ist eine Art „akademisches Sibirien”.[1]

Auch Ihnen, Frau Landrätin Riedmaier, danke ich für Ihre freundlichen Grußworte, besonders für die einfühlsame Herstellung eines hoch aktuellen Bezugs zu meinen Schwerpunktthemen. Denn Sozialpolitik, Migration, Demokratie und Wirtschaftsverbrechen bilden einen – wenn auch schwer zu analysierenden und noch schwerer allgemeinverständlich darzustellenden – Wirkungszusammenhang. Wer diesen erkennt und anerkennt, weiß, dass nicht nur der Nationalsozialismus, der bekanntlich kein Sozialismus war, sondern ein mörderischer Antisozialismus, durch den Machtmissbrauch von Konzernen die Staatsgewalt erobern und erst die noch junge deutsche Demokratie und dann fast ganz Europa zerstören konnte.

Nach 1945 schienen sich alle Parteien in einem Punkt völlig einig zu sein. Sie wollten eine Ordnung schaffen, in der Krieg und Faschismus nie wieder eine Chance bekommen sollten. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten vor allem die Konzerne zerschlagen und die Macht der Konzernchef durch paritätische Mitbestimmung, die die britische Besatzungsmacht in der Montanindustrie einführte, unter demokratische Kontrolle gebracht werden. In ihrem Ahlener Programm vom Februar 1947 hat die CDU dieser politischen Denkweise Rechnung getragen und sie in die Worte gefasst: „Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und den sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden.“

Und sie folgerte zog den Schluß: „Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen.“ Aber der zu diesem Zeitpunkt schon ausbrechende Kalte Krieg verhinderte, dass „eine Neuordnung von Grund aus“ geschaffen werden konnte. Der Ost-West-Konflikt, bekanntlich ein Konflikt zwischen Kapitalismus und Kommunismus, der Konkurrenzkampf zweier Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme, machte es im Westen nahezu unmöglich, den Kapitalismus zu kritisieren, im Osten unmöglich, den Kapitalismus gut zu finden.

Es ging damals nicht um Religionsfreiheit und Religionskritik, es ging um Wirtschaftsfreiheit bzw. Eigentumsfreiheit und Wirtschaftskritik. Wer die Wirtschaftsmacht unter demokratische Kontrolle bringen wollte, sei es durch Mitbestimmungsrechte oder Sozialisierung, geriet,   obgleich die meisten Länderverfassungen Sozialisierungsartikel enthielten, sofort unter Kommunismusverdacht. Kapitalismus wurde zum Synonym für Freiheit. Selbst die Passage im Grundgesetz, die den Staat als sozialen und demokratischen Rechtsstaat definiert, wurde angefochten, weil die Sozialstaatsklausel angeblich nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar war. Wer also vom Sozialstaat sprach, war schon verdächtig. Deshalb – und weil die sozialliberale Wirtschaftspolitik der 50er Jahre so erfolgreich war, man denke nur an das „Wirtschaftswunder“, hat sich die weniger verdächtige Formel von der „sozialen Marktwirtschaft“ durchgesetzt.

Die Frage ist, ob die soziale Marktwirtschaft, ich verwende lieber den Begriff „Sozialstaat“, angesichts der realen Entwicklungen noch zu retten ist sind, wenn wesentliche Mechanismen dieses Modells, wie die Regulative der Marktkonkurrenz und die Möglichkeiten der Durchsetzung von Recht und Gesetz gegenüber den Konzernen, wenn der Primat der demokratischen Politik gegenüber der Konzernmacht außer Kraft gesetzt sind, und dies weltweit mit Hilfe der Regierungsparteien der Nachkriegszeit. Der Kalte Krieg ist nicht Ursache der Konzentration von Wirtschaftsmacht, hat diese aber verstärkt und enorm beschleunigt. Das große Kapital wurde monopolitisch und monopolisierte zugleich den Freiheitsbegriff. Auch Demokratie wurde kurzerhand gleichgesetzt mit Kapitalismus. Wer gegen den Kapitalismus war, war gegen die Demokratie.

Dass es verschiedene historische Formen von Demokratie gab, interessierte die Kalten Krieger des freien Westens nicht. Es gab für sie keine antike Sklavenhalterdemokratie und keine sozialistische Demokratie, sondern nur die kapitalistische. Die freilich nicht so genannt wurde. Nach wie vor wird sie als westliche bezeichnet, auch wenn sie längst im fernen Osten Fuß gefasst hat. Oder als bürgerliche, repräsentative, freiheitliche, parlamentarische. Das Kennzeichen kapitalistischer Demokratien war von ihrer Geburt an, dass sie dazu gedacht war, die Bürger (später auch die Bürgerinnen) und ihr Eigentum vor staatlichen Übergriffen sowie äußeren und inneren Feinden zu schützen. Demokratie als Kontrollsystem staatlicher Willkür. Dazu hätte das liberale Prinzip der Rechtsstaatlichkeit genügt, aber ihr fehlte die soziale Komponente, weshalb es zu extremen sozialen Verwerfungen und einer starken, sich weltweit verbreitenden antikapitalistischen Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung kam.

Diese großen sozialen Bewegungen waren es, die den Liberalen und Konservativen im Verlauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts die Demokratisierung des Wahlrechts und die staatliche Anerkennung ihrer Parteilichkeit, ihrer formalen Gleichberechtigung, abnötigten, aber in vielen Ländern – bis heute –, wenn es denn sein muss, auch mit polizeilicher und militärischer Gewalt, mit Diktaturen zum Schutz des Kapitals, auf den Kurs der kapitalistischen Demokratie gebracht und gehalten werden. Das hieß und heißt, dass von den etablierten westlichen Demokratien immer wieder faschistische und militaristische Diktaturen unterstützt und gerechtfertigt wurden, auch heute noch werden, und dies als legitim erscheint, weil diese rechten Diktaturen die demokratischen Freiheiten ja nur unterdrücken, um zu verhindern, dass Kommunisten oder Sozialisten freie Wahlen gewinnen und Gesetze machen, die die Freiheit zumindest jenes Konzerneigentums beschränken, dass offensichtlich nicht – wie es die deutsche Verfassung fordert – dem Gemeinwohl dient, sondern es gefährdet. Die Frage ist, ob eine kapitalistische Demokratie die Macht des Kapitals auf das Gemeinwohl verpflichten kann. Denn das Kapital anerkennt nur Demokratien, die notfalls Diktaturen errichten, wenn es anders nicht möglich erscheint, die Chefetagen der Konzerne vor demokratischen Übergriffen - zum Beispiel vor einer wirksamen Mitbestimmung - zu schützen.

Als in der Bundesrepublik des noch geteilten Deutschland die Sozialdemokratie unter Willy Brandt auf die ersten stärkeren Krisenerscheinungen und den wieder aufkommenden organisierten Faschismus ab Mitte der 1960er Jahre mit der Forderung nach Ausweitung der paritätischen Mitbestimmung auf die Konzerne insgesamt begegnete, war im Industriekurier (vom 7.10.1965) zu lesen: „Die Demokratisierung der Wirtschaft ist so unsinnig wie eine Demokratisierung der Schulen, der Kasernen und der Zuchthäuser.“ Das war eine klare Kampfansage an diejenigen, die noch immer glaubten, die Konzerne unter demokratische Kontrolle bringen zu können. Aber die Demokratie- und Friedensbewegung der zweiten Hälfte der 60er Jahre ermöglichte es, nicht nur eine neue Ostpolitik, sondern auch innere Reformen durchzusetzen, die dem ersten größeren Marktversagen nach Gründung der Bundesrepublik und den sozialen Unruhen (vor allem der linken Studentenbewegung, aber auch dem wieder erstarkenden Neofaschismus) mit einer Reform des Mitbestimmungsrechts (wenn auch nur mit einer Scheinparität) entgegenzuwirken.

Da es absehbar war, dass diese Form der Mitbestimmung (die auf ein Co-Management hinauslief) in der Praxis nicht geeignet sein würde, die zunehmende Zahl von Wirtschaftsdelikten schon im Vorfeld, in den Aufsichtsräten, zu verhindern, wurde gleichzeitig auch das Wirtschaftsstrafrecht verbessert. Es wurde – im Einvernehmen mit der FDP als Koalitionspartner des SPD - der Tatsache Rechnung getragen, dass sich die Konzernbildung unaufhaltsam fortsetzen und ihre Marktmacht das Korrektiv des wirtschaftlichen Wettbewerbs jederzeit außer Kraft setzen konnte. Es lag im Interesse der Regierenden westlicher Demokratien, die Konzernmacht nach außen zu stärken, was die Vorwürfe von links stützte, das sei Imperialismus. Da dieser Imperialismus aber auch nach innen wirkte, die Regierungen gegenüber den Konzernen schwächte, wurde 1976 nicht nur die Mitbestimmung erweitert, sondern auch ein über die bis dahin geltenden Regeln hinausgehendes Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität geschaffen.

Dies war auch kein großen Problem, weil ja die Nationalstaaten mit dem Ausbau der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zu dem, was sie inzwischen ist, einer Wirtschafts-Union, zunehmend an Einfluss auf die Weltkonzerne und damit an politischer Bedeutung verloren. Mit der Erweiterung der Mitbestimmung und dem Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität durch die Sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt als Kanzler wurden zwei richtige Weichenstellungen vorgenommen, aber - wie sich sehr bald zeigen sollte – ohne nennenswerte Konsequenzen. Die Mitbestimmung diente nicht der Kontrolle der Konzernmacht, sondern der als „Sozialpartnerschaft“ beschönigten Einbindung der Gewerkschaften in die Konzernpolitik. Die Skandale bei VW und Siemens, auch die bei den Gewerkschaften selbst, konnten in den Aufsichtsgremien nicht verhindert werden. Und auch die Wirtschaftsstrafgesetze erwiesen sich als unzulänglich, hatten allenfalls die Funktion, Rechtsstaatlichkeit vorzutäuschen. Von einer demokratischen Kontrolle der Konzernmacht kann heute konnte keine Rede mehr sein, eher von einer Kontrolle des Staates durch die Konzerne.

Das Nachkriegs-Ideal der sozialen Marktwirtschaft mit wachsendem Wohlstand für alle und verantwortungsbewusstem Umgang mit Wirtschaftsmacht, geriet vollständig in die Defensive, nachdem der Kalte Krieg beendet war. Die Wiedervereinigungskriminalität, die seitdem mit dem Namen „Treuhand“ verbunden ist, die damit angestoßene Privatisierungspolitik, die auch auf die westliche Wirtschaft ausgedehnt wurde und sich als erfolgreicher Schleichweg aus der Mitbestimmung und aus staatlichen und sozialpolitischen Einflüssen erwies, ermöglichten es, den systematischen Gesetzesbruch, Steuerbetrug, Subventionsschwindel, Ausschreibungsbetrug, Umweltverbrechen, Zinsmanipulationen, betrügerischem Emissionshandel zum heimlichen Geschäftsmodell zu machen. Preisabsprachen und Marktmanipulationen sicherten gigantische Extragewinne, die auch mit den in den vergangenen zwei Jahren enorm angewachsenen Kartellstrafen (von denen die „seriöse“ Deutsche Bank mit am stärksten betroffen ist) nicht abgeschöpft werden konnten, weil es sich um symbolische Strafen handelt, die diese Konzerne aus der Portokasse zahlen.

Wer verfolgt, welche sozialen und ökologischen Auswirkungen allein der legalisierte Teil dieser Wirtschaftspraktiken auf die Weltlage, die Weltprobleme hat, versteht oft gar nicht, weshalb ich sage, dass es wichtig ist, die Wirtschaftskriminalität erfolgreich, und zwar nicht in erster Linie mit dem Strafgesetz, sondern mit neuen, mit kriminalpräventiven, Formen demokratischer Konzernmachtkontrolle, den demokratie- und lebensfeindlichen Bereicherungspraktiken gegenzusteuern, denn immer wieder wird mir entgegengehalten, der Kapitalismus sei doch auch ohne Wirtschaftskriminalität eine tödliche Gefahr für Mensch und Natur. Das ist wahr. Aber es ist eine Wahrheit, der heute keine praktische Bedeutung mehr zukommt. Sie ist abstrakt antikapitalistisch und ignoriert, was wir inzwischen auch durch die Erfahrungen mit dem Realsozialismus wissen, dass alle ökonomischen Systeme, die größere Gerechtigkeit unter Wahrung der Menschenrechte, der Rechtstaatlichkeit und der Demokratie wollen, von denen, die in Macht- und Schlüsselpositionen sitzen, missbraucht werden können und missbraucht werden.

Dies bedeutet, dass die Verkürzung von gesellschaftlichen Probleme wie soziale Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung auf die Systemfrage nicht berücksichtigt, dass es in allen Systemen Menschen gibt, die Möglichkeiten suchen und finden, um sie zu ihrem Vorteil zu missbrauchen. Das Problem ist also nicht allein die fehlende demokratische Kontrolle, es ist die nicht abschließend beantwortbare, deshalb permanent zu diskutierende Frage, wer denn die Kontrolleure kontrolliert. Wer den totalitären Überwachungs-, den Abhör- Schnüffel- und Folterstaat nicht will, muss demokratische Verfahren entwickeln, die Wirtschaftsverbrechen frühzeitig verhindern, statt sie – nachdem sie geschehen sind – zu bestrafen. Die Strafe muss immer ultima ratio, der Weisheit letzter Schluß, bleiben.

Zumindest in einem demokratischen Staat ist die demokratische Kontrolle das legitime Machtmittel gegen Machtmissbrauch, auch den der Konzerne. Allerdings muss unterschieden werden zwischen einer kapitalistischen Demokratie, deren zentrale Aufgabe es ist, die Bürger vor Machtmissbrauch des Staates zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Chefetagen der Konzerne demokratiefreie Räume bleiben, in denen die Kapitalstrategen ungestört ihre Imperien ausbauen können, und einer sozialistischen Demokratie, die neben der des Staates auch die demokratische Kontrolle der Konzernmacht realisiert. Hier nun zeigt sich, dass die Demokratisierung vieler Nationalstaaten schon relativ weit fortgeschritten ist, die Wirtschaftsräume, in die die Konzerne ausweichen, aber weitgehend unter Kontrolle der Konzerne stehen. Wirtschaftsdemokratische Fortschritte sind also auf nationalstaatlicher Ebene kaum noch vorstellbar, während sich, – mit Unterstützung der meisten nationalen Regierungen, die Konzerne in den suprastaatlichen Rechtsräumen an nationalen Gesetzen vorbei weitgehend ungehindert und ungestraft ihre Willkürherrschaft auf Kosten von Mensch und Natur, Demokratie und Kultur ausüben können.

Sie monopolisieren nicht nur die Rohstoff-, Waren- und Geldmärkte, sie monopolisieren auch die Meinungsmärkte, kontrollieren die Informationssysteme, beherrschen die Abhörtechnologie, hören nicht nur ihre Beschäftigten ab, sondern auch die Staatsbürokratie, die ihrerseits einem strengen Datenschutz unterliegt und deshalb ihren Datenbedarf über die enge Kooperation mit den IT-Konzernen sicherstellt. Die Rolle der Geheimdienste müsste an dieser Stelle als Verbindungsscharnier zwischen Staatsdemokratie und Wirtschaftsdiktatur analysiert werden, wozu hier nicht der Ort ist. Aber es ist das Thema der diesjährigen BCC-Tagung am 18. April in Frankfurt am Main in der Fachhochschule, zu der Sie herzlich eingeladen sind. (siehe: www.businescrime.de)

Da unsere Geheim- und Sicherheitsdienste, auch der Verfassungsschutz, aufgrund des Kalten Krieges anfangs überwiegend von teils schwer  belasteten Nazis beherrscht wurden, haben sich auch nach biologischer Ablösung dieser Generation, über die Wiedervereinigung hinaus, in den Sicherheitsapparaten Strukturen verfestigt, die offenkundig fremdenfeindlichen, antisemitischen und rassistischen, also rechtsextremen Gruppen und Bewegungen näher stehen als demokratischen Sozialisten, also Linken, die die geltende Verfassung und auch die Europäische Union nachweislich gegen Nationalisten und Rassisten verteidigen. Was sich in der Gesellschaft als Rassismus und Fremdenhass äußert und organisiert, ist Teil der für diese Ideologie übliche Ethnisierung sozialer Konflikte. Ich bringe dieses Phänomen auf die Formel: Damit die durch das andauernde Verteilungsunrecht unvermeidbaren Kassenkämpfe nicht zu Klassenkämpfen werden, die den Missbrauch von Konzernmacht als Ursache der großen Gesellschaftsprobleme erkennen, sorgt eben diese Konzernmacht mit Hilfe von Ideologen wie Thilo Sarazin dafür, dass es zu Rassenkämpfen kommt, die Gruppen des rechten Rands radikalisieren, bis diese nationalistisch-rassistische Problemlösungen anstreben, die spekulative Kapital- und Finanzmacht mit reichen Juden gleichsetzt, die ausländischen Arbeitskräften ihre Arbeitslosigkeit anlastet, die Staatsschulden auf den Sozialstaat, nicht auf Steuerhinterziehung, Subventionsbetrug, Kartell-Preisbildung etc, zurückführt, sondern auf Entwicklungshilfe, Sozialleistungen für ausländische Arbeitskräfte und Flüchtlinge.

Die kapitalistische Demokratie – das ist gesellschaftspolitisches Dogma – soll nach dem Selbstverständnis der freien Wirtschaft von der bislang noch immer demokratiefreien Wirtschaftsmacht der Konzerne – und um diese geht es, denn sie bedroht auch den Mittelstand, der sie ideologisch verteidigt - fern gehalten werden. Die unabhängige Justiz ist auf das frühbürgerliche Demokratieverständnis – nämlich maximale Eigentums-, das heißt maximale Wirtschaftsfreiheit - vereidigt. Deshalb sind die meisten Gesetze den Konzernen wie Maßanzüge auf den Leib geschneidert. Allenfalls ein Richter oder anerkannter Rechtswissenschaftler darf einmal laut sagen, was ein kleiner Sozialwissenschaftler vielleicht nur heimlich, wenn überhaupt zu denken wagt. Ich zitiere als sehr frühes Beispiel den US-Richter Cicero J. Lindley, der 1899, also in der Zeit, als in den USA der Kampf um die Durchsetzung des ersten, 1890 verabschiedeten, Anti-Trust-Gesetzes, des Sherman act, tobte, mit dem das moderne Wettbewerbsrecht begründet wurde, folgende provokante Feststellung traf, die so oder ähnlich seit über 100 Jahren ständig wiederholt wird:

„Es kann nicht bestritten werden, das die schnelle Entwicklung der Vereinigten Staaten, die die Welt in Erstaunen versetzte, zum großen Teil die Folge der Zusammenführung individuellen Reichtums (durch Aktiengesellschaften – HS) war, mit dem große Unternehmen aufgebaut wurden, um damit Profite zu erwirtschaften. Als neues Land verdanken wir ihnen viel, aber es ist auch wahr, dass sich ein Land besser entwickelt, fester etabliert und die Individuen mehr Wohlstand akkumulieren, wenn die Unternehmen ihre eigenen Grenzen und die Gesetze des Landes zu übertreten wagen und Verbrechen begehen.“ Damit wurde der Bruch geltenden Rechts, auch des Strafrechts, also das Verbrechen, als Erfolgsrezept wirtschaftlicher Unternehmen prinzipiell anerkannt. Das ist eine Philosophie, die man mit Blick auf die reale Geschichte nur als kolonialistisch, imperialistisch, auch als sozialdarwinistisch und räuberisch bezeichnen kann. Sie führt alle christlichen und bürgerlichen Philosophien des Fair Play, des sozialen Rechtsstaats, der sozialstaatlichen Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit ad absurdum.

Ich dachte, solche Meinungen seien nach zwei Weltkriegen und vielen Bürgerkriegen, Befreiungskriegen in ehemaligen Kolonien und vielen Fortschritten der Demokratiebewegungen überholt. Doch als ich 1991 Business Crime Control gründete und aus diesem Anlaß eine studentische Zeitung ein Interview mit einer von mir hoch geschätzten Strafrechtswissenschaftlerin machte und es veröffentlichte, wurde ich eines Besseren belehrt.

Die Frage an Monika Frommelt lautete: „Hans See, Begründer des internationale arbeitenden Business Crime Control, behauptet, dass der volkwirtschaftliche Schaden, den die Wirtschaftskriminalität verursacht, weitaus höher ist, als der Schaden, den die allgemeine Kriminalität verursacht. Teilen Sie diese Einschätzung?“ Strafrechtlerin Frommelt: „Es ist nicht nur zu fragen, wie er den Schaden berechnet bzw. wie der Schaden berechnet werden soll. Es geht auch um die Frage, ob es ökonomisch effektiver wäre, wenn alles völlig legal ablaufen würde. Der Schaden, der durch Wirtschaftskriminalität entsteht, ist volkswirtschaftlich nicht berechenbar. Wenn z. B. zehn Zahnärzte Steuern hinterziehen und diese wiederum beim Kauf von Ferienhäusern in Spanien zuviel Geld bezahlt haben, dann neutralisiert sich der Schaden. Als Schaden bliebe die Zersiedelung der Landschaft übrig.“

Darauf die Interviewerin: „Hans See fordert, dass Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit dem Sozialstaats- und Demokratieprinzip diskutiert werden müsste. Das heißt: Wer zum Beispiel Steuern hinterzieht oder Subventionen erschleicht, mehrt zwar sein privates Vermögen, verkürzt aber sogleich die sozialstaatlichen Ansprüche seiner Mitbürger. Finden Sie diesen Denkansatz richtig“? Monika Frommelt kurz und bündig: „Nein. Dieser Denkansatz ist unsinnig. Es gibt keine eindeutigen Grenzen, was Steuerhinterziehung ist. Steuerhinterziehung ist ein Regelverstoß, der zum Bestandteil unseres Systems gehört. Und dieses System funktioniert nur mit einer gewissen Toleranz gegen Regelverstöße.“

Ich erspare mir einen Kommentar, sage auch nichts über den Satz der zahnärtzlichen Investitionen ihrer Schwarzgelder in Spanien, der da lautet: „Als Schaden bliebe die Zersiedelung der Landschaft übrig.“ Hat „die Zersiedlung der Landschaft“ nichts mit sozialen Problemen zu tun? Bis Ende der 1990er Jahre waren die Schmiergelder der Wirtschaft steuerlich abzugsfähig. Der Beweis, dass man das, was heute offiziell als Wirtschaftskriminalität betrachtet, damals noch zur allgemeinpolitischen Wirtschaftsförderung gehörte. Und bis heute höre ich das Argument, dass Korruption doch Arbeitsplätze schaffe oder sichere. Eine dümmere Argumentation gibt es nicht. Tatsache ist, die ich auch empirisch belegen kann, dass, wenn Bestechung Arbeitsplätze schaffen oder sichern könnte, fast überall in den als besonders korrupt geltenden Staaten Vollbeschäftigung zu verzeichnen sein müsste. Aber gerade dort ist die Arbeitslosigkeit, ist die Armut am größten.

Dass allzu viele – auch sehr gebildete Menschen – so falsch denken, hat sehr viel mit der Monopolisierung nicht nur der Rohstoff-, Waren- und Geldmärkte, sondern auch der Arbeitsmärkte zu tun. So sind die anerkannten und preisgekrönten Sozialwissenschaftler heute fast ausnahmslos Anhänger des Neoliberalismus, einer Marktideologie, die noch immer unterstellt, der Markt sei ein Regulativ gegen Fehlsteuerung. Die oligopolistischen und monopolistischen Märkte sind inzwischen in den Händen notorischer Gesetzesbrecher. Sie verursachen weit größere soziale und ökologische Schäden als die noch von Klein- und Mittelbetrieben beherrschten Märkte der nationalen Wettbewerbswirtschaft. Die Hegemonie der Konzerne muss gebrochen werden, weil Konzerne nötig sind, aber daran gehindert werden müssen, Kapitaldiktaturen zu errichten. Es sind schleichende Prozesse, die unsere demokratisierten Staaten bedrohen. Und die Epizentren der Gefahren sind die demokratiefreien Chefetagen.

Lassen sie mich zum Schluß, weil das immer wichtiger werdende Thema Ökologie etwas zu kurz gekommen ist, Siegfried Lenz zitieren, der vor Jahren in der Frankfurter Paulskirche, in der 1848 erstmals Mitbestimmung auch in der Wirtschaft gefordert wurde, zum Ausdruck bringt, was ich über den demokratischen Sozialstaat gesagt habe, Lenz es aber logisch und eindrucksvoll auf die Globalökologie übertragen hat. Er sagte: „Die Schöpfung stirbt langsam. Sie muss nicht im atomaren Blitz untergehen, der Ozeane zum Kochen und Gebirge zum Schmelzen bringt. Sie kann an unserer Verachtung der Schöpfung und an unserem Egoismus zugrunde gehen.“

Und er fordert von der Politik, den Wirkungsraum zurückzuholen, den Wirtschaft und Industrie ihr abgenommen haben. Ich fürchte, dass die kritischen Köpfe unserer westlichen Demokratien in dieser Hinsicht noch intensive und alternative Aufklärung leisten müssen. Was ich dazu beitragen kann, trage ich dazu bei. Aber jede Demokratie kann sich nur die Mehrheit erkämpfen, und mit dieser Mehrheit muss sie rationale Lösungen für ihre Probleme finden. Wenn überhaupt, sind Sozialstaat, Demokratie und ökologisches Gleichgewicht nur noch auf diesem Weg zu retten.

Ich danke für die Aufmerksamkeit und die Würdigung meiner bisherigen Arbeit.

[1]  Zitiert nach: Russel Mokhiber / Robert Weissman, Corporate Predadors – The Hunt for Mega-Profits and the Attack on Democracy, Introduction by Ralph Nader, Monroe Main, Common Courage Press, 1999 p.25.

01.02.2015


„Chancen und Risiken des Internet in Politik und Verwaltung“

Bundesinnenminister Dr.Thomas de Maizière zu Gast in der Speyerer „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“

cr. Speyer- 'Sicherheitsstufe I' herrschte heute mittag in und rund um die „Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften“ in der Speyerer Freiherr-vom-Stein-Straße. Sprengstoffsuchhunde hatten bereits am Vormittag die große Aula der Universität penibel abgesucht, Beamte der Bundespolizei sicherten das Gelände großräumig ab und Beamte der „Sicherungsgruppe Bonn“, unterstützt von ihren Kollegen von der Kriminalinspektion Speyer des Polizeipräsidiums Rheinpfalz haben an und in der Universität Position bezogen, als Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière, von einer Tagung des Bundeskriminalamtes in Mainz kommend, mit seinem Troß aus drei gepanzerter AUDI W 12-Limousinen vor der Speyerer Universität vorfährt und vom Rektor, Universitätsprofessor Dr. Joachim Wieland begrüßt wird. Personenschützer umringen den Minister, der nicht erst seit heute zu den meist gefährdeten Persönlichkeiten in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa zählt.

Drinnen ist die Aula bereits längst bis auf den letzten Platz besetzt und auf beiden Seiten der eng bestuhlten Blöcke müssen noch zahlreiche Besucher mit einem Stehplatz vorlieb nehmen, als Rektor Prof. Dr. Wieland den Innen- und Verfassungsminister in Speyer zu seinem Vortrag zur Semestereröffnung unter dem Titel „Bewährung der repräsentativen Demokratie in der Informationsgesellschaft“ begrüßt - ein Thema, das angesichts der überbordenden Bedeutung des Internets auch für Politik und Verwaltung eine zunehmende Bedeutung erlangt hat.

Zu diesem Anlass galt Prof. Dr. Wielands erster Gruß allen Angehörigen der Universität, an ihrer Spitze den mehr als 400 Studierenden, vertreten durch die Hörersprecherin Anne-Marie Borgosz und ihrem Stellvertreter Ian Mysegados. Als Repräsentant ihrer zeitweise gastgebenden Universitätsstadt Speyer waren deren Oberbürgermeister Hansjörg Eger und Bürgermeisterin Monika Kabs gekommen, die Gerichtsbarkeit des Landes Rheinland-Pfalz war durch Präsidentinnen und Präsidenten der verschiedenen Obergerichte vertreten.

Mit besonderer Herzlichkeit konnte der Rektor schließlich Vertreter befreundeter Hochschulen - der TU Berlin, der Universität Heidelberg, der TU Kaiserslautern sowie Professorin Irina Pluzhnik vom „Institute of State and Law“ der russischen Universität Tyumen in Rußland begrüßen.

In seinem mit großer Aufmerksamkeit verfolgten Vortrag ging der Bundesinnenminister dann mit klaren Aussagen auf die „Chancen und Gefahren des Internet für Politik und Verwaltung“ ein.

Über die Rede des Ministers wird der SPEYER-KURIER noch ausführlich berichten. Foto: gc

20.11.2014


„Wir müssen neue Wege wagen“

Moderator Rudolf X. Ruter sowie die wissenschaftlichen Leiter Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Prof. Dr. Ulf Papenfuß (v.l.n.r.) freuen sich über eine erfolgreiche Tagung Moderator Rudolf X. Ruter sowie die wissenschaftlichen Leiter Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Prof. Dr. Ulf Papenfuß (v.l.n.r.) freuen sich über eine erfolgreiche Tagung

100 Beteiligungsexperten diskutieren Zukunft des Beteiligungsmanagements an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften

Speyer-  Am 28. und 29. April 2014 trafen sich Vertreter von Kommunen, Ländern und Bund an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer zur 2. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance. Über 100 Teilnehmer folgten der Einladung von Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Prof. Dr. Ulf Papenfuß, um sich über aktuelle Herausforderungen eines zukunftsfähigen Beteiligungsmanagements auszutauschen und Anregungen für die eigene Praxis einzuholen.

Kommunale Unternehmen stehen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft, sollen zugleich aber auch gemeinwohlorientiert handeln. Die Schwierigkeit beides miteinander zu verbinden, wird angesichts steigender Verschuldung der Kommunen noch verschärft. Im Rahmen der Tagung diskutierten die Teilnehmer insbesondere über eine nachhaltige Zielformulierung und -kontrolle, eine effektive Haushaltskonsolidierung sowie die Besetzung und Vergütung von Aufsichtsräten und Geschäftsführungen bzw. Vorständen. Bereichert wurden die Diskussionen durch den Austausch von Wissenschaftlern und Vertretern der öffentlichen Hand. Als Moderator konnte zum zweiten Mal Rudolf X. Ruter, Experte für Nachhaltigkeit und Corporate Governance, gewonnen werden. „Wir müssen weiter neue Wege im öffentlichen Beteiligungsmanagement gehen und vernetztes Denken und Handeln zwischen Praxis und Wissenschaft zusätzlich stärken, um im für die Gesellschaft wichtigen Spannungsfeld zwischen nachhaltiger Daseinsvorsorge und notwendigen Haushaltskonsolidierungen zukunftsfähige Gestaltungslösungen zu entwickeln “, fordern Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner und Univ.-Prof. Dr. Ulf Papenfuß, die wissenschaftlichen Leiter der Tagung. „ Aus Good Practice Beispielen einzelner Gebietskörperschaften und der wissenschaftlichen Diskussion lassen sich immer wieder innovative und alltagsunterstützende Konzepte, Methoden und Instrumentarien identifizieren und reflektieren. Sowohl öffentliche Unternehmen, als auch ihre Gesellschafter wie Länder, Städte und Kommunen können von diesen Maßnahmen umfangreich profitieren, um die öffentliche Aufgabenerfüllung mit knappen Finanzmittel möglichst wirksam und wirtschaftlich zu gewährleisten und so auch einen Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Haushalte zu leisten.“ Zu diesen Instrumenten zählen unter anderem die Weiterentwicklung der Eigentümerziele und der Zielvereinbarungen für die Unternehmen und Geschäftsführung, die Erarbeitung einer Strategie für das Beteiligungsmanagement, die Verwendung einer Balanced Scorecard für die Überwachung und Kontrolle von Unternehmen. Weiter muss verantwortliches Verhalten der beteiligten Akteure gewährleistet werden und Grundsätze verantwortungsvoller Unternehmen, wie sie Public Corporate Governance Kodizes vorsehen, müssen im Alltag gelebt werden.

110 Teilnehmer folgen dem Auftaktvortrag in der Aula der Deutschen Universität für Verwaltunswissenschaften in Speyer„Ich bin begeistert über den großen Zuspruch, den unsere Tagung gefunden hat“, freute sich Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner. „Es ist eine schöne Bestätigung, dass wir die Teilnehmerzahl im Vergleich zum letzten Jahr verdoppeln konnten und zeigt zugleich, dass das Thema Public Corporate Governance hochrelevant für Praxis und Wissenschaft ist“.

Die 3. Speyerer Tagung zu Public Corporate Governance findet am 13. und 14. April 2015 statt.

Kurzvita:

Univ.-Prof. Dr. Michèle Morner ist Inhaberin des Lehrstuhls für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer sowie wissenschaftliche Leiterin des Reinhard-Mohn-Instituts für Unternehmensführung und Corporate Governance an der Universität Witten/Herdecke. Jun.-Prof. Ulf Papenfuß ist Juniorprofessor für Public Management an der Universität Leipzig. Rudolf X. Ruter verfügt über 30-jährige Erfahrung auf dem Gebiet der Prüfung und Beratung sowohl von internationalen, nationalen Unternehmen als auch von Familienunternehmen und Unternehmen der öffentlichen Hand sowie von Non-Profit-Organisationen.

Text und Foto: Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

05.05.2014


Staatssekretär Dr. Horst Risse ermöglicht detaillierten Blick hinter die Kulissen des Parlamentes

Direktor beim Deutschen Bundestag zu Gast an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer

Von Gerhard Cantzler

Speyer- Einen detaillierten Blick in/unter die imposante Glaskug(pp)el über Lord Norman Fosters Berliner Reichstagsgebäude gewährte jetzt der Direktor beim Deutschen Bundestag, Staatssekretär Dr. Horst Risse, den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern bei seinem Abendvortrag in der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer, den er unter den beziehungsreichen Titel „Bericht aus dem Maschienenraum des Parlaments“ gestellt hatte.

Zu Beginn des Abends konnte der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, neben Lehrenden und Studierenden der Universität selbst eine Reihe hochrangiger Gäste begrüßen, an ihrer Spitze den Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger sowie gleich drei Landes-Rechnungshof-Präsidenten – Dr. Brigitte Mandt, Nordrein-Westfalen, Max Munding, Baden-Württemberg und Klaus Behnke, Rheinland-Pfalz. „Damit könnten Sie in Speyer eigentlich schon eine kleine Sitzung der Rechnungshof-Präsidenten abhalten“, scherzte Gastgeber Prof. Dr. Wieland schmunzelnd, ehe er sich dem Referenten des Abends zuwandte, der, so der Rektor, „die Ruhe vor dem Sturm“ genutzt habe, um nach Speyer zu kommen, „ehe uns die kommenden Wochen Klarheit bringen sollen über die Struktur des neuen Bundestages – hoffentlich“. Der Jurist Dr. Horst Risse, der 1986 in das Sekretariat des Bundesrates eingetreten und deshalb schon damals kraft Amtes ebenso eng mit der Speyerer Hochschule verbunden gewesen sei wie dies auch heute für ihn als oberstem Verwaltungsbeamten des Bundestages gelte, habe sich in den letzten Jahren durch seine federführende Begleitung der beiden Föderalismus-Kommissionen einen Namen gemacht. Im Jahr 2008 vom Bundesrat zum Deutschen Bundestag gewechselt, sei er erst 2013 zu dessen Direktor bestimmt worden.

Mit spürbarem Stolz und erkennbarer Sympathie für sein Amt stellte Dr. Risse sodann – bekräftigt mit vielen eindrucksvollen Details und unterstrichen durch eindrucksvolle Zahlen - dem Auditorium „seine“ Verwaltung des Deutschen Bundestages vor. Gegliedert in vier Abteilungen beschäftige diese Einrichtung derzeit ca.. 2.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, berichtete ihr Direktor - 51,54% davon Frauen. Auffallend dabei: 1.171 von ihnen gehörten dem mittleren, 606 dem einfachen Dienst an – ganz andere Strukturen also als sonst in den obersten Bundsbehörden und, so Dr. Risse, insbesondere der großen Zahl an Mitarbeitern in Funktionen wie Botenmeistereien, Saaldiener u.ä. geschuldet.

Mit diesem Apparat habe die Verwaltung des Bundestages in der letzten Wahlperiode rund 900 Gesetzentwürfe und 1.800 Anträge begleitet, die in circa 2.200 Sitzungen beraten und verabschiedet wurden. Dazu seien gut 4.000 Drucksachen und etwa 30.000 Kleine und Große Anfragen formuliert, gedruckt und anschließend den Abgeordneten zugeleitet worden. Technisch stünden dem Apparat des Deutschen Bundestage dazu 550 Kopierer zur Verfügung, auf denen zuletzt rund 82 Millionen Blatt (Recycling-)Papier bedruckt wurden. „Derzeit sind wir aber dabei, die 'flächendeckende' Herstellung von Drucksachen durch einen elektronischen Versand abzulösen“, teilte Dr. Risse mit.

Informationstechnologisch stünden für die 6.600 PC-Arbeitsplätze im Deutschen Bundestag derzeit 550 redundant vernetzte Server mit einer Gesamtkapazität von 1,5 Millionen Gigabyte (!) zur Verfügung, über die täglich allein eine Million e-mails verarbeitet werden.

Für die Dokumentation und dauerhafte Bewahrung eines jeden in Plenum und Ausschüssen des Parlamentes gesprochenen Wortes sorge der Stenografische Dienst des Bundestages, dem gegenwärtig 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angehörten - 32 davon Stenografen - ein Berufsstand, so der Referent bedauernd, der allerdings leider „vom Austerben bedroht“ sei .

Sie sorgten dafür, dass das Protokoll einer jeden Sitzung bereits ca. fünf Stunden nach ihrem Ende im Intranet nachgelesen werden könne. Das gesamte Protokoll einer Plenarsitzung liege bereits am folgenden Tag bis 09.00 Uhr vor - bis 12.00 Uhr am gleichen Tag sogar in gedruckter und gebundener Form – Respekt!

Den Abgeordneten selbst stünden für ihre Arbeit rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Seite, die in Berlin am Sitz des Parlamentes oder in den Wahlkreisen der Abgeordneten ihren Arbeitsplatz haben. Sie alle seien jedoch keine Öffentlich Bediensteten, stellte Dr. Risse heraus, sondern hätten privatrechtliche Arbeitsverträge mit „ihrem“ jeweiligen Abgeordneten, deren Laufzeit an das Mandat des Abgeordneten bzw. an die Dauer der Legislaturperiode gebunden sei. Allerdings erledige die Bundestagsverwaltung - quasi als „Dienstleister“ - alle administrativen Aufgaben der Personalverwaltung dieser Mitarbeiter, genau wie sie auch die Personalangelegenheiten der ansonsten souveränen Abgeordneten selbst in Händen hielten.

Zur Bearbeitung komplexer inhaltlicher Sachzusammenhänge stünden den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern neben der derzeit 1,4 Millionen Einzelbände umfassenden größten Parlaments-Bibliothek der Welt – sie verzeichnet daneben jährliche Neuzugänge von weiteren 13.000 Bänden und ca. 9.000 Aufsätzen – auch ein hochspezialisierter Wissenschaftlicher Dienst zur Verfügung, in dem in zehn Fachbereichen derzeit 60 wissenschaftliche Gutachter jährlich rund 2.100 wissenschaftliche Ausarbeitungen erstellten; dazu kämen noch weitere 4.000 Einzelanfragen, die kurzfristig von der „Hotline W“ des Hauses beantwortet würden. 80 weitere Beschäftigte befassten sich zudem mit der Bearbeitung der jährlich 60.000 Eingaben von Bürgern, die sich in 18.000 Petitionen niederschlagen würden.

Durchweg imponierende Zahlen also, denen auch die Zahl der Besucher des Parlamentes in nichts nachsteht: Weltrekordträchtige drei Millionen Gäste registriere der Besucherdienst des Deutschen Bundestages alljährlich, berichetete Dr. Risse – allein zwei Millionen von ihnen würden zudem in die imposante Reichtagskuppel über dem Plenarsaal hinaufsteigen.

Nicht zuletzt für diese Besucher sei auch die eigenständige „Polizei des Deutschen Bundestages“ - die kleinste Polizeibehörde in Deutschland – zuständig, die derzeit 210 Beamtinnen und Beamten umfasse. Sie versehe zwar derzeit noch ihren Dienst nach den Bestimmungen des Berliner Polizeigesetzes, sei aber ansonsten zur Wahrung der Souveränität und der besonderen Rolle des Parlamentes im Rahmen der Gewaltenteilung vollkommen eigenständig. Deenoch sprach sich Dr. Risse dafür aus, für diese Polizei durch ein eigenes Gesetz eine neue Rechtsgrundlage zu schaffen.

Zur Erledigung der genannten und vieler weiterer Aufgaben, auf die der Referent aus Zeitgründen nicht mehr weiter im einzelen eingehen konnte und die am Ende auch den Rahmen dieses Berichtes sprengen würden, stehen dem Deutschen Bundestages jährlich 700 Millionen Euro an Haushaltsmitteln zur Verfügung. Ein ansehnlicher Betrag sicher - doch als Verwaltung des obersten Souveräns des Volkes kommen dieser Einrichtung auch zahlreiche, für das Funktionieren des Staates zentrale Aufgaben zu. Zu diesen zählt unter anderem auch die Kontrolle über die Parteienfinanzierung – ein besonders „heikles Geschäft“, wie wir alltäglich aus den Zeitungen erfahren können. Als Beispiel dafür ging Dr. Risse auf den eingereichten Verbotsantrag gegen die NPD ein. „Wenn wir uns mit unseren Rückforderungen gegen diese Partei bei den anhängigen Gerichtsverfahren mit unserer Rechtsauffassung durchsetzen, dann erledigt sich dieser Verbotsantrag wohl von selbst“, stellte Dr. Risse fest, „denn dann ist die NPD nämlich zahlungsunfähig“.

Noch manch weitere Frage, von denen wohl die wenigsten der Zuhörer auf den ersten Blick eine Verbindung mit dem Deutschen Bundestag assoziieren würden, konnte der Referent kurz streifen – von der Tatsache, dass auch das Parlament als Eigentümer einer Kunstsammlung von der gegenwärtigen Provinienz-Debatte betroffen sei – über die öffentliche Diskussion über die „Reisefreudigkeit“ der Abgeordneten – Dr. Risse: „Sie müssen das Recht haben, zu reisen, müssen sehen, wie Parlamente in anderen Ländern funktionieren“ - bis hin zur allgemeinen, öffentlichen Beobachtung der Arbeit des Parlamentes – hinter jeder Fragen verbergen sich neben einer Antwort auch immer wieder viele weitere, neue Fragen....

Beantwortet finden dies Interessierte im Netz unter www.bundestag.de und den zahlreichen damit verbundenen Links. Foto: gc

14.12.2013


Noch viel Arbeit auf dem Weg zum europäischen Energie-Binnenmarkt

Speyerer Europaabgeordneter Jürgen Creutzmann referiert bei der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften

spk. Speyer. Mit einem Vortrag zu „Energie, Umwelt und Wirtschaft im Mehrebenensystem der Europäischen Union“ war jetzt der Speyerer FDP-Europaabgeordnete Jürgen Creutzmann MdEP an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften seiner Heimatstadt Speyer zu Gast. Dabei betonte Creutzman, dass die Fortschreibung der Rahmenbedingungen und die Verbesserung, beziehungsweise vielerorts erst einmal die Schaffung einer paneuropäischen Infrastruktur Aufgabe der Brüsseler Akteure sei. Die Entwicklung eines europäischen Energie-Binnenmarktes sei aber noch mit enorm viel Arbeit verbunden.

In seinem Vortrag wies der Referent ferner darauf hin, dass auch im Bereich der Förderung der regenerativen Energien noch eine bessere, EU-weite, Koordinierung notwendig sei. Für ihn stehe deshalb außer Frage, dass sich die neue Bundesregierung jetzt rasch und zügig an die Überarbeitung des „Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG“ machen müsse.

Darüber hinaus müssten aber auch den Unternehmen die richtigen Anreize und durch enstprechende Regulierungen Rahmen dafür geboten werden, um die nötige Infrastruktur zu schaffen, forderte der EU-Parlamentarierr – „für unsere eigene Energie-Sicherheit und damit Steuerzahler und Energiekonsumenten nicht weiterhin über Gebühr belastet werden. Foto: spk-Archiv

Lesen Sie den Votrag von Jürgen Creutzmann MdEP im Wortlaut im SPEYER-KURIER

 

Jürgen Creutzmann Rede "Energie, Umwelt und Wirtschaft im Mehrebenensystem der Europäischen Union"

9. Oktober 2013, 15 Uhr Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer

Sehr geehrter Professor Wieland, sehr geehrter Professor Magiera, sehr geehrter Herr Ministerialdirigent Schafhausen, meine sehr verehrten Damen und Herren,

zunächst einmal möchte ich mich sehr herzlich bedanken für die Einladung hier in meine Heimatstadt Speyer an die Universität für Verwaltungswissenschaften, die ja bekanntlich eine der renommiertesten ihrer Art hierzulande ist. Ich darf Ihnen gratulieren zu einem außerordentlich gelungenen Programm; wie ich sehe, umfasst dieses eine Fahrt nach Straßburg sowie Gesprächsrunden mit hochkarätigen Vertretern aus Akademie und den anderen europäischen Institutionen wie der EUKommission.

Mich haben Sie nun gebeten, zum Thema "Energie, Umwelt und Wirtschaft im Mehrebenensystem der EU" zu referieren. Aus meiner langjährigen Erfahrung als Gemeinderat, Landtagsabgeordneter und Europaparlamentarier kann ich bestätigen, dass sich dieser Themenkomplex gut eignet ist, das Gefüge der EU nicht nur vertikal, sondern auch horizontal zu betrachten. Denn auch die EU-Ebene per se hat bekanntermaßen eine Vielzahl an Akteuren, die zur Komplexität der Prozesse über alle Ebenen hinweg beitragen.

Wir haben auf europäischer Ebene zunächst einmal die Kommission, die dem Parlament eine Verordnung oder Richtlinie vorschlägt. Im Parlament der federführende Ausschuss bestimmt, z.B. der Umweltausschuss, und der Industrieausschuss und/oder der Binnenmarktausschuss geben Stellungnahmen zu der Verordnung ab.

Bevor dann in einem Trilogverfahren zwischen Kommission, Parlament und Rat die endgültige Verordnung verhandelt wird, die das Parlament dann nur noch annehmen 2 oder ablehnen kann, kann es zuvor zu einer Abstimmung im Parlament kommen, die dann die Verhandlungsgrundlage bildet oder die Abstimmung im federführenden Ausschuss dient als Verhandlungsgrundlage für das Trilogverfahren. Wer nun glaubt, die "Mehrebene" EU habe das Problem gelöst, der irrt. Nehmen wir das Beispiel Klimaschutz.

Europa hat sich seine Klimaschutzziele bis 2020 in dem im Jahr 2008 beschlossenen, sogenannten Energie- und Klimapaket gesetzt. Sie werden Ihnen bekannt sein: Der Treibhausgas-Ausstoß soll um 20 % gesenkt, die Energieeffizienz um 20 % verbessert und der Anteil erneuerbarer Energien am Energiemix auf ein Fünftel angehoben werden.

Die EU-Kommission hat im Dezember 2011 und dann erneut im März dieses Jahres zudem bereits zwei Fahrpläne vorgelegt, wie die Energie- und Klimapolitik in den kommenden Jahrzehnten fortgesetzt werden könnte1.

Auch diese nächsten Schritte werden in engen Verhandlungen von Vertretern der Mitgliedstaaten, des Europaparlaments und der Kommission bestimmt werden; und dies im Rahmen der Weltklimaverhandlungen. Stichwort: Fortschreibung des Kyoto- Protokolls. Im Europaparlament, das ich ja hier vertrete, laufen bereits in mehreren Ausschüssen die Verhandlungen zu einer Stellungnahme zum Grünbuch "Ein Rahmen für die Energie- und Klimapolitik bis 2030". Federführend ist hier der Umweltausschuss, aber auch die Industrie- und Beschäftigungsausschüsse, denen ich angehöre, werden Stellungnahmen abgeben.

Das erklärte Ziel, das haben auch die EU-Staats- und Regierungschefs bereits beschlossen: Bis zum Jahr 2050 soll Europa im Vergleich zu 1990 mehr als 85 Prozent seiner Treibhausgasemissionen einsparen. Zuständig für die Umsetzung des Energie- und Klimapolitik sind jedoch die einzelnen Mitgliedsstaaten.

Deutschland hat die Energiewende eingeleitet, was bereits in Europa zu einem geflügelten Wort wurde: Dieses beispiellose Vorhaben eines Landes mit einer derart starken industriellen Basis, sich von der Atomkraft zu verabschieden und auf Erneuerbare Energien umzusteigen. Hierzu wird sicherlich Herr Schafhausen gleich im Anschluss noch mehr Details geben.

Frankreich setzt nach wie vor auf Atomstrom, denn etwa 60% der Stromerzeugung stammt aus Kernkraftwerken. Frankreich wäre wirtschaftlich überhaupt nicht in der Lage auf Atomstrom zu verzichten. Polen mit seinem zahlreichen Kohlevorkommen, möchte auf diesen kostengünstigen Energieträger nicht verzichten, um seine Wirtschaft wettbewerbsfähig zu erhalten.

Wenn wir uns anschauen, wie Europas "20-20-20"-Ziele, die Entwicklung des Energiebinnenmarktes und Deutschlands Energiewende ineinandergreifen, können wir sehr gut erkennen, welche Ebene welche Befugnisse hat, und vor allem, wo wir Verbesserungsbedarf haben.

Zwar hat Europas neuer Grundlagenvertrag, der Vertrag von Lissabon2, die energiepolitischen Kompetenzen der EU erstmals gebündelt und damit der größeren Bedeutung der europäischen Ebene in der Energiepolitik Rechnung getragen. Was aber weiterhin berechtigter- und auch notwendigerweise ausschließlich Sache der Mitgliedstaaten ist, ist die Entscheidung über die Energieträger. Atomenergie beispielsweise ist in Frankreich weiterhin dominierend, in Österreich ist sie seit jeher tabu und in Deutschland ist ja nun der Ausstieg seit dem Unglück von Fukushima beschlossene Sache. Polen zum Beispiel ist auf einen hohen Anteil an Kohleverstromung angewiesen, Dänemark ist Vorreiter bei den Erneuerbaren Energien.

Oder sehen Sie sich die aktuell hitzigen Debatten um die Förderung von Schiefergas an: Das sogenannte Fracking ist derzeit in einigen EU-Ländern wie Frankreich oder Bulgarien verboten, in anderen finden Probe-Bohrungen statt. In Deutschland gibt es eigentlich Interesse seitens der Industrie an solchen Versuchs-Bohrungen, aber der Widerstand auf kommunaler Ebene ist groß.

Die Prognosen, wie umfangreich überhaupt die erschließbaren Schiefergas- Vorkommen in Deutschland sind, fallen zwar durchaus unterschiedlich aus. Aber ich warne in jedem Fall davor, aus Idealismus diese neuen Möglichkeiten von vorneherein abzulehnen. Schiefergas hat in den USA innerhalb kurzer Zeit die Energiepreise deutlich gesenkt und die Unabhängigkeit von Lieferungen aus den Ölstaaten erhöht; mancher spricht gar von einer Schiefergas-Revolution und von der Gefahr einer Re-Industrialisierung der USA und einer weiteren De-Industrialisierung Europas. Ob diese Warnungen nun überzogen sein mögen oder nicht: Wir dürfen in jedem Fall nicht riskieren, dass energieintensive Unternehmen in die USA abwandern, weil sich die Energiepreise dort im Sinkflug befinden, während sie in Europa stetig steigen. Das würde uns in Europa Arbeitsplätze kosten, und auch dem Klimaschutz wäre in keiner Weise geholfen.

Die neue Bundesregierung wird vermutlich einen erneuten Anlauf nehmen müssen, Fracking gesetzlich zu regeln, nachdem dies in der vergangenen Legislaturperiode nicht gelungen ist. Gleichzeitig plant jedoch auch die EU-Kommission, nach einer umfangreichen Stakeholder-Konsultation, die Vorlage eines Regulierungsrahmens für Fracking auf EU-Ebene, wobei es generell um Mindest-Sicherheitsstandards und die Notwendigkeit von Umweltverträglichkeits-Prüfungen geht. Ich finde, genau hier gehört dieses Thema auch hin.

Lassen Sie mich ganz generell betonen: Die Fortschreibung der Rahmenbedingungen und die Verbesserung, beziehungsweise vielerorts erst einmal Schaffung, einer paneuropäischen Infrastruktur: Genau das ist Aufgabe der Brüsseler Akteure - was wir im EU-Jargon die Entwicklung des europäischen Energie-Binnenmarktes nennen. Und hier gibt es noch enorm viel Arbeit.

Im Herzen dieser wichtigen Arbeit steht die EU-Kommission. Seit 2010 besetzt den Posten des EU-Energiekommissars ein Deutscher, nämlich Günther Oettinger. Ebenfalls seit 2010 hat Oettinger auch eine eigene Generaldirektion für Energie innerhalb der Kommission hinter sich, die ihm zuarbeitet - was auch wiederum die gestiegene Bedeutung der Energiepolitik auf EU-Ebene zeigt3. Man mag seine unverblümte Art nun mögen oder nicht - ich persönlich schätze ihn sehr -, aber Günther Oettinger hat sich in Brüssel den Ruf des hochkompetenten und einflussreichen Fachmanns erarbeitet.

Herr Oettinger nennt die Dinge beim Namen. Und was getan werden muss, ist bekannt: Der Binnenmarkt für Gas und Strom muss endlich funktionieren. Nicht nur innerhalb Deutschlands müssen die Nord-Süd-Verbindungen und der Anschluss der großen Industriezentren im Südwesten an die Windparks im Norden verbessert werden. Es sind die transeuropäischen Netze und Interkonnektoren, auf Deutsch "Grenzkuppelstellen" beziehungsweise "Netzverknüpfungspunkte", die den heutigen und künftigen Anforderungen in keiner Weise gerecht werden. So hat Spanien beispielsweise völlig unzureichende Interkonnektoren nach Frankreich. In den baltischen Staaten gibt es nach wie vor Regionen, die entkoppelt sind vom europäischen Energienetz - dabei ist längst beschlossene Sache, dass es solche sogenannte "Energie-Inseln" bereits bis 2015 nicht mehr geben soll.4 Aber auch die bestehende transeuropäische Energie-Infrastruktur wird nicht optimal genutzt. Auch in den Beziehungen mit Dritt-Staaten, Nachbarländern, Lieferanten und Transitländern muss die Verbesserung der Energie-Infrastruktur eine stärkere Rolle spielen.

Hier brauchen wir mehr Europa, nicht weniger - anders als beim nationalen Energiemix, wo, wie gesagt, zu Recht das Subsidiaritätsprinzip gilt. Machen wir uns nichts vor: Deutschland ohne eigene Meiler am Netz, und ohne das Risiko von Blackouts: Das wird nur dann funktionieren, wenn wir problemlos Nuklearstrom aus Frankreich oder Belgien beziehen können, falls unsere Windräder und Solarpanels an kalten, windstillen und wolken-verhangenen Tagen nicht genug Strom produzieren. Derzeit haben wir an transeuropäischen Stromverbindungen noch nicht einmal das Äquivalent von 10 % der in den Mitgliedstaaten installierten Produktionskapazitäten erreicht - was eigentlich schon 2002 als Zielmarke ausgegeben worden war.

Im Prinzip arbeitet die EU bereits seit Mitte der Neunziger Jahre an der Entwicklung des Energie-Binnenmarktes. 2009 wurde das dritte Binnenmarktpaket für Strom und Gas verabschiedet, bestehend aus fünf Richtlinien und Verordnungen. Im Focus stehen die Verbesserung des Wettbewerbes durch eine Entflechtung von Erzeugung und Transport sowie natürlich der Ausbau der Grenzkuppelstellen. Dennoch geht der Ausbau immer noch viel zu langsam voran. Viele Mitgliedstaaten kommen ihren Verpflichtungen zu wenig oder gar nicht nach, so dass die EU-Kommission immer wieder Vertragsverletzungsverfahren einleiten muss. Außerdem sind die Planungsund Genehmigungsverfahren in vielen Ländern noch zu komplex, ein Problem, das mit einer neuen EU-Verordnung angegangen werden soll, die im April dieses Jahres verabschiedet wurde. Ziel ist eine maximale Verfahrensdauer von dreieinhalb Jahren sowie Investitionsanreize für Projekte mit größeren Risiken. Gleichzeitig werden besonders wichtige Energieinfrastrukturprojekte benannt, die vorrangig behandelt werden sollen wie "intelligente Netze" oder "Stromautobahnen".

Eine Finanzierung solcher Infrastrukturmaßnahmen durch die öffentliche Hand lehne ich jedoch ab. Das ist und bleibt Aufgabe der Unternehmen.

Und dies führt mich nun zu einem weiteren Punkt: Wir brauchen nämlich auch im Bereich der Förderung von Regenerativen Energien eine bessere EU-weite Koordinierung.

In diesem Zusammenhang steht für mich außer Frage, dass die neue Bundesregierung zügig das Erneuerbare-Energien-Gesetz überarbeiten muss, aus drei Gründen: Zum Einen: Es kann einfach nicht sein, dass wir in Deutschland mit die geringsten Großhandelspreise zahlen, aber deutsche Verbraucher zu denjenigen zählen, denen mit verschiedensten Steuern, Abgaben und Gebühren bei den Endpreisen im EUweiten Vergleich mit am tiefsten in die Tasche gegriffen wird. In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Strompreise für den Durchschnittshaushalt nahezu verdoppelt, wobei die Kosten für Stromproduktion, Transport und Verkauf aber so gut wie gleich geblieben sind. Die Erhöhung ist somit fast ausschließlich auf Steuern, Gebühren und das EEG zurückzuführen.5 Von knapp 30 Cent je Kilowattstunde hierzulande machen gut die Hälfte Abgaben und das EEG aus. Der EU-weite Durchschnitt liegt bei um die 20 Cent pro Kilowattstunde6. Übrigens: In Großbritannien sprechen wir von etwa 17 Cent, und schon dort bringt sich Labour-Chef Ed Miliband derzeit mit Ideen für eine "Energiepreis-Bremse" für den anstehenden Wahlkampf in Stellung. Es dürfte also klar sein, dass wir in Deutschland Handlungsbedarf haben.

Bekannt ist zum Zweiten, dass die EU-Kommission die Ausnahmen für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, unter die Lupe nimmt. Diese Sonderregeln drohen als wettbewerbswidrig verboten zu werden, was die globale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie massiv gefährden würde - und damit auch Arbeitsplätze.

Aber es gibt noch einen dritten, umfassenderen Grund. Was wir im Moment sehen, ist die EU-weite völlige Fragmentierung im Bereich der massiven Subventionierung von Erneuerbaren Energien. Gleichzeitig zeichnet sich eine Zunahme bei der Schaffung von Anreizen ab, Betreiber von konventionellen, immer weniger wirtschaftlichen Kraftwerken zu fördern, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Was wir aber brauchen, ist mehr Harmonisierung, Kohärenz und Zielgerichtetheit - Logik, wenn Sie so wollen.

Schätzungen zufolge werden bis 2020 Investitionen in Höhe von gut 1 Billiarde Euro in Produktionsstätten, Netze, Speicherung, Energieeffizienz und Forschung nötig sein, um Europas Energieversorgung zu sichern und zu dekarbonisieren. Diese Investitionen finden derzeit schlicht nicht in ausreichendem Rahmen statt. Die Politik muss der Wirtschaft dazu die richtigen Anreize geben und Signale senden, und zwar entschieden, vorausschauend, kohärent und verlässlich. Die Milliarden-Subventionen für die Regenerativen Energien sind nicht nur unzureichend, um unsere Ziele in der Energie- und Klimapolitik zu erreichen - sie sind eben auch kontraproduktiv. Hier hat dankenswerterweise teilweise schon ein Umdenken stattgefunden, vor allem Bereich des Biosprits - "Teller statt Tank!" lautet das Motto. Auch die Produzenten Regenerativer Energien werden sich in den freien Markt einordnen müssen. Es war zum Beispiel richtig, in Deutschland die Subventionierung für Photovoltaik zurückzuschrauben.

Aber wir müssen noch weiter gehen und auch weiter über den Tellerrand schauen - nach Europa. Was macht es denn für einen Sinn, Deutschland großflächig mit Solarpanels zu pflastern, und nicht etwa sonnige Südländer wie Griechenland oder Spanien? Und dann hierzulande trotzdem für eine Mindest-Kapazität an Notfall- Produktion aus fossilen Trägern zu zahlen, für Zeiten, in denen Flaute oder Bewölkung vorherrschen.

Lassen Sie mich zusammenfassen: Wir müssen den Unternehmen die richtigen Anreize und Regulierungsrahmen bieten, die nötige Infrastruktur zu schaffen. Wir müssen Vertrauen in unsere EU-Partnerländer haben für unsere eigene Energie- Sicherheit - und wir die Steuerzahler und Energiekonsumenten nicht weiterhin übergebührlich belasten. Nicht nur geografisch steht Deutschland in all diesen Bereichen im Zentrum der Anstrengungen.

1 Energiefahrplan 2050 und Grünbuch "Ein Rahmen für die Energie- und Klimapolitik bis 2030"

2 In Kraft seit Dezember 2009

3 Bis 2010 waren Transport und Energie in einer Generaldirektion zusammengelegt 

4 Beschluss des EU-Gipfels 4. Februar 2011

5 Erhöhung von 17,1 Cent je Kilowattstunde in 1998 auf 28,73 Cent je kWh in 2013. Davon sind 14,41 Cent/kWh Abgaben, EEG, KWKG etc.

6 Quelle: Eurostat 7

05.11.2013


Überragender Wissenschaftler, verdienstvoller Speyerer Mitbürger und guter Freund

Prof. Dr. Carl Böhret zum 80. Geburtstag mit eindrucksvoller Festveranstaltung geehrt

von Gerhard Cantzler

Speyer- Trotz der gerade ihrem Höhepunkt entgegen gehenden Urlaubs- und Ferienzeit war die Schar der Gratulanten, die am Dienstag am helllichten Vormittag in den Historischen Ratssaal der Stadt Speyer strömten, um in Prof. Dr. Carl Böhret den überragenden Wissenschaftler, den verdienstvollen Speyerer Mitbürger und guten Freund an seinem 80. Geburtstag zu ehren, schier endlos: Vertreter des öffentlichen Lebens, an ihrer Spitze der frühere Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thürigen, Prof. Dr. Bernhard Vogel – zugleich Nachbar des Jubilars am Speyerer Egelsee - der Präsident des Struktur- und Genehmigungsdirektion SGD Süd, Prof. Dr. Hans-Jürgen Seimetz, der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger – dazu Vertreter aus Forschung und Wissenschaft von dem aus dem fernen Japan angereisten Gelehrten Prof. Dr. Koichiro Agata bis hin zu den in großer Zahl gekommenen, früher an der renommierten Speyerer „Hochschule für Verwaltungswissenschaften“ lehrenden Professoren und ihren inzwischen selbst in führende Positionen in Wissenschaft und Öffentlicher Verwaltung eingerückten akademischen Schülern bis hin zu den aktuellen Mitgliedern des Lehrkörpers der neuerdings „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer“. Und natürlich hatten es sich auch die Adepten des „Lieblingskindes“ des Jubilars, des großen, in Speyer geborenen Universalgelehrten Johann Joachim Becher, nicht nehmen lassen, am Ehrentag des Mitbegründers und langjährigen Vorsitzenden ihrer sich ganz der Pflege des Lebenswerks Bechers widmenden, gleichnamigen „Johann Joachim Becher Gesellschaft“ JJBG im Historischen Rathaus einen dem Rang des 80jährigen Geburtstags-.“Kindes“ angemessenen Empfang auszurichten.

Nicht weniger als acht veritable Laudatoren hatten die „Becherianer“ gebeten, an diesem Tag ein möglichst umfassendes Bild „ihres Professors“ zu zeichnen – jeder auf seine Weise und jeder aus dem Blickwinkel heraus, unter dem er mit Prof. Dr. Böhret ein Stück weit seines Lebensweges gemeinsam gegangen war. Eine wundervolle, liebenswerte Idee, die noch durch den charmanten Moderator, den Stellvertretenden Vorsitzenden der JJBG und Geschäftsführer der Stadtwerke Speyer, Wolfgang Bühring - „Sie wissen schon, lieber Herr Bühring, was Sie tun könnten, wenn Sie einmal keine Lust mehr auf 'Energiewende' haben sollten?“ - . und durch die Verpflichtung des großartigen Salonquartetts „salonissiomo“ - durchweg Musiker des renommierten Mannheimer Nationaltheater-Orchesters - noch einen besonderen „Touch“ erhielt.

Und so war es auch kein Wunder, dass es sich selbst der große Johann Joachim Becher persönlich nicht nehmen liess, aus dem Jenseits einen kurzen Abstecher in das Speyerer Rathaus zu unternehmen und – in Person des prächtig kostümierten JJBG-Vorsitzenden Hans-Joachim Spengler in einer humorvollen Laudatio auf Prof. Dr. Böhret unter anderem auch die Glückwünsche „seines“ Kaisers Leopold zu überbringen.

Lesen Sie die Laudatio Johann Joachim Bechers – alias Hans-Joachim Spengler – im Wortlaut im SPEYER-KURIER

Dann war es am „Hausherrn“, Oberbürgermeister Hansjörg Eger, seine Sicht auf den Jubilar vorzutragen: Er bezeichnete dabei Prof. Dr. Böhret als eine „idelae Verbindung aus Theorie und Praxis“ und zog eine zu der Lebensleistung des Jubilars beziehungsreiche Parallele, indem er daran erinnerte, dass auf den Tag genau zehn Jahre vor Böhrets Achtzigsten im mexikanischen Puebla der letzte VW-Käfer vom Band gelaufen sei. Mit ihm habe der Jubilar als gelernter Kfz-Mechaniker und Ex-NSU-Audianer stets ein besonderes Verhältnis gehabt. „Er läuft und läuft und läuft...“ - so könne man auch den vielfältigen und unermüdlichen Einsatz Böhrets für „seine“ Stadt und ihre Hochschule/Universität beschreiben, lobte Eger.

In gleich zweifacher Funktion trat sodann SGD-Präsident Prof. Dr. Seimetz an das Laudatoren-Pult - zum einen selbst als Absolvent der Speyerer Hochschule für Verwaltungswissenschaften und Student bei Prof. Dr. Carl Böhret, der hier seinen Magister in Verwaltungswissenschaften erworben hat. Dann aber hatte er es übernommen, die Glückwünsche des früheren rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck und dessen Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Böhret vorzutragen. Beck selbst, so war zu hören, wäre an diesem Tag aus herzlicher Verbundenheit mit dem Jubilar sehr gerne selbst nach Speyer gekommen, musste aber zu der zeitgleich stattfindenden Beisetzung seines Vaters, der jetzt im gesegneten Alter von 91 Jahren verstorben ist – aufrichtiges Beileid deshalb, lieber Kurt Beck, Ihnen und Ihrer ganzen Familie.

Was Kurt Beck und Carl Böhret bis heute verbinde, so Prof. Dr. Seimetz, sei ihre durchaus vergleichbare Karriere aus einer handwerklichen Lehre heraus. Beck habe zunächst eine Lehre als Elektriker, Prof. Dr. Böhret eine als Kfz-Mechaniker absolviert, ehe sie auf unterschiedlichen Wegen ihre berufliche Laufbahn entwickelt hätten. Seit seiner Berufung an die Speyerer Hochschule im Jahr 1975 habe Prof. Dr. Böhret wesentliche Beiträge zu einer wirkungsvolleren Landesverwaltung geleistet. Als Mitbegründer und langjähriger Leiter des „Führungskollegs Speyer“ habe er viel zur Fortbildung von Führungskräften in den Verwaltungen des Bundes und der Länder beigetragen – als wissenschaftlicher Leiter der Expertenkommission zur Neuorganisation der Landesverwaltungen auch viele direkte Entscheidungshilfen für die Regierungen eingebracht.

Und schließlich habe Prof. Dr. Böhret mit der von ihm begründeten „Gesetzesfolgenabschätzung“ einen völlig neuen Blick auf die Auswirkungen neuer Gesetze eröffnet. „Carl Böhret gehörte zu den 'verborgenen' Ratgebern von Kurt Beck“, offenbarte Prof. Dr. Seimetz. Dazu habe er als Moderator viele drohende Unternehmenszusammenbrüche im Lande abwenden können - „So sind Sie bis heute ein Vorbild für viele, dessen vielfältiges Schaffen eigentlich den Rahmen einer jeden Würdigung sprengt“, attestierte der Präsident dem Professor.

Eine andere Facette dieses reichen Schaffens stellte sodann der Vorsitzende der „Johann Joachim Becher-Stiftung“, Prof. Dr. Karl-Peter Sommermann, ins Zentrum seiner Betrachtungen. Carl Böhret sei bis heute in der Lage, die von Johann Joachim Becher vorausgedachten „technischen Wunderwerke“ eindrucksvoll „zum Laufen zu bringen“ wie zuletzt bei dem heute im „J.J. Becher-Haus“ zu erlebenden „Energiekreislaufmodell“ des großen Visionärs aus dem 17. Jahrhundert.

Der Jubilar sei aber in gleicher Weise auch immer wieder im Stande gewesen, in seinem Fachgebiet, den Politischen Wissenschaften, zukünftige Entwicklungen zu antizipieren: „Politikberatung“ und „Gesetzesfolgenabschätzung“, heute fast schon alltägliche Instrumente im politischen Alltag, seien von Prof. Dr. Carl Böhret entwickelt und in die Politik implementiert worden. Dafür sei der Wissenschaftler und langjährige Geschäftsführende Direktor des Forschungsinstituts der Speyerer Hochschule zurecht mit zahlreichen bedeutenden Wissenschaftspreisen ausgezeichnet worden. Und schließlich vergass Prof. Dr. Sommermann auch nicht, auf das „wohl seiner gewerkschaftlichen Vergangenheit geschuldete“, stets um die Integration aller Gruppen an der Hochschule besorgte Wesen Prof. Dr. Böhrets hinzuweisen.

Diesen besonderen Wesenszug des Jubilars hob auch der nächste Redner, Prof. Dr. Werner Jann, heute Politikwissenschaftler an der Universität Potsdam, in seiner sehr persönlich gehaltende Glückwunschadresse hervor. Er sei Prof. Dr. Böhret in den unruhigen Jahren der „Studentenrevolte“ am OSI – dem berühmten Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin – begegnet, wo gerade um die Neubesetzung des vakanten Lehrstuhls für Politische Wissenschaften gerungen worden sei. Radikalisierte Studenten hätten damals mit Spruchbändern und roten Fahnen die Berufung des belgischen Marxisten Ernest Mandel gefordert - „Carl Böhret ist es es, zum Glück für die FU, geworden“, erinnerte sich Prof Dr. Jann verschmitzt.

Carl Böhret - weithin bekannter 'Technik-Freak' - sei damals insbesondere auch dadurch aufgefallen, dass er in seinen Lehrveranstaltungen den ersten Overheadprojektor eingesetzt habe. Doch auch durch andere akademische „Großtaten“ habe sich der Jubilar hervorgetan: So habe er auch ihn, den jungen Studenten, in die Vorbereitung und Durchführung der von ihm entwickelten Planspiele einbezogen - „und das schönste: Man bekam dafür auch noch Geld“, erinnerte sich Prof. Dr. Jann. „Carl Böhret hatte schon damals wenig übrig für die damals weit verbreitete 'Selbstausbeutung' der Studenten“. Böhret habe sich – im Gegensatz zu den sonstigen akademischen Gepflogenheiten – auch nicht in alles eingemischt, sondern seine Studenten und Mitabeiter „am langen Zügel laufen“ lassen.

Als Prof. Dr. Böhret dann im Jahr 1975 nach Speyer berufen wurde, habe er ihn, den Studenten in der Endphase seiner Ausbildung immer wieder ermahnt „endlich zum Abschlusss zu kommen“, damit er ihn an den Rhein nachholen könnte. Dies sei dann 1976 – zeitgleich mit der Einwerbung des ersten großen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierten Projektes, das Bestandteil der Berufungsvereinbarung Prof. Böhrets mit dem Land Rheinland-Pfalz gewesen sei. „Es waren zehn glückliche und unbezahlbare Jahre, die ich hier in Speyer für Prof. Dr. Böhret arbeiten durfte“ bekannte ein strahlender Prof. Dr. Jann, „wir waren ein tolles Team mit einem ganz tollen Chef“.

Prof. Dr. Carl Böhret habe immer wieder Zukunftsthemen antizipiert und z.B.schon früh über „Zeit und Zeitmanagement“ abgehandelt – heute eines der großen Themen im wissenschaftlichen Diskurs. Dabei habe er stets auf die Ausgewogenheit von Praxisrelevanz und Forschungsorientierung geachtet. Von daher habe es nicht umsonst in Speyer einen der letzten Fackelzüge in der deutschen Universitätsgeschichte für Prof. Dr. Böhret gegeben, mit dem ihn - einer alten akademischen Sitte folgend - seine Studenten ermuntern wollten, einen an ihn ergangenen Ruf an die Technische Universität Berlin abzulehnen. „Und wir hatten Erfolg“, freut sich Prof. Dr. Jann noch heute und schloss mit dem Bekenntnis: „Ich bin stolz darauf, ein Schüler von Carl Böhret zu sein“.

Eigens aus dem Urlaub in Österreich nach Speyer gekommen: Dr. Helmut Albert, Direktor des Landesamtes für Verfassungsschutz des Saarlandes und passionierter Fallschirmspriger, der gerade den legendären Weltrekord des „Weltraumspringers“ Felix Baumgartner übertroffen habe, wie Prof. Böhret später zum Amusement seiner Zuhörer kundtat – allerdings nicht in einem, sondern in der Addition der zahlreichen Sprünge in einem langen Springerleben.

„Die Liebe zu Speyer“ und die Freundschaft mit den Mitstudenten und den Dozenten, an ihrer Spitze mit Prof. Dr. Carl Böhret“, das seien für ihn die wichtigsten Erfahrungen aus, und die schönsten Erinnerungen an seine Zeit am „Führungskolleg Speyer“ geblieben. Aufgrund der Konzeption des Lehrgangs sei der Besuch dieses Führungskollegs eine lebenslang prägende Zeit für alle Teilnehmer geblieben. Prof. Dr. Böhret habe damit die bereits von Sokrates erhobene Forderung realsiert, dass „zu einem guten Lehrer vor allem auch die Kunst gehört, das eigene Wissen auch an seine Schüler zu vermitteln“.

Willi Philippe, Gründungsmitglied und Vorsitzender des Beirates von Prof. Dr. Böhrets „Lieblingskind“, der „Johann Joachim Becher Gesellschaft“ erinnerte in seinem Beitrag an die Idee des Jubilars für den Aufbau einer Gedenkstätte für den großen Universalgelehrten. Mit unendlicher Hingabe und der ihm eigenen Durchsetzungskraft habe sich „der Professor“ um Ausgestaltung und Dekoration des „J.J. Becher-Hauses“ gekümmert und immer wieder ihre Erneuerung betrieben. Durch die Präsentation zahlreicher Funktionsmodelle nach Überlegungen Bechers habe sich Prof. Dr. Böhret immer wieder mit seinem großen Vorbild Johann Joachim Becher in der Überzeugung getroffen, „dass Theorie ohne Praxis stets ungewiss bleibt“.

Letzter Redner in der Reihe der Laudatoren schließlich Dr. Christian Roßkopf, früherer Speyerer Oberbürgermeister, gemeinsam mit Prof. Dr. Böhret Mitbegründer der „Johann Joachim Becher-Gesellschaft und langjährige persönliche Freund des Jubilars. In einer sehr persönlichen Rede erinnerte er an den Beginn ihrer langen Freundschaft „über den Trollinger“, erwähnte die sie verbindenden gemeinsamen politischen Überzeugungen und ihre Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement und berichtete mit begeisternder Erinnerung an die legendären Runden im „Götz-Keller“, die stets „ohne Zielsetzung zusammen kamen, aber immer wieder mit großem Ertrag endeten“.

In zahllosen Vorträgen habe Prof. Böhret immer wieder wertvolle Impulse in die Stadt hineingetragen - als damaliger Rektor der Verwaltungshochschule die 2000-Jahr-Feier Speyers massgeblich mit gestaltet. „Ich bin nicht sicher, ob die Speyerer Hochschule – heute Universität – ohne Carl Böhret überhaupt noch bestehen würde“, so der frühere Oberbürgermeister.

Ihre Freundschaft, so Dr. Roßkopf, gründe sich auf die vielen Übereinstimmungen in sachlichen Fragen – dennoch würde er sich noch ein öffentliches Streitgespräch mit dem Jubilar über all die Fragen wünschen, in denen sie unterschiedlicher Auffassung seien. Dazu zähle er - so Dr. Roßkopf halb ernst-, halb scherzhaft - das Talent Prof. Dr. Böhrets als „Schnellfahrer“. Jedenfalls erinnere er sich bis heute an eine gemeinsame Fahrt mit dem Professor, der, wie man bei dieser Gelegenheit erfuhr, wohl früher eine gewisse Zeit sogar als Testfahrer für AUDI unterwegs gewesen sei, die Dr. Roßkopf mit einem inbrünstigen Dankgebet dafür beendet habe, dass alles gut gegangen sei.

„Freundschaft lebt in einem gewissen Spannungsfeld – und aus dieser Spannung erwächst immer wieder neue Ernergie“, schloss Dr. Roßkopf seine berührende Ansprache. Und in diesem Sinne wünsche er sich und dem guten Freund Carl Böhret noch viele gemeinsame Momente voller neue Energie spendender Spannung.

Den so umfänglich skizzierten Jubilar würdigte schließlich Moderator Wolfgang Bühring als einen Menschen, „der ansteckt, weiterzudenken“. Dies habe sich in allen Ausführungen dieses Vormittages eindrucksvoll bestätigt

In gewohnt lebhafter, blitzschnell argumentierender Weise bedankte sich Prof. Dr. Böhret dann in humorigen Worten für die vielen Überlegungen die sich so viele Menschen aus Anlass seines Geburtstages über ihn gemacht hätten: „Ich habe heute ganz neue Seiten an mir kennengelernt“, attestierte er den Rednern und bedankte sich bei den Initiatoren dieser Feier, vor allem bei JJBG-Vorsitzendem Hans-Joachim Spengler und seinem „Vize“ Wolfgang Bühring. Dann aber dankte er auch noch einmal den Gründern der Gesellschaft – neben ihm selbst Dr. Christian Roßkopf und der frühere Unternehmer Hermann Wagner.

Dank sagte er aber auch seinem Schwager, dem KünstlerGerhard Maier-Ridaud, der ihn zu diesem Tag mit einem Porträt überrascht hatte, das während der Dauer der Festversammlung hinter dem Rednerpult den Laudatoren beziehungsvoll über die Schultern blickte. „Wo hängen wir das denn hin?“ fragte Prof. Dr. Böhret in die Runde und gab sich dann auch gleich selbst die Antwort: „Das kommt natürlich ins 'Becher-Haus'“, bestimmte er, wie immer kurz entschlossen – wo sonst?.

Mit einem Zeitsprung in das Jahr 1953 ließ der Professsor dann den Mechanikerlehrling Carl Böhret vor dem geistigen Auge der Gäste aufscheinen, der dabei war, als bei NSU in Neckarsulm der erste „Lebenstakt“ einer „NSU-Quickly“ erklang, der zugleich der Auftakt gewesen sei für eine breit angelegte Mobilität der Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Auch erhabe damals so ein Gefährt besessen und damit seine Freundin und heutige Ehefreu beeindruckt.

Und deshalb verband der Jubilar mit einem weiteren Bezug zur Technologie, zur Physik - mit einem Bezug zum „Doppel-Helix“ - eine Liebeserklärung an seine Frau Christel – das einzige mal, dass dem sympathischen, überaus agilen Achtziger dann doch einmal sein wichtigstes Instrument, die Stimme, kurz den Dienst zu versagen drohte. Doch ein Gedicht von Walter von der Vogelweide brachte seine an diesem Tag ohnedies „Achterbahn“ fahrende“ Gefühlswelt dann wieder ins Gleichgewicht und ließ ihn überleiten zum zweiten, zum geselligen Teil dieser großartigen Würdigung, die – typisch für den Jubilar – so viele Menschen wieder einmal zusammen brachte, die sich lange nicht getroffen hatten. Er ist halt auch ein begnadeter Kommunikator, der beliebte Prof. Dr. Carl Böhhret, dem auch der SPEYER-KURIER noch viele Jahre bei bester Gesundheit und ungebrochener Schaffenskraft.wünscht. Foto: gc

01.08.2013


Rede von Hans-Joachim Spengler zum 80sten Geburtstag von Herrn Prof. Carl Böhret

Hohe Festversammlung!

Es ist ganz schön beschwerlich für einen 378jährigen, wieder in seine Geburtsstadt zu reisen.

Aber allein durch die Ansicht des Salierdomes und der großartig und schön wieder aufgebauten Stadt, die sich heutzutage  so lebendig und aufgeschlossen zeigt, bin ich für all meine Mühsal und Strapazen schon belohnt.

Dank meiner Fan-Gemeinde hier wurde es mir auch leicht gemacht, mich in meiner Heimatstadt nach so langer Zeit wieder zurechtzufinden; überall bin ich an meine Jugend – die schönste Zeit in meinem Leben - erinnert worden.

Ich kam durch die Becher-Straße, blickte auf das Becher-Haus im Judenhof  und meine Büste von dem Künstler Spitzer, besuchte die Bildungsstätte  Johann Joachim Becher-Schule und konnte sogar eine Erinnerungstafel an meine Lebens-Leistungen am Haus neben der Dreifaltigkeitskirche bewundern.

Einen Dank und Gruß an die Bürger, besonders den Dominus Major Herrn Hansjörg Eger, den ich hier in der ersten Reihe unter den Festgästen erblicke.

Nun stehe ich vor einem illustren Kreis an Geburtstagsgästen, die teilweise bis von Tokio angereist sind, um mit mir meinen Kollegen der Wissenschaft zu seinem Geburtstag zu beglückwünschen.

Lieber Herr Professor Böhret,

ich möchte Ihnen zu Ihrem heutigen Jubeltag recht herzlich gratulieren und alles Glück der Welt wünschen.

Auch von meinem Dienstherrn Kaiser Leopold soll ich Ihnen zurufen: „Fortuna dies natalis - Happy birthday to you, lieber Herr Professor“.

Um die überaus große Wertschätzung Ihrer Person, lieber Herr Prof. Böhret, zum Ausdruck zu bringen, hat das  Kommerzkollegium der kaiserlichen Erblande  - es tagte über uns - beschlossen,  Sie  zu Ihrem Geburtstag in die Ruhmeshalle der Politik- und Wirtschafts-Wissenschaftler aufzunehmen. Ihr Platz ist dort ab sofort an meiner Seite.

Sie haben mit Ihrer Arbeit meine Spuren in der Wissenschaft vertieft und sichtbar verlängert.

Mit Ihren Forschungsschwerpunkten von der politischen Theoriebildung über die Regierungslehre, die Staatsformen und Verwaltungsmodernisierung bis zur Policy Analyse und Folgenforschung haben Sie meine Arbeiten als erster deutscher Volkswirt mit Erfolg weiter geführt. Besonders erwähnenswert finde ich Ihr Handbuch der Gesetzesfolgeabschätzung, mit dem man den Beweis antreten kann, dass meine Theorien, die ich in meinem Buch „Politischer Diskurs“ veröffentlich habe, für die damalige Zeit richtig und erfolgreich waren.

Die Politik- und Wirtschaftswissenschaft ist auch Ihre große Leidenschaft. Sie hat Sie auch an den Hof von Mainz geführt, dem Ausgangspunkt auch meiner Geschäftigkeit.

Ich durfte den Kurfürst Johann Philipp von Schönborn beraten, Sie lieber Herr Böhret den Ministerpräsidenten des Landes Rheinland Pfalz, Herrn Kurt Beck. Er hat mir berichtet, dass er Ihnen gerne persönlich gratuliert hätte, musste leider seine Teilnahme an der Feier wegen eines Trauerfalls in der Familie absagen. Sein Hofstaat wird heute von Prof. Seimetz präsentiert, dem ich ebenfalls meinen besonderen Gruß entbiete.

In Ihrer frühen Jugend hat Sie die Technik bei NSU in Anspruch genommen, und ich hoffte, dass Sie den in meinem Buch „Närrische Weißheit und weise Narrheit“ angedachten Erfindungen zur Umsetzung verhelfen würden. Daraus wurde leider nichts, so erging es auch der Chemie und Medizin. Ein Trost für mich ist die Gewissheit, dass Sie Gott sei Dank mein Medizin-Buch „Kluger Hausvater“ in Ihrem Bücherschrank haben und so für alle Wehen und Schmerzen auf meine Rezepte zurückgreifen können.  Diese werden Sie in die Lage versetzen, gesund zu bleiben und in den noch vor Ihnen liegenden Jahren die genannten Versäumnisse aufzuholen.

Mich nannte man den Vielwisser Becher, und ich nenne Sie den Vielwisser Böhret und das ist unsere Seelenverwandtschaft. Wie ich haben Sie die brennenden Themen der Zeit erkannt und dazu praktikable Lösungsvorschläge gemacht. Ihr Vorteil war, dass Sie aus meinen Fehlern lernen und auf meinem Wissen aufbauen konnten.

Meine Zeit-Kollegen, wie u. a. Thomas Hobbes, John Locke, Samuel Pufendorf oder Gottfried Wilhelm Leibniz sind in der Literatur etwas besser weggekommen als meine Person.

Ich hätte mich, wie Sie, mit der Chaosforschung beschäftigen sollen, dann hätte ich bestimmt viele Katastrophen, durch die Folgeabschätzung, vermeiden können und Kaiser und Kurfürsten hätten bestimmt für mein Alter eine Apanage bewilligt.

Aber das ist der Schnee vom 17. Jahrhundert, heute haben wir in Speyer die Johann Joachim Becher-Gesellschaft, die meine Lebensleistungen publiziert und meine Gedanken beim Austausch zwischen Politik, Verwaltung, Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft einbringt, so dass ich wieder präsent bin. Präsent – der US-Geheimdienst NSA hat selbstverständlich auch die JJBG-Homepage gefilzt und festgestellt, dass meine Person über 60.000-mal angeklickt worden ist, kein Wunder, in all meinen Schriften ist das Wort „30jähriger Krieg“ erwähnt.

Mit Stolz habe ich vernommen, dass man 1991 zu Speyer eine Gesellschaft mit meinem Namen gegründet hat. Selbstverständlich hatte mein „Seelenfreund“ dazu die Idee und 17 Gründungsmitglieder haben sie umgesetzt. Im Jahre 1997 wurde zur Ergänzung die JJB-Stiftung ins Leben gerufen.

In meiner Zeit hat man Bücher verfasst oder Eingaben und Depeschen geschrieben,

heute bei den Becheranern, sehe ich, gibt es zu den aktuellen Themen der Zeit eine Schriftenreihe, zurzeit 30 Bände, periodisch erscheinende Informationsschriften, Seminare, Fachvorträge und Gruppenarbeiten und monatliche Themenstammtische.

Ich stelle fest, Böhrets Ideen und Visionen haben die Becher-Gesellschaft entscheidend geprägt und haben dafür gesorgt, dass mein Name in Speyer, in Deutschland, in Europa und der Welt wieder aktuell ist.

Dafür meinen großen Dank.

Nun, verehrte Anwesenden, ist es an der Zeit, mich wieder in die Vergangenheit zurück zu ziehen. Ihnen allen wünsche ich eine schöne Geburtstagsfeier. Ich bedanke mich, dass ich dabei sein konnte und Sie dürfen gespannt sein, was Sie über Begegnungen des Jubilars mit Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Lehre, Wirtschaft und Freundschaft noch alles erfahren werden.

Danke, dass Sie mir Ihr Ohr so lange geschenkt haben.

01.08.2013


Dr. Rahel Schomaker hält Antrittsvorlesung als neue Privatdozentin an der Deutschen Universität

Speyer- Am Abend des 10. Juli 2013 hielt Dr. Rahel Schomaker ihre Antrittsvorlesung als neue Privatdozentin der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer und schloss damit offiziell ihr Habilitationsvefahren ab. Zuvor war zunächst ihre Habilitationsschrift zum Thema „Characteristics and Institutional Determinants of Economic Performance in the Middle East and North Africa“ von den Professoren Knorr und Mühlenkamp positiv begutachtet worden, bevor sich Schomaker vor dem Senat der Universität einer Probevorlesung zum Thema „Artikel 33 Abs. 5 Grundgesetz, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Probleme des Streikrechts im Öffentlichen Dienst“ und einem sich anschließenden wissenschaftlichen Probekolloquium stellte.

Schomaker hatte bereits 2008 nach Abschluss ihres Studiums der Wirtschaftspolitik, Politikwissenschaft und Islamwissenschaft/Arabistik sowie der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Münster mit einer Dissertation zum Thema „Public Private Partnerships in der Siedlungswirtschaft - Potentiale und Bestimmungsfaktoren für den Nahen Osten und Nordafrika" promoviert und im gleichen Jahr ihre wissenschaftliche Laufbahn an der Universität Speyer und am Deutschen Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung begonnen. Ihre Forschungen widmete die ausgewiesene Nahost-Expertin bislang den Komplexen Privatsektorbeteiligung, Regulierung und Wettbewerb, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Europäische Integration und Europäische Wirtschaftsbeziehungen, Islam, Islamismus und Terrorismus sowie Politik und Wasser im Nahen Osten/Nordafrika. Umfangreiche Lehrerfahrungen sammelte sie außerhalb Speyers auch an der Universität Münster, an der Hochschule Pforzheim, der Württembergischen Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Stuttgart und an der staatlichen Universität Rjazan, Russland. Forschungsaufenthalte führten sie an die PennState University und zur Weltbank. Im März 2013 war sie mitverantwortlich für die Organisation einer vielbeachteten internationalen Konferenz zu den Chancen und Herausforderungen des „Arabischen Frühlings" am Speyerer Forschungsinstitut, auf der neben allgemeinen wirtschaftlichen Problemen der Volkswirtschaften des Nahen Ostens und Nordafrikas auch Fragen der Qualität der politischen Institutionen, Sicherheits- und Handelsfragen sowie Umweltaspekte erörtert wurden. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, welche Auswirkungen durch die Umbrüche im Nahen Osten für die Staaten der EU und die künftigen Beziehungen im Rahmen der Euro-Mediterranen Zusammenarbeit zu erwarten sind.

Ihre Antrittsvorlesung widmete Schomaker der Fragestellung „Der Islam in Staat und Wirtschaft“. Anhand zahlreicher ökonomischer Faktoren beleuchtete sie zunächst die wirtschaftliche Situation der islamischen Welt, deren Staaten wirtschaftlich gesehen dem Mittelfeld der Staatengemeinschaft zugerechnet werden können und die auch in der aktuellen Krise zumeist über ein recht stabiles Wirtschaftswachstum verfügen. Schomaker zeigte auf, dass sich die sich aus dem islamischen Zinsverbot ergebenden risikoarmen Anlageformen in der gegenwärtigen Finanzkrise als deutlich wertstabiler erwiesen hätten als die meisten westlichen Investitionsformen. Überraschend legte sie dar, dass selbst in Ländern wie den USA oder Großbritannien „Islamic Banking“, d. h. den islamischen Vorschriften entsprechenden Investitionsformen einen nicht unerheblichen Marktanteil erreicht haben.

Diesen übersehbaren Vorteilen islamischen Wirtschaftens stellte Schomaker dann die negativen Folgen entgegen, die sich gesamtwirtschaftlich aus der Ungleichbehandlung von Mann und Frau ergeben. Die frappierend niedrige Erwerbstätigenquote von Frauen schade der wirtschaftlichen Entwicklung islamischer Staaten deutlich, so die Referentin. An dieser Stelle wagte sie einen vergleichenden Blick auf entsprechende Passagen von Koran, Bibel und Thora und zeigte auf, dass diesbezüglich Ähnlichkeiten bei allen drei monotheistischen Religionen bestehen. Im Anschluss an den Vortrag konnte der Rektor der Universität Dr. Schomaker ihre Ernennungsurkunde zur Privatdozentin mit der Lehrbefugnis für „Volkswirtschaftslehre sowie Verwaltungswissenschaft“ verleihen. Text und Foto: DUV

12.07.2013


Für mehr Transparenz, faireren Wettbewerb und einen offeneren Dialog

BASF Spitzenmanager Dr. Martin Brudermüller mit spannendem Vortrag zur Semester-Eröffnung an der Deutschen Universität für Verwaltunbgswissenschaften in Speyer

Von Gerhard Cantzler

Speyer- Mit einem überaus engagierten Plädoyer für noch mehr Offenheit von Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland gegenüber dem Riesenreich China und seinen Befindlichkeiten hat jetzt der Stellvertretende Vorstandsvorsitzende der BASF SE und China-Sprecher der Deutschen Wirtschaft, Dr. Martin Brudermüller, das Sommersemester 2013 an der Deutschen Unversität für Verwaltungswissenschaften in Speyer eröffnet. Kenntnisreich und mit vielen Details zeigte er dabei Wege auf, wie die westlichen Zivilisationen die „Herausforderung China“ positiv annehmen und den „historischen Ambitionen“ des in langen Zeiträumen denkenden chinesischen Gesellschaftssystems gerecht werden können.

Dazu unternahm Brudermüller zunächst einen kurzen historischen Exkurs, erinnerte daran, dass China zu Beginn des 19. Jahrhunderts die mit weitem Abstand führende Volkswirtschaft weltweit gewesen sei - führend in Wissenschaft und Technologie. Dann aber habe England das Kaiserreich China unterworfen und durch die Verbreitung von Opium zu Boden gezwungen. In dieser Phase seiner Geschichte habe das Land schwerste Demütigungen ertragen müssen, Erfahrungen, die sich unter der japanischen Okkupation, wenn auch mit anderen kulturellen Vorzeichen, fortsetzten. „Dies alles hat die Saat für die Große Revolution Map Tsedongs gelegt“, betonte Dr. Brudermüller, der mit wenigen weiteren Zahlen den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Chinas nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlichte: Habe das Land im Jahr 1950 noch lediglich 5 % der Weltwirtschaft repräsentiert, so werde dieser Anteil bis 2015 auf 20% und bis 2020 voraussichtlich schon auf 25% der Weltwirtschaftsleistung ansteigen. „China will zurück auf seinen früheren, angestammten Platz in der Weltwirtschaft“, betonte der Referent. Das Land fühle sich bis heute um sein großes Erbe bestohlen. Dieses Gefühl habe auch den spürbaren Nationalismus in dem Land nach sich gezogen

Die Machtübernahme durch Deng Xiaoping im Jahr 1978 habe einen Wendepunkt in der Entwicklung Chinas markiert, indem er einen „Sozialismus mit chinesischem Antlitz“ prägte. Jetzt beobachte man gespannt den erneuten Wechsel an der Spitze des Riesenlandes. „Der Machtkampf hinter den Kulissen war jedenfalls weitaus heftiger, als nach außen hin sichtbar wurde“,so Dr. Brudermüller, der seinen Dienstsitz in Hongkong hat. In einer Kultur, in der vieles durch Symbolik ausgedrückt werde, so betonte er, sei es bezeichnend gewesen, dass sich der neue „erste Mann“, im Staate, Xi Jinping – anders als sein Vorgänger, der sich an Mao Tsedong orientierte - nach seiner Ernennung auf die Spuren von Deng Xiaoping gemacht habe. „Das war eine klare Botschaft - ich bin ein Reformer“, stellte der China-Experte fest.

Das neu aufgestellte Machtgremium der Kommunistischen Partei sei außerordentlich gut ausbalanciert, hob er hervor - der von diesem Gremium aufgestellte 12. Fünf-Jahresplan, der mit der dem Begriff „Transformation“ überschrieben sei, solle das Land sozial gerechter machen und den Umweltschutz deutlich verbessern.

Als die größten Herausforderungen der Zukunft nannte Dr. Brudermüller die Urbanisierung des Landes – 50% der Chinesen leben bereits heute in Städten, bis zum Jahr 2030 würden weitere 300 Millionen Menschen dazu kommen. Diese Veränderung sei nur mit gewaltigen innovationen zu lösen.

Eine andere Herausforderung sei das gegenwärtige Abflauen des Wirtschaftswchstums in dem Land, das im 1. Quartal 2013 nur noch 7 % betragen habe. Diese Phase müsse dazu genutzt werden, so Dr. Brudermüller, die mit dem überbordenden Wachstum der jüngsten Zeit einher gehenden Kollateralschäden an Umwelt und Gesellschaft zu stoppen und die allgegenwärtige Korruption zu bekämpfen.

Hinzu komme die rasch zunehmende Überalterung der Bevölkerung, die insbesondere der „Ein-Kind-Politik“ der Vergangenheit geschuldet sei. Bis zum Jahr 2050 würden 450 Millionen Chinesen älter als 65 Jahre sein – zwei arbeitende Chinesen müssten dann einen Rentner ernähren. Dafür müssten die Sozialsysteme dringend umgebaut und zukunftsfähig gemacht werden.

Die größte Herausforderung liege aber in den Umweltschäden, die das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre nach sich gezogen habe. Die Chinesen, die weltweit den niedrigsten Pro-Kopf-Verbrauch beim Trinkwasser hätten, begönnen jetzt, diese Entwicklung zu begreifen und artikulierten mehr und mehr ihre diesbezüglichen Ängste. Als eindrucksvolles Beispiel nannte Dr. Brudermüller die Luftmessungen vom 12. Januar 2013, als in Peking das 23fache des für den Menschen als schädlich detektierten Schadstoffgrenzwertes ermittelt worden sei. Die Folge davon sei ein dramatischer Anstieg der Protestdemonstartionen von 9.000 im Jahr 2011 auf 180.000 im Jahr 2012 gewesen. Es sei deshalb derzeit die wohl größte Sorge der Politik, dass sie die Kontrolle über ihre Bevölkerung verlieren könnte.

In dieser Situation raten Experten wie Dr. Brudermüller der chinesischen Regierung ebenso wie den in China tätigen Unternehmen, in einen offenen Dialog miteinander einzutreten. „Die chinesische Regierung muss insbesondere im Umgang mit der Presse relaxter werden“, empfahl er. „Wir müssen mehr miteinander und weniger übereinander reden, wenn wir das negative Chinabild überwinden wollen“, so sein Monitum nach beiden Seiten.

Die Ängste, die im Westen gegenüber China herrschten, seien weitgehend unbegründet, stellte Dr. Brudermüller fest. Ein Blick auf die Entwicklung in Japan der 1970/80er Jahre lasse erkennen, wohin jetzt auch die Entwicklung in China ziele. „Damals fürchtete der Westen, die Japaner würden durch ihre Methoden technologischer Plagiate und Kopien unsere Wirtschaft 'plattmachen'“, erinnerte er. Inzwischen habe sich dieses Land längst zu einem gleichrangigen Partner in Entwicklung und Innovation „gemausert“. „Und so wird es in China auch kommen“, zeigt sich Dr. Brudermüller zuversichtlich. „Dazu müssen wir aber auch unsere eigenen Chancen nützen und vor allem respektvoll und wertschätzend miteinander umgehen“. Natürlich werde China auch zukünftig das „Wachstumsmonster“ in Asien bleiben, betonte er, denn in allen Wirtschaftszweigen werde China auch weiterhin die Hälfte der asiatischen Potentiale darstellen - in manchen gar zwei Drittel. „Asien wird, wie seit Jahrtausenden, auch zukünftig von China dominiert bleiben“.

Wenn man bereit sei, diese Rahmenbedingungen zu akzepieren, könnten gerade Deutschland und China sehr gut komplementär miteinander umgehen. Beide Kulturen – die deutsche wie die chinesische – seien außerordentlich Technologie-affin und in der Problemdiskussion sehr direkt. Für China habe Deutschland in der Zusammenarbeit mit Europa absoluten Vorrang, auch wenn sich das Handelsverhältnis in der letzten Zeit kontinuerlich zu Gunsten voin Deutschland verschoben habe.

Eine weitere Parallele: Heute hänge jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland direkt vom Export ab – in China sei diese Quote inzwischen auch schon beinahe erreicht – und: das Lohnniveau im „Reich der Mitte“ steige jährlich um etwa 11% an. Damit wachse aber auch die Innovationskraft Chinas, die Dr. Brudermüller an den Aufwendungen für Forschung festmachte: Denn gebe Deutschland derzeit ca. 2,4% seines Bruttoinlandsproduktes BIP für Forschung aus, so seien das in China inzwischen ebenfalls schon 1,7%. Nur Israel, derzeit forschungsintensivste Nation der Welt, sei hier mit 4,2% seines BIP noch aktiver.

Die BASF habe vor 18 Monaten die 180 forschungsintensivsten Unternehmen weltweit näher untersucht, so berichtete Dr. Brudermüller und dabei festgestellt, dass immer mehr von ihnen „von Westen nach Osten wandern“. Vieles von dem, was sich China an Hochtechnologie aus dem Westen ins Land holte, habe man inzwischen dank eigener Forschung und Entwicklung optimiert und den eigenen Bedürfnissen angepasst. Als Beispiel dafür nannte er die Hochschwindigkeitzüge, die nach einem kürzlich erfolgten Lückenschluss in China eine 2.200 Kilometer lange, durchgehende Strecke befahren könnten. „Hier hat China die westliche Technologie weiterentwickelt“, erläuterte der Referent. Heute seien 70% der dafür eingesetzten Technologien in China entwickelt worden – China halte heute alle Weltrekorde im Zusammenhang mit dieser Form der schienengebundener Hochgeschwindigkeitstechnologie.

Als einen weiteren Aspekt sprach Dr. Brudermüller dann auch die zunehmende Globalsisierung chinesischer Firmen an, die gerade auch in Deutschland noch immer mit großer Skepsis verfolgt werde. „Käufe sind aber auch in Deutschland nur dann möglich, wenn jemand bereit ist, sein Unternehmen und sein Know-how zu verkaufen“, betonte der Redner, der als Beispiel die Übernahme des schwäbischen Betonpumpenbauers Putzmeister durch den chinesischen Sany-Konzern erwähnte.Hier habe sich zum Vorteil beider Firmenteile eine Zusammenarbeit entwickelt: Putzmeister baue die hochwertigen, teuren Maschinen, Sany die niedrigpreisigen – so habe man jetzt für jeden Anspruch etwas im Portfolio.

Deutschland müsse deshalb seine Märkte offener machen, weil die Chinesen ständig überlegten, wo sie investieren könnten: In Deutschland oder in anderen Teilen der Welt wie in den USA oder in Brasilien. „Gefühlsmäßig würden sie allerdings lieber nach Deutschland gehen, denn deutsche Techologien haben immer noch den besten Ruf in der Welt. Doch wenn sie sich bei uns eine Abfuhr holen, denn gehen sie halt in andere Länder“, fürchtet Dr. Brudermüller.

Der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft kämpfe deshalb für mehr Transparenz, einen faireren Wettbewerb und einen offenen Dialog. „Denn die Chinesen brauchen uns nicht, aber wir brauchen China“, so der BASf-Spitzenmanager. Als einen kleinen, aber wesentlichen Schritt zum besseren gegenseitigen Verstehen empfahl er zum Abschluss seines Referates, an deutschen Schulen Chinesisch zumindest als Wahlfach anzubieten.

In der sich anschließenden, lebhaften Diskussion betonte Dr. Brudermüller, dass es inzwischen auch in der Kommunistischen Partei Chinas Pluralität der Meinungen und sogar zwischen den Provinzen gebe. Zur Frage der Menschenrechte stellte der Referent dar, dass die Wirtschaftsunternehmen diese Frage auch regelmäßig zum Gegenstand ihrer Gespräche mit den politisch und wirtschaftlich Handelnden machten. „Dieser Dialog findet ständig statt – auch wenn er außerhalb der Öffentlichkeit geführt wird“, betonte er, denn nichts sei für einen Chinesen schlimmer, als ihn in aller Öffentlichkeit und vor Dritten auf seine Fehler anzusprechen und ihn so bloßzustellen.

Ungewohnt lang anhaltender Beifall zeigte dem Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, der zu Beginn dieses überaus spannenden und anregenden Abends den Referenten eingeführt hatte, dass er mit der Wahl des Redners „ins Schwarze“ getroffen hatte. Und auch die große Zahl der Besucher dieses Semester-Eröffnungsabends – unter ihnen auch die Landtagsabegordneten Friederike Ebli (SPD), Speyer und Dr. Rosa Grünstein (SPD), Altlußheim – zeigten, dass dieses Thema die Menschen auch in Speyer bewegt.

Jedenfalls gab der Vortrag den Zuhörern anschließend noch reichlich Gelegenheit, bei Wein und Brezeln dieses für die Zukunft von Wirtschaft und Gesellschaft auch in Deutschland so bedeutenden Thema noch ausführlich zu besprechen. Foto: gc

Lesen Sie hierzu auch einen EINWURF von Gerhard Cantzler

18.05.2013


Einwurf

Open your mind“ - ein Plädoyer für mehr Offenheit gegenüber China und den Chinesen

Von Gerhard Cantzler

In Speyer und in der Region gibt es sie längst – die Verfechter einer größeren Offenheit gegenüber China, das vielen von uns aus Zeiten des „Kalten Krieges“ noch immer als das „Reich des Bösen“ im Nacken seitzt. Mit seinem ebenso engagierten wie schlüssigen Vortrag hat Dr. Martin Brudermüller jetzt hoffentlich auch dem letzten Gegner einer stärkeren Annäherung an China und an seine seit Jahrtausenden kulturell höchst entwickelten Menschen die Augen geöffnet – hat ihm gezeigt, dass die Chinesen die Freundschaft und Zusammenarbeit mit uns Deutschen über alles stellen.

Natürlich – und das war an diesem Abend auch wichtig zu erwähnen – es waren Europäer, die einst dieses hochzivilisierte Volk der Chinesen in den kulturellen Abgrund stürzten, indem sie es zu einer bis dahin beispiellose Abhängigkeit von Rauschgift, von Opium verführten und damit die Saat legten für die so blutige Revolution eines Mao Tsedong nach dem Zweiten Weltkrieg.

Wir Europäer, und speziell wir Deutsche, neigen immer wieder dazu, das Handeln der Menschen in anderen Gesellschaften an unseren Grundsätzen messen zu wollen. Vielleicht wäre es aber besser, sich auch einmal konstruktiv mit dem auseinaderzusetzen, was die Werte anderer ausmacht. Denn wenn sich eine Kultur mit ihrem Wertegerüst über mehr als 6.000 Jahre behaupten konnte, dann kann sie nicht wirklich schlecht sein, auch wenn sie in der jüngeren Vergangenheit nach unserem Verständnis in Sachen Menschenrechte auch eimal „über die Stränge geschlagen“ hat. Hier haben gerade wir Deutschen vor der Geschichte wenig Grund, anderen Völkern den Spiegel vorzuhalten – auch unsere Geschichte war nicht durchgängig und uneingeschränkt „edel“.

Deshalb folgen wir dem Rat des China-Kenner Martin Brudermüller: „Open your mind“, sagt man auf Englisch und meint damit, dem anderen, dem Fremden gegenüber seinen Geist und sein Herz zu öffnen: Dann dürfen wir uns auf viele schöne und gute Begegnungen und Überraschungen freuen – nicht nur auf der wirtschaftlichen Ebene.

Transparenz – Kooperation – Partizipation: Handlungsprinzipien der Zukunft für Bürger und Verwaltung

Ministerpräsidentin Malu Dreyer kündigt neues Transparenzgesetz und "Landesrat für digitale Entwicklung und Kultur" an

spk./rlp. Speyer. Eine breit angelegte öffentliche Diskussion darüber, wie die digitale Welt die Gesellschaft verändert und welche ethischen und moralischen Fragen und Aufgaben sich daraus ergeben, will jetzt die rheinland-pfälzische Landesregierung auf den Weg bringen.Das kündigte heute Ministerpräsidentin Malu Dreyer beim 2. Speyerer Forum zur Digitalen Lebenswelt an. Dazu wolle die Landesregierung einen „ständigen Landesrat für digitale Entwicklung und Kultur“ ins Leben rufen und unmittelbar an die Staatskanzlei anbinden. Ihm sollen nach Aussagen der Ministerpräsidentin Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft angehören.

In ihrer Rede vor dem Forum in der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer betonte sie ihr politisches Ziel einer „wirklichen Bürgergesellschaft“ und sprach sich für mehr Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den politischen Entscheidungsprozessen aus. „Bürgergesellschaft bedeutet für mich ein Mehr an Beteiligung und Mitsprache - Bürgerbeteiligung belebt das Demokratische Gemeinwesen und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Dadurch ist sie zugleich auch eine grundlegende Voraussetzung für mehr soziale Gerechtigkeit“, so die Ministerpräsidentin.

Grundlegende Bestandteile von Partizipation seien Transparenz und Kommunikation. Das bedeute, dass staatliches Handeln transparenter werden müsse. „Unsere Demokratie braucht mündige und gut informierte Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen einen Kulturwandel im Denken und Handeln der Verwaltung. Politik muss sich stärker öffnen, sich erklären, ihre Vorhaben und Entscheidungsgrundlagen nachvollziehbarer und verständlicher machen“, sagte die Ministerpräsidentin, die auf das geplante Transparenzgesetz verwies.

Nur offen dargelegte Vorhaben und Entscheidungsgrundlagen könnten eine gesellschaftliche Akzeptanz gewinnen. Dreyer: „Ein weiterer, besonders wichtiger und erforderlicher Schritt zur Verwirklichung dieses Ziels ist es, den Bürgerinnen und Bürgern einen leichteren Zugriff zu mehr Informationen aus den Verwaltungsprozessen zu geben. Schon mit dem 2009 in Kraft getretenen Landesinformationsfreiheitsgesetz hat das Land Rheinland-Pfalz einen allgemeinen und umfassenden Anspruch auf Zugang zu Informationen der Landes- und Kommunalverwaltungen geschaffen“. Als einen anderen Schritt dazu verwies Dreyer in diesem Zusammenhang aber auch auf das seit kurzem bestehende „Open-Government-Portal Rheinalnd-Pfalz“ im Internet, auf dem Bürgerinnen und Bürger eingehende Informationen zu aktuellen Fragen der Landespolitik abrufen könnten.

Während das Informationsfreiheitsgesetz vorsehe, dass Bürgerinnen und Bürger auf Nachfrage Informationen erhalten, solle das neue Transparenzgesetz Regelungen treffen, dass die Verwaltung ihre Informationen in definierten Grenzen proaktiv zur Verfügung stellten, so dass der Bürger jederzeit Zugriff darauf habe. „Die vorgesehenen Änderungen sind weit mehr als nur technischer Natur. Sie sollen einen Kulturwandel im Staat, speziell in der Verwaltung, bewirken“, betonte die Ministerpräsidentin. Malu Dreyer weiter: „Nicht mehr die Bürgerinnen und Bürger sollen bei der Verwaltung beantragen müssen, welche Informationen sie aus den Verwaltungsprozessen erhalten möchten, sondern die Verwaltungen stellen Informationen, deren Veröffentlichung keine rechtlichen Bedenken oder sonstige zwingende Gründe entgegenstehen, von sich aus zur Verfügung und setzen dazu vorrangig auf IT-gestützte Verfahren und Zugänge über das Internet“. Dreyer warnte allerdings gleichzeitg davor, ein solches Gesetz als Angriff auf die Verwaltung mißzuverstehen.

Mit Blick auf die sogenannten „Off-Liner“ erinnerte die Ministerpräsidentin schließlich aber auch daran, dass auch diese „Internet-fernen“ Bürgerinnen und Bürger über die Intensivierung der Internet-Nutzung nicht vergessen werden dürften.

Zuvor schon hatte der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit in Rheinland-Pfalz, Edgar Wagner, darauf verwiesen, dass heute bereits drei von vier Deutschen das Internet aktiv nutzten. Dabei sei die Gruppe der 14 – 39 jährigen bereits zu nahezu 100% im Netz aktiv – für die „Netz-Fernen“ konnte er eine unmittelbare Korrelation zu Bildungsstand und wirtschaftlichen Verhältnissen ausmachen: „Bei den höheren Bildungs- und Einkommensschichten zeigen entsprechende Untersuchungen eine höchst signifikante Beteiligungsbereitsschaft für Aktivitäten im Internet auf“, so berichtete Wagner.

Um so wichtiger sei es deshalb, Schülerinnen und Schüler möglichst frühzeitig auf einen verantantwortungsvollen Umgang mit diesem neuen Medium vorzubereiten. „Bereits die herkömmliche Demokratie ist schon kompliziert und anspruchsvoll genug“, stellte Wagner fest, „um wieviel komplexer ist da erst die 'digitale' Demokratie?“, so seine durchaus zum Nachdenken anregende Frage.

Der Datenschutzbeauftragte warnte in diesem Zusammenhang auch vor einer zunehmend zu beobachtenden „Digitalen Convenience“ - einer Form der „digitalen Bequemlichkeit“, die Nutzer dazu verleite, nur noch „auf ausgetretenen Pfaden“ durch die digitale Welt zu gehen. „Experten befürchten hier eine sich zunehmend fragmentierende Öffentlichkeit, deren Teile dann die Fähigkeit verlieren könnten, miteinander zu kommunizieren.

In einer abschließenden Fragerunde wollte u. a. Univ.-Prof. Dr. Hermann Hill - gemeinsam mit Edgar Wagner und Univ.-Prof. Dr. Mario Martini Wissenschaftlicher Leiter des Forums - von Malu Dreyer wissen, welche Vision sie vom 'Bürger der Zukunft' habe. „Diesen Menschen stelle ich mir als einen engagierten Bürger vor - als einen, der sich einbringt und sich das Interesse am Gemeinwesen bewahrt“, so die Ministerprädidentin. „Die Menschen müssen erkennen, dass es dabei nie um den Staat geht, sondern um jeden einzelnen von uns geht“.Dazu sollte Transparenz ein durchgängiges Prinzip sein, das für alle Bürgerinnen und Bürger – für jedes Handeln in Verwaltung wie in Öffentlichkeit gilt. Foto: gc

12.04.2013


MEFA-Tagung in Speyer: Teilnehmer zu Gast im Historischen Ratssaal der Stadt

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler aus aller Welt diskutieren Auswirkungen des „Arabischen Frühlings“

Von Gerhard Cantzler

Vom Bürgerkrieg in Syrien bis zur vorsichtigen wirtschaftlichen Erholung in Tunesien - der "Arabische Frühling" und seine Auswirkungen stehen auch im Jahr 2013 noch immer ganz weit oben auf der weltpoilitischen Agenda. Das wurde jetzt auch bei der Zusammenkunft von mehr als 80 Experten - Wirtschafts-, Staats- und Sozialwissenschaftler aus den Staaten des Nahen und Mittleren Ostens, aus Nordafrika, den USA und Europa – deutlich, die sich in den letzten Tagen in der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer trafen, um in einer gemeinsamen Tagung des Deutschen Forschungsinstituts für Öffentliche Verwaltung (FÖV) und der "Middle East Economic Association" (MEEA) - der weltweit größten wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten Vereinigung zur Forschung über die Volkswirtschaften des Nahen Ostens und Nordafrikas – über Chancen und Herausforderungen der Entwicklungen in dieser Region in den letzten beiden Jahren zu beraten.

Ziel der Veranstaltung, so erklärte der Vorsitzende der MEFA, der an der Unvisersität von Columbus/Ohio; USA, lehrende ägyptische Professor für Ökonomie, Hassan Y. Aly, gegenüber dem SPEYER-KURIER, sei es dabei gewesen, zu einem besseren Verständnis der ökonomischen, politischen und sozialen Aspekte der aktuellenTransformationsprozesse in den verschiedenen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas zu gelangen, welche unter dem Schlagwort des "Arab Spring" in der internationalen Politik- und Forschungslandschaft diskutiert würden. Diskutiert worden seien dabei allgemeine wirtschaftliche Probleme, aber auch Fragen der Qualität der politischen Institutionen, Sicherheits- und Handelsfragen sowie Umweltaspekte. Wie zuvor schon angekündigt, habe im Mittelpunkt der Beratungen neben den regionalen Auswirkungen dieser Entwicklungen insbesondere die Frage gestanden, welche Auswirkungen für die Staaten der EU und die künftigen Beziehungen im Rahmen der Euro-Mediterranen Zusammenarbeit zu erwarten seien, bzw. welche Herausforderungen, aber auch Chancen sich daraus für die zukünftige wirtschaftliche und politische Kooperation ergeben könnten.

Nachdem gerade die deutsche Politik in den vergangenen zwei Jahren eine eher randständige Position in den politischen und wirtschaftlichen Transformationsprozessen im Nahen Osten und in Nordafrika eingenommen habe, erhofften sich die Beteiligten von der Veranstaltung weiterführende Impulse nicht nur für die aktuelle Nahostforschung, sondern auch für die gesellschaftlich-politische Diskussion innerhalb der internationalen Politik- und Forschungslandschaft.

Bei einem Empfang im Historischen Ratssaal der Stadt begrüßte der Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger die internationalen Gäste einmal mehr in perfektem Englisch. In einer fakten- und anekdotenreichen Rede gab er dabei einen umfassenden Einblick in die Geschichte der Stadt, die, so Eger, für mitteleuropäische Verhältnisse zu den alten, aus arabischer oder gar aus der Sicht asiatischer Kulturen aber eher zu den jungen Städten zu zählen sei. „Wenn Sie aus den Fenstern der Universität, die ja wie die Stadt selbst zu den kleinen im Lande zählt, nach Westen schauen, dann blicken Sie ins 'Ausland'“, umriß Eger ironisch die Größe und Lage der Stadt im politischen Umfeld des Rhein-Pfalz-Kreises. Dennoch habe sich die Stadt eine bedeutende zentralörtliche Position errungen, die mit ihrer Universität und einer Vielzahl von Schulen weit über die Grenzen hinaus ausstrahle. Der besondere Rang Speyers ergebe sich aber aus ihrer großartigen Geschichte und der Tatsache, dass sie im interreligiösen Austausch bis heute Treffpunkt aller abrahamitischen Religionen sei.

Den weitgereisten Gästen scheint es im Rathaus, in der Universität ebenso wie in der ganzen Stadt gefallen zu haben: In ihren Erwiderungen dankten Prof. Hassan Y. Aly und sein Co-Präsident in der MEFA, der Speyerer Professor für Volkswirtschaftslehre, Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Knorr, der Stadt für ihre Gastfreundschaft. Die MEFA, die mit dieser Tagung zum ersten Mal zu einer ihrer Tagungen in Deutschland zusammengekommen sei, habe nie zuvor soviel Kultur an einem Konferenzort erlebt, betonten die beiden Wissenschaftler übereinstimmend. Den Teilnehmern, so Prof. Aly, werde Speyer sicher in bester Erinnerung bleiben und so mancher habe bereits den Wunsch geäußert, auch einmal privat in die Stadt zurückzukommen.

Dass alles – Tagung und Rahmenprogramm – so überaus harmonisch und angenehm verlaufen sei, dafür dankten die beiden Wissenschaftler ihrer Speyerer Kollegin, Privat-Dozentin Dr. Rahel Schomaker, die für die Organisation der Veranstaltung verantwortlich zeichnete.

Der Dank der MEFA-Präsiden galt abschließend aber auch der Deutschen Forschungsgemeinschaft DFG, der Robert-Bosch-Stiftung sowie der Deutsch-Französischen Hochschule dfh, in der zahlreiche deutsche und französische universitäre Einrichtungen zusammengeschlossen sind. Sie hätten mit ihrer Förderung im Rahmen der "deutsch-französischen Forschungsateliers -Staatspolitiken im Vergleich", die Teilnahme von Nachwuchswissenschaftlern an dem konferenzbegleitenden Workshop ermöglicht. Wie Prof. Dr. Knorr schließlich ankündigte, wird eine Auswahl der Konferenzbeiträge in englischer Sprache in Buchform erscheinen sowie in internationalen Fachpublikationen veröffentlicht. Foto: gc

21.03.2013


Mit Vorträgen, Übungen und Rollenspielen „Mediation“ als Mittel der außergerichtlichen Konfliktbewältigung eingeübt

OB Eger empfängt Teilnehmer der „Speyerer Führungswerkstatt“ im Historischen Ratssaal

Von Gerhard Cantzler

Spätestens seit der unter breiter öffentlicher Beachtung durchgeführten Erörterung des Bahnhofsprojektes „Stuttgart 21“ ist der Begriff „Mediation“ zum Allgemeingut in unserer Gesellschaft geworden. An- und Abflugrouten zu den Flughäfen in Berlin und Frankfurt, Ausbau der A 8/ B 10 zwischen Pirmasens und Landau – überall dort, wo früher „per ordere mufti“ entschieden wurde, versucht man heute, unter Einsatz komplexer Verfahren Meinungsverschiedenheiten auszudiskutieren und so zu einem konsensualen Ergebnis zu kommen. Und selbst die seit Menschengedenken üblichen Schulhofraufereien sollen heute durch „Streitschlichter“ - eigens dafür ausbildete Schülerinnen und Schüler – auf „friedlichem Wege“ aus der Welt geschafft werden.

In den vergangenen drei Tagen waren jetzt bereits zum achten Male Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Bundes-, Landes- und Kommunalverwaltungen an der Speyerer „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ zusammengekommen, um sich in Vorträgen, Übungen, aber auch in Rollenspielen und anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung unter der Leitung des emeritierten Speyerer Ordentlichen Universitätsprofessors für Verwaltungswissenschaften, Entwicklungspolitik und öffentliches Recht, Prof. Dr. iur. habil., Dr. h.c. Rainer Pitschas in der „Speyerer Zukunftswerkstatt“ mit den auch im Verwaltungsalltag immer wichtiger werdenden Techniken der Konfliktbewältigungsmethode „Mediation“ vertraut zu machen.

Mit diesen Seminaren, so Prof. Dr. Pitschas gegenüber dem SPEYER-KURIER, wolle die "Speyerer Führungswerkstatt" einen weiteren Beitrag zur Führungskräfteentwicklung in der öffentlichen Verwaltung leisten. In den Seminaren, die in den vergangenen Jahren schon mehr als 230 Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen haben, gehe es aber zugleich auch um die Auslotung der Reichweite des neuen Mediationsgesetzes vom 21.07.2012 in der Verwaltungspraxis - namentlich in Verwaltungsverfahren.

Am gestrigen Abend aber waren die Teilnehmer der „Speyerer Führungswerkstatt“ erst einmal zu Gast im Historischen Ratssal der Stadt, wo sie von Oberbürgermeister Hansjörg Eger empfangen wurden. Der begrüßte sie dabei in einer von nicht weniger als sechs kreisfreien Städten im Umkreis von nur 30 Kilometern, die allesamt gesprägt seien von erheblichen eigenen finanziellen Problemen und einem sie umgebenden, wohlhabenden „Speckgürtel“. „Wir sind ein Mittelzentrum mit vielen Funktionen eines Oberzentrums“, erläuterte Eger und verwies besipielhaft darauf, dass die Stadt nicht nur die Kosten für die zahlreichen Schulen tragen müsse, sondern darüber hinaus auch für die Beförderung der Schüler, die weiter als vier Kilometer von ihrer Schule entfernt wohnten. „In Speyer betrifft diese Regelung keinen einzigen Schüler – aber fast alle aus dem Umland“, so Eger. Dies kennzeichne auf eindringliche Weise die Lastenverteilung zwischen den Kreisfreien Städten in Rheinland-Pfalz und ihrem jeweiligen Umland.

Als weitere Einrichtungen mit weit über die Grenzen der Stadt ausstrahlender Bedeutung nannte der Oberbürgermeister neben der Universität mit zur Zeit gut 400 Studierenden auch den Landesrechnungshof Rheinland-Pfalz, der den Namen „Speyer“ nicht immer im besten Licht erscheinen lasse, obwohl dann eigentlich das Kontrollorgan des Landes damit gemeint sei. Dabenen verwies er auch auf die beiden Krankenhäuser in der Stadt, von denen das Diakonissenkrankenhaus als zweitgrößte Geburtsklinik im Lande dem Standesamt der Stadt auch über die Ausfertigung der Geburtsurkunden hinaus lebenslange Beurkundungspflichten auferlege.

Speyer habe aber auch eine breit aufgestellte Gewerbestruktur, fuhr Eger fort. Mit derzeit 461 Gewerbebetrieben biete die Stadt derzeit rund 6.000 Arbeitsplätze mehr an, als Speyerer Bürgerinnen und Bürger auspendelten.

Das Bild der Stadt Speyer, so berichtete der Oberbürgermeister, sei heute geprägt von Entscheidungen, die der Rat der Stadt in den achtziger Jahrfen im Vorfeld der 2.000-Jahr-Feier getroffen habe. Mit der in den neunziger Jahren umgesetzten Innenstadtberuhigung habe sich Speyer dann für den Tourismus geöffnet, der heute rund ein Drittel der Wirtschaftskraft der Stadt ausmache. Während die Hotels landesweit zu 35 % ausgelastet seien und viele in den Wintermonaten gar gänzlich schließen würden, erreichten sie in Speyer eine Quote von durchschnittlich 60 %, wobei die Besucher im Mittel 1,8 Nächte in der Stadt blieben.

2,4 Mio. Touristen hätten im letzten Jahr die Stadt besucht, so die Bilanz des Oberbürgermeisters - 1,4 Mio. allein den Speyerer Kaiserdom. Diese Zahl mache die überragende Anziehungskraft des „Weltkulturerbes Dom zu Speyer“ deutlich..

Gemeinsam mit Worms und Mainz strebe Speyer jetzt auch die gemeinsame Aufnahme der „SchUM“-Städte in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbestätten“ an, ergänzte Eger, der schließlich auch darauf verwies, dass Speyer neben dem Bischofssitz auch die Leitung der Evangelischen Landeskirche der Pfalz in ihren Mauern habe. Mit der neuen Synagoge „Beith Schalom“ und einer kurz vor ihrer Einweihung stehenden Moschee der rührigen islamisch-türkischen Gemeinde verfüge die Stadt inzwschen über Gotteshäuser aller monotheistischen Religionen – dazu auch noch sieben bis acht Freikirchen. „Wenn Sie etwas Geistliches suchen – in Speyer finden Sie es bestimmt“, rief Eger den Gästen zu.

Für ihn und für viele Speyerer sei aber die Dreifaligkeitskriche das vielleicht bedeutsamste kirchliche Bauwerk in der Stadt, so der Oberbürgermeister, sei sie doch nach der Rückkehr der Speyerer aus ihrem Zufluchtsort Frankfurt nach dem Großen Brand von 1689, die erste Kirche gewesen, die in einer gemeinsamen Kraftanstrengung über Konfessionsgrenzen hinweg von allen Speyerern gemeinsam errichtet worden sei. Damit stehe die Dreifaltigkeitskirche zugleich auch für das bürgerschaftliche Bewußtsein, das Speyer seit der Verlehung der Freiheitsrechte im Jahr 1111 geprägt habe und das zugleich auch die Grundlage früheren Wohlstandes gewesen sei. Dass in den Malereien im Inneren der protestantischen Kirche der benachbarte Dom gleich dreimal dargestellt sei, unterstreiche gleichfalls die Einigkeit der Speyerer über Konfessionsgrenzen hinweg.

Bei Wein, Alkoholfreien Getränken und Brezeln, dem Nationalgebäck der Speyerer „für morgens, mittags und abends – aber auch für zwischendurch“ – bewunderten die Göste noch ausführlich den Schauplatz des Empfangs, den Historischen Ratssaal und standen noch lange im Gesprächsaustausch zusammen. Foto: gc

15.03.2013


Verbesserungen bei der Bürgerbeteiligung und bei den Richterwahlen

Wege zu mehr Demokratie in unserem politischen System

cr. Speyer. Sie war auch in diesem Jahr wieder eine Veranstaltung von allerhöchstem wissenschaftlichen und gesellschaftspolitischen Rang – die „Demokratietagung“ an der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer, die einmal mehr von hochrangigen und zum Teil auch spektakulären Referenten geprägt wurde. Mit Dr. Gregor Gysi (DIE LINKE) und Dr. Günther Beckstein (CSU) trafen gleich zu Beginn der Tagung Exponenten der äußersten Ränder des demokratisch-parlamentarischen Spektrums in Deutschland zwar nicht unmittelbar aufeinander – ein unmittelbarer Meinungsaustausch musste deshalb auch unterbleiben – sie folgten einander jedoch mit ihren Referaten in direkter Abfolge (der SPEYER-KURIER berichtete). Und wegen der terminlichen Lage des einen, Dr. Gregor Gysi, war Tagungsleiter Prof. Dr. Herbert von Arnim sogar von dem angestammten Termin der Tagung im Oktober abgerückt und in den Dezember ausgewichen.

Am zweiten Tag stand zunächst eigentlich die rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin Evelyn Lemke auf dem Programm, die aber wegen ihrer Reise zum Weltklimagipfel in Doha kurzfristig absagen musste. In ihrer Stelle sprang der Stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag, Christian Baldauf, in die Bresche, um unter dem Titel „Politische Partizipation auf Landesebene“ über den Stand der Beratungen der „Enquete-Kommission Bürgerbeteiligung“ im Landtag zu berichten. Baldauf vertritt Lemke - einfach nur Ausdruck selbstverständlicher Zusammenarbeit unter Demokraten oder mehr - politische Annäherung zwischen „Grün“ und „Schwarz“ auch in Rheinalnd-Pfalz gar?

Baldaufs Ausführungen jedenfalls offenbarten hochinteressante Erkenntnisse: So zum Beispiel zur Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre, wo eine Umfrage unter den Jugendlichen ergeben habe, dass zwei Drittel der 16jährigen einer solchen Absenkung ablehnend gegenüberstünden. Sie bewerten ihre eigene Altersgruppe für einen solchen Wahlakt überwiegend „als zu unreif“. Für seine eigene Partei sprach sich auch Baldauf gegen eine solche Absenkung aus – sein Gegenargument bezog sich allerdings darauf, dass dann viele andere rechtliche Bestimmungen wie z.B. über Geschäftsfähigkeit oder Strafmündigkeit solchen Regelungen angepasst werden müssten. „Wir können nicht einseitig nur das Wahlalter absenken, ohne auch die Bestimmungen in der Peripherie anzugehen“, zeigte sich Baldauf überzeugt – für ihn muss eine solche Absenkung, die seine Partei nicht grundsätzlich ablehnt, vielmehr Teil eines größeren, umfassenderen Prozesses sein.

Grundsätzlich setzte sich Baldauf auch für eine Verlängerung der Wahlperioden auf allen politischen Ebenen ein. „Wenn wir gewählt haben, bleiben uns meist nur ein bis anderthalb Jahre, um eventuell auch einmal für den Bürger unangenehme Gesetze auf den Weg zu bringen. Denn niemand wird so etwas machen, wenn der nächste Wahltermin schon vor der Tür steht und er dann Gefahr läuft, deshalb nicht mehr wiedergewählt zu werden“. Außerdem, so stellte Baldauf fest, „irgendwo sind immer Wahlen“. Schließlich wies der Referent auch noch auf mögliche Verbesserungen bei der Abwicklung von Wahlen hin, die von barrierefreien Wahllokalen für Behinderte bis hin zu der Frage reichten „wie bekomme ich eigentlich meine Wahlunterlagen?“

In einem weiteren Teil seiner Ausführungen ging Baldauf auf die von der Enquete-Kommission angestrebten Vereinfachungen bei Planungsverfahren insbesondere bei Großprojekten ein. Hier sprach er sich für eine Bürgerbeteiligung bereits zu Beginn der Planungsverfahren aus und plädierte für eine konsultative Begleitung der Verfahren durch interessierte Bürger während der gesamten Planungs- und Realsierungsphase.

Skeptisch äußerte sich der Parlamentarier, der neben seinem Mandat auch noch immer in Frankenthal als Rechtsanwalt praktiziert, zu den Möglichkeiten der Nutzung des Internets für solche Beteiligungsverfahren. Erfahrungen hätten gezeigt, dass hier Interesse und Akzeptanz noch immer sehr gering seien. Er sprach sich deshalb vielmehr für die Einbeziehung aller Medien in solche Prozesse aus.

In der anschließenden, eingehenden Diskussion, deren Leitung der Vorsitzende der „Stiftung Ökologie und Demokratie e.V.“, Hans-Joachim Ritter, übernommen hatte, kam das große Interesse der Tagungsteilnehmer an der Thematik „Bürgerbeteiligung“in zahlreichen Fragen und Wortmeldungen zum Ausdruck, so dass die Tagungsleitung sicher nicht unglücklich darüber war, dass durch die Absage von Marco Bülow MdB (SPD) die Diskussionszeit nach dem Referat des CDU-Politikers spürbar verlängert werden konnte..

Auch das Referat von Christian Baldauf wird der SPEYER-KURIER in den nächsten Tagen im Wortlaut veröffentlichen.

Um einen von vielen Bürgerinnen und Bürgern oft als „nachrangiges Spezialproblem“ unterbewerteten Sachverhalt ging es dann bei dem Referat des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Koblenz, Hans-Josef Graefen, dessen Referat unter dem Titel „Probleme bei der Richterwahl“ das Auditorium mit besonderer Spannung entgegensah. Graefen, dessen Berufung zum OLG-Präsidenten vor fast zwei Jahren für erhebliche Schlagzeilen sorgte, weil sie offensichtlich zunächst durch den damaligen Justizminister verhindert werden sollte, erfüllte die Erwartungen so manchen Teilnehmers nicht: Er versagte es sich nämlich, seinen eigenen Fall noch einmal zu thematisieren und ging statt dessen ganz grundsätzlich auf die Bestellung höchster Richter an Obergerichten auf Bundes- und Landesebene ein. Dabei beklagte er allerdings die vielfach zu große Einflussnahme der Politik auf derartige Verfahren und sprach sich dshalb für eine generelle Neuordnung dieser Berufungsverfahren aus.

Auch das Referat von OLG-Präsident Hans-Josef Graefen, dem sich unter der Gesprächsleitung von Prof. Dr. Achim Rogmann von der Brunswick European Law School eine engagiert geführte Diskussion anschloss, wird der SPEYER-KURIER im Wortlaut veröffentlichen.

Auch eine ausführliche Bewertung der Tagungsergebnisse durch Tagungsleiter Prof. Dr. von Arnim lesen Sie in den nächsten Tagen im SPEYER-KURIER. Foto: gc

08.12.2012


Volkssouveränität, Wahlrecht und direkte Demokratie

konstitutive Voraussetzungen für das Funktionieren unserer Gesellschaft im Fokus der 14. Speyerer Demokratie-Tagung 2012.

von Gerhard Cantzler

Sie ist wohl die Ausgabe der „Speyerer Demokratietagungen“ mit der größten thematischen Affinität zu dem Lebensthema des Initiators, Leiters und bis heute leidenschaftlichen Streiters für „Volkssouveränität, Wahlrecht und direkte Demokratie“, den emeritierten Staatsrechtslehrer an der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer“, Prof. Dr. Hans Herbert von Arnim. Heute eröffnete der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, diese Tagung, die 14. ihrer Art, die Prof. von Arnim deshalb folgerichtig auch unter dieses Thema gestellt hat und die mit über 125 Teilnehmern erneut eine außergewöhnlich große Nachfrage gefunden hat. Vielleicht liegt diese große Nachfrage an dem erfreulich wachsenden Interesse an diesem Themenkreis – in jedem Fall aber auch an der Prominenz und dem medialen Ruf der Referenten, die an die Speyerer Einrichtung einzuladen Prof. von Arnim immer wieder ein ganz besonderes Anliegen ist.

Heute standen nun mit Dr. Gregor Gysi MdB, dem Vorsitzenden der Fraktion „DIE LINKE“ im Deutschen Bundestag und dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Günther Beckstein (CSU) zwei Politiker auf der Rednerliste der Demokratietagung, die – jeder in seiner Art – ein Bekenntnis zu den im Tagungsthema beschriebenen Werten ablegten.

Dabei präsentierte sich der - sicher nicht zuletzt ob seines hohen rhetorischen Unterhaltungswertes - noch immer in allen Talkshows der deutschen Fernsehlandschaft omnipräsente Dr. Gregor Gysi in seinem Eingangstatement als ein eher nachdenklicher, abgewogen formulierender Redner, der seine aus Bundestagsdebatten bekannten Spitzen gegen den Kapitalismus westlicher Prägung und die regierenden Berliner Parteien eher mit Nachdenklichkeit und großer Zurückhaltung „abfeuerte“. Erst in der anschließenden Diskussion, deren Leitung der Europarechtler Prof. Dr. Erich Röper von der Universität Bremen übernommen hatte, blitzten Gysis Temperament und große Formulierungsgabe auf - hatten die Teilnehmer der Tagung Grund genug zu spontanem Beifall und herzlichem Lachen.

In seinem Referat beklagte Gysi auch in Speyer den Einfluss der Banken auf die Politik und geißelte die von den Politikern oft selbst evozierte Macht der Medien, die er als „nicht immer mit der Macht der Vernunft“ in Einklang sieht. An den Fallbeispielen Sarrazin, v. Guttenberg, Wulff und nicht zuletzt Steinbrück zeigte er auf, dass, wer sich von den Medien „hochschreiben“ lasse, sich nicht wundern dürfe, wenn diese ihren Einfluss auch gegen ihn wenden könnten.

Für das Wahlrecht in Deutschland forderte Gysi Ergänzungen bei der Festlegung der Reihenfolge der Listenkandidaten durch die Wähler. Hierzu regte er an, den Wählern neben den beiden Stimmen für den Direktkandidaten und die Liste eine dritte Wählerstimme zu geben, mit der sie die verbindliche Reihenfolge der von ihnen präferierten Wahllisten verändern könnten. Dadurch würden die Kandidaten gezwungen, sich nicht nur ihrer Partei, sondern in mindestens dem gleichen Umfang auch den Bürgern verpflichtet zu fühlen.

Zu der Diskussion um Volksentscheide auf Bundesebene hatte Gregor Gysi einen durchaus interessanten Vorschlag parat: Er regte an, dass künftig jede im Parlament vertretene Partei den Bürgern ein Jahr vor der Wahl eine Frage zur Abstimmung vorlegen sollte, die diese mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten könnten. Dazu sollte das Bundesverfassungsgericht schon zuvor geklärt haben, dass beide Alternativen im Falle ihrer Akzeptanz im Einklang mit der Verfassung stünden. Die auf diesem Weg einer Entscheidung zugeführten Fragen sollten durch diese Entscheidung Gesetzeskraft erhalten. Durch ein solches Verfahren – so Gysi – würde man den Bürgern zugleich ein sonst oft vermisstes Erfolgserlebnis verschaffen.

„Ich möchte, dass wir mehr darüber nachdenken, wie wir die Demokratie wieder beleben können“, schloss Gysi seine Ausführungen, die der SPEYER-KURIER mit Genehmigung des Referenten in Kürze in vollem Wortlaut abdruckt.

Klare Positionen hatte auch der zweite Referent dieses Tages, Dr. Günther Beckstein MdL, mitgebracht, der sich aus Sicht des Landes Bayern, aber auch aus der den Ländern über ihre Mitwirkung im Bundesrat zukommende gesamtstaatliche Verantwortung für eine Ausweitung direktdemokratischer Verfahren auf allen politischen Ebenen aussprach. Anhand eindrücklicher Beispiele schilderte er den schwierigen Weg zur Durchsetzung von Bürgerentscheiden und Volksabstimmungen, die durchweg mit hohen Eingangshürden versehen seien, um eine missbräuchliche Anwendung zu verhindern. Beckstein sprach sich u.a. auch deshalb für solche Verfahren aus, weil Erfahrungen gezeigt hätten, dass die Bürger bei der Bewertung der zur Abstimmung gestellten Fragen meist viel strenger urteilten als es sich die auf Zustimmung der Bürger bei künftigen Wahlen angewiesenen Politiker trauen würden. Allerdings gab der frühere Ministerpräsident auch zu bedenken, dass es durchaus auch Themen gäbe, die sich aufgrund ihrer Komplexität und Erklärungsbedürftigkeit im Detail nicht für eine Abstimmung durch direkte Demokratieverfahren eigneten. Dazu zählte er z.B. die Haushaltsgesetze, die oft mit unzähligen Einzelabstimmungen einhergingen oder auch Abstimmungen über völkerrechtlich verbindliche Verträge.

Auch das Referat von Dr. Günther Beckstein, dem sich unter der Gesprächsleitung von Dr. Petra Michaelis-Merzbach, Leitende Senatsrätin und Landeswahlleiterin in Berlin, eine lebhafte Diskussion anschloss, wird der SPEYER-KURIER in Kürze im Wortlaut veröffentlichen.

Schließlich meldete sich auch Tagungsleiter Prof. Dr. von Arnim mit seinem Referat zu Wort, in dem er der Frage nachging „inwieweit die politische, die wirtschaftliche und die mediale Klasse die Bürger zu ersticken droht“.

Dabei äußerte der Referent die Überzeugung, dass Politiker in den Parlamenten „gemeinsame Verhaltensmuster und gemeinsame Berufsinteressen verfolgten“. Dabei, so von Arnim, könnten sie als einzige Berufsgruppe in der Gesellschaft „über ihren Status und über die Regeln der Macht“ selbst entscheiden. Durch Formen der direkten Demokratie sei es möglich, die sich aus dieser Sonderstellung der Parlamentarier ergebende, notwendige Kontrolle wirksam auszuüben.

Mit Blick auf die „mediale Klasse“ kritisierte der Redner den großen und immer noch weiter wachsenden Einfluss der Medien auf die Politik und das Verhalten der Politiker. Bezogen auf die „wirtschaftliche Klasse“ geißelte er vor allem die Möglichkeit von Managern, über ihr Gehalt selbst zu entscheiden.

Gemeinsam sei allen drei Klassen „das eigene Interesse an Macht, Posten, Geld und Einfluss“. Auch bei allen anderen Entscheidungen stehe die Frage im Vordergrund, wie sich das auf die eigene Situation auswirke. Diese Dominanz der eigenen Interessen werde aber kaschiert durch ihren angeblichen Fokus auf das Gemeinwohl. Nach der Devise: „Was gut ist für die CDU oder die Deutsche Bank oder die Bildzeitung ist auch gut für Deutschland und Europa“.

Durch ein solches Verhalten der Vertreter dieser drei Klassen aber würden der Einfluss der Bürgerschaft – und mit ihm die Möglichkeiten zur Kontrolle dieser Klassen - minimalisiert. So erfolge Kontrolle von Medien durch Gerichte nur noch punktuell und könne so „schleichende systemische Veränderungen“ nicht mehr erfassen. Als ein eindrückliches Beispiel dafür verwies Prof. Dr. von Arnim auf die Eurokrise.

Auch seinen Redebeitrag, der unter der Leitung des früheren niedersächsischen Landtagsdirektors Prof. Dr. Albert Janssen engagiert diskutiert wurde, wird der SPEYER-KURIER im Wortlaut abdrucken. Foto: gc

06.12.2012


Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften stellt Leitsystems für Blinde vor

cr. Speyer. Vielleicht haben auch Sie sich schon einmal gefragt, was es mit den Noppen- und Rippenmustern auf sich hat, die man immer öfter auf Bahnhöfen, auf Flughäfen oder auf den Zugängen zu den Bahnsteigen findet. Eine gelungene Designidee kreativer Gestalter vielleicht - nur zur Verschönerung öffentlicher Räume gedacht? Nein - diese leicht plastischen Fußbodenoberflächen verfolgen einen durchaus nützlichen Zweck: Sie dienen als Leitsystem für blinde oder schwerst sehbehinderte Menschen, die damit mit ihrem weißen Taststock wichtige Orientierungshilfen auf ihren Wegen im öffentlichen Raum finden.

Die deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer hat jetzt als eine der ersten öffentlichen Einrichtungen überhaupt und als erste in Rheinland-Pfalz den ersten Abschnitt eines solchen Leitsystems für Blinde vorgestellt. Vom Fußgängerüberweg an der Freiherr-vom-Stein-Straße, bzw. von der dortigen Bushaltestelle aus, führt der markierte Fußweg aus Noppen- und Rippenplatten zum Eingang der Universität und erschließt von dort aus wichtige Anlaufstellen in der Hochschule wie die Aula, das Auditorium Maximum, die Hörsäle, das Hörer- und Tagungssekretariat sowie die Sanitären Einrichtungen.

Wie der für das Gebäudemanagement der Einrichtung zuständige Abteilungsleiter „Allgemeine Verwaltung“ der Universität, Oberregierungsrat Claus Ableiter, gestern mitteilte, sei der Einbau der hilfreichen Bodenmarkierungen im Zuge der ohnedies notwendig gewordenen Neugestaltung des Eingangsbereiches einschließlich der Parkplätze vor dem Hauptgebäude kurzfristig möglich geworden. Dabei habe man bewusst darauf verzichtet, den Behindertenzugang direkt über diese Fläche zu leiten, weil dort die Gefahr drohe, dass die Sehbehinderten durch ausparkende LKW- oder auch PKW-Fahrer gefährdet werden könnten. Dafür habe man deshalb den sichereren kleinen Umweg entlang des Gebäudes in Kauf genommen. Von dort werde das Leitsystem ins Innere des Gebäudes weitergeführt; die Arbeiten dazu werden derzeit Zug um Zug von einer Fachfirma ausgeführt.

Für die Planung der Gesamtmaßnahme zeichnete Nadine Metlitzky von dem Erfurter Architektur- und Beratungsbüro „factus 2“ verantwortlich, die gestern bei einem Pressegespräch die Funktionsweise des international standardisierten Blindenleitsystems erläuterte.

Dieses System – so die Expertin - gibt sehbehinderten Menschen die Möglichkeit, sich mit Hilfe ihres weißen Taststocks, den sie pendelnd bzw. schleifend über den Boden führen, zu orientieren. Dabei zeigen ihnen die in Gehrichtung ausgelegten Rippenplatten – Rippen in Längsrichtung – die Gehrichtung an, Noppenplatten dagegen signalisieren ihnen einen möglichen Richtungswechsel oder eine besondere Gefahrensituation im Straßenverkehr. Wie Nadine Metlitsky – sie ist zugleich auch die einzige vereidigte Gerichtssachverständige bei Schadensersatzprozessen nach Unfällen mit Sehbehinderten in öffentlichen Verkehrsräumen in Deutschland – weiter mitteilte, ist die Bundesrepublik mit der flächendeckenden Einführung dieses hocheffizienten Assistenzsystems für Sehbehinderte noch weit im Hintertreffen. In Österreich beispielsweise müssten bis spätestens 2015 bereits alle öffentlichen Gebäude mit solchen Leitsystemen ausgestattet sein.

Für Claus Ableiter ist diese Maßnahme ein weiterer Beitrag dazu, die Speyerer Universität auch für den sehbehinderten Teil von Hörerschaft und Lehrenden benutzerfreundlicher zu gestalten. Immerhin gebe es auch hier in fast jedem Semester eine kleine Anzahl blinder oder sehbehinderter Universitätsmitglieder. Ableiter dankte deshalb auch der Stadtverwaltung Speyer, die auf unbürokratische Weise die Verlängerung des Leitsystems vom Hochschulgelände aus zu der Haltestelle des Stadtverkehrs möglich gemacht habe. Foto: gc

04.12.2012


Über Wirksamkeit und Grenzen der „Schuldenbremse“

Der Mainzer Finanzminister Dr. Carsten Kühl bei der Semestereröffnung an der Universität Speyer

cr. Speyer. Mit einem durchaus nachdenklichen Kolleg über Wirksamkeit und Grenzen von Konsolidierungsmaßnahmen für die öffentlichen Haushalte hat jetzt der rheinland-pfälzische Finanzminister Dr. Carsten Kühl das Wintersemester 2012/13 an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften in Speyer eröffnet. Dabei zeigte sich der studierte Finanzwissenschaftler überzeugt davon, dass es auch für den rheinland-pfälzischen Landeshaushalt keine Alternative zu einer strikten Konsolidierungspolitik gebe, sei doch die derzeitige Eurokrise auch zu einem erheblichen Teil der Finanzkrise der öffentlichen Haushalte geschuldet.

Mit der auch für das Land Rheinland-Pfalz eingeführten „Schuldenbremse“, die bis zum Jahr 2020 eine Reduzierung der Neuverschuldung „auf Null“ vorschreibe und der vom Landesparlament Verfassungsrang eingeräumt worden sei, habe man jetzt „ein scharfes Schwert“ in der Hand, das allerdings auch den Nachteil einer vielfach mangelnden Praktikabilität in sich berge.

Minister Dr. Kühl zeigte anhand von Beispielen auf, wo sich die Schuldenbremse durchaus hemmend und kontraproduktiv auswirken könne: Wenn die Schuldenbremse es z.B. unmöglich machen würde, im Zuge der Energiewende staatlicherseits Stromnetze aufzubauen, um die Windenergie von Norden nach Süden zu leiten – Investitionen, die sich sicher schon nach wenigen Jahren amortistieren – wenn energetische Sanierungsmaßnahmen an großen Gebäuden nur wegen ihres hohen Aufwandes nicht realisiert werden dürften, obwohl auch ihre Rentierlichkeit leicht nachzuvollziehen sei, oder wenn – in einem anderen Bereich - durch eine Senkung der Mehrwertsteuer seitens des Bundes das Zahlenwerk eines Landeshaushaltes aus dem Gleichgewicht gerate, darauf aber wegen der Schuldenbremse nicht mehr reagiert werden dürfte, dann würde dieses Werkzeug zur Konsolidierung eindeutig seinen Zweck verfehlen.

Das Land Rheinland-Pfalz habe deshalb als Mittel zur Reaktion auf die „finanzpolitische Realität“ in genau definierten Fällen die Möglichkeit von „Strukturanpassungskrediten“ in die Gesetzgebung aufgenommen. Diese müssten allerdings wirklich rigide gehandhabt werden, betonte der Minister und verwies darauf, dass das Misstrauen in der Bevölkerung gegen solche Maßnahmen auch darin begründet liege, dass die ja schon in den sechziger Jahren in die Verfassung aufgenommene Schuldenbegrenzung nur zu leicht ausgehebelt und umgangen werden konnte.

Insgesamt glaubt der Minister aber in unserer Gesellschaft ein grundsätzlich gesteigertes Bewusstsein für die Notwendigkeit von Konsolidierungsmaßnahmen erkennen zu können. Das habe sich auch bei dem Beschluss der Landesregierung über Beamtenbesoldung gezeigt, die in den nächsten fünf Jahren – unabhängig von Tarifvereinbarungen im Öffentlichen Dienst – nur um jährlich ein Prozent ansteigen werde. Dies habe zwar bei den Betroffenen selbst zu verständlichem Missfallen geführt, werde aber allgemein – gerade auch in anderen Bundesländern – mit großem Interesse verfolgt.

Mit Blick auf die schon heute absehbare demografische Entwicklung sprach sich Minister Dr. Kühl für die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer aus, die er im Vergleich zur Erhöhung von Verbrauchssteuern angesichts der Besitzverteilung in unserer Gesellschaft als die gerechtere Maßnahme bezeichnete. Damit könnten nämlich diejenigen zu Steuerleistungen herangezogen werden, die angesichts ihrer Besitzverhältnisse diese auch tragen könnten.

In diesem Zusammenhang wies er noch auch ein weiteres, durch die Veränderung der Demografie hervorgerufenes Problem hin: Auf den Anstieg der Pensionsleistungen. Denn in den kommenden Jahren müsse allein das Land Rheinland-Pfalz seine diesbezüglichen Aufwendungen um jährlich 110 Mio. Euro steigern – ein weiteres, durchaus heute schon vorhersehbares Kostenrisiko.

Weiter Risiken sieht Minister Dr. Kühl in den Bürgschaftserklärungen, die der Bund in der jüngsten Zeit für Drittstaaten innerhalb und außerhalb der EU abgegeben habe – Bürgerschaften, von denen die Länder im Falle, dass sie gezogen werden müssten, mittelbar auch betroffen sein könnten, wenn der Bund dann auf „Steuersubstrat“ zugreifen müsse, das eigentlich den Ländern zustehe. Und schließlich wies er auch noch das Risiko hin, das in den derzeit extrem niedrigen Zinsen begründet liege. „Sollte es zu einer überbordenden Inflation kommen – was ich zwar nicht glaube – dann wird dem durch eine Zinserhöhung entgegengesteuert werden müssen“, warnte der Referent. Aber auch ohne eine solche Entwicklung „wird die Krise irgendwann beendet sein. Dann müssen wir auch bei den Zinsen wieder zur Normalität zurückkehren“, stellte der Minister fest. Angesichts seiner Verschuldungslage bedeute dies allein für den Bund für jedes Prozent gestiegener Zinsen zusätzliche Aufwendungen von 20 Milliarden Euro pro Jahr.

„In all dem steckt noch viel Sprengstoff“, schloss der Finanzminister seine Ausführungen und mahnte: „Die Qualität des öffentlichen Handelns wird sich deshalb auch daran orientieren, ob und wie die Konsolidierung gelingt“. Allein Leistungen zu streichen, sei daher keine probate Lösung. Denn – so Kühl's Fazit: „Ein starker Staat beweist sich vor allem daran, wie er mit den Schwächsten in seiner Gesellschaft umgeht“.

Zu Beginn des Vortragsabends hatte der Rektor der Speyerer Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, bereits die zahlreichen Gäste begrüßt, unter ihnen viele Vertreter benachbarter Hochschulen, Behörden und Gerichte. Besonders herzlich begrüßte er in der Mitte des Kollegiums den neu ernannten Lehrstuhlinhaber für Verwaltungswissenschaften, Prof. Dr. Michael Bauer und die in diesen Tagen frisch habilitierte Wirtschaftswissenschaftlerin, Privatdozentin Dr. Rahel Schomaker..

Rektor Wieland skizzierte sodann die Vita des Referenten Dr. Carsten Kühl, der nach Tätigkeiten im Mainzer Wissenschafts- und im Wirtschaftsministerium 2009 zum Finanzminister ernannt wurde - „eine der wenigen positiven Folgen der Nürburgring-Affäre“, wie Prof. Dr. Wieland ironisch anmerkte.

Und noch eine Neuigkeit gibt es von diesem Tag zu vermelden: Erstmals wurde eine Semestereröffnungsfeier an der Speyerer Universität musikalisch durch einen Chor umrahmt: Das „PalatinaKlassik Vokalensemble“ unter der Leitung seines Gründers Prof. Leo Kraemer - in der Woche zuvor noch mit einem eindrucksvollen Gedenkkonzert zum 9. November in der Universität zu Gast - eröffnete den Abend mit dem stimmungsvollen Mendelssohn-Satz „Oh Täler weit, oh Höhen“ nach Joseph von Eichendorff. Und da man zu einem solchen Abend durchaus auch ein Geschenk mitbringen sollte – so Prof. Kraemer – habe er für das traditionelle Studentenlied „Gaudeamus igitur“ einen vierstimmigen Liedsatz komponiert, den er der Universität und ihrem Rektor gewidmet habe. „Ein schönes Geschenk“, freute sich da Prof. Dr. Wieland - „und das schönste: Ich muss es dem Ministerium weder melden noch gar abliefern“. Foto: gc

15.11.2012


“Gesellschaft benötigt dringend die ethische Orientierungskraft der Kirchen”

Kirchenpräsident Christian Schad beim 3. Abendvortrag der Speyerer Universität für Verwaltungswissenschaften

von Gerhard Cantzler

Gross und illuster war die Schar der Zuhörer, die Universitätsrektor Prof. Dr. Joachim Wieland gestern zum 3. Abendvortrag des laufenden Semesters in der Speyerer Universität für Verwaltungswissenschaften begrüßen konnte - an ihrer Spitze Oberbürgermeister Hansjörg Eger und seine Vorgänger Werner Schineller und Dr. Christian Roßkopf - beide auch nach dem Ablauf ihrer Amtszeiten der Universität aufs engste verbunden. Dazu den Ehrenvorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung, Ministerpräsident a.D. Prof. Dr. Dr. h.c.utr. Bernhard Vogel und Staatsminister a.D. Dr. Georg Gölter, Landtagsabgeordneten Dr. Axel Wilke sowie den Städtischen Beigeordneten Frank Scheid,

Prof. Wielands ganz besonderer Gruß galt dem Referenten des Abends, dem Präsidenten der Protestantischen Landeskirche der Pfalz, Christian Schad, der sich nach seinem katholischen Amtsbruder, dem Speyerer Bischof Dr. Karl-Heinz Wiesemann im vergangenen Jahr zu einem Vortrag angesagt hatte.

“Wieviel Kirche braucht unsere Gesellschaft?” hatte Schad sein Referat überschrieben, das nach Überzeugung des Universitätsrektors gerade in unserer Zeit ganz besondere Bedeutung habe. Das sei nicht zuletzt an der unlängst aufgeflammten Diskusssion um das “Kölner Beschniedungsurteil” offenbar geworden, wo Christen, Juden und Muslime gemeinsam und einhellig die “Einmischung des Staates” in religiöse Traditionen kritisiert hätten. Prof. Wieland zitierte dazu seinen akademischen Lehrer, den Verfassungsrechtler und langjährigen Richter am Bundesverfassungsgericht, Prof. Dr. Ernst Wolfgang Böckenförde, der in solchem Zusammenhang den oft zitierten Satz geprägt habe, dass “der Staat von den Voraussetzungen lebt, die er selbst nicht garantieren kann”. In soweit begrüße er als Rektor einer Universität mit verwaltungswissenschaftlichem Zuschnitt in dem Kirchenpräsienten einen kirchlichen Repäsentanten, der sich in seiner beruflichen Vergangenheit auch intensiv mit Verwaltung beschäftigt habe.

In seinen Überlegungen bekannte sich Schad gleich zu Beginn - gerade auf dem Hintergrund der bekannt gewordenen Missbrauchsfälle, die die moralische Integrität und Glaubwürdigkeit der Kirchen schwer erschüttert hätten - dazu, dass gerade in einer so ambivalenten Zeit die Gesellschaft die Kraft der Kirche dringend brauche.

Auf der Grundlage empirischer Daten ging der Kirchenpräsident auf die Situation der Kirchen in der Gegenwart ein und entwickelte anhand der zentralen Aussagen des christlichen Glaubensbekenntnisses seine These, dass eine Kirche mit geistlicher Substanz, mit gesellschaftlicher Kompetenz und ethischer Orientierungskraft weit ausstrahle und so ihre Lebensdienlichkeit erweise.

So mache etwa die grundlegende Unterscheidung von Gott und Mensch, von Schöpfer und Geschöpf, widerständig gegen Allmachtsphantasien, politischen Absolutismus und die Vergewaltigung durch totalitäre Staatsideologien. „Eine Vergöttlichung des Staates wäre ebenso verkehrt, wie eine Verstaatlichung der Kirche!“, sagte der Kirchenpräsident.

Zum Proprium des kirchlichen Zeugnisses gehöre es darüber hinaus, die eigene Fehlsamkeit und Fragmentarität in den Blick zu nehmen und sich dazu zu bekennen, dass in Christus die eigene und fremde Schuld vergeben werde. Dies, so der Kirchenpräsident, befördere eine Kultur des Konflikts, die von wechselseitiger Annahme und Lernbereitschaft geprägt sei. Dass die Fähigkeit zur Schuldanerkenntnis und die Bereitschaft zur Vergebung richtungsweisend sei, zeige etwa die durch die Kirche mit initiierten Aussöhnungsprozesse von Deutschen mit ihren östlichen Nachbarn nach dem Zweiten Weltkrieg. Auch sei es kein Zufall, dass in der noch anhaltenden Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit aus den Kirchen selbst markante Beiträge zur Versöhnung geleistet würden.

Darüber hinaus könne die Kirche, so Christian Schad, als „Gemeinschaft der Verschiedenen“ hilfreich sein angesichts einer sich kulturell und religiös immer mehr ausdifferenzierenden Gesellschaft. Gerade die Verwurzelung im eigenen Glauben setze instand, auch mit dem achtungsvoll umzugehen, was anderen wichtig sei. Christlicher Glaube, so der Kirchenpräsident, gehe einher mit einem “Ethos aktiver Toleranz”, das die Basis sein könne für ein friedvolles Miteinander in einer zunehmend multikulturellen und multireligiösen Welt. In diesem Sinne müsse sich Kirche als “Weltkirche” verstehen - als “Kirche für die Welt”, wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte.

Als Institution, die “vom Gericht, von der Auferstehung und dem ewigen Leben” spreche, müsse sich die Kirche auch der wachsenden Schwierigkeit annehmen, positiv mit der eigenen Endlichkeit umzugehen. Auch die Bioethik bezeichnete Schad in diesem Zusammenhang als den Versuch der Menschen, ihre Endlichkeit zeitlich nach vorne zu verschieben.

Mit seinem auch dialektisch spannend gestalteten Vortrag versuchte der Kirchenpräsident schließlich Mut dazu zu machen, das christliche Bekenntnis auch im Alltag zu bezeugen. Kirche lebe von Menschen, die selbst glaubwürdig seien und denen man auch in der Öffentlichkeit “abspüre, dass sie selber von der Zuversicht und Hoffnung getragen seien, die sie anderen in ihrem Reden und Handeln weitersagten”. Foto: gc

04.07.2012


Vor einem wichtigen Sprung in Richtung einer politischen Union in Europa?

Französischer Generalkonsul zu den Folgen des Machtwechsels in Frankreich -Deutschland und Frankreich müssen gemeinsame Lösungen für Europa finden”

cr. Speyer. Es war schon eine bemerkenswerte diplomatische Leistung, mit der sich gestern der auch für Rheinland-Pfalz zuständige Generalkonsul der Französischen Republik in Frankfurt, Jean-Claude Tribolet, in der zweiten Abendveranstaltung der Speyerer Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften im Sommersemester 2012 präsentierte. Denn wer sich für diesen Abend klare, vielleicht sogar zugespitzte Antworten auf die als Thema über der Veranstaltung stehenden Frage “Was bedeuten die Wahlen in Frankreich für Europa?” erwartet hatte, der musste rasch einsehen, dass dies - wenn überhaupt - dem Referenten zu diesem Zeitpunkt zu viel abverlangt hätte - drei Tage vor der entscheidenden zweiten Runde der Wahlen zur Nationalversammlung in unserem Nachbarland.

Und so musste sich das vielköpfige Auditorium aus Kollegium, Studierenden und vielen Gästen in der Aula der Universität mit den rekapitulierenden Schilderungen des Referenten darüber begnügen, wie der neue Präsident Francois Hollande zu seiner Kandidatur und schließlich zu seinem neuen Amt gekommen war. Als Diplomat, so wurde rasch deutlich, fühlt sich Generalkonsul Tribolet zu strengster Neutralität in allen parteipolitischen Fragen und zu absoluter Loyalität gegenüber seinem neuen Präsidenten verpflichtet und muss wohl auch selbst erst noch seine eigene Position finden.

Der gelernte Journalist und intime Kenner Deutschlands - Tribolet hielt seinen Vortrag in einem perfekten und akzentfreien Deutsch, das dem Auditorium allergrößte Hochachtung abnötigte - der bereits in unterschiedlichen Verwendungen an der französischen Botschaft in Bonn und Berlin tätig war - unter anderem auch eine Zeit lang als “Austausch-Diplomat” im Auswärtigen Amt in Berlin - musste sich deshalb darauf beschränken, die einschlägige Berichterstattung in französischen, deutschen und schließlich auch in britischen Printmedien zu zitieren. Für einen so vorzüglich informierten Zuhörerkreis wie an der Speyerer Universität barg solches aber naturgemäß kaum Überraschendes - bis hin zu der Prognose, dass “die Linke” in Frankreich wohl auch am kommenden Sonntag obsiegen würde.

Tribolet erlaubte sich verständlicherweise nur wenige Anflüge von Kritik, die er geschickt “zwischen den Zeilen” zu “verpacken” verstand: So als er den Empfang der “SPD-Troika” im Elyssée-Palast ansprach oder als er an verschiedene Versprechen des neuen Präsidenten aus dem Wahlkampf - zum Beispiel zur Rente mit 60 oder zum Abbau von Beamtenstellen auf den verschiedenen Ebenen des öffentlichen Dienstes - erinnerte, Versprechen, deren Wirkungsmöglichkeiten er doch deutlich relativierte. Sie seinen in ihren zum Teil populistischen Formulierungen unter anderem der Tatsache geschuldet, dass auch bei diesen Wahlen wieder jeder dritte Franzose einer extremistischen Partei auf der linken bzw. rechten Seite des politischen Spektrums seine Stimme gegeben habe.

Zum Abschluss seines Referates, das er bewusst kurz hielt, “um Zeit für ein Gespräch zu lassen”, bekannte sich Jean-Claude Tribolet jedoch eindeutig zu weiteren Fortschritten in Europa. “Wenn wir im kommenden Jahr des 50. Jahrestages der Elyssée-Verträge gedenken, dann wird es darauf ankommen, dass Deutschland und Frankreich wieder gemeinsame Lösungen für Europa finden, die auch von den anderen EU-Ländern mitgetragen werden können”, rief der Diplomat zum Handeln auf. Die Geschichte habe immer wieder gezeigt, dass die Europäische Gemeinschaft stets dann zu mutigen Entscheidungen in der Lage gewesen sei, wenn sie sich unter großem Druck, wenn sie sich in krisenähnlichen Zuständen befunden habe. “Vielleicht stehen wir deshalb heute - unter dem Eindruck der Finanzkrise - vor einem wichtigen Sprung in Richtung einer politischen Union in Europa”, zeigte er sich am Ende vorsichtig optimistisch.

In die anschließende Diskussion kam dann noch einmal Bewegung, als Universitäts-Professor Dr. Holger Mühlenkamp - “ich bin vermutlich der einzige Oekonom hier im Saal” - die Sinnhaftigkeit der europäischen Fiskalpolitik in Frage stellte. “Weder der Euro noch das derzeitige deutsche Exportmodell werden langfristig überlebensfähig sein”, stellte er fest. Die Europäer hätten deshalb nur noch die Wahl, das für sie “am wenigsten schmerzhafte Modell” zur Lösung der gegenwärtigen Probleme zu suchen.

 

Auch hier sprach sich der Generalkonsul gegen ein Zuviel an Pessimismus in der aktuellen Diskussion aus.

Die Mehrzahl der Zuhörer aber ging aus diesem Vortragsabend sicher mit dem Gefühl heraus, dass die Unsicherheit über die richtigen Lösungswege für die finanzpolitischen Probleme der Europäer derzeit auf allen Seiten außerordentlich groß sind. Ob dafür diplomatisch-beschwichtigende Antworten weiterhelfen, darf wohl zurecht in Frage gestellt werden.

Erfreuliche Pflichten konnte Rektor Prof. Dr. Joachim Wieland gleich zum Beginn des Abends absolvieren: Er zeichnete Dipl.-Ing. Rudolf Butt, für die Speyerer Universität zuständiger Referent beim “Landesbetrieb Bauen und Immobilien” mit der Universitätsmedaille aus. “Wer durch die Hochschulen in Deutschland geht, wird rasch erkennen, dass es wohl keine zweite Universität gibt, die in besserem Zustand ist als die Einrichtung in Speyer”, stellte der Rektor erfreut fest. Dies verdanke die Universität in hohem Masse dem Einsatz und dem kompetenten Wirken von Rudolf Butt. Von daher sei es mehr als gerechtfertigt, dass der Geehrte als erster Träger der Medaille nach der Änderung des Rechtstitels der Hochschule in “Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften” in die Geschichte der Institution eingehe.

Und noch eine zweite Ehrung konnte Prof. Dr. Wieland vornehmen: Rechtsanwalt Dr. Christian Theobald, seit Jahren erfolgreich als Lehrbeauftragter an der Speyerer Universität tätig und dort ausgewiesener Experte für Energie- und Verkehrswirtschaftsrecht, für Kartell- und Regulierungsrecht sowie für Rekommunalisierung wurde jetzt zum Honorarprofessor an der Speyerer Hochschule ernannt. Prof. Dr. Theobald, der über viele Jahre als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Universitätsprofessor Dr. Dr. Klaus König wirkte und dort auch promovierte, hat sich mit über 100 Veröffentlichungen zu energiewirtschaftlichen Fragen, davon allein sechs Monographien, einen Namen gemacht. Als Lehrbeauftragter an der TU Berlin und an der Humboldt-Universität Berlin nimmt der angesehene Berliner Rechtsanwalt in der Diskussion um Energiewende und Netzausbau eine zentrale wissenschaftliche Position ein. “Bei dem hohen Rang, den die Energiediskussion heute in unserer Gesellschaft einnimmt, erwarten wir von Ihnen noch viele richtungsweisende Beiträge”, gab der Rektor dem frisch ernannten Honorarprofessor mit auf seinen weiteren Lebensweg als Wissenschaftler und Anwalt.

Ehe Prof. Dr. Wieland die Gäste zum Ende des Abends noch zu dem schon traditionellen Umtrunk nach den Abendveranstaltungen einlud, wo sie ihre Gespräche mit Generalkonsul Tribolet noch in kleinem Kreis fortsetzen konnten, wies er noch auf die zur Zeit im Foyer der Universität gezeigte Ausstellung mit Werken des pfälzischen Künstlers Peter H. Quick hin, die noch bis zum Januar 2013 zu sehen sein wird. Foto: gc

15.06.2012


Das “Bullerjahn-System” - die Wege Sachsen-Anhalts aus der Schuldenfalle -

Jens Bullerjahn präsentiert sein Land auf dem Weg zum finanzpolitischen “Musterknaben”

von Gerhard Cantzler

Dass Haushalts- und Finanzpolitik unterhaltsam sein und ein Finanzminister trotz aller aktuellen und längerfristigen Probleme ein fröhlicher Mensch bleiben kann - das bewies jetzt der Stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister von Sachsen-Anhalt, Jens Bullerjahn (SPD) bei seinem Vortrag zur Semestereröffnung an der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften, den er unter die Überschrift “Attraktiv ohne neue Schulden - Sachsen-Anhalt auf dem Weg in die Selbstständigkeit” gestellt hatte.

Gleich zu Beginn des gut besuchten Vortragsabends wies Rektor Prof. Dr. Joachim Wieland auf die Besonderheit dieser Eröffnungsveranstaltung hin, zu der erstmals die “Universität für Verwaltungswissenschaften” eingeladen hatte. Mit der Aufgabe des traditionsreichen Etiketts “Hochschule für Verwaltungswissenschaften” habe die Speyerer Einrichtung, die schon seit ihrer Gründung im rechtlichen Sinne eine Universität gewesen sei, dies auch in ihrer Namensgebung manifestieren und zugleich signalisieren wollen, dass sie in der Folge des “Bologna-Prozesses” auch weitere Studiengänge in ihr Angebot aufgenommen habe, darunter drei neue Masterstudiengänge - zuletzt den berufsbegleitenden Masterstudiengang für “Wissenschaftsmanagment”, der erst vor wenigen Wochen gestartet worden sei.

Bevor Prof. Dr, Wieland das Vortragspult dem Gastredner des Abends überließ, nahm er noch Gelegenheit, den Vorsitzenden des Freundeskreises der Universität, den Speyerer Oberbürgermeister Hansjörg Eger und dessen Vorgänger Werner Schineller sowie als weitere Vertreter des Stadtvorstandes Bürgermeisterin Monika Kabs und Beigeordneten Dr. Wolf Böhm zu begrüßen. Erstmals m Kreise des Kollegiums der Universität mit dabei und von Rektor Wieland besonders herzlich willkommen geheißen: Die erst kürzlich berufene “neue” Universitätsprofessorin am “Lehrstuhl für Personal, Führung und Entscheidung im öffentlichen Sektor”, Dr. Michèle Morner.

Prof. Dr. Wieland gab sodann einen kurzen Einblick in die Vita des Sachsen-anhaltinischen Finanzministers Jens Bullerjahn, der - 1962 in Halle geboren - nach seinem Wehrdienst in der Nationalen Volksarmee der DDR Elektrotechnik studierte und danach bis zur Wende im Bereich Prozess-Automatisierung im Mansfelder Kombinat tätig war. Bereits 1989 wurde Bullerjahn Mitglied in der neu gegründeten Ost-SPD und schon 1990 neben verschiedenen kommunalen Parlamenten auch in den Landtag von Sachsen-Anhalt gewählt. 2004 wählten ihn die Abgeordneten zum Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, ehe er 2006 von dem damaligen Ministerpräsidenten Prof. Dr. Wolfgang Böhmer als Finanzminister und Stellvertretender Ministerpräsident in das Magdeburger Kabinett berufen wurde.

Als Finanzminister habe Bullerjahn es geschafft - so Prof. Dr. Wieland - dass Sachsen-Anhalt als eines von ganz wenigen Bundesländern seinen Landeshaushalt bereits im Jahr 2007 ohne Neuverschuldung habe aufstellen können. “Mit überlegtem und vernünftigem Sparen”, wie der Rektor betonte, sei so das von Finanzpolitiker in der gesamten Bundesrepubkik mit Hochachtung verfolgte “System Bullerjahn” entstanden.

In seinem Referat legte Bullerjahn zunächst noch einmal die “Eröffnungsbilanz” seiner inzwischen sechsjährigen Tätigkeit als Finanzminister von Sachsen-Anhalt offen. Dabei habe auf der Agenda der weitreichende Umbau der gesamten Landes- und Kommunalverwaltung ganz weit oben gestanden. So habe das Land die Zahl der Landkreise von 37 auf 11, die der Kommunen von 857 auf 230 reduziert - die Zahl der Stellen im Landesdienst in zwei Wahlperioden um 17.000 abgebaut.

Wegen der noch immer demographisch und durch Abwanderung bedingten erheblichen Bevölkerungsverluste seien auch viele andere Einrichtungen - von Finanzämtern über Gefängnisse bis hin zu Schulen - geschlossen worden, “...und wir werden diese Entwicklung auch weiterhin aufmerksam im Auge behalten müssen, weil auch für die nächsten Jahre mit einem deutlichen Bevölkerungsrückgang gerechnet werden muss”, so Bullerjahn.

Das gelte im übrigen nicht nur für sein eigenes Bundesland, sondern für die gesamte Bundesrepublik: Hier prognostizierte Bullerjahn für die nächsten Jahre einen Rückgang der Bevölkerungszahlen von 82 Millionen bei der letzten Erfassung auf ca. 70 Millionen Einwohner.

Dank einem ganzen Bündel von Maßnahmen - “Transparenz und umfangreiche Detail-Information über das gesamte Zahlenwerk müssen für jeden Bürger zu jeder Zeit im ganzesn Land verfügbar sein”, so der inzwischen dienstälteste Finanzminister in den Bundesländern, “ist ein hohes Maß an Durchschaubarkeit entstanden”.

Daraus resultiere durchaus so etwas wie ein Wettbewerb, wenn jede Kommune mit einem “Mausclick” erfahren könne, wieso die andere finanziell besser aufgestellt sei. “Wir wollen, dass jeder von jedem lernen kann”.

Dank der Tatsache, dass Sachsen-Anhalt bis vor kurzem “zwei Finanzminister” gehabt habe - Ex-Ministerpräsident Prof. Böhmer habe bei den Strukturreformen mit viel Kreativität, guten Ideen und viel Engagement mitgewirkt - habe er selbst - so bekannte Bullerjahn freimütig - viel für seine Arbeit profitiert. Dadurch sei es möglich geworden, dass sein Bundesland in den Jahren 2007, 2008 und 2009 ohne Neukreditaufnahmen ausgekommen sei. Erst 2010 habe man in der Folge der Bankenkrise wieder zusätzliches Geld aufnehmen müssen, aber schon im laufenden Doppelhaushalt werde dieser Zustand wieder überwunden sein.

Und das Wichtigste: Sachsen-Anhalt werde bis zum Jahr 2013 bei seinem strukturellen Defizit - dem sicher größten Problem aller öffentlichen Haushalte - eine “schwarze Null” schreiben. “Dann müssen wir aber alles daran setzen, um diesen Zustand zu erhalten.

Ein weiteres Geheimnis des Erfolgs von Magdeburg: Man gibt den Verantwortlichen vor Ort viel Entscheidungsspielraum über die Verwendung der zugewiesenen Finanzmittel und Personalstellen. “Wenn jemand - aus eigener Vernunft - Personal oder Geldmittel einspart, dann muss er dies - anders als sonst in der Kameralistik üblich - nicht an das Ministerium zurückgeben, sondern kann das zu anderem Zwecken einsetzen”. Ein System, das viel Kreativität freigesetzt habe, berichtet der Finanzminister. So könnten dort, wo Lehrerstellen freiwerden, Sozialarbeiter ihren Dienst aufnehmen, Kindergärten Spieletherapeuten einsetzen.

Ein anderes Beispiel: Neben Thüringen sei Sachsen-Anhalt das einzige Bundesland, das zum “Angemessenheits-Prinzip” zurückgekehrt sei. Dadurch könne die Handlungsfähigkeit der Verwaltungen, insbesondere im kommunalen Bereich, deutlich verbessert werden.

Und noch ein weiteres “heißes Eisen” packte der Finanzminister unverzagt an: Die sich vor den “öffentlichen Händen” immer höher auftürmenden Berge an Pensionsforderungen ihrer Staatsdiener. “Wir schauen in dieser Hinsicht bei den Leistungen immer nur nach Norden - nach Skandinavien, verhalten uns aber mit den Rückstellungen wie die Staaten im Süden”, mahnte Bullerjahn. Er wolle sich aber auch hier lieber am Norden orientieren - sich Norwegen als Vorbild nehmen, wo heute schon Finanzmittel für die Zeit nach dem Ende der großen Erdölgewinne zurückgelegt würden. “Die meisten Bundesländer müssen sich auf gewaltig anwachsende Pensionsforderungen einstellen, weil sie in früheren Zeiten in vielen Bereichen zu viele Mitarbeiter im Beamtenstatus eingestellt häben, obwohl die gleiche Leistung auch von Angestellten hätte erbracht werden können”. Die Bildung von Rücklagen sei deshalb ein weiteres Gebot der Stunde.

Für die nächste Zukunft kündigte Bullerjahn die Einführung einer Ampel für jede Behörde in Sachsen-Anhalt - auch für die Kommunen - an, mit der signalisiert werden solle, in welchem Zustand es sich mit ihrem jeweiligen Haushaltsgebaren befindet.

Den Umfang seines Landeshaushaltes bezifferte Bullerjahn auf derzeit zehn Milliarden Euro jährlich - die Altschulden beliefen sich auf 20 Milliarden Euro. Neben dem Verzicht auf die Aufnahme neuer Kredite wird das Land im Jahr 2014 mit der planmäßigen Rückführung der Altschulden beginnen. “Im Jahr 2030 wollen wir dann endgültig schuldenfrei sein”, kündigte er an. Dies sei um so wichtiger, als er für die Zeit nach 2017 mit einem deutlichen Anstieg der Zinssätze rechne. “Dann werden Refinanzierungen deutlich teurer”, gab Bullerjahn zu bedenken, “deshalb müssen wir bis dahin mit unseren Schuldentilgungen weitgehend ‘durch’ sein”.

Um für die “Zeit danach” zu verhindern, dass die Haushaltsentwicklungen wieder “entgleisen”, will Bullerjahn schon jetzt die Werkzeuge vorbereiten, mit denen das gesichert werden kann: Dazu sollen ein umfangreiches Controlling ebenso gehören, wie ein Programm, in dem alle Entwicklungen detailiert und prospektiv bis ins Jahr 2025 eingebracht und so die mittel- und langfristigen Entwicklungen der Haushalte abgelesen werden können.

Nach dem Jahr 2020 gehe es dann aber darum, ein gänzlich neues Haushaltssystem zu implementieren, die staatlichen Aufgaben neu “zu sortieren” und eine bundesstaatliche Raumordnung neu zu organisieren. Am Ende dieses Prozesses müsse dann eine Länderneugliederung stehen. “Und ganz am Ende wird die Frage stehen, welche Grundstruktur Deutschland nach 2030 haben soll. Die Maßnahmen bis dahin sind die Pflicht - was dann kommt, ist die Kür”, schloß der Finanzminister und stellte in Aussicht, dann bei einem weitern Vortrag in der Speyerer Universität über seine Erfolge zu berichten.

Was er allerdings - ungeachtet aller Sparnotwendigkeiten - nicht aus den Augen zu verlieren bat, seien die Anstrengungen um die Verbesserung von Bildung und Sozialaufgaben, bei denen nicht gespart werden dürfe. Nur so könne auch weiterhin ein solidarisches Deutschland als gesamtstaatliches Ziel erhalten bleiben.

Das eindrucksvolle Referat wurde am Rednerpult von zahlreichen Tabellen unterstützt - der Vortragsabend selbst von Bagdan M. Kisch, Violoncello und Adrian Fischer, Klavier, mit zwei bemerkenswerten musikalischen Beiträgen umrahmt, die sich kongenial an das hohe Niveau des finanzpolitischen Vortrages anpassten. Foto: gc

24.05.2012


Neues Namensschild an der Speyerer Hochschule angebracht -

DHV Speyer jetzt auch nach außen hin sichtbar in “Universität Speyer” gewandelt.

spk. Speyer. “Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer” - so lautet jetzt der neue Name der bisherigen DHV, der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, der mit der Anbringung des neuen Schriftzuges durch den Speyerer Kunstschlosser Bernhard Pelgen und seine Mitarbeiter heute auch nach außen hin sichtbar vollzogen wurde. “Mit dieser Umbenennung” so der Rektor der Universität, Prof. Dr. Joachim Wieland, "wollen wir auch in unserem Namen dokumentieren, dass wir uns nach der Einführung der neuen Masterstudiengänge weiter für die Ausbildung des verwaltungswissenschaftlichen Nachwuchses geöffnet haben und nicht mehr - wie bisher - nur rein nachuniversitäre Postgraduiertenangebote bereithalten."

Als einzige vom Bund und allen Ländern gemeinsam getragene akademische Ausbildungsstädte und als deutsches Kompetenzzentrum für Verwaltungswissenschaften nimmt die Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer in der nationalen Hochschullandschaft eine Sonderrolle ein. Prof. Dr. Wieland sieht sie deshalb in einer besonderen Verantwortung für die Entwicklung von Staat und Gesellschaft: "Wir sind seit 65 Jahren ein zentrales föderales Begegnungsforum in Sachen guter Verwaltung und wollen auch in den kommenden Jahrzehnten die Entwicklung des öffentlichen Sektors in Deutschland und Europa insbesondere über unser erfolgreiches Ausbildungsmodell für Rechtsreferendare und durch unsere Forschung mit gestalten".

Die Ursprünge der Speyerer Universität gehen zurück auf die von der französischen Besatzungsmacht 1947 noch vor Gründung der Bundesrepublik in Speyer ins Leben gerufene Akademie für Verwaltungswissenschaften, die in der Folgezeit mit der Verleihung des Habilitations- und Promotionsrechtes den vollen Universitätsstatus erlangte.

Die Universität widmet sich auf der Grundlage eines breiten methodischen Spektrums dem Thema der öffentlichen Verwaltung von der kommunalen bis zur globalen Ebene und berücksichtigt dabei auch die Beziehungen zwischen öffentlichem und privatem Sektor. Ihre Aufgaben sind die Aus- und Weiterbildung von Führungskräften, die Forschung sowie die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Zu Ihrem Kernprofil zählen ihre Wissenschaftlichkeit, ihre Praxisbezogenheit und ihre Interdisziplinarität. Alle drei Aspekte fließen in ihre akademische Lehre, in anwendungsorientierte Forschung sowie berufsbegleitende Weiterbildung ein. Mit ihren Magister-, Master- und Promotionsstudiengängen sowie mit ihrem einzigartigen verwaltungswissenschaftlichen Ergänzungsstudium für die Rechtsreferendarinnen und -referendare der Länder bietet die Universität ein breites Qualifikationsangebot für künftige Führungskräfte der Öffentlichen Verwaltung an. Mit 17 Lehrstühlen und der größten Verwaltungswissenschaftlichen Spezialbibliothek Deutschlands bietet die Universität ihren durchschnittlich 350 Studierenden ein ideales Lern- und Betreuungsumfeld. Zu dessen weiteren Optimierung erhofft sich die Universität die baldmögliche Realisierung ihres derzeit größten Projektes: Der Errichtung einer neuen Universitäts-Bibliothek, für die alle planerischen Vorbereitungen getroffenen sind und wo allein noch die Finanzierungszusage durch das Land aussteht. Foto: jüs

28.03.2012


Gipfelpunkt auf einem langen Weg

Privatdozent Dr. Alexander Windoffer erhält Habilitations-Urkunde an der DHV

von Gerhard Cantzler

Es war schon ein kurioser Zufall, dass Privatdozent Dr. Alexander Windorffer zum Ende seines Habilitationsverfahrens an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften DHV in Speyer seine Antrittsvorlesung ausgerechnet am 65. Jahrestag der Gründung dieser renommierten Einrichtung halten konnte. Das betonte auch zu Beginn des Abends der Rektor der DHV, Universitätsprofessor Dr. Joachim Wieland, der aus diesem Anlass zahlreiche Gäste im Auditorium Maximum der Hochschule begrüßen konnte - an ihrer Spitze den Vorsitzenden des Freundes- und Fördererkreises der DHV, Oberbürgermeister Hansjörg Eger, das Mitglied des Europäischen Parlaments Jürgen Creutzmann sowie die Präsidenten der Landesrechnungshöfe Rheinland-Pfalz, Klaus P. Behnke, und aus Baden-Württemberg, Max Munding.

Es war nämlich genau am 11. Januar 1947, als die französische Besatzungsmacht das Dekret über die Gründung der Hochschule bekannt gab und damit die Erfolgsgeschichte dieser hochrangigen wissenschaftlichen Einrichtung einleitete.

Alexander Windoffer, geb. 1972 in Wesel, gehört der DHV seit dem Jahr 2001 an, so Prof. Wieland in seinen einführenden biographischen Anmerkungen zum Beginn des Vortragsabends. Er kam damals nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Tübingen und nach seinem Ersten und Zweiten Juristischen Staatsexamen vom Landratsamt des Schwarzwald-Baar-Kreises in Villingen-Schwenningen, wo er das Rechtsamt leitete, als Forschungsreferent an das Forschungsinstitut der DHV in Speyer. Dort, so der Rektor, habe er “höchst produktiv und innovativ” gewirkt und eine Vielzahl bemerkenswerter Veröffentlichungen vorgelegt.

2005 promovierte er an der DHV bei Univ.-Prof. Dr. Jan Ziekow mit “summa cum laude” zum Dr. rer.publ.

2011 schließlich erwarb Windoffer die “Venia legendi”, das Recht, selbst universitäre Lehrveranstaltungen abzuhalten - die Vorstufe zur Habilitation - legte seine Habilitationsschrift vor, hielt - gemäß der Speyerer Habilitationsordnung - eine Probevorlesung und absolvierte ein umfangreiches Kolloquium, ehe er jetzt mit der Antrittsvorlesung über “Das neue Glücksspielrecht - Präventionsmodell mit Gewinnchancen in Karlsruhe und Luxemburg” das aufwendige Habilitationsverfahren krönte.

In seiner Vorlesung analysierte Privatdozent Dr. Windoffer, der - durchaus verfahrensüblich - bereits seit zwei Semestern eine Lehrstuhlvertretung an der Universität Mainz wahrnimmt, das neue Glücksspielrecht in der Bundesrepublik. In diesem gehe es, so der Wissenschaftler, weniger um das Glücksspiel generell, sondern um seine Handhabung in der Öffentlichkeit. Hier stünden der Schutz der Spieler vor Suchtgefährdung und Manipulation in Konkurrenz zu den garantierten Grundrechten der Berufsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit der Wettbetreiber.

Als weiteres beschrieb Dr. Windoffer die unterschiedlichen Formen des Glücksspiels von den verschiedenen Lotterien über die Sportwetten, die Casinowetten und die Automatenspiele, bewertete deren jeweiligen Grad an Suchtgefährdung und umriss den Umfang der staatlichen Restriktionsmöglichkeiten bei Zulassung und Spielkontrolle.

Dabei ging er auch auf die höchst unterschiedlichen Zuständigkeiten der verschiedenen Gesetzgebungsebenen ein, die durchaus nicht nur zur Vereinfachung des rechtlichen Umgangs mit den verschiedenen Glücksspielen geführt hätten.

Bei der Neufassung des Glücksspielrechtes hätte sich zudem eine Divergenz der Rechtsauffassungen des Landes Schleswig-Holstein mit den anderen 15 Bundesländern herausgestellt. Dies berge die Gefahr in sich, dass immer mehr Wettveranstalter ihren Firmensitz in das Land zwischen Nord- und Ostsee verlagern könnten. Dennoch sah der Referent keinen Grund für eine Schreckensvision von einem “Las Vegas an der Kieler Börde”. Das hänge insbesondere mit der Tatsache zusammen, dass die meisten Wettspiele heute bereits per Internet abgewickelt würden.

Als positiv bewertete Dr. Windoffer, dass sich die Länder darauf verständigt hätten, die Zahl der Spielbanken in Deutschland nicht weiter zu vergrößern, da die dort angebotenen Wettspiele angesichts der möglichen Gewinn- und Verlustchancen zu den gefährlichsten für die Spieler überhaupt zählten.

Mit Blick auf das europaweit geltende Kohärenzgebot, nachdem die in den europäischen Mitgliedsländern geltenden Bestimmungen der Durchsetzung von Europarecht dienen müßten, verwies der Referent auf die Tatsache, dass nach europäischem Recht alles möglich sei - vom absoluten Verbot von Glücksspiel bis hin zum Verzicht auf jedwede Kontrolle. Für ihn gebe es allerdings auch keinen Grund zu der Sorge, dass ein generelles oder teilweises Verbot bestimmter oder gar aller Glücksspiele zu erfolgreichen Schadensersatzforderungen der heute schon in dem “Geschäft” tätigen Wettbetreiber führen könnten.

Sein Fazit: Die Ländermehrheit in der Bundesrepublik hat mit dem neuen Glücksspielrecht “auf das richtige Pferd gesetzt”, das wohl auch vor den Gerichten in Karlsruhe und Luxemburg Bestand haben dürfte. Die darin enthaltenden Restriktionen sind mit den europäischen Freiheiten vereinbar. Der schleswig-holsteinische Sonderweg dagegen sei ein Irrweg, für den die anderen Ländern ihren norddeutschen Kollegen die Rechnung präsentieren sollten.

Aus der Hand von Rektor Dr. Wieland konnte Dr. Windoffer sodann die Habilitationsurkunde entgegennehmen - redlich erarbeitet und nicht am Spieltisch gewonnen...  Foto: Kienipress

12.01.2012


Widerstand - Bürgerrecht oder Bürgerpflicht?

13. Demokratie-Tagung an der DHV mit spektakulären Gästen

von Gerhard Cantzler

In Brüssel, Paris und Berlin feierten sich die Politiker noch ob der vermeintlichen EURO-Rettung und auf dem Börsenparkett in Frankfurt gingen die Kurse “durch die Decke”, da standen EURO und Europapolitik in der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (DHV) schon wieder im Kreuzfeuer heftiger Kritik. Anlass: Die 13. Demokratietagung, in diesem Jahr ganz dem Thema “Widerstand” gewidmet. Und auch in diesem Jahr war es dem Leiter dieser Tagung, dem bekannten Parteien-Kritiker Prof. Dr. Hans-Herbert von Arnim wieder gelungen, prominente Referenten nach Speyer zu gewinnen, Referenten - die ob ihrer Meinungen abseits des politischen Mainstreams immer wieder in die öffentliche Diskussion geraten.

Demokratiedefizite in der Welt provozieren zunehmend Widerstand

In seinem Eingangsreferat wies Prof. von Arnim darauf hin, dass sich schon seit geraumer Zeit an vielen Stellen in der Welt bürgerschaftlicher Widerstand rege: In den Staaten Nordafrikas zunächst, in Israel und jetzt auch in den USA mit der Bewegung “Occupy Wall Street”, aus der sich in Deutschland zuletzt “Occupy Frankfurt” abgeleitet habe. Bei den beiden letztgenannten gehe es nur vordergründig um Widerstand gegen die Ausweitung von Rettungsschirmen - in Wirklichkeit gehe es aber den Bürgern um ihr Unbehagen über eine hinter der Euro-Krise stehenden Rechts- und Verfassungskrise.

Diese habe ihre Ursache bereits in der Tatsache, dass Deutschland nach dem Krieg nie zu seiner “Volkssouveränität” gefunden habe. Das Grundgesetz sei damals unter dem Druck der Besatzungsmächte und ohne die Mitwirkung der Bürger eingeführt worden. Eine eigene Verfassung sei den Deutschen im Grundgesetz erst mit der Verwirklichung der deutschen Einheit in Aussicht gestellt worden. “Doch diese bis heute fehlende Legitimierung wurde nie nachgeholt - auch nicht in Verbindung mit der deutschen Einheit 1989/90", betonte der Professor. Statt dessen sei diese Souveränität auf die politischen Parteien übergegangen. Diese kritisierte er hart, weil sie eine Form von “Modernem Absolutismus” errichtet hätten, in dem “die politische Klasse ihr Macht dazu benutze, um ihre eigene Macht abzusichern”. Zwar seien die Politiker an Gesetze gebunden - doch was nütze dies, wenn sie die Gesetze selbst machten.

Von Arnim kritisierte auch das deutsche Wahlrecht, in dem der Wähler nicht einzelne Kandidaten, sondern nur Vertreter aus den von den Parteien erstellten Blöcken auswählen könne. Im Zusammenhang mit der Europawahl habe er deshalb eine Verfassungsklage eingereicht, über die am 8. November entschieden werden solle.

Parteien auf dem Weg zu Staatsparteien

Ein anderes, erhebliches Problem sieht von Arnim auch in der Parteienfinanzierung, die er in der gegenwärtigen Form schon seit langem geißelt. So flössen den Parteien auf direkten und indirekten Wegen riesigen Summen zu - allein 400 Millionen Euro zur Bezahlung von persönlichen Mitarbeitern der Abgeordneten, über 300 Millionen über die Parteienstiftungen. “Diese Aufwendungen haben sich in den letzten 50 Jahren um das 450fache vermehrt”, stellte der Professor fest. Möglich geworden sei dies nur, weil sich die Parteien über die Parlamente diese Summen selbst genehmigten. “Selbst die Kontrolle durch die Rechnungshöfe verstehen die Parteien trickreich zu umgehen”, stellte der Professor fest, der befürchtet, dass dadurch die Parteien immer mehr zu Staatsparteien würden. “Die Politik wird dem Volk von oben aufoktroyiert - Demokratie von unten nach oben findet nicht mehr statt”.

Schließlich kritisierte von Arnim, dass es bis heute noch keinen Straftatbestand der Korruption von Politikern gebe - “wer einen Politiker zu bestechen versucht, riskiert allenfalls, dass dieser ihn aus seinem Büro wirft...”

Deshalb sei Widerstand nicht nur ein Mittel zur Beseitigung von Tyrannei - auch in unserem System gebe es Ungerechtigkeiten, gegen die Widerstand zulässig und geboten sei. Allerdings gelte in der Demokratie auch beim Widerstand der Grundsatz der Gewaltfreiheit:

Eurokrise auch Ausdruck der Politikkrise

Mit Prof. Hans-Olaf Henkel, früherer Präsident des BDI, betrat danach ein Referent die “Arena”, der sich selbst dazu bekannte, vom Saulus zum Paulus geworden zu sein. Er sei bei der Einführung des Euro ein entschiedener Befürworter der neuen, einheitlichen Währung gewesen - obwohl diese Haltung damals nicht unbedingt mehrheitsfähig gewesen sei - auch nicht bei den Mitgliedern des damals von ihm geführten Industrieverbandes. Heute spreche er sich dafür aus, dass Deutschland, Österreich, die Niederlande und Finnland aus der Euro-Zone austreten sollten, um einen eigenen Währungsverbund zu gründen. Der Grund: Die im Maastricht-Vertrag festgelegten Stabilitätskriterien - zuallererst die dreiprozentige Neuverschuldungs-Obergrenze - seien inzwischen über hundert Mal gebrochen worden. “Die griechische Regierung hätte sich nie derart verschulden können, wenn sie nicht auf deutsche Zinssätze hätte zugreifen können”, betonte Henkel. Wohin das führe, hätte man spätestens daran erkennen müssen, dass Großbritannien den Euro gegenüber dem Pfund Schritt für Schritt immer weiter abgewertet habe. “Nach Griechenland ist jetzt Italien an der Reihe”, prophezeite Henkel, “und als nächstes kommt dann Frankreich dran”. Deshalb müßten Tabus in Europa aufgebrochen werden - “und das Festhalten am Einheits-Euro ist so ein Tabu”.

Transfer-Union - Weg zur “organisierten Verantwortungslosigkeit”

Viele Oekonomen und namhafte Wirtschafts-Journalisten hätten inzwischen zu den gleichen Schlussfolgerungen gefunden wie er, stellte Henkel fest - “Wir müssen einen Weg aus dem organisierten Finanz-Chaos in Europa finden” - und diesen sieht der in Mannheim lehrende Professor in einem in einen Nord- und einen Süd-Euro geteilten Euro-Raum. Andernfalls werde aus der Eurozone eine Transferunion, vergleichbar dem Länderfinanzausgleich in der Bundesrepublik Deutschland. Diesen bezeichnete Henkel als die “organisierte Verantwortungslosigkeit”. “Wenn Herr Seehofer einen Euro einspart, dann muss er davon 97 Cent in den Finanzausgleich abgeben. Wenn Bremen einen Euro mehr Schulden macht, bekommt es dazu 97 Cent von den “Geberländern”. So gebe es in Berlin kostenlose Kindergarten- und Studienplätze, die dann von Hessen und Baden-Württemberg finanziert werden müßten. Nach diesem System müßten die deutschen Geberländer bei einem weiteren Marsch in die europäische Transferunion dann nicht allein die 13 deutschen Nehmerländer, sondern auch zahlreiche “notleidende” Mitglieder der Eurozone retten. “Dabei retten die deutschen Steuerzahler mit dem Rettungsschutzschirm nicht Griechenland, sondern in Wahrheit die französischen Banken”, so Henkel. Es sei eine Utopie anzunehmen, dass es überhaupt möglich sei, Griechenland zu entschulden.

Sein Vorschlag sei deshalb die Begründung einer neuen Euro-Währung mit den vorgenannten Mitgliedern, die ihre Geldpolitik von einer eigenständigen Zentralbank nach den Regeln von Maastricht organisieren lassen. Diese Union, die Henkel als “echte Stabilitäts-Union” bezeichnete, könne dann ihren Euro gegenüber dem Süd-Euro abwerten. Das könne zwar kurzfristige Auswirkungen auf den deutschen Export haben, würde aber nach Henkels Überzeugung zu keinen längerfristigen Schwierigkeiten führen.

Unter diesem Aspekt, so Hans-Olaf Henkel, halte er auch die These “Scheitert der Euro, dann scheitert auch Europa” für grundfalsch und unverantwortlich. Innerhalb der Eurozone tue sich schon jetzt ein immer breiterer Graben zwischen Geber- und Nehmer-Ländern auf. Wohin das führe, werde auch an der Tatsache deutlich, dass von den noch zehn EU-Ländern, die nicht der Eurozone angehörten, heute nur noch eines - Rumänien - die Mitgliedschaft im Euroraum anstrebe. Die ursprüngliche Idee, dass die Eurozone im Endzustand deckungsgleich mit der EU würde, sei so nicht mehr zu verwirklichen - im Gegenteil: In Großbritannien gebe es eine wachsende Tendenz, sogar wieder aus der EU “auszusteigen”.

Deshalb plädiere er für ein oekonomisch getrennt marschierendes Europa - denn “ein Ende mit Schrecken ist allemal besser als ein Schrecken ohne Ende”.

Gabriele Pauli: Erfahrungsbericht über Umgang mit politischem Establishment

Mit großen Erwartungen sahen die Teilnehmer der Tagung auch dem Referat der früheren Fürther Landrätin und bayerischen Landtagsabgeordneten Dr. Gabriele Pauli entgegen. Sie schilderte in ihren mit “Götterdämmerung in Bayern? Der Sturz eines Ministerpräsidenten und Blockaden politischer Reformen” überschriebenen Ausführungen ihre persönlichen Erfahrungen im Umgang mit einem etablierten politischen System. Wer sich hier allerdings mehr erwartet hatte als die Wiederholung der bereits von Prof. von Arnim getroffenen Feststellung, dass es leichter sei, den politischen Prozess durch Eintritt in eine Partei zu beeinflussen als durch die Gründung einer neuen, sah sich enttäuscht. Gabriele Pauli schilderte ihre leidvolle Irrfahrt von ihrer Mitgliedschaft in den Führungsgremien der CSU über die Freien Wähler in Bayern bis hin zu der von ihr selbst gegründeten “Freien Union” und ihre heutige Parteilosigkeit. Frau Pauli konnte aber kaum Beiträge dazu anbieten, wie die von ihr beklagte Entwicklung grundsätzlich verändert werden könnte.

Thilo Sarrazin: Gegen Denkverbote und Tabus

Anders dagegen der letzte - ob seiner umstrittenen Thesen in seinem jüngsten Buch “Deutschland schafft sich ab” - heftig in die Diskussion geratene Referent Dr. Thilo Sarrazin, zuletzt Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank. Er kündigte gleich zu Beginn seiner Ausführungen an, dass es ihm an diesem Tag nicht um die Inhalte seines Buches gehe, sondern darum, wie die veröffentlichte Meinung damit umgegangen sei. Dies sei nämlich ein Schulbeispiel für die Macht, die sich die Medien in unserer Gesellschaft angeeignet hätten.

Wenn nämlich in manchen Medien gefordert worden sei, sein Buch zu verbieten und ihn selbst - wie einst in der Sowjetunion üblich - in eine Irrenanstalt zu stecken, dann müsse er dem entgegenhalten, dass die Freiheit des Denkens grundsätzlich auf Mitteilung angelegt sei. “Eine Gesellschaft, die ein Übermaß an Denkverboten praktiziert, behindert ihre eigene Entwicklung”, zeigte sich Sarrazin überzeugt - “was man nicht kennt, kann man auch nicht überwinden”. Die Kodifizierung von Meinungen setze zudem stets die Inanspruchnahme dieser Meinungsfreiheit voraus. “Denken ist Macht”, rief der streitbare Ex-Banker aus, “und wo um Macht gerungen wird, wird immer auch um den Umfang der Beeinträchtigung von Meinungsfreiheit gerungen”.

Am unabhängigsten, so der Referent, sei der Mensch dort, wo er selbst Experte sei. In allen anderen Bereichen versuche er sich zumeist der Mehrheitsmeinung anzuschließen.

Seien früher die “Sinnvermittler” Theologen und Philosophen gewesen, so seien dies heute die Medien-Schaffenden. Diese hätten aber meist keinen “anständigen” Brotberuf erlernt und beschränkten sich statt dessen darauf, “Experten für Kritik” zu sein. Aus Mangel an eigenem Expertenwissens richteten sie dann aber ihre Meinung oft allzu gerne an der Meinung anderer Medien aus.

Auch die Politik habe sich deshalb angewöhnt, zunächst auf die veröffentlichte Meinung zu blicken - erst danach auf die Meinung der Bürger. “Politik und Journalisten verbindet auch der Umstand, dass sie wenig lesen”, kritisierte Sarrazin,” über siebzig Prozent derer, die mein Buch kritisiert haben, haben es nie gelesen - oft nicht einmal durchgeblättert. Die Fehler, die sie durch Unkenntnis der tatsächlichen Inhalte machen, pflanzen sich dann von einem Kritiker zum anderen fort” - Kritiken zu seinem Buch, so stellte er fest, seien bereits gedruckt gewesen, noch ehe das Buch überhaupt ausgeliefert worden war.

Tabuisierung als Ursache für Wutbürgertum

Bei der Betrachtung der Reaktionen, die sein Buch ausgelöst habe, sei ihm bewusst geworden, dass sich, je länger die Tabuisierung eines Themas anhalte, der Druck auf die Unterströmungen wachse, die dann um so heftiger ausbrächen, wenn jemand dieses Thema öffentlich anspreche. Die Diskussion um die Schulreform in Hamburg und die Vorgänge um Stuttgart 21 seien nur zwei Beispiele für unzureichende Befassung der Bürger von Anfang an. Aus solchen Vorgängen - so Sarrazin - sei der Begriff von dem “Wutbürger” entstanden - allerdings auch aus Wut darüber, dass sich die Bürger überhaupt zu Wort meldeten. Die Empörung auf die “Wutbürger” werde dann um so heftiger, je mehr es die öffentliche Meinung mit nicht widerlegbaren Fakten zu tun habe. Früher habe in solchen Fällen die Inquisition und der Scheiterhaufen gedroht - heute, seit dem Terror des Stalinismus, drohe den Bürgern das “Irrenhaus”.

Political correctness” als Gefahr für die Meinungsvielfalt

Die Agitation der Medienklasse führe letzten Endes dazu, dass öffentlich verbreitete Meinungen - unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt - zur “political correctness” erhoben würden. “Und wer sich dieser Meinung widersetzt, dem wird unterstellt, er habe die Grenzen des durch die “correctness” definierten “Anstandes” bereits überschritten”. Viele Menschen scheuten sich deshalb inzwischen, ihre Meinung zu sagen, wenn diese nicht dem vermeintlichen Konsens entspricht.”Wer die Welt nur noch durch die Brille der ‘political correctness’ sieht, der blendet dadurch entscheidende Blickwinkel aus”, betonte Thilo Sarrazin, der abschließend warnte, dass die Meinungsfreiheit dort, wo sie nicht genutzt werde, “den Pfad für zukünftige Meinungsfreiheit schmaler mache”. - “Meinungsfreiheit ist wie ein Muskel, der sich zurückbildet, wenn er nicht genutzt und beansprucht wird”, schloß Thilo Sarrazin seine viel beachteten Ausführungen. (Lesen Sie dazu die kompletten Ausführungen Thilo Sarrazins in “M.M. Warburg “Beobachtungen zur Zeit” - Essay Nr. 12 “Tabubruch Meinungsfreiheit”) .

Kirchenpräsident i.R. Cherdron: Christen nur für gewaltfreien Widerstand

Einen ganz anderen Blickwinkel zum Thema “Widerstand” beleuchtete der frühere Kirchenpräsident der Protestantischen Landeskirche der Pfalz, Eberhard Cherdron. Ausgehend von dem Wort des Apostels Paulus “Seid untertan der Obrigkeit” schlug er einen weiten Bogen von Martin Luther bis zu dem wesentlich von den Kirchen inspirierten Widerstand der Bürger gegen das SED-Regime. Dabei vergaß er auch nicht die Rolle Speyers für die Protestation auf dem Reichstag von 1529 herauszuheben. Widerstand - auch eine Sache des ‘genius loci’? Jedenfalls legte auch Cherdron Wert auf die Festellung, dass Widerstand nach christlichem Verständnis stets gewaltfrei erfolgen müsse. Foto: Kienipress

02.11.2011


Auszeichnung für Professor Reinermann

Prof. Dr. Heinrich Reinermann

Auf der größten Informatikkonferenz im deutschsprachigen Raum, der INFORMATIK 2011, in Berlin hat die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) am 5. Oktober 2011 vier verdiente Persönlichkeiten aus der Informatikszene zu "GI-Fellows" ernannt, darunter Prof. Dr. Heinrich Reinermann, Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer. Die Gesellschaft zeichnet Personen als Fellows aus, die sich in herausragender Weise um die GI und die Informatik verdient gemacht haben. Mit Heinrich Reinermann ehrte die GI einen engagierten Wissenschaftler und Vordenker auf dem Gebiet des E-Government.. Er gilt als Nestor und Gründer der Speyerer Verwaltungsinformatik. In Speyer bot Heinrich Reinermann Fortbildungsseminare für Beamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes an, um diesen die Chancen der neuen Büro- und Informationstechnik nahe zu bringen, und schlug so eine Brücke zwischen Verwaltungswissenschaften und Informatik.

In der GI hat sich Heinrich Reinermann als Sprecher des Fachbereichs "Informatik in Recht und Öffentlicher Verwaltung" engagiert und dort im Jahr 2000 das Memorandum „Neue Chancen für eine virtuelle Verwaltung“ mitverfasst, das der öffentlichen Verwaltung einen grundlegenden Modernisierungsschub gegeben hat. Presse DHv Speyer

13.10.2011


Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland neuer Rektor der DHV Speyer

Seit dem ersten Oktober 2011 hat die DHV Speyer einen neuen Rektor. Der bisherige Prorektor, Univ.-Prof. Dr. Joachim Wieland war am 25. Juli 2011 vom Senat der Hochschule als Nachfolger von Univ.-Prof. Dr. Stefan Fisch gewählt worden, der das Amt zwei Jahre lang inne hatte.

Der 1951 geborene Wieland studierte in Bielefeld und Cambridge Rechtswissenschaft. Erste wissenschaftliche Erfahrungen sammelte er nach seinem Staatsexamen altarbeiter von Univ.-Prof. Dr. Dr. E.-W. Böckenförde an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Hier promovierte er 1984 mit einer Arbeit über das Thema "Die Freiheit des Rundfunks". Anschließend sammelte er von 1984 bis 1988 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesverfassungsgericht wichtige Erfahrungen am höchsten deutschen Gericht, bevor er als wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Prof. Dr. Alexander Hollerbach, Seminar für Rechtsphilosophie und Kirchenrecht, an die Universität Freiburg im Breisgau zurückkehrte. In Freiburg wurde ihm 1989 Venia Legendi für Öffentliches Recht einschließlich Finanz- und Steuerrecht, Rechtsvergleichung verliehen. Thema seiner seiner Habilitationsschrift waren „Die Konzessionsabgaben“. In der Folgezeit nahm Wieland Lehrstuhlvertretungen an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und an der Universität Bielefeld war, bis er 1991 einen Ruf auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Bielefeld annahm. 1996 bis 1998 war er Prorektor für Personal und Finanzen dieser Universität gehörte. 2001 übernahm Wieland den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht, Fachbereich Rechtswissenschaft an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt, wo ihn schließlich 2007 der Ruf auf den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht der DHV Speyer erreichte, wo er sich außer in Lehre, Forschung und Weiterbildung auch als stellvertretender Direktor der Bibliothek und seit 2010 auch als Prorektor in die Selbstverwaltung der Hochschule einbrachte.

Wielands Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in den Bereichen Verfassungsrecht, Finanzverfassungsrecht, Steuerrecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht. Ein sehr umfangreiches Publikationsverzeichnis weist ihn in diesen Bereichen als äußerst renommierten Wissenschaftler aus. Wichtige Publikationen widmete Wieland der kommunalen Aufgabenträgerschaft nach dem Grundsicherungsgesetz, der Aufgabenzuständigkeit und Finanzierungsverantwortung verbesserter Kinderbetreuung und dem Schutz des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen gegenüber Einschränkungen ihrer wirtschaftlichen Betätigung im nationalen und europäischen Recht.

Seine umfangreichen Kenntnisse konnte Wieland bislang in zahlreichen verantwortungsvollen Funktionen einbringen. So ist bzw. war er Mitglied des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs, der Gemeindefinanzreformkommission des Bundes, der Enquetekommission Kommunen des Landtags Rheinland-Pfalz, der Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Reform der bundesstaatlichen Ordnung und der Enquetekommission Verfassungsreform des Hessischen Landtags. Wieland wirkte als Sachverständiger für die Kommission zur Modernisierung der Bund-Länder- Finanzbeziehungen und nahm Prozessvertretungen des Bundespräsidenten, des Bundestags, der Bundesregierung, von Landesregierungen und Kommunen vor dem Bundesverfassungsgericht, dem Bundesverwaltungsgericht und verschiedenen Landesverfassungsgerichten wahr. Presseinformation der DHV Speyer 

04.10.2011


Wissenschaftspreis der Johann Joachim Becher-Stiftung Speyer

Mobilität mit Intelligenz - Ergebnisse des J. J. Preises publiziert

Die Johann Joachim Becher-Stiftung Speyer verleiht in regelmäßigen Zeitabständen Wissenschaftspreise, die thematisch an das Wirken des Speyerer Universalwissenschaftlers Johann Joachim Becher (1635 – 1684) anknüpfen und auch heute noch von Bedeutung sind. Nach der „Relevanz merkantilistischen Gedankenguts in einer globalisierten Welt“ (2000), „Technik und Gesellschaft“ (2003), „Medizin zwischen Machbarkeit, Sinnhaftigkeit und Bezahlbarkeit“ (2005) und „Chemie zwischen Hoffnung und Skepsis“ (2007) war die Auslobung des jüngsten Wissenschaftspreises dem Themenbereich „Transport und Logistik“ (2009) gewidmet. J. J. Becher hat hierzu seinerzeit kühne Vorstellungen entwickelt, u.a. zu Rhein-Main-Donau-Kanal, Suez-Kanal und Panama-Kanal. Anderseits sind mittlerweile Raum und Zeit dem Transport von Personen, Materie, Energie und Information immer weniger Grenzen gesetzt. Man spricht gar vom „Tod der Distanz“. Diese Entwicklung hat uns einerseits offensichtliche Vorteile beschert. In jüngerer Zeit zeigen sich andererseits gleichwohl neue Grenzen für Verkehr und Logistik. Unsere Sorge gilt dem Verbrauch der Energieressourcen, den wachsenden Schadstoffemissionen oder dem Landschaftsverbrauch für Verkehrseinrichtungen. Die Lebensqualität ist durch Verkehrslärm, Hektik und Unfallfolgen gefährdet. Der Trend zur Urbanisierung verschärft die Problematik.

Die Ergebnisse dieser jüngsten Auslobung der J. J. Becher-Stiftung liegen jetzt mit dem Band „Mobilität mit Intelligenz, Strategien für die Bewältigung der logistischen Herausforderungen der Zukunft“ vor. Er ist im Nomos-Verlag Baden-Baden erschienen (ISBN 978-3-8329-6562-4) und wurde von Prof. em. Dr. Heinrich Reinermann von der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer herausgegeben. Strategien für die Bewältigung der logistischen Herausforderungen werden darin entwickelt von Professor Dipl.-Ing. Albert Speer, Frankfurt am Main, für die Raumnutzung in der Stadt der Zukunft; Dr Hartwig Haase, Universität Magdeburg, für Modulare Mobilität in urbanen Ballungsräumen; Dr. Timo Bertocchi, Rhein-Main-Service GmbH Frankfurt am Main, für öffentlichen Personennahverkehr in der Region; und Becher-Preisträger Dr. Stefan Walther, Daimler AG Stuttgart-Untertürkheim, für den großräumigen Gütertransport in Europa.

02.08.2011


Interkultureller Dialog künftiger Verwaltungsexperten

15. Deutsch-französischer Studientag an der DHV in Speyer

Gut 150 Studierende der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften DHV und ihrer französischen Partnereinrichtung, der école nationale d’administration ENA in Straßburg trafen sich jetzt zum inzwischen schon traditionellen, gemeinsamen Studientag, dem 15. seiner Art, in Speyer. Gemeinsam mit hochrangigen Experten aus beiden Ländern sollten die Studenten aus beiden Hochschulen an diesem Tag Gelegenheit erhalten, aktuelle europapolitische Themen zu analysieren und in einem interkulturellen Vergleich die unterschiedlichen Herangehensweisen bei der Lösung der gestellten Aufgaben kennen zu lernen. Dabei erwies es sich rasch, dass Franzosen und Deutsche aufgrund ihrer unterschiedlichen verwaltungsrechtlichen Traditionen und verfassungsrechtlichen Strukturen - in Frankreich im wesentlichen zentralistisch, in Deutschland geprägt von einem föderalistischen System - auch schon als Studenten einen unterschiedlichen “approach” bevorzugen - so wie sie ihn später auch im beruflichen Alltag als verwaltungswissenschaftliche Elite ihrer Länder werden praktizieren müssen.

Dass die Eingangsdiskussion über die Mechanismen zur Stabilisierung der Europäischen Währungsunion ausgerechnet auf den Tag fiel, an dem im griechischen Parlament in Athen die Entscheidung über ein notwendiges Sparpaket und damit indirekt über die Freigabe weiterer Rettungsmilliarden für Griechenland anstand, war sicher Zufall; es unterstrich aber zugleich die Nähe der Lehre an beiden Hochschulen zu den Realitäten europäischer Währungspolitik, wie sie sich kaum dramatischer als an diesem Tag offenbaren konnte

Von daher war es für die Teilnehmer an diesem Studientag sicher ein mehr als glücklicher Umstand, mit den drei Referenten zu diesem Themenkomplex, Gabriel Glöckler von der Generaldirektion “Internationale und Europäische Beziehungen” der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, dem renommierten französischen Oekonomen Jacques Delpla, Mitglied des Conseil d’Analyse Economique und dem Mitglied in der Finanzwirtschaftlichen Grundsatzgruppe des Rheinland-Pfälzischen Finanzministeriums, Andreas Metz, drei Fachleuten zu begegnen, die aus ihren verschiedenen Betroffenheiten unterschiedliche Sichtweisen auf ein insgesamt hochkomplexes Thema vermitteln konnten.

Aktuelle und durchaus spannende Themen wurden auch in neun Arbeitsgruppen am Nachmittag des Studientages bearbeitet: Das reichte von Fragen “der Beschäftigung von Personal aus Drittstaaten in der Rheinschiffahrt” über die Ausarbeitung einer “Empfehlung des Europarates zur Ausübung der Religionsfreiheit” bis hin zu Fragen der europäischen Sicherheitspolitik und der Zukunft der Kernenergie in beiden Ländern. Besonders spannend auch die Simulation einer Sitzung des Direktoriums der Oberrheinkonferenz sowie einer Tagung eines deutsch-französischen Ministerrates.

Die Studierenden brachten sich durchweg mit großem Ernst und viel Engagement in ihre jeweiligen Diskussionsrunden ein. Das bestätigten auch die beiden Leiter der Tagung, Prof. Dr. Karl-Peter Sommermann für die DHV in Speyer und seine französische Kollegin Francoise Camet von der ENA in Straßburg. Dies zeigte sich aber auch bei den Abschlussrunden, in denen die Sprecher der Arbeitsgruppen mit viel Geschick und guten Argumenten ihre gewonnenen Erkenntnisse zu verteidigen wussten.

Einmal mehr ein deutsch-französischer Studientag, der sich würdig in die Reihe der in den 80er Jahren von dem früheren Speyerer Universitätsprofessor Dr. Heinrich Siedentopf ins Leben gerufenen Tagungen einfügte und der deutlich werden ließ, welche Potentiale im “Nachwuchs” beider Hochschulen schlummern.

Noch eine Anmerkung zum Schluss: Wer sich noch an Studientage früherer Jahre erinnert, dem wird aufgefallen sein, dass die Mehrzahl der Gesprächsrunden in diesem Jahr in englischer Sprache geführt werden mußten. Das war früher einmal anders: Da waren für alle Teilnehmer Diskussionen auf höchstem Niveau in den beiden Sprachen, in Französisch und Deutsch möglich. Heute jedoch ist - insbesondere wohl auf der französischen Seite - das Interesse an der anderen Sprache - also Deutsch - offensichtlich derart im Schwinden begriffen, dass man sich auch im Grenzland zwischen den befreundeten Ländern Frankreich und Deutschland nur noch in einer Sprache austauschen kann: In Englisch.

Das ist eigentlich Schade - und sollte für die Schulpolitiker auf beiden Seiten sicher Grund zur Nachdenklichkeit sein. Gerhard Cantzler/ Alle Fotos: sim

30.06.2011


IASIA-Ehrung für zwei DHV Professoren

Prof. Dr. Dr. Klaus König

Dr. Dr. Klaus König und Dr. Heinrich Reinermann, beide emeritierte Universitätsprofessoren an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, wurde in Rom eine besondere Ehrung zuteil.

Die International Association of Schools and Institutes of Administration (IASIA), eine Tochter des Internationalen Instituts für Verwaltungswissenschaften Brüssel, zeichnete sie für ihren herausragenden, engagierten und langjährigen Einsatz aus; sie hätten damit die Ziele und Handlungsprogramme IASIAs maßgeblich mitgeformt.

Anlass für diese Ehrung war der 50. Geburtstag von IASIA, der mit einer von der italienischen Regierung sowie der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Roma Tre vom 13.bis 18. Juni 2011 veranstalteten Konferenz "IASIA at 50: Challenges and Ways Foreward for Public Administration Globally" feierlich begangen wurde.

Die Ehrungen wurden von Valeria Termini, Präsidentin von IASIA und Professorin an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Roma Tre, sowie von Gianni Letta, ranghöchster Staatssekretär beim Ministerpräsidenten der Republik Italien, vorgenommen. Die beiden auf die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer entfallenden Auszeichnungen nahm Heinrich Reinermann entgegen. Dr. Klauspeter Strohm, M.A. Referent für Information und Kommunikation DHV

28.06.2011


Prof. Dr. Mario Martini hält Antrittsvorlesung

Prof. Dr. Martini mit DHV Rektor Prof. Dr. Stefan Fisch

Nachdem er bereits im April 2010 seinen Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaft an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer angetreten hatte, konnte sich Univ.-Prof. Dr. Mario Martini jetzt mit seiner Antrittsvorlesung auch der gesamten akademischen Gemeinschaft an der Hochschule vorstellen. Prof. Dr. Martini, der mit seinem Amtsantritt den Lehrstuhl für Verwaltungswissenschaften, Staats-, Verwaltungs- und Europarecht des emeritierten Univ.-Prof. Dr. Dr. hc. Rainer Pitchas übernommen hat, stellte diese akademische Veranstaltung unter das Thema “Wie viel Gleichheit braucht das Internet? - Netzneutralität als Stellschraube für die Zukunft des Internets”.

Prof. Martini wollte mit dieser Vorlesung einen Beitrag zu der Suche nach rechtsstaatlichen Lösungen für die Verkehrssteuerung im Internet vorlegen. Dieser Verkehrssteuerung komme in dem Maße, in dem das Internet das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben verändere, eine zunehmende Bedeutung zu, betonte Martini in seinem Vortrag. Die Zunahme des Datenverkehrsaufkommens und neue technische Entwicklungen machten zudem eine Diskussion darüber erforderlich, wie die Verkehrsregeln des Internets in der Zukunft konzipiert werden sollten. Hierfür gelte es allerdings schon heute, die Weichen zu stellen.

Prof. Dr. Martini, der nach Abitur und Grundwehrdienst Rechtswissenschaften an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz studierte, promovierte 1998 - ebenfalls in Mainz - über “Integrierte Regelungsansätze im Recht der immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftigen Anlagen” und absolvierte im Anschluss daran sein zweites Juristisches Staatsexamen.

Nach der Übernahme einer Stelle als Wissenschaftlicher Assistent an der Buccerius Law School in Hamburg habilitierte er sich 2006 mit einer Schrift über den “Markt als Instrument der hoheitlichen Verteilungslenkung”.

2007 übernahm Prof. Martini die Vertretung des Lehrstuhls für Verwaltungsrecht an der DHV - Prof. Dr. Dr. hc. Heinrich Siedentopf, ehe er 2008 auf eine Professur für Staats-und Verwaltungsrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität nach München berufen wurde. Dort erreichte ihn dann im Frühjahr 2010 der Ruf auf die Professur in Speyer. cr./Foto: sim

10.06.2011


Prof. Max Dudler gibt Einblick in zeitgemässe Architektur von Bibliotheken

Semestereröffnung in der DHV in Speyer

von Gerhard Cantzler

Demut vor der Geschichte,

Orientierung am Bestehenden ,

Sensibilität für das Berührbare -

so möchte man mit kurzen Strichen das Selbstverständnis von Architektur umschreiben, zu dem sich der Architekt und Planer der neuen Hochschulbibliothek bei der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, Prof. Max Dudler, bei seinem Festvortrag aus Anlass der Semestereröffnung bekannte.

So öffnete er gleich zu Beginn seines Vortrages - sicher auch für manch einen der zahlreichen Besucher überraschend - eine gänzlich neue Perspektive auf die Situation des inzwischen fast fünfzig Jahre alten Gebäudes der Speyerer Hochschule, als er ihren Blick aus dem Vortragssaal, der Aula, in das begrünte Atrium, den Innenhof, lenkte und diesen Blick mit einem Gemälde verglich - eingerahmt durch die Fensterrahmen - ein Gesamtkunstwerk von bleibender Aussagekraft, dessen Schöpfer, Sepp Ruf, Dudler auch heute noch seine uneingeschränkte Reverenz erweist. Das gilt auch für die damals hier verbauten Materialien, die bis heute ihre zeitlose Wertigkeit nicht verloren hätten und die für Dudler durchaus vorbildlich sind.

Mit diesen Feststellungen charakterisierte Max Dudler zugleich sein eigenes Verhältnis zum Material “ich bin ein gelernter Steinmetz und komme aus einer alten Steinmetz-Familie” - da hat man als Architekt das Gefühl für das Material in den Händen und im Herzen.

In zahlreichen mit Fotographien dokumentierten Beispielen zeigte Prof. Dudler dann auf, wie sehr sich seine Entwürfe stets am jeweiligen städtischen Umfeld orientieren. Damit erteilte er  allen Konzepten eine Absage, die Architektur zur Schaffung von Gegenwelten zur bestehender Bebauung  gebrauchten.  Besonders deutlich wurde dies am Beispiel der Diözesanbibliothek in Münster, die in dem überaus sensiblen Umfeld des Domes errichtet wurde und bei der Prof. Dudler bis hin zur Auswahl der verbauten Materialen mit großer Eindringlichkeit auf die Erfordernisse der Umgebung reagierte. “Das ausgewählte Material ist so, dass es sich in wenigen Jahrzehnten an den Dom anpasst”, unterstrich der Professor.

Ein anderes Beispiel außergewöhnlicher Architektur und Materialauswahl stellte er an der Bibliothek der Folkwang-Hochschule in Essen vor, wo er zum ersten Mal mit transluzentem Steinglas ein völlig neuartiges Material einsetzte.

Und dann die neue Bibliothek der Humboldt-Universität in Berlin, das Jacob -und-Wilhelm-Grimm-Zentrum. Auch hier eine an den Bauhausstil gemahnende, aber auch der Romanik zugewandte, aufstrebende Pfeilerarchitektur, die den Blick zum Himmel weitet.

Säulen auch bei dem Gebäude der Reutlinger Philharmonie und dem Landesbehördenzentrum in Eberswalde - bei letzterem gleich 250 Stück - an einen antiken Tempel erinnernd.

Mit zahlreichen Bildern von alten Bibliotheken - überwiegend aus der Renaissance - die er kontrastierte mit eigenen Bibliotheks-Entwürfen - Max Dudler hat in den letzten Jahrzehnten wohl an allen Wettbewerben zur Planung bedeutender Bibliotheken in der Welt teilgenommen und sehr viele davon gewonnen (“ich baue überall in der Welt, nur nicht in China oder in Dubai, denn die haben ihre Geschichte verlassen und ganze historische Städte abgerissen”) -  konnte der Architekt seine Intentionen eindrucksvoll unterstreichen. Er will dazu Zitate aus der Renaissance in die Gegenwart transformieren, wie er betont.

Ein anderes Anliegen des Architekten, der bereits an vielen Hochschulen der Welt als akademischer Lehrer gefragt war und der jetzt als Professor und als Prodekan an der renommierten Kunstakademie in Düsseldorf tätig ist, und der neben der Planung vieler Wohn- und Zweckbauten immer wieder zur Architektur von Bibliotheken zurückfindet, ist der Ausgleich zwischen den beiden wichtigsten Anforderungen an eine Wissenschaftliche Bibliothek: Einerseits die Möglichkeit, in absoluter Stille und konzentriert  arbeiten zu können - anderseits die Notwendigkeit zur fachlichen (und privaten) Kommunikation. Seine Antwort auf diese scheinbar unauflösbare Aufgabenstellung: Eine in vielen seiner Entwürfe - auch in Speyer - verwirklichte Abtreppung der Arbeitebenen, die die ständige optische Kommunikation im Raum ermöglicht.

Ein ganz persönliches Anliegen Dudlers, der die Teilnehmer auch mit seiner lockeren Art für sich einnahm - “Als Schweizer bin ich gerne hier in der Pfalz. Hier geht man viel freundlicher mit den Architekten um als zum Beispiel in Berlin - dort ist der Architekt eher etwas exotisches...” - ist die Einbindung der Speyerer Bibliothek in einen architektonischen Dreiklang mit dem Heidelberger Schloss und dem Hambacher Schloss, der “Wiege der deutschen Demokratie”. An beiden Objekten hat Dudler seine Ideen für außergewöhnliche Ergänzungsbauten umsetzen können, auch da wiederum mit größter Sensibilität für das Material und für die Orientierung an der baulichen Umgebung. In Speyer ist die Suche nach dieser historischen Orientierung besonders leicht: Es ist der Dom, den aufzusuchen Max Dudler bei keinem seiner Besuche vergisst - immer voll demütiger Bewunderung für die mittelalterliche Baukunst.

Bleibt zuletzt nur, sich dem Professor voll inhaltlich anzuschließen, wenn er zum Ende seiner Ausführungen in der Hochschule seiner Hoffnung Ausdruck gibt, dass sein Entwurf für die Speyerer Bibliothek möglichst bald in die Realisierung gehen könne.

Zu Beginn des Abends hatte der Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Stefan Fisch, Zuhörer und Referenten dieses überaus ertragreichen Abends begrüßt und zunächst die Lebensstationen von Prof. Dudler skizziert. Auf die Bibliothek als “Ort der Wissenschaft” eingehend, verwies auch er schon auf den Zielkonflikt zwischen “Stille und Raum für Gespräche in der Bibliothek”, die Prof. Dudler in seinem Konzept vorbildlich gelöst habe.

Zum Schluss der feierlichen Semestereröffnung konnte Prof. Dr. Fisch dem Referenten auch für einen unterhaltsamen Abend danken und einer seit langem bei dieser Gelegenheit geübten angenehmen Pflicht nachkommen: Er konnte einer Doktorandin, der aus Speyer stammenden Rechtswissenschaftlerin Dr. Marion Weschka, die  Promotionsurkunde überreichen. Sie hatte über ein derzeit sehr aktuelles Thema rund um die Präimplantationsdiagnostik und die Stammzellen-Forschung eine umfassende Einschätzung aus rechtlicher Sicht vorgelegt und dafür mit “summa cum laude” bestanden. Gratulation!

11.05.2011


Semestereröffnung an der Verwaltungshochschule

Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Stefan Fisch

Mit der Begrüßung von 340 Hörerinnen und Hörern wurden jetzt zum Anfang des Sommersemesters 2011 zum wohl letzten Male Studierende an der “Hochschule für Verwaltungswissenschaften” eingeführt, denn voraussichtlich bereits in den nächsten Wochen wird die renommierte Speyerer Hochschule in “Universität” umbenannt. Für die Studierenden der verschiedenen Studiengänge der Hochschule - im neuen Semester absolvieren 234 von ihnen ein Ergänzungsstudium und werden bereits nach einem Semester Speyer wieder verlassen, während sich 59 ein zwei Semester währendes Aufbaustudium zum Magister der Verwaltungswissenschaften vorgenommen haben und 44 ein Promotionsstudium aufnehmen  - beginnen damit arbeitsreiche Wochen, denn wie in jedem Jahr zeichnet sich das Sommersemester durch seine besondere Kürze aus.

In seiner Willkommensrede bezeichnete der Rektor der Hochschule, Prof. Dr. Stefan Fisch, das Studium in Speyer als einmalige Chance, über den “Tellerrand” der eigenen Disziplinen hinaus zu schauen. Das gelte auch für den fachlichen und persönlichen Austausch zwischen Hörern der verschiedenen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland. “Sie stellen ein Abbild der Bevölkerung in Deutschland dar”, wandte sich der Rektor an die Studentenschaft, der auch auf die Möglichkeit zur Begegnung mit Vertretern anderer Länder und Kulturen verwies, “und das beste, Sie erhalten hier die Chance, auf dem Campus intensiv miteinander zu leben”.

Dies erhoffen sich auch durchweg die Hörerinnen und Hörer von ihrem Aufenthalt in Speyer. Für Christine Behm wird ihr Aufenthalt in Speyer ohnedies ein eher kurzer sein. Sie will nach ihrem Jurastudium in Mannheim ein Ergänzungssstudium absolvieren und wird für dessen Dauer von Mannheim aus pendeln.

Das hat sich auch Marie Husunu vorgenommen, die als Referendarin beim Landgericht Landau beschäftigt ist und in Speyer eine interdisziplinäre Weiterbildung im Bereich der Wirtschaftswissenschaften anstrebt.

Ähnlich ergeht es auch ihrem Kommilitonen Mischa Walter, der nach seinem Studium der Politikwissenschaften nun in Speyer ein Aufbaustudium in Wirtschaftswissenschaften absolvieren will.

Anders die ebenfalls aus Rheinland-Pfalz kommende Nicole Blinn, die ebenso wie ihre aus Südkorea stammende Kommilitonin Justina Ree in Speyer einen Doktorgrad anstreben: Nicole in Öffentlichem, Justine in Allgemeinem Recht. Die beiden Doktorandinnen werden der Domstadt wohl länger erhalten bleiben, ebenso wie Matthias Leowardi, der nach einem sechs Semestern Politikwissenschaften in Marburg nun in Speyer Wirtschaftswissenschaften studieren wird.

Für alle Studierende, die Speyer und die Speyerer kennen besser kennen lernen wollen, empfiehlt Ximena Himmel eher eine “Bleibe” in der Stadt, ein Privatzimmer, wobei sie weiß, dass es junge Frauen bei der Zimmersuche in Speyer erfahrungsgemäß einfacher haben als ihre männlichen Kollegen. Doch auch denen “kann geholfen werden”, denn die Hochschule ist in jedem Semester bei der Zimmersuche behilflich, soweit sie nicht Zimmer in einem der Wohnheime anbieten kann.

Auf sie wird vielleicht auch noch Matthias Strunk zurückgreifen müssen, denn der junge Gießener, der zuletzt in seiner Heimatstadt immatrikuliert war, hat erst kurzfristig seine Zulassung erhalten und ist deshalb noch “voll auf Zimmersuche”.

 Schließlich trafen wir noch auf eine ganz besondere Studentin: Stefanie Seiler, im “anderen Leben” Mitglied im Speyerer Stadtrat und engagierte Sozialdemokratin, trat wie339 Hörerinnen und Hörer einen neuen Abschnitt ihrer rechtswissenschaftlichen Ausbildung an - nicht weniger gespannt auf das, was auf sie zukommt, aber sicher für manche ihrer Mitstudenten überaus hilfreich - dank ihrer besonderen Ortskenntnisse. cr. Alle Fotos: sim

03.05.2011


Neuer Hörerschaftssprecher gewählt

Gleich am ersten Tag des Sommersemesters 2011 wählten die Hörerinnen und Hörer der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer mit Mirzhan Baimakhanov einen neuen Sprecher und damit Vorsitzenden der Hörerschaftsvertretung. Er tritt die Nachfolge von Jens Abraham, der dem Gremium die beiden letzten Semester vorstand.

Mit der Wahl von Baimakhanov unterstreicht die Hochschule einmal mehr ihre Internationalität, denn der Student kommt aus Kasachstan und lebt mit seiner Familie - Frau und zwei Kindern - seit einem Jahr in Speyer, wo sein Sohn inzwischen die erste Klasse der Grundschule im Vogelgesang besucht.

In seiner Heimat Kasachstan war er zwei Jahre in der Stadtverwaltung von Almati tätig und danach in gleicher Verantwortung in der Hauptstadt Astana.      

Dort studierte er auch das Fach Internationale Wirtschaftsbeziehungen, das er als bester seines Jahrgangs abschloss und deshalb in ein Programm von Regierungsstipendien aufgenommen wurde, das die jeweils besten Studenten eines Jahrganges in verschiedenen Fächern an die jeweils renommiertesten internationalen Universitäten entsendet.

In Speyer nun strebt Mirzhan Baimakhanov einen Abschluss als Magister der Verwaltungswissenschaften an. Aus seiner Tätigkeit als Sprecher der Hörerschaft erhofft er sich Erfahrungen in der Leitung von Gremien, die er auch bei seiner späteren Arbeit in höchsten Verwaltungen seines Heimatlandes einsetzen möchte.

Was ist es, was seinem Vorgänger Jens Abraham an dem jungen Kasachen so besonders imponiert? “Das ist insbesondere der Mut, seine Vorschläge als Gesprächsleiter in die Diskussion der Hörerschaft einzubringen und sich mit seinen sprachlichen Fähigkeiten durchzusetzen.” Foto: sim

 

03.05.2011


Spezialist für Bibliotheksbauten hält Vortrag zur Semestereröffnung

Er hat im vergangenen Jahr mit einem faszinierenden Entwurf den Wettbewerb für den Neubau einer Bibliothek mit angeschlossenem Rechenzentrum an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer (DHV) gewonnen: Prof. Max Dudler, gebürtiger Schweizer und seit dem Jahr 2004 Professor in der Klasse 'Baukunst' an der Kunstakademie in Düsseldorf.

Jetzt kommt Prof. Dudler am Dienstag, dem 10. Mai 2011 nach Speyer, um mit einem Vortrag über "die Architektur der Bibliotheken" um 19.30 Uhr das Sommersemester 2011 an der Speyerer Hochschiule zu eröffnen. Diesem Vortrag sehen nicht allein Dozenten und Hörerschaft der DHV mit großer Spannung entgegen, - auch für alle anderen, an zeitgenössischer Architektur interessierten Bürgerinnen und Bürger in der Region, wird dieser Vortrag Aufschluss darüber geben, wie das Gehäuse aussehen wird, in dem zukünftig die mehr als 300.000 Fachbücher untergebracht sein werden, die diese größte Spezial-Bibliothek für Verwaltungswissenschaften in Deutschland und damit zugleich eine der größten ihrer Art in der Welt in sich birgt.

Baubeginn für die neue Bibliothek, die konzeptionell als Präsenzbibliothek ausgebildet sein wird, ist noch im laufenden Jahr 2011 - mit ihrer Fertigstellung wird im Jahr 2014 gerechnet. Die Auslegung dieser einmaligen Bibliothek bedingt, dass ihre Nutzer unmittelbaren Zugriff auf alle im Bestand befindlichen Bücher haben müssen. Für die Planer bedeutet diese Nutzungsbedingung eine ganz besondere Herausforderung.

Der 1949 in Altenrhein in der Schweiz geborene Max Dudler studierte Architektur an der renommierten Städel'schen Schule in Frankfurt/Main bei Prof. Günther Bock sowie an der Hochschule der Künste in Berlin bei Prof. Ludwig Leo; bei ihm legte er 1980 auch seine Diplomprüfung ab.

Prof. Dudler wurde unter anderem bekannt durch so unterschiedliche Arbeiten wie das Jacob-und-Wilhelm-Grimm-Zentrum an der Humboldt-Universität in Berlin, die Bibliothek der Diözese Münster, den Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen und den Neubau der Frankfurter Börse. In der näheren Umgebung von Speyer zeichnete Prof. Dudler u.a. für den Neu- und Ausbau des Hambacher Schlosses verantwortlich und errang den 3. Preis  beim Wettbewerb zur Überplanung des Erlus-Geländes in Speyer.

Der mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnete Baumeister gilt als einer der Vorreiter des Rationalismus in der Gegenwartsarchitektur, die er immer wieder durchsetzt mit Merkmalen des Schweizer Minimalismus.  

20.04.2011


Baumpflanzung zum Nauryzfest an der DHV Speyer

Die fünf im Wintersemester 2010/11 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer studierenden Regierungsstipendiaten aus den zentralasiatischen Schwesterrepubliken Kasachstan und Kirgisien haben sich zu dem in ihrer Heimat mit einem großen Fest verbundenen Frühlingsanfang etwas besonderes einfallen lassen: Sie haben auf dem Gelände der Hochschule einen Baum gepflanzt. Nauryz ist ein großes Frühlingsfest, das nicht nur in Kasachstan und Kirgisien gefeiert wird. Es geht zurück auf das altiranischen Frühlingsfest Nouruz (wörtlich übersetzt "Neuer Tag"). Seit 2010 ist das Fest auf Beschluss der Generalversammlung der Vereinten Nationen als internationaler Nouruz-Tag anerkannt. Die Generalversammlung stellte in ihrer Erklärung fest, dass "Nouruz ein Frühlingsfest ist, das von mehr als 300 Mio. Menschen seit mehr als 3000 Jahren auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird". Bereits 2009 hatte die UNESCO das Fest, das als zweites Neujahresfest bezeichnet werden kann und sich in einigen Regionen über mehrere Wochen erstrecken kann, in die Liste des Menschheitskulturerbes bzw. als UNESCO-Welterbe aufgenommen. Seine Ursprünge liegen wahrscheinlich in nomadischen Traditionen, den Schnee zu vertreiben und das Vieh in die nach dem Winter von der Natur erneuerten Weidegründe zu treiben. Daher sind Erneuerung, Begrünung und Wachstum wichtige Aspekte dieses Festes. Die Regierungsstipendiaten aus Kasachstan und Kirgisien wollten mit der Pflanzung eines neuen Baumes zum Frühlingsanfang den guten Beziehungen der DHV Speyer zu ihrer Heimat ein bleibendes und wachsendes Denkmal setzen.

(Foto: DHV)

24.03.2011